Alljährlich am 15. August (Mariä Himmelfahrt, in Bayern gesetzlicher Feiertag) findet in Roggenburg das "Leiberfest" statt, eine Prozession mit den "heiligen Leibern", die sich in den Seitenaltären der Klosterkirche befinden.
"Heilige Leiber" sind Ganzkörperreliquien, die aus den römischen Katakomben stammen. Im Mittelalter waren die Katakomben in Vergessenheit geraten; 1578 wurde die erste wiederentdeckt, danach fand man weitere, und damit besaß Rom Unmengen von Gräbern (Schätzungen sprechen von 75.000), die man in Bausch und Bogen für Christen-, ja Märtyrergräber hielt. Vor allem im Barock wurden die Überreste tausender "Märtyrer" in die Länder nördlich der Alpen exportiert. Sie wurden mit kostbaren Stoffen, Goldspitzen und Edelsteinen geschmückt und in Glasschreinen auf den Altären zur Schau gestellt.
Wohlhabende Klöster leisteten sich gleich etliche "heilige Leiber", nach Möglichkeit einen für jeden der Seitenaltäre. Das Prämonstratenserkloster Roggenburg bekam 1726 anläßlich seiner 600-Jahr-Feier vier Märtyrerleiber. Normalerweise sind ihre Altarschreine hinter Bildern des Malers Franz Martin Kuen (1719-1771) verborgen.
Am Tag vor der Prozession wird jeder „Heilige Leib“ in ein offenes Traggestell gesetzt. Da von den in den Katakomben Gefundenen nur sehr selten Namen bekannt waren, gab man ihnen welche. Die Roggenburger Heiligen heißen Laurentia, Severina, Valeria und Venantius. Rom stellte recht vage formulierte Echtheitszertifikate aus: „Die Knochen stammen aus den Kammern unter der Stadt.”
Frauen und Mädchen sind stundenlang damit beschäftigt, die Traggestelle mit Blumen zu schmücken.
Am nächsten Tag, dem "Leiberfest": Der Gottesdienst ist zu Ende, die Prozession beginnt. Ein kleiner Junge geht dem Zug voran. Junge Männer, in feierliches Schwarz gekleidet, tragen den Leib des heiligen Venantius.
Junge Mädchen tragen die Leiber der heiligen Laurentia, Severina und Valeria. Es galt als unschicklich, weibliche Heilige von Männern tragen zu lassen – vor allem, da man bei Märtyrerinnen voraussetzte, daß sie als Jungfrauen gestorben waren. So wird es auch in Roggenburg noch gehalten: Auch wenn die Gestelle schwer sind – Jungfrauen werden von Jungfrauen getragen.
Zwischen den Trägerinnen und weiblichen Prozessionsteilnehmern zieht die heilige Severina dahin. Ein junger Mann aus dem Nachbardorf trägt eine Fahne mit der Bitte an seine eigene Ortsheilige voran: „Sankt Agatha, schütze Ingstetten.”
Die Mädchen sehen nicht so aus, als machten sie sich Gedanken um ihren Tod.
Die Geistlichkeit in Prunkgewändern und die Mönche des Prämonstratenserklosters.
Meßdiener, Vereine und die Musik ...
Männergruppen tragen die alten Abzeichen der Totenbruderschaft.