Feldgeschworene und Siebenergeheimnis

  • Heute wurde ich in den lokalen Nachrichten* aus unserer Gemeinde auf eine Überschrift aufmerksam:


    Feldgeschworener vereidigt
    Verschwiegenheit und Bewahrung des Siebenergeheimnisses


    "Ich schwöre Treu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Freistaates Bayern, Gehorsam den Gesetzen, gewissenhafte und unparteiische Erfüllung meiner Amtspflichten , Verschwiegenheit und zeitlebens Bewahrung des Siebenergeheimnisses- so wahr mir Gott helfe."


    Feldgeschworener? Siebenergeheimnis? Zeitlebens Verschwiegenheit ?
    Was ist das für ein geheimes Bündnis??


    Meine Neugier war geweckt.


    Vielleicht wusstet Ihr, dass es so etwas gab und gibt - ich hatte zuvor noch nie etwas davon gehört.


    Die offizielle Erklärung erfolgte in dem Bericht im Gemeindeblatt*:


    "Das Amt des Feldgeschworenen, im Volksmund auch Siebener genannt, ist eines der ältesten noch erhaltenen Ämter in der kommunalen Selbstverwaltung.
    Sie wirken in Bayern, Rheinland -Pfalz und teilweise auch in Thüringen bei der Kennzeichnung von Grundstückssgrenzen mit.
    Sie setzen Grenzsteine höher und tiefer , wechseln beschädigte Grenzzeichen aus und entfernen Grenzzeichen."


    Früher waren Grenzsteine außerordentlich wichtig.


    Heute sind Grundstücksgrenzen genau vermessen, beim Vermessungsamt dokumentiert, im Katasteramt einsehbar und digital umfassend gespeichert.


    Früher galten nur die Grenzsteine. Wie oft kam es vor, dass in Nacht und Nebelaktionen Grenzsteine wilkürlich versetzt wurden und jahrelanger Streit drohte!


    Die Aufgaben der Feldgeschworenen war es , darauf zu achten, dass Grenzsteine nicht versetzt wurden.
    Sie bedienten sich dabei geheimer Zeichen, die nur die sieben Feldgschworenenen kannten.


    ZItat aus


    https://www.ldbv.bayern.de/vermessung/feldgeschworene.html


    "Die Feldgeschworenen kennzeichnen die Lage der Grenzpunkte mit geheimen Zeichen. Diese werden auch Unterlagen, Beleg, Zeugen oder Geheimnis genannt. Die Siebenerzeichen sind meist besonders geformte und beschriftete Zeichen aus dauerhaftem Material, wie z. B. gebranntem Ton, Glas, Porzellan oder Metall. Sie werden im Bereich des Grenzsteins in einer bestimmten, nur den Feldgeschworenen bekannten Anordnung ausgelegt. Die Art dieser Anordnung bezeichnet man als "Siebenergeheimnis". An Form und Lage der Zeichen erkennen die Feldgeschworenen, ob der Stein verändert wurde."


    Die verwendeten Zeichen durften nicht verraten werden.


    Das Geheimnis scheint heute im Zeitalter der Digitalisierung mehr so wichtig zu sein


    In Neumarkt wurde das Siebenergeheinmis gelüftet.


    https://www.mittelbayerische.d…imnis-21102-art32564.html


    Zitat
    „Weil es heute aufgrund moderner Technik nicht mehr angewendet wird, kann ich das schon ausplaudern“, lacht Karl-Heinz Zweckerl, der Chef des Neumarkter Vermessungsamtes, verschmitzt."




    Schön, dass diese Tradition zumindest in ländlichen Bereichen noch gepflegt wird!


    Gruß,
    Elke


    * Bruckmühler Bürger Bote Ausgabe Dezember 2016 Seite45/46

  • Den Begriff "Feldgeschworene" kannte ich nicht, nur "Siebener" und "Untergänger", was dasselbe bedeutet.


    Im Museum Langenau (ca. 18 km nordöstlich von Ulm) habe ich einige "Zeichen" oder "Marksteinzeugen" aus Ton fotografiert,
    die die Siebener früher unter den Marksteinen zur Sicherung vergruben.



  • Im Museum Langenau (ca. 18 km nordöstlich von Ulm) habe ich einige "Zeichen" oder "Marksteinzeugen" aus Ton fotografiert,
    die die Siebener früher unter den Marksteinen zur Sicherung vergruben.

    Danke für diese Bilddokumente.


    Irgendwie hatte ich mir gedacht, dass diese Zeichen unauffälliger sind und dass deren Aussehen zu den "Geheimnissen" gehört, die nicht verraten werden durften.


    Wenn jemand unter dem Grenzstein solch eine Tontafel mit Wappen oder Namen gezielt gesucht und gefunden hat, war es doch sicher nicht schwer, diese samt Grenzstein zu versetzen.


    Viele Grüße,
    Elke

  • Ich hab mal unter "Marksteinzeugen" gegoogelt. Da sind ganz ähnliche Dinger abgebildet. Die aus dem Langenauer Museum sind etwa sechs, sieben Zentimeter hoch – nicht so groß, wie sie auf dem Foto wirken.

  • Nachdem unsere Elke so einen interessanten Beitrag eingestellt hat, war ich natürlich elektrisiert, zumal es ja in der Ortschaft hier auch Feldgeschworene gibt.


    Darauf habe ich schon hingewiesen.


    Interessiert hat mich aber im Einzelnen, wie das vor Ort so abläuft.


    Dazu habe ich mir von diesem hochinteressanten Link von Elke einen Ausdruck erstellt :


    Einzelheiten


    Wer diesen Link gelesen hat, besitzt schon eine Vorstellung , was es im Einzelnen mit der Aufgabenstellung der Feldgeschworenen auf sich hat.


    So mit der Kopie davon gerüstet, konnte ich einen der Feldgeschworenen erkunden und traf ihn auch beim 2. Versuch an, da jetzt die Zeit ist, dass manche Bauern im Holz arbeiten.


    Nach Rücksprache mit ihm , ist es tatsächlich so, dass heutzutage in der Regel nur ungefähr einmal ihm Jahr die Feldgeschworenen Zeichen abgegangen werden. Eher weniger.


    Nur in Fällen von "Unstimmigkeiten " auf alle Fälle.


    Ich deutete an, , dass ja heutzutage, wie von meinem Bauern auf dem Hof erfahren , die Grundstücke oder Parzellen genau im Satelit festgehalten sind. Z.B. bei Saatguteinlage wird dies dann auch so von den entsprechenden Behörden überwacht.


    Unabhängig davon , finden aber die Begehungen mit Kartenmaterial des Rathauses statt, da nicht ausgeschlossen werden kann,


    dass sich diese Zeichen auch "mal verschieben".


    Soll ja in der Vergangenheit schon vorgekommen sein, dann gilt es zuerst mal per Katasterblätter die übereinstimmende Richtigkeit herzustellen.


    Grundsätzlich handelt es sich aber bei den Feldgeschworenen Zeichen um diese oder ähnliche , aber kleinere Grenzsteine , wie sie
    unter # 8 zu ersehen sind.


    Meist sind sie heutzutage auch völlig unspektakulär.


    Auf meine Bitte hin, mir ein Beispiel eines Feldgeschworenen Zeichen auf einem Acker, Feld hier im Bereich der Rodungsinsel zu zeigen,


    hat er mir tatsächlich eins benannt.


    Also verband ich gleich heute mal einen frisch machenden Waldspaziergang ( siehe gefrorenes Eis am Weg) ,


    WP_20161217_12_44_14_Pro.jpg


    um zu der angekündigten Stelle diese Zeichens zu kommen.



    Und siehe da zwischen einer Ackerfurche und einem Forstweg konnte ich das Objekt der Begierde fotografieren:


    Wobei unspektakulär vermutlich noch übertrieben ist. Aber in Verbindung mit dem Stein ist es als solches klar erkennbar.



    Feldgeschworene Zeichen.jpg



    Und nochmal längs fotografiert


    Feldgeschworene Zeichen (2).jpg



    So, und jetzt hoffe ich, dass ich das Ganze etwas aufhellen konnte.



    lieben Gruß
    Helmut

  • Zunächst war ich mir gar nicht sicher, ob dieses Thema hier im Forum überhaupt auf Interesse stößt.


    Umso mehr habe ich mich gefreut, dass Waltraud in ihrer offensichtlich unerschöpflichen Bilderdatenbank zwei der in #1 beschriebenen Marksteinzeugen finden konnte und sie uns hier gezeigt hat.


    Und Helmut? Er macht sich sogar auf den Weg, nachdem er zuerst vor Ort Erkundigungen eingeholt hat und findet einen der "geheimen " Plätze! ( @Helmut - welche Bedeutung haben die roten Plastikstäbe, die im Boden stecken?)


    Ich hatte zuvor den Verdacht, dass die ganze Sache mit den Feldgeschworenen an einigen Orten eher lebendig gehaltenes Brauchtum ist .
    Helmut beschreibt jedoch, dass solche Feldbegehungen auch heute im Zeitalter der Satellitenvermessung durchaus noch Bedeutung für die Feststellung der Grundstücksgrenzen haben können.


    Danke für die vertiefenden Beiträge!


    Viele Grüße,
    Elke

  • welche Bedeutung haben die roten Plastikstäbe, die im Boden stecken?)

    ich habe nicht mehr nachgefragt, bin mir sicher , dass die grelle Farbe und die Höhe der Stäbe , nur deutlich sichtbare Zeichen sein sollen. Der Stein aber weist wohl auf die Feldgeschworenen hin.


    lieben Gruß


    Helmut


  • ... welche Bedeutung haben die roten Plastikstäbe, die im Boden stecken?)

    hallo Elke,


    die Bedeutung der Plastikstäbe ist ganz einfach zu erklären. Die Grenzsteine sind nach wie vor meist quadratische Steine, die den Rand des Ackers markieren, so daß Bauer A weis, daß genau dort das Feld von Bauer B beginnt. Da heutzutage nicht nur wesentlich größere Pflüge bewegt werden, sondern diese auch tiefer pflügen und die Zugmaschine viel schneller fährt, kommt es immer wieder vor, daß diese Grenzsteine untergepflügt werden. Den farblich markierten Holz- oder Plastikstab sieht hingegen der Bauer viel eher von seinem hohen "Dieselroß" aus als den halb eingewachsenen oder mit Erdreich verdeckten Grenzstein.


    Feldgeschworene gibt es nach wie vor auch in unserer Gegend.


    Was das sogenannte "Grenzsteinrucken", also das bewußte Versetzen eines Grenzsteins angeht, ist dieser ländliche "Sport" in Kroatien noch weit verbreitet. In der kommunistischen Diktatur wurden wie auch in der DDR die Grundbücher nicht mehr weiter geführt bzw. geändert, wenn es zu Verkäufen von Grundstücken kam.


    Nach der Unabhängigkeit des Landes begann man dann, die Grundbücher wieder zu führen. In Istrien stütze man sich auf diejenigen aus der KuK-Zeit. Viele Flurnamen stammen aus dieser Zeit. Als wir im Jahr 1997 unser Grundstück in Liznjan kauften, war es gegenüber dem alten österreichischen Grundbuchblatt um 24 qm geschrumpft was erst durch eine Nachvermesseung herausgekommen ist. Da hat halt ein Nachbar den Grenzstein zu seinen Gunsten irgendwann einmal versetzt.


    grüsse


    jürgen

  • Oh ja, Jürgen- solche Probleme kenne ich auch bei unseren Feunden auf Korcula.
    Da gibt/gab es böse Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn und es ist ( war) nicht einfach, die Grundstücksgrenze definitv zu bestimmen.
    Noch 1995 haben wir erlebt, wie der eine Nachbar dem anderen seinen Müll ( stinkende Fische) auf den vermeintlich falschen Grenzstreifen gekippt hat. (Es ging um Olivenhaine)
    Keine Ahnung, ob das Problem inzwischen überall gelöst ist.


    Gruß,
    Elke

  • Ich habe immer wieder Anfragen von Kaufwilligen Deutschen oder Austrianern denen ich für Kroatien zwei Tipps gebe:


    unbedingt einen deutsch sprechenden Anwalt hinzuziehen und unbedingt das Grundstück vor (!) dem Kauf vermessen lassen. Das kostet zwar alles zusätzliches Geld, aber ich meine, daß das unbedingt nötig ist. Der Grundstücksklau geht auch heute noch im Lande um...


    grüsse


    jürgen

    • Gäste Informationen
    Hallo,gefällt dir der Thread, willst du was dazu schreiben, dann melde dich bitte an. Hast du noch kein Benutzerkonto, dann bitte registriere dich, nach der Freischaltung kannst du das Forum uneingeschränkt nutzen.

    Dieses Thema enthält 0 weitere Beiträge, die nur für registrierte Benutzer sichtbar sind, bitte registrieren Sie sich oder melden Sie sich an um diese lesen zu können.