Tajine, Couscous & Méchoui - Eine Reise in das Reich von Tausendundeiner Nacht

  • Tag 01 – Ankunft im Orient

    Donnerstag, der 12.09.2019:


    Schon vor einigen Jahren ist der Wunsch eines Urlaubs in Marokko in mir geboren. Orient, Muezzin-Rufe, Kamele, Steppe, Gewürze, Tee, Basare, Feilschen, Sahara, das quirlige Marrakesch, Sand, Meer, Palmenoasen, Kultur, alte Berberbräuche. Eine ganz andere Welt. Heute war der Tag da, und eine leichte Aufregung nahm mich in Beschlag. Was würde mich erwarten? Ein richtiges Abenteuer lag vor mir. Von den vielen Bedenken Bekannter, die Marokko als Reiseland als zu unsicher empfanden, ließ ich mich nicht abschrecken. Und so begab ich mich am Morgen mit meinem Koffer, der nur 17 kg wog, anstatt der erlaubten 23, und meinem Handgepäck – ein 6,5 kg schwerer Rucksack statt der erlaubten 8 kg – aus dem Haus. So war noch etwas Raum im Gepäck für eventuelle Mitbringsel.

    Um 04.05 Uhr fuhr mein Zug von Kassel zum Flughafen in Frankfurt. Deswegen war ich bereits zu einer sportlichen Uhrzeit um 02.15 Uhr aufgestanden, um die restlichen Utensilien zu verstauen und ein Taxi zum Bahnhof zu rufen, und zur Not auch noch zum Bahnhof laufen zu können, sollte kein Taxi verfügbar sein. Tja, man muss schließlich für alle Umstände gewappnet sein! Gegen 07.00 Uhr sollte ich ankommen, was mir bis zum Boarding um 09.05 Uhr reichlich Zeit geben sollte. Doch auch, wenn der Zug ausfiele – man kennt ja die Deutsche Bahn – würde ich mit dem Nächsten um 04.59 Uhr wohl noch rechtzeitig ankommen. Da ich bereits online eingecheckt war, müsste ich ja lediglich noch mein Gepäck aufgeben.

    Marokko ist ja nun leider ein sehr großes Land. Allein, um von Marrakesch nach Fès im Norden zu fahren, bräuchte man 5 Stunden, daher scheidet so etwas als Tagesausflug logischerweise aus. Es gibt nationale Flüge nach Fès, doch existieren im Norden und im Süden schlicht und ergreifend zu viele sehenswerte Orte, um alles in einen Urlaub zu packen. Ich hatte mich also entschieden, mich komplett auf den Süden zu konzentrieren. Den Norden mit Orten wie Fès, Rabat, Meknès, Chefchaouen, Tanger und Casablanca würde ich irgendwann später besuchen.

    Jetzt konnte Marokko also kommen. Als erstes kam immerhin schon einmal das bestellte Taxi. Am Bahnhof war zu einer solch frühen Stunde noch nicht viel Betrieb. Doch schließlich fanden sich noch 5 weitere Fahrgäste ein, die den Doppeldecker-Regionalzug nach Frankfurt gemeinsam mit mir bestiegen. Er fuhr pünktlich. Zur Feier des Tages hatte ich mir eine Miniflasche Rotwein und ein Bier mitgenommen, die ich auf der Fahrt genoss. Der Zug füllte sich nach und nach mit zumeist Jugendlichen, die wohl ihre Ausbildungsstellen in Frankfurt und Umgebung aufsuchten.

    2 ½ Stunden später erreichten wir den Frankfurter Sackbahnhof. Gern hätte ich mir ein kleines Frühstück gegönnt, da ich noch nicht wirklich etwas zu mir genommen hatte, doch die S-Bahn zum Flughafen wartete bereits ungeduldig schnaufend auf ihrem Gleis. Na gut, dann frühstückte ich eben am Flughafen nach der Aufgabe meines Koffers.

    Nach der Ankunft am Flughafen fand ich recht schnell die Lufthansa-Serviceschalter, die noch geschlossen hatten. Zwei deutsche Pärchen im fortgeschrittenen Alter warteten bereits vor mir. Sonst noch keiner. Nach und nach füllte sich die Reihe der Marrakesch-Reisenden dann hinter mir. Nach ein paar Minuten öffnete der Schalter, und ich wurde meinen Koffer los. So, nun hatte ich noch Zeit, bis ich zum Boarding an mein Gate musste und gedachte, diese mit einem gemütlichen Frühstück auszufüllen. Ich bestellte mir einen großen Kaffee, ein Schinken-Käse-Baguette und Rührei. Das schmeckte auch ganz hervorragend, doch hatte ich noch nicht einmal die Hälfte zu mir genommen, da kamen Flughafen-Bedienstete mit wedelnden Händen in unseren Bereich. Bombenalarm! Alle müssten nun diesen Bereich verlassen. Wie lange es dauert, könne man nicht sagen. Ts, ts, ts. Recht ärgerlich, da ich doch fast 15 € bezahlt hatte. Was soll’s? Also ging ich halt schon zum Gate. Wurde sowieso langsam Zeit.



    Am Flughafen


    Unsere A 320 hob pünktlich ab, doch muss ich gestehen, dass ich beim Fliegen immer ein kleiner Schisser bin. Nach dem Start und dem Abheben geht es mir nie besonders gut, und mein Magen fühlt sich ganz merkwürdig an. Wenn es dann irgendwann etwas zu essen gibt, beruhige ich mich und reiße mich wieder zusammen. Nicht, weil es etwas zu essen gibt – nein – die Prozedur lenkt mich einfach ab. Man beschäftigt sich mit der Stewardess und mit dem Essen und trinkt eventuell noch ein Schlückchen Wein, und danach geht’s mir regelmäßig besser. Ab dann kann ich auch ohne größere Bedenken aus dem Fenster das Land betrachten, denn ich buche doch stets einen Fensterplatz; diesmal war’s der 14A.



    Über den Wolken


    Die etwa 55 Jahre alte, blonde Dame neben mir war mir von Anfang an sympathisch, und so kamen wir auch schnell ins Gespräch. Während wir den Zürichsee überflogen, unterhielten wir uns über unsere Vorhaben in Marokko. Bereits zum siebten Mal kam sie in das Land und wollte eine Woche bleiben. Sie liebte die Wüste und würde, nachdem sie ein bis zwei Tage in Marrakesch sich noch anschauen wollte, was ihr bislang verwehrt blieb, die restliche Zeit im Südosten in der Gegend um Ouarzazate (sprich: Warsasat) verbringen. Sie hatte einen eigenen Fahrer. Ich beichtete ihr, dass dies meine erste Marokko-Reise sei. Da sei ich aber mutig, meinte sie, dass ich mir dann gleich in Marrakesch einen Mietwagen nehme. Später sollte ich noch erfahren, was damit genau gemeint war.

    Nachdem wir unsere Uhren um eine Stunde zurück gestellt hatten – das heißt, nur sie musste das; mein Smartphone tat dies automatisch – breitete sich unter uns ein großes, braunes Land mit mäandernden Straßen und Gebirgen aus. Der Anflug auf Marrakesch war klasse. Wie groß die Stadt war! Und dann hieß es: „Welcome at Marrakesch Airport!“ Unsere Koffer kamen schnell. Da ich ja eine solch erfahrene Marokko-Reisende an meiner Seite hatte, trennten wir uns nicht gleich. Wir gingen gemeinsam den langen Weg zur Ankunftshalle, und sie zeigte mir noch, wo sie stets gleich etwas Geld wechselte. Normalerweise gedachte ich ja, ausschließlich Geld an Bankautomaten abzuheben, um einen kleinen Kursvorteil zu haben. Auch hatte ich gelesen, dass das Tauschen direkt am Airport nicht besonders günstig sei. Das sei ihr egal, sagte sie. Ob sie nun 9,5 oder 10 Dirham für einen Euro bekäme, mache schließlich keinen so großen Unterschied. Ich ließ mich überreden und wechselte schon einmal meine restlichen 400 €, damit ich für die ersten Tage schon einmal etwas hatte.



    Marrakech Airport


    Dann trennten sich unsere Wege, und wir wünschten einander schöne Tage. Wir hatten gegen 12 Uhr mittags, und ich verließ das Gebäude. 35° und Kakteen. Mann, war das warm. Nun wollte ich mir ja sogleich den gebuchten Mietwagen auf dem Flughafengelände abholen. Das Unternehmen sollte diRent heißen. Ich sah auch viele kleine Autovermieter-Gebäude: Avis, Europcar, Hertz. Doch diRent war nirgendwo zu sehen. Was sollte das? Genau hier musste es doch sein. Also musste ich mich durchfragen. Die ersten Versuche blieben leider von recht bescheidenem Erfolg gekrönt, doch dann zeigte mir ein netter Herr, wohin ich musste. Die Firma diRent habe hier am Flughafen kein Gebäude. Ich müsse einfach zu einem gewissen Punkt auf dem Parkplatz. Dort würde dann ein Herr im Auto sitzen, und um ihn herum ständen seine Mietwagen. Oh, oh. War das ein schlechtes Zeichen? Was hatte ich mir denn da für eine zwielichtige Autovermietung ausgesucht? Ich hatte zuhause ein günstiges Angebot gefunden. Ein Kleinwagen mit Vollkaskoversicherung, extra Allianz-Versicherung, Glas- und Unterbodenversicherung, alle Kilometer frei, 14 Tage für 171 €. Meine Bedenken erwiesen sich als grundlos. Ich sah einen jungen, schwarzhaarigen Marokkaner. Der musste es sein. Perfekt. Er zeigte mir auch gleich meinen Wagen, einen Peugeot in recht gutem Zustand mit 20.000 gefahrenen Kilometern. Der sollte für meine Vorhaben gewappnet sein. Dann gingen wir um den Wagen, und ich inspizierte genauestens bereits vorhandene Kratzer, um nicht nachher noch übers Ohr gehauen zu werden. Der Herr hielt alle Makel auf einer Skizze fest. Dann verlangte er noch meine Kreditkarte, um 935 € Kaution zu blocken. Jaja, ganz schön viel, hatte ich im Vorfeld gedacht, aber ich würde es ja zurückbekommen. Die Tanknadel stand zwischen ¼ und ½. Hhm, etwas wenig. Dann waren wir fertig. Ach ja, es sei ein Diesel.


    Mein Mietwagen


    So, nun konnte ich also los. Vom Flughafen bis zur Medina, wie sich die marokkanischen Altstädte nennen, war es nicht besonders weit. Lediglich die letzten paar Hundert Meter bis zum Riad würde ich nicht fahren können, weil dort die schmalen Altstadtgassen begannen. Ich hatte mir ein Riad ausgesucht, ein traditionelles, altes Haus im marokkanischen Stil mit Innenhof, Wasserbecken, Palmen und kleinen niedlichen Ecken, in welchen man sich einfach nur ausruhen kann. Diese Riads sind inmitten der Stadt kleine Wohlfühloasen und meines Erachtens nach eine bessere und idyllischere Wahl als eine herkömmliche Ferienwohnung oder ein Hotel. Leider kam ich jedoch mit dem Naviprogramm meines Handys nicht ganz klar. Ich hatte mir auch Kartenausschnitte ausgedruckt, doch konnte ich einfach nicht genau bestimmen, wie ich stand und in welche Richtung ich musste. Der Verkehr auf der stark befahrenen Straße war chaotisch. Nach drei Minuten fuhr mir an einem Kreisverkehr um ein Haar ein anderer Wagen in die Seite. Ich befuhr den Kreisverkehr ganz außen. Jedoch ließen einem die Markierungen auf der Straße die Wahl, ob man an der nächsten Abbiegung abbog oder dem Kreisverkehr weiter folgte. Doch der Fahrer links neben mir auf einer inneren Spur wollte an der Abbiegung abbiegen, und ich nicht. Mit quietschenden Reifen blieben wir stehen. Mann, Mann, Mann. Was sind das denn hier für Verkehrsregeln? Nachdem wir weitergefahren waren, kam mir alsbald der Verdacht, dass ich in die falsche Richtung fuhr, also wendete ich und fuhr zurück zum Flughafen. Der Schweiß stand mir auf der Stirn. Was war denn das für ein Chaos hier?

    An der Seite stand ein Polizist, den ich fragen wollte, als neben mir ein einheimischer Mofafahrer hielt. Where Do you come from? Germany! Germany? Ah, mein Bruder auch arbeiten in Deutschland! Das ist die übliche Masche, mit der die Einheimischen meinen, einfacher ins Gespräch mit Dir zu kommen, damit Du eher ihre Dienste in Anspruch nimmst, für die sie selbstverständlich bezahlt werden wollen. So läuft das nun mal in Marrakesch. Jeder ist ganz schrecklich hilfsbereit und will Dir den Weg zeigen, ob Du seine Hilfe nun brauchst oder nicht, und lässt sich auch schwer vom Gegenteil überzeugen, natürlich mit dem Hintergedanken, von dem reichen Urlauber dafür bezahlt zu werden. Ich hatte davon gehört. Hier allerdings konnte ich seine Hilfe gut gebrauchen. Er wolle mit der Mofa vorfahren in die Medina und mich zu einem Parkplatz ganz in der Nähe meines Riads lotsen. Na, dann auf!

    Er gab Gas. Dann kam ich wirklich vollends in den zweifelhaften Genuss des Verkehrs in Marrakesch. Das reinste Chaos! Überall Mofas, Autos, Pferdekutschen und dazwischen noch irgendwelche Eselkarren. Die Mofas schlängeln sich ohne Ordnung überall durch, mal rechts an einem Auto vorbei, mal links. An einer Kreuzung fahren von allen Seiten alle Fahrzeuge los und erst in der Mitte – alles dicht an dicht – entscheidet sich dann, wer zuerst fährt; das ist meist der Entschlossenere. Ein einziges Wirrwarr. Und doch gibt es vergleichsweise wenige Unfälle. Die Marokkaner beschneiden gern Deine Fahrspur. Obwohl sie neben Dir mit dem Mofa fahren und eben noch hinter Dir waren, fahren sie in Deine Fahrspur hinein und quetschen sich vor dich. Diese Stadt konnte ich doch niemals liebgewinnen! Ab und an wartete mein Mofafahrer, wenn ich nicht so recht hinterherkam. Man muss hier defensiv fahren! Wenn man sich nicht sicher ist, was der betreffende Verkehrsteilnehmer tut, sollte man ihn lieber erst machen lassen. Doch in dem Pulk von Fahrzeugen ist dies nicht leicht, und schließlich will man ja selbst auch irgendwann mal ans Ziel gelangen. Bis zum Ende des Urlaubs habe ich nicht verstanden, ob im Kreisverkehr die Fahrzeuge im Inneren Vorfahrt haben oder diejenigen, die von rechts kommen. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob die Marokkaner das verstanden haben. Doch überall sind Kreisverkehre.

    Irgendwann waren wir am Ziel. Unglaublich, dass ich da unfallfrei durchgekommen war. Da hatte mich der nette Mofafahrer selbstverständlich gleich zu einem Bekannten auf den Parkplatz gelotst, damit der auch noch etwas Geld verdiente. Ich drückte ihm 150 Dirham in die Hand, denn er hatte mir ja wirklich einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Zuerst nicht hundertprozentig zufrieden, zog er aber dann ab. Der Parkplatzbetreiber verstand lediglich französisch, holte aber jemanden hinzu, der etwas Englisch verstand. Das Parken sollte täglich 50 Dirham (also ca. 5 €) kosten. Ich bezahlte erst einmal nur für einen Tag. Auf dem Parkplatz standen alle PKW’s dicht an dicht. Der Betreiber wollte den Schlüssel. Den brauche er, damit er das Auto bei Bedarf umparken konnte. Das auch noch! Was sollte ich machen, wenn er das Auto verkaufte, sobald ich weg war? Nun gut, ein bisschen Vertrauen war hier wohl unabdingbar, also drückte ich ihm den Schlüssel in die Hand. Ich nahm Koffer und Rucksack und ließ mir den Weg zum Riad zeigen. Ständig blieb ich stehen und schaute mich um, versuchte mir den Weg einzuprägen, denn später müsste ich ihn selbst finden.



    Auf dem Weg zum Riad


    Der andere Kontinent offenbarte sich deutlich. Orientalische Tempel, Moscheen, Hammams (Badehäuser), alte, verfallene Wohnhäuser mit meist flachen Dächern und vergitterten Fenstern, alle Gebäude größtenteils sandfarben. Oft sieht man diese arabisch aufgeschichteten Backsteine zur Verzierung der Dächer. Viele der Einheimischen tragen Djellabas, diese langen Kapuzenumhänge, oder Kaftane, die Frauen sind meist stark verhüllt. Auch ich gedachte, mir in den nächsten Tagen eine Djellaba zu kaufen. Das ist eben eine typische Landeskleidung, und weiterhin soll dieses Kleidungsstück durch die bei jedem Schritt von unten nach oben durchströmende Luft durchaus eine kühlende Wirkung haben. Bei den Einheimischen wirkt man dann, als befände man sich schon etwas länger im Land, was bei dem einen oder anderen Geschäft durchaus von Vorteil sein kann. Manche tragen nur Unterwäsche darunter oder gar nichts. Esel halfen an einer Baustelle beim Abtransport der Materialien. Um eine Linkskurve herum, dann durch ein großes Tor. Hier begannen die Gassen. Rechts ab durch ein kleines Tor, dann in einem Linksbogen um einige Häuser herum und gerade hinein in eine Sackgasse. Ganz am Ende war mein Riad. Riad Alamir.



    Esel im Einsatz


    Mittlerweile war ich ganz schön kaputt und verschwitzt. Die Eingangstür zum Riad war offen, doch im Inneren niemand zu sehen, auch die Rezeption verwaist. Also klopften wir mit dem Türklopfer laut an die Tür, und mein Helfer verließ mich. Irgendwann rührte sich oben etwas, und jemand kam die Treppe herab. Es war eine einheimische Dame mit Kopftuch. Sie sprach leider ebenfalls nur Französisch. Mit meinen paar bruchstückhaften Französischkenntnissen und Händen und Füßen konnte ich ihr verständlich machen, wer ich war und übergab ihr meinen Voucher. Sie war freundlich und zeigte mir das Riad und mein Zimmer. Alles war etwas in die Jahre gekommen, wenn auch idyllisch und relativ sauber. Die Dachterrasse war großzügig, und man hatte einen Blick auf die Koutoubia-Moschee, die größte Moschee Marrakeschs. Überall im Riad waren kleine, gemütliche Sitzecken mit Kissen. Das Wasser im Becken des Innenhofs sah allerdings nicht besonders klar aus. Mein Zimmer war relativ groß und mittels eines Eisenriegels und angebrachtem Schloss verschließbar. Die Fenster ließen sich relativ fest verschließen, wenn auch die Holzrillen, in denen die Riegel saßen, schon etwas abgenutzt waren. Wenn man unbedingt wollte, kam man hinein, während ich fort war. Aber gut, sowas würde wahrscheinlich niemand tun. Ich hatte auch ein Extrabadezimmer, was einen ziemlich guten Eindruck machte. „Moi, je m’appelle Heiko! Et toi?“ „Fatima!“ Sie verschwand wieder auf der Dachterrasse, wo sie in einem Raum beschäftigt war. Trotz unserer Sprachbarrieren schienen wir uns recht gut zu verstehen, und ab und zu kam ich nach oben, wenn ich eine Frage hatte. Natürlich wollte ich gern ab und zu mal ein Glas Wein abends trinken, und deshalb war für mich von Interesse, ob ich als Gast in dem Haus Alkohol trinken durfte. Sie verstand nicht so recht mein Anliegen und schüttelte den Kopf. Kein Alkohol? Nun, das wäre etwas schade. Dann wollte ich gern wissen, ob ich denn die Möglichkeit hätte, im Riad Getränke zu kühlen und schlug in meinem kleinen Wörterbuch das Wort für kühlen nach. Auch hier verneinte sie.





















    Im Riad


    Nun ja, wie mir schien, ließen sich auf diese Art und Weise nicht furchtbar viele Informationen gewinnen. Manches musste ich eben später klären. Das „Petite Dejeuner“ vereinbarten wir noch für 08:30 Uhr am nächsten Morgen. So würde ich erst einmal lange schlafen und mich ausruhen können. Nachdem ich im Innenhof meinen ersten Muezzin-Ruf von der nahen Moschee vernahm, freuten sich meine Knochen über eine angenehme Dusche. Nun war erst einmal einkaufen angesagt, denn schließlich brauchte ich wenigstens ein paar Getränke. Dass ich auf der Dachterrasse kein Bier oder Wein trinken durfte, wollte ich nicht recht wahrhaben, denn schließlich würde ich das ja nicht in der Öffentlichkeit tun, also galt mein Interesse auch solchen Getränken.

    Den Weg zurück zum Parkplatz fand ich schon recht gut. Oh nein, nun musste ich mich wieder in das Verkehrsgetümmel schmeißen! Ich benutzte Google Maps offline, denn schließlich will man in einem Nicht-EU-Land – wenn man auch keine Internetkarte hat – nicht die mobilen Daten benutzen. Das funktionierte nun recht gut, doch leider funktionierte in Marokko Google Maps nicht mit Sprachausgabe; und ebenso bekam ich nicht angezeigt, wo ich abbiegen musste, so dass ich jedesmal nur die gesamte Strecke vor mir hatte und eben laufend auf dem Display die Strecke manuell weiterschieben musste, um zu sehen, welche Straßen ich zu nehmen hatte. Leider musste ich bei diesem blöden Samsung S9 Plus mit Android sowieso dauernd die Karte berühren, weil das Display ansonsten ausging. Aber wenigstens funktionierte es. Und so war ich recht schnell am Carréfour-Supermarkt am Boulevard Al Yarmouk in der Neustadt. Ich parkte einfach direkt vorm Eingang und verschwand im Geschäft. Nachdem ich Mineralwasser, Orangensaft, einige Flaschen Bier und eine Flasche marokkanischen Rotwein in meinem Wagen verstaut hatte, kam ich wieder heraus.

    Nun stand dort ein Herr mit gelber Warnweste, der für das Parken 10 Dirham von mir forderte. Na gut, wenn’s mehr nicht ist! Ein alter Mann mit zweifelhaftem Zahnerhaltungsgrad bettelte, und da er wirklich bedürftig aussah, drückte ich ihm 20 Dirham in die Hand. Er war glücklich. Gott möge mich segnen. Zu den muslimischen Bräuchen gehört eben auch, ab und zu mal etwas zu geben. Im Peugeot stand die Temperaturanzeige auf 40°. Und mein S9 war überhitzt. Google Maps ließ sich nicht mehr ausführen. Hatte ich denn nur Pech? Das nächste Mal nehme ich ein weißes Smartphone. Da meine Klimaanlage sowieso auf Hochtouren lief, hielt ich das Gerät in die kühle Luft, bis es wieder funktionstüchtig war. Mit was für Problemen man doch zu kämpfen hat! Es ist schon erstaunlich. Relativ stressfrei gelangte ich wieder auf den Parkplatz nahe des Riads. Ich hatte es geschafft. Welch ein Erfolgserlebnis. Wenn man schon einmal fehlerlos den Weg vom Parkplatz durch die Gassen zum Riad findet, fühlt man sich etwas angekommen. Vielleicht würde alles ja doch noch ein gutes Ende nehmen!



    In der Altstadt


    Ich brachte die Getränke auf mein Zimmer und machte mich bereit für den ersten Gang in die Medina, denn wir hatten ja noch Nachmittag. Erste Eindrücke würde ich heute noch sammeln können. Meine erste Erkundungstour stand an. Die Gassen waren unübersichtlich und reich an der Zahl. Wenn man nicht mit Google Maps läuft, hat man keine Chance. Ich sah auch andere Touristen, die das so machten, wechselte zwischen meiner selbst ausgedruckten Karte und dem Handy und bewegte mich auf diese Weise durch die engen Gassen voller Einheimischer, Eselkarren und heranbrausenden Mofas, die mit hoher Geschwindigkeit durch die vollen Gassen düsen. Wenn dich die Einheimischen so sehen, kommt selbstverständlich jeder sofort an und bietet dir ganz uneigennützig seine Hilfe an. Trotz eines „I don’t need your help“ kommen sie dann trotzdem mit, und es ist nicht immer leicht, sie endgültig abzuwimmeln. Die Gassen besitzen reich verzierte Tore und vielerlei Sehenswertes. Durch die Souks (Marktgassen) gelangte ich schließlich zum großen Hauptplatz, dem Djamaâ El Fna.









    In den Souks


    Der Djamaâ El Fna ist Tummelplatz einheimischer Gaukler, Geschichtenerzähler, Schlangenbeschwörer, Trommler, Sänger, Saftverkäufer, Henna-Tätowierer und natürlich ein großer Anziehungspunkt der Fremden. Das war er schon immer. Morgens ist er leer, bis sich dann die genannten Personenkreise im Laufe des Tages auf ihm einfinden. Am späten Nachmittag werden die Garbuden aufgebaut, und man kann hier Lamm, Rindfleisch, Couscous, Gemüse, Hähnchenspieße, Schnecken, Datteln und vieles mehr zu recht günstigen Preisen essen. Datteln und eine Schnecke habe ich probiert, und ich muss sagen, dass sie eigentlich ähnlich schmecken wie Muschelfleisch. Wenn man manche Metzgereien sieht, vor denen komplette, gehäutete Lämmer hängen (und ich weiß nicht, wie lange schon) und Rindsköpfe zum Verkauf ausliegen, man vor mancherlei Imbiß den ganzen Tag den Fisch liegen sieht, fragt man sich natürlich, ob man solch günstig angebotene Speisen zu sich nehmen soll.





    Djamaâ El Fna


    Irgendwie ist Marokko wohl das Land des Orangensafts. Die Masse der Saftbuden am Djamaâ El Fna ist unglaublich. Frisch wird der Saft vor deinen Augen gepresst, schmeckt fantastisch süß und kostet nur 10 Dirham. Ich weiß gar nicht, wie viel ich davon im Urlaub getrunken habe, denn ich liebe Orangensaft. Dann kam ich an den Schlangen vorbei, und – so schnell konnte ich gar nicht reagieren – hatte ich bereits zwei Schlangen um mich hängen. Ein bisschen mulmig war mir dabei schon, zumal ich den Kopf der Einen auch gut festhalten sollte. Zuerst wurde ein Foto zusammen mit einer Kobra gemacht, dann ein Bild von mir und den Schlangen, die um meinen Hals hingen. Man kann sicher davon ausgehen, dass die Tiere sehr zahm und ungiftig sind, doch gut fühlt man sich dabei nicht gerade. Was macht man nicht alles für ein paar hübsche Fotos? Die Forderung meines Hauptgesprächspartners war allerdings witzig. Gib‘ mir 400 Dirham! Ich habe hier eine große Familie, und die wollen alle ernährt werden. Ich gab ihm schließlich 150 Dirham, was immer noch viel zu viel war und machte mich aus dem Staub. Zwei Sänger sangen mir unter dem Geklimper ihrer Qerqabats (Gefäßklappern aus Eisen) ein Lied, in das sie meinen Namen mit einbanden. Ihnen gab ich 50 Dirham, was auch viel zu viel war. Wenn man nicht aufpasst, wird man hier schnell arm. Auch Farbige mit Uhren und T-Shirts kreuzen den Platz und versuchen, ihre Ware an den Mann zu bringen.



    Ich und die Kobra



    Noch mehr Schlangen


    Am unteren Ende des Platzes stehen die Pferdekutschen, und ich versagte das erste Mal im Urlaub beim Feilschen. So konnte ich den erstgenannten Preis für eine einstündige Stadtrundfahrt von 250 Dirham lediglich auf 210 Dirham drücken. Aber es lohnte sich. Mein Fahrer zeigte mir allerhand von der Stadt, sprach auch Englisch, erläuterte mir so Manches und fuhr sogar 65 Minuten mit mir. Wir fuhren durch das Kasbah-Viertel (Kasbah = Festung), die Mellah (Judenviertel), die Neustadt mit ihren prächtigen Villen und Hotels, durch die ich später kaum mehr kommen würde, am Königspalast vorbei, dessen Besichtigung nicht möglich ist, an der Koutoubia-Moschee vorbei; der Fahrer zeigte mir besonders alte Häuser, Hammams und teure Hotels, tränkte zwischendurch an einem Brunnen ausgiebig seine Pferde und brachte mich zurück zum Djamaâ El Fna.



    Die Pferdekutschen



    Pause für die Pferde


    Ein erster Besuch in den Souks durfte natürlich nicht fehlen. Die Hauptgassen der Souks sind die Rue Mouassine, die Rue Kennaria und die Rue Souk Semmarine. Die Erstgenannte nahm ich mir nun vor. Es gibt für alle Waren besondere Bereiche. So gibt es Wollfärbersouks, Ledersouks, Schuhsouks, Keramiksouks, Gewürzsouks, Teppichsouks, Schmucksouks, Eisenschmiedesouks, Holzschnitzersouks, Kräutersouks, Textilsouks, Teekannensouks, Messingtellersouks, Lebensmittelsouks und was-weiß-ich-noch-alles-für-Souks. Doch diese auch noch gezielt nach diesen Bereichen aufzusuchen hielt ich für unmöglich und auch unnötig. Die Stände stehen dicht an dicht, die Waren hängen teilweise noch bis in das Innere der Gassen. So viele Waren hat man noch nicht gesehen.



    Schuhmacher



    In der Wollfärberei


    Und jeder Zweite will natürlich, dass man bei ihm was kauft. Where do you come from und so weiter. Ein einfaches Nein reicht dort meist nicht aus. Schließlich könne man ja mal schauen; das koste ja schließlich nichts. Und weil man ein guter Freund sei, gibt es natürlich auch einen besonders günstigen Preis. Hat man sich erst einmal in ein Gespräch verwickelt, wird man den Verkäufer kaum mehr los, und er kommt sogar hinter einem her. No, I don’t need that. Das Ganze ist sicherlich nicht für jeden etwas. Man muss hart bleiben und darf sich aus der laufenden Anbiederei nichts machen. Die Waren besitzen keine festen Preise und sind frei verhandelbar. Am ersten Tag sollte man lieber noch gar nichts kaufen und sich eher ein Bild der Preise machen, die überall verlangt werden. Der erstgenannte Preis ist manchmal mindestens dreimal so hoch wie der, zu dem man den Artikel bekommen könnte. Das muss man wissen und sollte mit einem entsprechend niedrigen Gebot in den Handel einsteigen. Spätestens beim Gehen wird der Verkäufer einem noch einen günstigeren Preis hinterherrufen. Die beste Zeit für günstige Preise soll ohnehin der Morgen sein, wenn noch nicht so viel los ist.

    Zum Abschluss begab ich mich in ein gutes Restaurant. Ich musste von meiner Unterkunft ca. 20 Minuten in nördlicher Richtung durch die Gassen laufen, bis ich das Dar Zellij erreichte. Es machte einen recht edlen Eindruck und gleicht einem Riad. Im offenen Innenhof befindet sich ein Wasserbecken, in dem Rosenblüten schwammen. Gemütliches Kerzenlicht und Rosenblüten auch auf den Tischen verliehen dem Etablissement eine ganz feine Atmosphäre. Ein Musiker spielte leise auf einer Oud, einer arabischen Knickhalslaute. Die Dachterrasse diente als Bar und bot sogar fast noch mehr Atmosphäre, als es dunkel wurde. Von hier blickte man über die Dächer. Hängende Laternen und Lampen auf den Tischen sorgten für Gemütlichkeit, die nur vom jähen Einsetzen der Muezzin-Rufe unterbrochen wurde. Unglaublich, wie laut die hier oben waren. Auf der Terrasse trank ich ein marokkanisches Casablanca-Bier, was mir sehr gut schmeckte, obwohl es ein Lager ist. Dann begab ich mich nach unten und bestellte eine Méchoui Lamb Shoulder, zartes Lammfleisch vom Spieß mit Gemüse. Da ich großer Lammfan bin, war ich auf den Geschmack gespannt und anschließend weitestgehend zufrieden. Ein Glas Rotwein rundete das Mahl ab, und anschließend begab ich mich wieder hinauf, um noch einen Cocktail zu genießen. Der Preis von 120 Dirham ließ mich aber umdenken und einen Eistee bestellen, der mit seinen Saftanteilen der beste Eistee war, den ich je trank. Als ich später zurück in das Riad kam, lernte ich Rachid kennen, der nachts im Riad arbeitete. Er war sehr freundlich und sprach glücklicherweise gut Englisch. Natürlich dürfe ich Alkohol im Riad trinken, und einen Kühlschrank unten in der Küche gab es auch, den ich mitbenutzen durfte. Perfekt! Ich holte sofort meine Getränke und deponierte sie im Kühlschrank. Um einigen Freunden noch zu berichten, setzte ich mich auf die Dachterrasse auf eine gemütliche Couch. Was für ein Tag!



    Méchoui Lamb Shoulder

    Liebe Grüße

    Heiko


    Heute sind die guten, alten Zeiten, nach denen Du Dich in 10 Jahren sehnst. Genieße sie!!!

  • Danke für den interessanten und schön bebilderten Bericht. Ich habe ihn erst einmal überflogen und die tollen Fotos genossen, muss mir mehr Zeit nehmen, um ihn nochmals genau zu lesen! Am Markt dann standhaft zu bleiben und nichts zu kaufen fiele mir sicher schwer, dafür hätte ich mit den Schlangen kein Problem, aber du offensichtlich auch nicht...


    Johannes

  • Gemach, gemach, jetzt muss ich erst einmal den ersten Tag verdauen, soviel, wie du erlebt hast, klingt das schon nach einer ganzen Woche....


    LG


    Johannes

  • Ich bin ganz fasziniert von Deinem ausführlichen Bericht :) und freue mich schon auf die Fortsetzung. Auch Dein Schreibstil gefällt mir. :thumbup: Da braucht man ja wirklich starke Nerven bei einem Urlaub in dieser Form. 8)


    Für mich wäre diese Art Urlaub allerdings ein No-Go. Aber das macht ja nix. ;)

    Marokko ist schon ziemlich speziell, finde ich. Ich kenne bislang nur Casablanca und Agadir.


    Danke für diese tolle Reise-Erzählung, ergänzt mit interessanten Fotos.

    El mundo es un libro, y quienes no viajan leen sólo una página. (Aurelio Agustín)
    Gruß Jofina

  • Hallo Heiko705


    ein toller Bericht wieder, ich kann alles so gut nachempfinden nachdem ich dieses Jahr das zweite Mal in Marrakech war. Bis auf den Mietwagen habe ich das in ähnlicher Form auch erlebt und empfunden - zumindest beim ersten Besuch der Stadt vor etwa 6 Jahren. Heuer war ich deutlich souveräner - beim ersten Mal wird man fast erschlagen von Eindrücken und davon sich gegen die Menschen zu wehren, die nur dein Bestes wollen, nämlich Dein Geld. (der mit den Schlangen wollte 20 Euro, mit lautstarkem Protest gab ich ihm 2 Euro ;) ) In den Souks hatte ich echt Angst nicht mehr herauszufinden bzw. den Anschluss an meine Freundinnen zu verlieren ( ich bin immer die letzte, weil ich fotografiere und die Gruppe geht dann schon weiter). Diese Stadt ist eine Herausforderung anfangs.


    Ich bewundere sehr Deinen Mut, dieses Abenteuer (besonders mit dem Mietwagen!!) alleine auf dich zu nehmen, da hast Du wirklich meinen größten Respekt.

    Deine Schreibweise lässt zu, dass man sich tatsächlich sehr gut reinversetzen kann in dein Erlebtes.


    Ich bin schon gespannt, wie es weitergeht.

    :blume17: Grüssle von Sylvi


    Nicht woher der Wind weht, sondern wie man die Segel setzt, darauf kommt es an!

  • Hallo Heiko,


    so wie ich es von dir kenne, ein sehr

    fazinierender Reisebericht mit deinen persönlichen Erlebnissen begleitet von einmaligen interessanten Fotos.


    Du hast dich auch bestimmt wieder zu Hause schon gut vorbereitet auf deinen Aufenthalt in Marokko.


    Dein 1. Tag war ja schon sehr aufregend zum lesen, angefangen vom Autofahren, Schlangen und zum Schluss abgerundet mit einem guten Lammessen als wäre man selber dabei gewesen.


    Freue mich schon, wenn es weiter geht mit deiner spannenden Marokko Reise.


    Liebe Grüße

    Steffi

  • Ach, jetzt weiß ich auch, wer die Steffi ist!! ^^


    Das war mir zuerst gar nicht klar. Ich grüße Dich!

    Liebe Grüße

    Heiko


    Heute sind die guten, alten Zeiten, nach denen Du Dich in 10 Jahren sehnst. Genieße sie!!!

  • Hallo Heiko,


    Ein echter Heiko-Bericht wie ich sie seit Jahren kenne. Du hast dich wie immer excellent auf deine Reise vorbereitet und hast auch keine Angst vor dem Unbekannten. Respekt, das traut sich nicht jeder.


    Was Marokko anbelangt, kenne ich dieses Land noch nicht. Obwohl ich gerne abseits vom Trubel auf eigene Faust unterwegs bin, weis ich nicht, ob ich mit dem Mietwagen mitten in so eine Großstadt fahren würde. Auch kann ich mir vorstellen, dass ich nach einiger Zeit von den neuen selbsternannten Freunden, die mir alles mögliche andrehen möchten, genug habe.


    Kenne ich deren Mentalität doch von ein paar Aufenthalten in Ägypten. Dort habe ich mich immer als Däne ausgegeben, der nur Dänisch spricht. "Smörebröt röntöntöntön nix englisch". Das hat oft geholfen. Allerdings habe ich mir damit auf Teneriffa einmal selbst ein Ei gelegt. Vor einen Lokal habe ich mich doch vom Propagandisten ansprechen und in den Gastraum ziehen lassen. Kaum hatte ich Platz genommen wurde mir eine dänische Speisekarte vorgelegt die ich dann gegen eine deutsche umtauschte.


    Grüsse


    Jürgen

  • Heiko....:401:

    Auch ich gedachte, mir in den nächsten Tagen eine Djellaba zu kaufen. Das ist eben eine typische Landeskleidung, und weiterhin soll dieses Kleidungsstück durch die bei jedem Schritt von unten nach oben durchströmende Luft durchaus eine kühlende Wirkung haben. Bei den Einheimischen wirkt man dann, als befände man sich schon etwas länger im Land, was bei dem einen oder anderen Geschäft durchaus von Vorteil sein kann. Manche tragen nur Unterwäsche darunter oder gar nichts

    Hast Du es gemacht? Bitte ein BIld !:)


    Genauso habe ich mir meine Abendlektüre gewünscht!!!

    Unterhaltung und Genuss !

    :thanks:


    Liebe Grüße,

    Elke

  • Jawoll, das sind Deine Berichte, die ich so gerne lese, Heiko.

    Meine Vorredner haben es ja schon auf den Punkt gebracht, super, klasse und wie immer sehr unterhaltsam und gut geschrieben.

    Vielen Dank, und auch ich freue mich schon auf die Fortsetzung.:thumbsup:


    Liebe Grüße, Daniel.

  • Perfekt , diese Ergänzung zum Bericht!

    Du hast diesen erlebnisreichen Tag genossen - und genießt jetzt mit diesen Erinnerungen jeden Moment nochmal ( und lässt uns dran teihaben :401:)


    Liebe Grüße,

    Elke

  • Tag 02 – Die alte Königsstadt

    Freitag, der 13.09.2019:

    Die erste Nacht im Riad zeichnete sich nicht unbedingt durch besonders langen Schlaf aus. Anscheinend wollte sich an das fremde Bett erst einmal gewöhnt werden. Doch hatte ich recht lange im Bett gelegen und frühstückte zu meiner vereinbarten Zeit um 08:30 Uhr. Vorher habe ich oft noch eine Zigarette auf der Dachterasse geraucht und die Sonne genossen. Und heute bin ich noch vor dem Frühstück zu meinem Parkplatz gelaufen und bezahlte für 4 weitere Tage. Das Frühstück wurde von Fatima zubereitet und war recht gut. Es gab Kaffee und Orangensaft, Crêpes, ein Stück Kuchen, Baguette, Butter, Marmelade, Streichkäse, Yoghurt und Bananen. Das Frühstücken war theoretisch auch bereits früher möglich, doch konnte Rachid erst um 08:30 Brot besorgen, also stand meine regelmäßige Frühstückszeit dadurch fest. Auch ein deutsches Pärchen nächtigte im Riad. Sie waren recht zufrieden mit unserer Unterkunft und lobten die Sauberkeit, die ja in solch südlichen Ländern nicht immer unbedingt gegeben sei. Sie wollten zu einer kleinen Wüstentour aufbrechen.



    Frühstück


    Heute sollte mein großer Marrakesch-Tag werden, und so machte ich mich nach dem Frühstück auf. Das erste Ziel konnte ich ja auch bereits schon von weitem sehen, sah ich jeden Abend von meiner Dachterrasse aus und hörte ich auch sehr oft, die Koutoubia-Moschee. Das Minarett ist 77 Meter hoch, und die aus dem 12. Jahrhundert stammende Moschee ist die größte Moschee Marrakeschs und eine der ältesten Moscheen im ganzen Land. Natürlich darf sie ein Ungläubiger nicht betreten, und als ich davor stand, hatte ich aufgrund der Höhe Probleme, sie ganz auf ein Bild zu bekommen. Dahinter befindet sich ein Palmenpark.









    Koutoubia-Moschee


    Bis zum Kasbah-Viertel muss man eine Ecke laufen, doch da man die Saadier-Gräber im Innern bereits früh morgens aufsuchen sollte – der Ansturm der Touristen wird nämlich immer mehr im Laufe des Vormittags – machte ich mich auf den Weg. Unterwegs kaufte ich ein buntes Hemd als Geschenk für die Lieben zuhause und handelte nicht. Der Verkäufer wollte 100 Dirham, und das erschien mir auch angemessen. Den Eingang zum Kasbah-Viertel ziert ein mächtiges Tor, das Bab Agnaou. Auch hier befinden sich einige Marktgassen und eine kleinere Moschee, die Moschee al-Mansur. Die Saadier-Gräber befinden sich an bzw. in künstlerisch sehr beeindruckenden Mausoleen. Hier sollte ich einen ersten Vorgeschmack von der marokkanischen Architekturkunst des Spätmittelalters bekommen. Die Nekropole wurde erst 1917 wiederentdeckt. Hier ruhen vier Sultane und ca. 60 Angehörige der mächtigen Saadier-Dynastie des 16. Jahrhunderts. Die Ausstattung mit Carrara-Marmor und andalusisch anmutendem Mosaik- und Stuckwerk ist wirklich prächtig. Ornamente reichen teilweise vom Boden bis zur Decke. Ich war wirklich erstaunt, was hier bereits in damaliger Zeit erschaffen wurde. Trotz der frühen Zeit tummelten sich in manchen Gängen schon viele Besucher, so dass man ein paar Minuten warten musste, um ebenfalls das Innere betrachten zu können. Am Ausgang wurde mir natürlich vehement ein Buch über die Gräber nahegelegt, was ich jedoch ablehnen konnte.



    Bab Agnaou



    Beim Gewürzverkäufer



    Moschee al-Mansur













    Die Saadier-Gräber


    Die Sonne hatte mittlerweile zu alter Stärke und Kraft zurückgefunden. Ich besuchte den großen Königspalast von Mohammed VI., dessen Besichtigung jedoch strengstens verboten ist. Schon von weitem wird man darauf hingewiesen, dass man nicht fotografieren darf. Dann gelangte ich zu einem Gimbri-Spieler. Die Gimbri ist eine Kastenhalslaute mit lediglich drei Seiten. Ich legte ihm 20 Dirham in seinen Behälter, und er begann wirklich lustig für mich zu spielen. Diese Musiker in Marrakesch pflegen eine Kopfbedeckung mit Bommel zu tragen, und während sie spielen, bewegen sie den Kopf derat, dass sich die Bommel um den Kopf dreht. Sein Spiel hatte mir wirklich gefallen.



    Gimbri-Spieler


    Nicht weit von hier befand sich der El-Badi-Palast. Der Eintritt in so gut wie alle Museen oder Paläste kostete 70 Dirham. Dieser Palast war in der Saadier-Dynastie der größte und prunkvollste Palast Marokkos. Leider ließ ein Sultan im 17. Jahrhundert den Palast größtenteils abtragen, um damit in Meknès seinen eigenen Palast zu errichten. Doch die Dimensionen ließen erahnen, welch großartige Anlage es einst war. Heute sind die Mauern vielfach von Störchen besiedelt, die hier ihre Nester bauen. Im Innern der weitläufigen Mauern, in denen sich auch kleinere Gärten befinden, herrscht größtenteils Ruhe, da sich die Besucher hier sehr gut verteilen. Der aus dem 12. Jahrhundert stammende ca. 2m hohe Gebetsstuhl (auch Minbar genannt) der Koutoubia-Moschee befindet sich hier in einem Ausstellungsraum.




    El-Badi-Palast


    Ich besuchte die Mellah und eine jüdische Synagoge. Der Staat wollte im späten Mittelalter die Wirtschaftskraft der jüdischen Bevölkerung für sich nutzen und sie vor Ausschreitungen durch die andersgläubige Mehrheitsbevölkerung schützen. Deshalb wurde die Mellah häufig in der Nähe des königlichen Palastes oder der Kasbah des Gouverneurs errichtet. Im 19. Jahrhundert waren getrennte jüdische Viertel in allen Städten Marokkos üblich. Die Gassen hier waren besonders eng, alles erschien hier noch älter und ursprünglicher, und die Preise für angebotene Gewürze sind wohl etwas tiefer als in den Souks der Medina. Die Slat Al Azama Synagoge hat mich in der Tat beeindruckt. Auch sie besitzt einen Innenhof wie ein Riad, der sehr kunstvoll in blau-weißen Farben gefliest ist; hier kann man sich auch gemütlich setzen. Auch eine Ausstellung zum Leben der marokkanischen Juden befindet sich im Innern. An einer niedrigen Türzarge schlug ich mir mal wieder den Kopf an. Waren wohl alle recht klein, die Juden Marrakeschs. Die Gebetsräume waren aufwändig eingerichtet.






    Die Synagoge


    Der Bahia-Palast war wieder sehr prunkvoll – ähnlich wie die Mausoleen der Saadier-Gräber. Die Innenhöfe haben zum Teil große Ausmaße. Einer von ihnen ist parkähnlich begrünt und sehr idyllisch. Die Verzierungen und Ornamente, die kunstvoll gearbeiteten Türen und Tore, all das ist sehr beeindruckend. Der Palast wurde von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt und ist eher jüngeren Datums, da er erst im 19. Jahrhundert erbaut wurde. Er hat eine Grundfläche von 8.000 m² und besitzt über 160 Räume, unzählige Patios und viele Riads. Überall trifft man auf einen andalusischen und maurischen Baustil. Man könnte sich hier sehr leicht verlaufen, wenn nicht hin und wieder Pfeile an den Wänden angebracht wären. Fast in jedem Raum sind kunstvolle Fliesen aus Marmor, phantasievolle Mosaiken und Arabesken aus Stuck zu sehen. Die Zimmerdecken wurden im maurischen Stil aus Zedernholz geschnitzt und mit vielen kleinen Details verziert. An drei hohen Säulen befanden sich Steckdosen, die natürlich alle belegt waren. Die Smartphone-Akkus der Touristen wurden hier auf Hochtouren aufgeladen.










    Bahia-Palast


    Mittlerweile war es Mittag geworden. Bis zum Museum Dar Si Said war es nicht weit. Ein Einheimischer zeigte mir die letzten Meter des Weges und wollte unbedingt, dass ich im Anschluss an den Besuch mit ihm komme, damit er mir etwas zeigen (und natürlich verkaufen) konnte. Das Museum widmet sich vorrangig den kunsthandwerklichen Erzeugnissen der Berberkultur, bestach für mich aber vor allem wieder mit der kunstvollen Architektur ähnlich wie der Bahia-Palast oder die Saadier-Gräber. Eines dieser Gebäude ist schöner als das Andere. Das im späten 19. Jahrhundert errichtete Palais gehörte einem Kriegsminister des Sultans und Bruder des damaligen Großwesirs und besitzt ebenfalls gartenartige Innenhöfe. Hier werden Schmuck, Keramik, Türen von Speicherburgen und Berberteppiche ausgestellt. Als ich aus dem Museum herauskam, hatte ich es plötzlich sehr eilig und konnte mit dem in der Nähe wartenden Einheimischen leider nicht mitgehen.


    Auf dem Weg zum Museum






    Museum Dar Si Said


    Nun hatte ich mir vorgenommen, vom Busbahnhof nahe der Koutoubia-Moschee zum Jardin Majorelle mit dem Bus zu fahren. Zu Fuß hätte ich nämlich knapp 40 Minuten bis zu diesem herrlichen Garten laufen müssen. Bei den Bussen angekommen fragte ich nach den Linien, die zum Garten fahren würden, und man nannte mir auch drei. Als nach mindestens 10 Minuten aber noch immer kein geeigneter Bus angehalten hatte – einer kam zwar, doch einsteigen durfte man nicht – winkte ich mir ein Taxi herbei. Diese 50 Dirham hatte ich nun auch noch, auch wenn der Preis für die nicht besonders weite Fahrt wohl überzogen war. Es lohnte sich jedoch. Nachdem ich mich an der langen Schlange vor dem Eingang angestellt hatte und auch hier 70 Dirham bezahlte (Einheimische zahlen nur 40), fand ich mich in einer kleinen Oase wieder. Zum Trubel der Stadt war dies ein erholsamer Kontrast. Man fühlt sich hier fast wie im Urwald, der Geist entschleunigt automatisch und genießt. Der Jardin Majorelle ist ein historischer botanischer Garten. Der Park wurde 1924 angelegt, doch geriet dann in Vergessenheit, bis er von dem Modeschöpfer Yves Saint Laurent und seinem Partner wiederentdeckt und restauriert wurde. Hier schufen sie sich ein kleines Paradies. Heute ist der Park mit über 600.000 Besuchern im Jahr eine beliebte Sehenswürdigkeit in Marrakesch. Bougainvillea, Kakteen, Bambus und Wasserlilien beispielsweise wurden in der ganzen Welt gesammelt und hier, umringt von hohen Palmen und Wasserläufen, angesiedelt. Nach dem Tod Laurents 2008 soll seine Asche im Rosengarten verstreut worden sein. Der Park beherbergt weiterhin ein blaues Atelier, eine Boutique, eine Bibliothek und ein Restaurant. Auch einige Japaner fanden sich hier, die ganz klischeehaft alles auf Bild festhalten und überall Selfies machen mussten. Die Namen vieler Besucher waren auf Bambusstämmen verewigt. Nicht wenige Besucher sieht man auf Bänken sitzend und einfach ein Buch lesen. Eine herrliche Ruhe.






    Jardin Majorelle


    Ein weiteres Stadttor der Medina ist das Bab Doukkala nebst gleichnamiger Moschee. Nach dem Besuch des botanischen Gartens bat ich einen weiteren Taxifahrer, mich dort hinzubringen – und dieses Mal zahlte ich nur 35 Dirham. Leider musste ich dann feststellen, dass ich am Bab Moussoufa war, einem Stadttor im Norden von meinem eigentlichen Ziel. Auch hier fand ein Markt statt, doch fand ich es in diesem Bereich sehr ärmlich und unsauber. Bis zum gesuchten Stadttor brauchte ich dann nur 5 Minuten. Die zugehörige Moschee erschien mir dann aber recht unscheinbar, und der Eintritt war für mich natürlich tabu.


    Bab Moussoufa


    Bab Doukkala


    In südöstlicher Richtung – wieder in der Nähe des Zentrums – gelangte ich im Anschluss zum Palast Dar-el-Bacha. Nachdem ich einen Polizisten befragt hatte, wo sich denn der Eingang befände und dennoch nicht erfolgreich war, kam ich zurück und bat ihn mitzukommen. Und er tat es wirklich. Dar-el-Bacha bedeutet "Haus des Paschas". Es ist ein schönes Beispiel maurischer Architektur mit Brunnen und Orangenbäumen im Innenhof, traditionellen Sitzbereichen und einem Hammam. Einige der ursprünglichen Innendesignmerkmale wurden beibehalten und restauriert, darunter die geschnitzten und bemalten Zedernholztüren, schwarz-weiß karierten Marmorböden, Decken mit bunten Mosaiken und Säulen mit natürlichen Pigmenten wie Indigo, Safran und Mohn. Kurz gesagt ist es ein Juwel und braucht sich nicht vor den zuvor gesehenen Palästen und Museen zu verstecken.





    Dar-el-Bacha


    Ein Hammam ist ein Badehaus, und auch ich gedachte am heutigen Tage ein Hammam zu besuchen. Das gehört zur marokkanischen Kultur. Die Einheimischen treffen sich hier und hören die neuesten Neuigkeiten. Man lässt sich mit schwarzer Seife massieren und es sich gut gehen – Wellness sozusagen. In früheren Zeiten gab es in den Wohnhäusern gar kein Wasser, und so war ein Badehaus die einzige Möglichkeit, sich zu waschen. Da ich aber bedachte, dass ein Besuch mich mindestens weitere 350 Dirham kosten würde und ich heute schon sehr viel Geld in Eintrittskarten investiert hatte, nahm ich davon Abstand. Ich hatte mir dafür eigens das Hammam Mouassine in der Medina ausgesucht, musste später jedoch feststellen, dass es nur für Frauen war. In den Hammams sind Männer und Frauen sowieso getrennt. Vielleicht würde ich später einen Hammam-Besuch nachholen!

    Ich war heute sehr viel gelaufen, und als ich nun wieder in die Nähe meines Riads kam, nutzte ich die Chance, um kühl zu duschen und mir frische Kleidung anzuziehen. Welch ein Genuss das war, nachdem ich den ganzen Tag in der Sonne unterwegs gewesen war. Im Riad lernte ich nun Ajif kennen, der nachmittags für das Haus zuständig war. Ich verstand mich mit ihm sehr gut. Als er vorschlug, dass wir nun die Bezahlung regeln könnten, er aber mit dem Lesegerät für die Kreditkarte nicht zurechtkam, ließ er verlauten, er würde Rachid Bescheid sagen. Der könne das.

    Durch die Dusche frisch erholt, schmiss ich mich sogleich wieder ins Getümmel. Das Dar Cherifa gilt als das älteste Haus Marrakeschs und lag in der Nähe meines Riads. Heute ist es eher eine Art Café, in dem man gemütlich Platz nimmt und seinen Tee trinkt. Es ist stilvoll eingerichtet und besitzt noch die alten, kunstvollen Holzornamente an den hohen, verzierten Wänden. So ist es ebenfalls eine Oase der Ruhe. Obwohl ich nichts zu mir nahm, durfte ich mich frei umschauen und Fotos machen. Auch die Dachterrasse ist herrlich und lädt zum Verweilen ein.







    Dar Cherifa


    Wenn ich abends in den Gassen der Medina unterwegs war, bin ich des Öfteren Jugendlichen begegnet, die mir weismachen wollten, dieser Durchgang sei geschlossen, was selten der Wahrheit entsprach. Ich erklärte mir dieses Verhalten damit, dass sie hofften, etwas Geld zu verdienen, wenn ich mir einen angeblich besseren Weg von Ihnen zeigen ließe.

    Zum Ausklang des Tages besuchte ich nun nochmal den Djamaâ El Fna, um einen weiteren Orangen- und auch einen Granatapfelsaft zu genießen und streifte durch die Rue Souk Semmarine und die Rue Kennaria, also die Teile der Souks, die ich bislang noch nicht kannte. Für die gewöhnungsbedürftige Verkaufsstrategie der Marktleute hatte ich mich geistig gewappnet. In den Gewürz-und Kräutersouks duftet es natürlich herrlich. Schon im Vorfeld hatte ich von der besonderen Kräutermischung Ras el-Hanout gehört, die ganz fantastisch schmecke und eine Mixtur aus über 50 einzelnen Gewürzen sei. Auf dem Djamaâ El Fna steigt einem der Duft von Gebratenem in die Nase. Doch riecht es leider nicht überall gut. Es gibt nicht wenige Wohngassen, die sehr dreckig sind und in denen der Geruch sehr grenzwertig ist. Es ist unübersehbar, unter welch ärmlichen und unsauberen Verhältnissen in der einen oder anderen Gasse gelebt wird. Ich sah Käfige mit Massen von dicht an dicht am Boden kauernden Hühnern. Nicht selten erlebte ich es, dass zum Beispiel ein Restaurant- oder Hausbesitzer den Boden vor seinem Gebäude mit Wasser bespritzte. Was sollte das bedeuten? Sollte das die Situation etwa angenehmer gestalten?






    In den Souks


    Zurück in der Kennaria kaufte ich mir ein braunes, marokkanisches, aber dezentes Hemd. Von der Idee, mir eine Djellaba zu kaufen, hatte ich mich nun weitestgehend verabschiedet. Vielleicht war das als Tourist dann doch eine Spur zu viel des Guten. Schließlich war mir noch kein Fremder in einer Djellaba begegnet, und auch später sollte ich insgesamt nur zwei sehen, einen Europäer und einen Asiaten. So wäre das braune, leicht verzierte Hemd für mich angemessener. Doch ein weiteres Mal versagte ich beim Feilschen. Das Anfangsgebot des Verkäufers lag bei 280 Dirham. Ich schaffte es leider nur, den Preis auf 210 zu drücken. Warum blieb ich nicht einfach hart und ging nach meinem Anfangsgebot von 150 Dirham? Vielleicht hätte er mir hinterhergerufen, dass er damit schließlich doch einverstanden war. Das Feilschen musste ich noch üben. Der Verkäufer fragte mich nach meinem Beruf, und ich musste feststellen, dass es alles Andere als einfach ist, einem Marokkaner zu erklären, was ein Sozialversicherungsfachangestellter ist.

    Auf dem Djamaâ El Fna hatte man mit einem Spiel begonnen. Die Touristen bekamen mit kleinen Reifen bestückte Angeln in die Hände und konnten damit nach Limonadenflaschen angeln. Sollte der Reifen genau über die Spitze einer Flasche rutschen, durfte man die Flasche behalten. Als ich ein Foto vom Geschehen machte, lief bereits der Veranstalter auf mich zu, damit ich doch ebenfalls teilnehme. Schnell weg hier. Das schafft man sowieso nicht.


    Schnell weg hier


    Zum Abendessen besuchte ich das Restaurant Le Salama in der Rue Kennaria. Das ist auch eine durchaus bessere Adresse. Das Restaurant hat mehrere Etagen, und ich nahm ganz oben Platz. Von hier aus schaut man über die Dächer der Stadt. Die Atmosphäre war schummrig angenehm, und von der Decke rankten viele Grünpflanzen in Blumentöpfen herab. Ich entschied mich für eine Rindfleisch-Tajine mit Pflaumen. Die Tajine ist in Marokko eine sehr gängige Form der Essensdarreichung. Schon vor tausenden von Jahren nutzten die Berber diese Lehmtöpfe zum Schmoren von Fleisch und Gemüse. Denn in der Tajine verteilt sich die Hitze perfekt, und das Gargut bleibt knackig, schmort schonend und wird wunderbar aromatisch. Sie ist ein runder Topf mit kegelförmigem, spitz zulaufendem Deckel. Durch das Schmoren bleiben Fleisch und Gemüse in der Tajine unglaublich saftig und nehmen den Geschmack von Gewürzen besonders gut an. Dann gibt es auch noch die Tangia, ein urnenartiger Topf, in der die Speise für noch längere Zeit geschmort wird, wie man mir erzählte. Natürlich kann in der Tajine vieles zubereitet werden, doch oftmals scheint die Auswahl an Tajines sehr begrenzt zu sein. In manchen Restaurants gibt es lediglich eine vegetarische Tajine und eine Chicken-Tajine. Im Le Salama hatte man zum Glück etwas mehr in der Auswahl, und ich muss sagen, dass meine Rindfleisch-Tajine eine der besten Mahlzeiten des kompletten Urlaubs war. Zusammen mit den Pflaumen, einer sehr fruchtigen Soße und Sesamkörnen schmeckte das Rindfleisch hervorragend. Fleisch und Früchte kann man sehr gut miteinander kombinieren. Dazu gönnte ich mir ein Glas Rotwein. Die Bedienung brauchte jedoch immer eine gewisse Zeit. Mir war schonklar, wenn ich nun die Rechnung verlangen würde, würde der Ober sie mir hinlegen und dann wieder verschwinden. Genauso kam es. Er legte die Rechnung hin und drehte sich um. Ich sagte: „Please stay here!“ Daraufhin musste das Pärchen am Nebentisch lachen. Tja, ich wollte aufbrechen und mag es einfach nicht, dann wieder ewig warten zu müssen, bis ich zahlen kann. Natürlich kann man das Geld auch einfach hinlegen, doch was macht man, wenn man es nicht passend hat? Ich zahlte also. Das Pärchen konnte mich sehr gut verstehen und stimmte mit mir überein, dass die Location sehr schön war, die Bedienung aber zu wünschen übrig ließ. Zurück im Riad traf ich wieder Rachid an. Gemeinsam gingen wir die Sache mit dem Kreditkartenleser an, und für Rachid war das wirklich kein Problem. Ich entdeckte leichte Blasen an meinen Füßen.





    Im Le Salama

    Liebe Grüße

    Heiko


    Heute sind die guten, alten Zeiten, nach denen Du Dich in 10 Jahren sehnst. Genieße sie!!!

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