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Das Roggenburger Leiberfest

  • nyra
  • 17. August 2016 um 20:06
  • nyra
    Gast
    • 17. August 2016 um 20:06
    • #1

    Alljährlich am 15. August (Mariä Himmelfahrt, in Bayern gesetzlicher Feiertag) findet in Roggenburg das "Leiberfest" statt, eine Prozession mit den "heiligen Leibern", die sich in den Seitenaltären der Klosterkirche befinden.

    "Heilige Leiber" sind Ganzkörperreliquien, die aus den römischen Katakomben stammen. Im Mittelalter waren die Katakomben in Vergessenheit geraten; 1578 wurde die erste wiederentdeckt, danach fand man weitere, und damit besaß Rom Unmengen von Gräbern (Schätzungen sprechen von 75.000), die man in Bausch und Bogen für Christen-, ja Märtyrergräber hielt. Vor allem im Barock wurden die Überreste tausender "Märtyrer" in die Länder nördlich der Alpen exportiert. Sie wurden mit kostbaren Stoffen, Goldspitzen und Edelsteinen geschmückt und in Glasschreinen auf den Altären zur Schau gestellt.

    Wohlhabende Klöster leisteten sich gleich etliche "heilige Leiber", nach Möglichkeit einen für jeden der Seitenaltäre. Das Prämonstratenserkloster Roggenburg bekam 1726 anläßlich seiner 600-Jahr-Feier vier Märtyrerleiber. Normalerweise sind ihre Altarschreine hinter Bildern des Malers Franz Martin Kuen (1719-1771) verborgen.


    Am Tag vor der Prozession wird jeder „Heilige Leib“ in ein offenes Traggestell gesetzt. Da von den in den Katakomben Gefundenen nur sehr selten Namen bekannt waren, gab man ihnen welche. Die Roggenburger Heiligen heißen Laurentia, Severina, Valeria und Venantius. Rom stellte recht vage formulierte Echtheitszertifikate aus: „Die Knochen stammen aus den Kammern unter der Stadt.”

    Frauen und Mädchen sind stundenlang damit beschäftigt, die Traggestelle mit Blumen zu schmücken.


    Am nächsten Tag, dem "Leiberfest": Der Gottesdienst ist zu Ende, die Prozession beginnt. Ein kleiner Junge geht dem Zug voran. Junge Männer, in feierliches Schwarz gekleidet, tragen den Leib des heiligen Venantius.


    Junge Mädchen tragen die Leiber der heiligen Laurentia, Severina und Valeria. Es galt als unschicklich, weibliche Heilige von Männern tragen zu lassen – vor allem, da man bei Märtyrerinnen voraussetzte, daß sie als Jungfrauen gestorben waren. So wird es auch in Roggenburg noch gehalten: Auch wenn die Gestelle schwer sind – Jungfrauen werden von Jungfrauen getragen.


    Zwischen den Trägerinnen und weiblichen Prozessionsteilnehmern zieht die heilige Severina dahin. Ein junger Mann aus dem Nachbardorf trägt eine Fahne mit der Bitte an seine eigene Ortsheilige voran: „Sankt Agatha, schütze Ingstetten.”


    Die Mädchen sehen nicht so aus, als machten sie sich Gedanken um ihren Tod.


    Die Geistlichkeit in Prunkgewändern und die Mönche des Prämonstratenserklosters.


    Meßdiener, Vereine und die Musik ...


    Männergruppen tragen die alten Abzeichen der Totenbruderschaft.

  • waldi
    Administrator
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    • 17. August 2016 um 20:25
    • #2

    Danke nyra, dass Du uns an diesem (für mich etwas fragwürdigen) Fest teilhaben lässt.
    Nix gegen Gläubigkeit, aber dieses Gehabe finde ich makaber.
    Tote sollte man ruhen lassen!


    Liebe Grüße von waldi :174:

    Und immer neugierig bleiben!

  • Gast001
    Gast
    • 17. August 2016 um 20:54
    • #3

    Seltsam....ich habe Deinen Bericht mit zunehmender Verwunderung gelesen...
    Interessant zu wissen, dass das auch heute noch eine ernst genommene und gepflegte "Tradition" ist...

    Danke Nyra, ( auch für die Hintergründe ) ich wusste nicht, dass es es so etwas in der katholischen Kirche noch gibt.

    Ob mir das mal jemand erklären kann?????

    Liebe Grüße,
    Elke

  • Josef
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    • 17. August 2016 um 21:05
    • #4

    Hallo nyra!

    Danke für diesen herrlichen Bericht eines mir völlig fremden Brauches.

    Das Roggenburger Leiberfest muss etwas ganz besonderes sein.
    Habe mir diesen Bericht mehrere male angesehen, da ich einen solchen Prunk
    bei Umzügen noch nie gesehen habe.

    Deine Fotos sind einsame Spitze, wie Du alles bis ins Detail zeigst.
    Wie die Männergruppen die alten Abzeichen der Totenbruderschaft tragen..

    Liebe Grüße

    Josef

  • vadda
    Gast
    • 17. August 2016 um 23:34
    • #5

    Abgesehen von deinen schönen Bildern und den Erläuterungen - die Geschichte muss ich erst einmal sacken lassen.

    Lieben Gruß,
    Klaus

  • tosca
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    • 18. August 2016 um 00:10
    • #6

    Danke nyra.

    für die Vorstellung dieses Brauches.
    Auch hier bei uns im äußersten Zipfel Südbadens gibt es einen ähnlichen Brauch. In einem kleinen Dinkelberg-Dorf Namens Eichsel werden die Reliquien dreier heiligen Jungfrauen beim Fest "Eichsler Umgang" in einer feierlichen Prozession durch den Ort getragen, welcher mit Blumenteppichen geschmückt ist. Das Fest findet jedes Jahr am 3. Sonntag im Juni statt, und endet in einem Volksfest.


    Zitat aus Wikipedia:
    Bereits die erste Erwähnung der Ende des 12. Jahrhunderts erbauten gotischen Kirche St. Gallus in Obereichsel (von der jedoch nur der Turm erhalten ist) erfolgte in Zusammenhang mit der Verehrung der Heiligen Drei Jungfrauen Kunigunde, Mechtrudis und Wibranda. Über die drei Jungfrauen ist nur wenig bekannt. Sie sollen etwa im 9./10. Jahrhundert, also noch in der Zeit der Karolinger, gelebt haben. Die Legende besagt, dass die drei Frauen zu den Anhängern und Märtyrern der heiligen Ursula von Köln gehörten, die von England nach Deutschland reisten, um die heiligen Missionare Fridolin von Säckingen und Gallus bei der Christianisierung zu unterstützen. Die Jungfrauen begleiteten die Heilige auf ihrer Fahrt nach Köln.

    Auf dem Reiseabschnitt nach Basel erkrankten sie und starben in Rappersweier in der Nähe von Eichsel. Sie wurden daher in Eichsel begraben. Die Beisetzung erfolgte jedoch offenbar in bereits christianisierter Zeit, da ihre Gräber innerhalb der heutigen Kirche liegen, dicht an der Außenwand. Bald darauf ereigneten sich an ihren Gräbern angeblich Wunder.


    Der Mägdebrunnen zwischen Eichsel und Adelhausen

    In den Akten zum Prozess von 1504 die 1726 publiziert wurden, sind auch die Aussagen mehrerer Zeugen enthalten, die von der Überlieferung berichteten, dass eine der drei Jungfrauen auf dem Weg nach Rapprechtsweier großen Durst bekam und ihren Wanderstab in den Boden steckte, worauf dort eine Quelle entsprungen sei. Dieser Mägdebrunnen ist heute ein Kleindenkmal zwischen Eichsel und Adelhausen.

    Mehr darüber hier
    httpss://de.wikipedia.org/wiki/Eichsler_Umgang
    https://www.suedkurier.de/region/hochrhe…t372615,8784946

    :blume17: Grüssle von Sylvi

    Nicht woher der Wind weht, sondern wie man die Segel setzt, darauf kommt es an!

  • nyra
    Gast
    • 18. August 2016 um 09:23
    • #7
    Zitat von tosca

    Auch hier bei uns im äußersten Zipfel Südbadens gibt es einen ähnlichen Brauch. In einem kleinen Dinkelberg-Dorf Namens Eichsel werden die Reliquien dreier heiligen Jungfrauen beim Fest "Eichsler Umgang" in einer feierlichen Prozession durch den Ort getragen, welcher mit Blumenteppichen geschmückt ist. Das Fest findet jedes Jahr am 3. Sonntag im Juni statt, und endet in einem Volksfest.

    Danke, tosca! Davon hatte ich noch nie gehört, obwohl ich die Ecke Säckingen-Rheinfelden-Basel von mehreren Urlaubsaufenthalten her kenne.

    Ja, da gibt es eine Art Nord-Süd-Gefälle: Je nördlicher man wohnt, um so schrecklicher findet man so etwas ...

    Reliquienprozessionen waren früher etwas Selbstverständliches; die meisten dürften in der Zeit der Aufklärung verschwunden sein (und in evangelischen Gegenden natürlich im Zuge der Reformation). Es gibt aber doch noch etliche. Hier die, von denen ich weiß:

    • In Radolfzell am Bodensee werden beim "Hausherrenfest" die Reliquien der Stadtheiligen in geschlossenen Schreinen herumgetragen. Ich habe viele Fotos von der Hausherren-Prozession und werde bei Gelegenheit ein eigenes Thema daraus machen.
    • In Berkheim (Oberschwaben) wird jährlich beim Willeboldfest der verglaste Schrein des Ortsheiligen in Prozession durchs Dorf getragen.
    • Nur alle 50 Jahre findet die Reliquienprozession der Drei Elenden Heiligen in Griesstetten (Altmühltal, Oberpfalz) statt. Auch sie liegen in verglasten Särgen; Interessantes dazu findet sich auch hier.
    • In Mons (Belgien) findet jährlich ein Fest zu Ehren meiner Namenspatronin, der hl. Waltraud (Waudru), statt. Der Schrein der merowingischen Adligen wird nicht getragen, sondern auf einem Wagen gefahren. Da man es für unpassend hielt, eine heilige Frau von Männern tragen zu lassen (siehe Roggenburg), und der Schrein so schwer ist, daß ihn nur Männer tragen könnten, hat man dort den "Goldenen Wagen" angefertigt:


  • claus-juergen
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    • 18. August 2016 um 10:30
    • #8

    hallo Waltraud,

    danke erst mal für deinen Bericht, in welchem du diese alte Tradition gut beschrieben hast. Ich kenne zwar Roggenburg, bin dort erst vor drei Wochen wieder gewesen, nicht jedoch diesen Brauch.

    Was Reliquien an sich anbelangt, sollte man wissen, daß damit über Jahrhunderte lang ein schwunghafter Handel betrieben wurde. Vor allem kirchliche Institutionen wurden schwer reich damit. In bald jeder katholischen Kirche findet sich ein angeblicher Splitter vom Kreuz Jesu. Um dies zu verstehen, muß man wissen, daß die Landbevölkerung früher zum einen völlig ungebildet war und die Messe in Latein gelesen wurde. Ehrfurcht vor Gott, wobei das Wort Furcht überwiegte, Angst vor dem Teufel und dem Fegefeuer und die Macht der Priesterkaste waren Dinge, die das tägliche Leben der Menschen stark beeinflusste.

    Wieviele Marien- oder sonstige Heiligenerscheinungen es im Mittelalter wohl gab und wieviele Wallfahrtsorte dadurch entstanden, dürfte heute nur noch annähernd zu schätzen sein. Ich finde es gut, daß manche uns heute seltsam anmutenden Traditionen erhalten geblieben sind. Heute sind die Menschen zumindest hierzulande aufgeklärter und sehen so einen Brauch als Kulturgut an, das erhalten wird. Der religiöse Aspekt tritt dabei in den Hintergrund. Wohl ein jeder weiß um die "Heiligkeit" der "Leiber".

    grüsse

    jürgen

  • wallbergler
    Gast
    • 18. August 2016 um 16:23
    • #9

    Das ist ja eine richtige aufwendige Prozession. Herzlichen Dank für die Einblicke dieser prunkvollen Darstellung. Wunderbare Motive.

    Ich kenne Maria Himmelfahrt ja eigentlich als eines der ältesten christlichen Hochfeste.


    Hier in Österreich, wo ich gerade verweile, feiert die Kath. Kirche den Tag in alter Tradition mit einer Kräuterweihe. (soll Krankheit und Unglück fernhalten.)

    Dies deshalb, da, wie es in einem Prospekt hier heißt: "das leere Grab Marias einen Kräuterduft verströmt hat.

    Aber auch in Bayern, nicht überall, eigentlich nur im Süden, werden gebundene Kräutersträuße , z.B. in München vom Erzbischof gesegnet.

    Auf das wilde Treiben am Ferragosto, den wir sicher alle aus Italien mitbekommen haben, muss ich gar nicht eingehen.

    Irgendwo habe ich gelesen, dass dieser Tag auf den röm. Kaiser Augustus , der seinerzeit angeblich seine Ferien im August verbrachte zurück zu führen ist.

    Ein wahren Fressen für die aufmerksame Touristenvermarktung auch noch. Was man auch hier in Österreich durch truppenhafte Aufmärsche der ital. Familien merkte.


    Lieben Gruß
    Helmut

  • nyra
    Gast
    • 18. August 2016 um 17:57
    • #10
    Zitat von wallbergler


    Hier in Österreich, wo ich gerade verweile, feiert die Kath. Kirche den Tag in alter Tradition mit einer Kräuterweihe. (soll Krankheit und Unglück fernhalten.) ... Aber auch in Bayern, nicht überall, eigentlich nur im Süden, werden gebundene Kräutersträuße , z.B. in München vom Erzbischof gesegnet.

    Irgendwo habe ich gelesen, dass dieser Tag auf den röm. Kaiser Augustus , der seinerzeit angeblich seine Ferien im August verbrachte zurück zu führen ist.

    Mit Mariä Himmelfahrt hat die Leiberprozession nur bedingt zu tun – es ist einfach das Patrozinium der Kirche.

    Die Kräuterweihe gibt es in Roggenburg auch. Wenn die Leiber wieder in die Kirche gebracht worden sind, verteilen die Ministranten geweihte Sträuße an die, die welche haben wollen. In Mariaort, einem winzigen Wallfahrtsort bei Regensburg, habe ich es anders gesehen: Die Leute bringen ihre Sträuße selbst mit, und wer nicht gleich nach der Messe heimgeht, stellt seinen Strauß in einen der in der Kirche aufgestellten Wassereimer und geht erstmal auf den kleinen Markt, der an diesem Tag vor der Kirche abgehalten wird, und in den Biergarten. (Meine Hotelwirtin stattete jedes Stockwerk und alle Gemeinschaftsräume mit einem Sträußchen aus und erklärte mir, es beschütze das Haus, vor allem vor Feuer – manche Gäste seien ja etwas nachlässig mit ihren Zigaretten ...)

    Als Feiertagstermin wurde dieser Tag tatsächlich schon von Augustus eingeführt, aber Feriae Augusti hat nichts mit dem Urlaub des Augustus zu tun, sondern feriae heißt einfach Feiertage, Festlichkeiten. Gefeiert wurde der Sieg des Augustus über Marcus Antonius und damit die Eroberung Ägyptens. Wie auch andere römische Feiertage wurde auch dieser ein paar Jahrhunderte später "christianisiert".

    Lieben Gruß
    Waltraud

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