Die Flüchtlinge und ihre Betreuung

  • Natürlich habe ich - sicherlich genau wie Grizzly - nur das berichtet, was ich selbst erlebt habe. Das "Hörensagen" ist nicht meine Welt.


    Daher will ich auch den Artikel von Sophie Lübbert mit einem kleinen Fragezeichen versehen (Hörensagen par excellence). Der Bericht ist von ihr lediglich protokolliert worden. "Protokolliert von Sophie Lübbert", so heißt es am Ende. Das steht ganz im Gegensatz zu ihren vorangegangenen Artikeln, die sie als Redakteurin recherchiert hat, "Von Sophie Lübbert" heißt es dort. Vielleicht ergibt das einen Sinn.


    Lieben Gruß,
    Klaus

  • Ich bin nicht blind und sehe sehr wohl, was in D passiert.
    Vieles was man hört und liest ist schlimm und sogar untragbar!!!
    Das steht außer Zweifel und muss verändert werden.


    Ich bin der Überzeugung , dass sehr vieles nicht gut läuft, dass Änderungen auf verschiedenen Ebenen ( von der politischen, der juristischen bis zur administrativen)dringend notwendig sind.


    Ich finde es gut, dass inzwischen Dinge beim Namen genannt werden dürfen, für die man noch vor wenigen Monaten in die braune Ecke gestellt wurde.


    Dass es Erfahrungen gibt wie die, die in dem Bericht vom ntv geschildert wurden, möchte ich nicht anzweifeln. Allerdings hätte ich auch einige eher kritische Fragen an diese Flüchtlingshelferin, bzw an die Protokollantin Frau Lübbert.
    Aber das würde hier zu weit führen .


    Sylvi schreibt

    Zitat

    Das passt so gar nicht zu den Berichten die ich hier von Grizzli lese?


    Das sehe ich nicht so. Das passt sehr wohl zusammen.


    Wieso soll es nur eine Wirklichkeit geben?


    Grizzly beschreibt Dinge, die er selbst so erlebt hat, Schwierigkeiten, die lösbar waren, andere die er nicht lösen konnte.


    Die Wirklichkeit bei der Betreuung von Flüchtlingen hat viele Facetten!


    Deprimierende, erschreckende, unerträgliche, aber auch erfreuliche und bereichernde!


    Klaus hat schon von seiner Tätigkeit berichtet , auch ich könnte von Erlebnissen berichten, wo ich Grenzen erlebt habe und von Dingen, die ich nicht verstehe, aber auch viel Erfreuliches.
    Es gibt keine Unterrichtsstunde, nach der sich ein Teil meiner Flüchtlinge beim Verabschieden nicht ausdrücklich bedankt. Eine kleine Geste- aber schön.


    Wichtig für mich ist, dass nicht nur geredet, sondern auch etwas getan wird.


    Den Mob von Köln/Hamburg gibt es , das ist unerträglich und darf nicht sein, auch wenn es sich leider wiederholen wird.

    Aber ich lehne Schubladendenken und pauschale Verurteilungen ab.


    Irgendwo habe ich folgende Meinung schon einmal geäußert:


    Wenn man "die" Flüchtlinge nur als undifferenzierte "Masse" Menschen sieht, kann man Angst bekommen.
    Sobald einzelne Individuen jedoch ein Gesicht bekommen, kann sich das ändern.
    Jeder von uns möchte als Individuum gesehen und akzeptiert werden . Auch die Flüchtlinge.


    Ich kann nur jedem raten zu versuchen , persönliche Kontakte herzustellen und in irgendeiner Weise Flüchtlinge kennenzulernen. ( s-#10 von Klaus)


    Lasst uns hier nicht diskutieren über Dinge, die wir (nur) vom Hörensagen kennen!


    Gruß,
    Elke

  • Zitat von Dieter

    ... du darfst aber auch nicht vergessen das alles was ihr ( Grizzly und Klaus ) hier schreibt
    für uns eigentlich auch nur Hörensagen ist ...


    Lieber Dieter, wenn du hier im Forum etwas schreibst, ist das für etwas ganz anderes, als wenn ich etwas von einem unbekannten Journalisten lese. Da kann ich sehr wohl differenzieren, deinem Beitrag würde ich bedenkenlos glauben.


    Man mag sich denken, der Klaus schreibt immer nur positiv. Da denkt man auch richtig. Es gibt vereinzelt auch negative Erlebnisse, die ich jedoch schnell "vergesse", weil das Gute überwiegt. Wie sonst sollte ich einen positiven Beitrag in der Hilfe leisten?


    Zitat von Elke

    Dass es Erfahrungen gibt wie die, die in dem Bericht vom ntv geschildert wurden, möchte ich nicht anzweifeln. Allerdings hätte ich auch einige eher kritische Fragen an diese Flüchtlingshelferin, bzw an die Protokollantin Frau Lübbert.


    Genau das war mein Gedanke bei dem, was ich geschrieben habe, da sind eigentlich viele Rückfragen zwingend notwendig.


    Lieben Gruß,
    Klaus

  • Nix weg, dableiben Dieter, wir brauchen doch alle Meinungen!


    Eine andere Sache:


    Mir fällt noch etwas zu dem Attentäter von Paris ein, der seit Anfang 2014 in Recklinghäusen gewohnt hat. Er lebte in einer der drei Unterkünfte, in denen ich unterwegs bin. Dass dieser Mann trotz seiner vielen Straftaten immer noch in Deutschland weilte, kann ich kaum nachvollziehen. Ich habe aber in dem Haus niemals Bedenken bezüglich meiner Sicherheit gehabt.


    Zu seiner Aktion in Paris fällt mir nur eines ein. Ohne, dass ich jetzt von Mitleid mit seiner schlimmen Kindheit reden oder ähnliches konstruieren möchte. Der Mann irrte mit seinen Straftaten seit 2003 (?) in ganz Europa herum, jetzt hatte er sich für diesen Attentatsversuch mit Sprengstoffatrappe und Hackebeil entschieden. Das war für mich seine eigene Lösung für sein Leben: "Suicide by cop".


    Der arme Polizist, meint
    Klaus

  • Hallo zusammen,


    ich möchte noch auf Eure Postings reagieren, dann ist aber auch für mich wieder "Schicht im Schacht"





    ja Elke, genau so ist es: "Wieso soll es nur eine Wirklichkeit geben" - ich lese hier im Thread aber immer nur von einer Wirklichkeit, und zwar eine, die für mich nicht zu dem verstörenden Bericht passt, was diese Frau hier am eigenen Leib erlebt hat,
    Ich habe das auch nur beispielhaft gepostet, (es gibt inzwischen doch recht viele ähnliche Berichte) weil diese Frau das in Hamburg erlebt, und da Grizzli ja ebenfalls in Hamburg seine, ohne Zweifel wertvolle Ehrenamtsarbeit tut, und wohl von diesem Thema nicht betroffen ist. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, daß man sowas nicht mitbekommt, daß Frauen die ebenfalls dort arbeiten, sei es im Ehrenamt oder angestellt, Spießruten laufen oder noch Schlimmeres erleben.


    Ich denke mal, daß N24 eine seriöse Quelle ist.



    Daher will ich auch den Artikel von Sophie Lübbert mit einem kleinen Fragezeichen versehen (Hörensagen par excellence). Der Bericht ist von ihr lediglich protokolliert worden. "Protokolliert von Sophie Lübbert", so heißt es am Ende. Das steht ganz im Gegensatz zu ihren vorangegangenen Artikeln, die sie als Redakteurin recherchiert hat, "Von Sophie Lübbert" heißt es dort. Vielleicht ergibt das einen Sinn.


    Lieben Gruß,
    Klaus


    Hierzu möchte ich auf den Duden verweisen - https://www.duden.de/rechtschreibung/Protokoll


    Protokoll
    Bedeutungsübersicht
    1. a wortgetreue oder auf die wesentlichen Punkte beschränkte Niederschrift über eine Sitzung, Verhandlung, ein Verhör o. Ä.
    b........


    im Vergleich zur Recherche - https://www.duden.de/rechtschreibung/Recherche


    Bedeutungsübersicht
    Ermittlung, Nachforschung


    Da sehe ich, im Gegensatz zu Dir Klaus, kein Fragezeichen, und ich bin seeeeehr vorsichtig mit dem was so im Netz so rumgeistert.



    Die Wirklichkeit bei der Betreuung von Flüchtlingen hat viele Facetten!


    .......auch ich könnte von Erlebnissen berichten, wo ich Grenzen erlebt habe und von Dingen, die ich nicht verstehe, aber auch viel Erfreuliches.


    Nun, warum erzählst Du uns dies nicht - Freudiges, aber auch von den Dingen die nicht so erfreulich sind, wo Du Grenzen erfahren hast. Solche Berichte wären authentisch wir würden alle Facetten aus erster Hand kennenlernen, nichts weichgespültes sondern offen und ehrlich beide Seiten.


    Wichtig für mich ist, dass nicht nur geredet, sondern auch etwas getan wird.


    Du hast recht. Jedoch sollte jeder selber entscheiden ob und wie er sich einbringen will - oder auch nicht. Nicht jeder ist geeignet für solch eine Aufgabe.
    Diese Frau dachte auch so und Ihr wurde jedoch der Idealismus und ihr Enthusiasmus genommen, sie ist hart gelandet, mich macht das traurig, daß sowas passiert.


    In unserem Ort gibt es seit über 30 Jahren ein Flüchtlingsheim, bzw eine Gemeinschaftsunterkunft mit z.Zt. ca. 400 Menschen (ein zweites für ca 150 Personen wird voraussichtlich im Februar eröffnet) - für uns ist die Flüchtlingssituation im Ort nichts Neues im Gegensatz zu anderen Gemeinden.
    Allerdings muss ich sagen, daß wir die Menschen zugeteilt bekommen, wir müssen sie nicht registrieren und verteilen, sondern sie werden uns zugeteilt, es ist natürlich kein Vergleich zu einem Auffanglager wo Helfer und Flüchtlinge an Ihre Grenzen kommen.


    Wir leben also schon seit vielen Jahren mit Menschen unterschiedlichster Religionen, Hautfarben und Nationen zusammen. Das ist interessant, inspirierend aber auch nicht immer einfach.
    Es gibt einen Freundeskreis Asyl der sich ebenfalls ehrenamtlich einsetzt. Wir Bürger bringen Kleidung, Spielsachen, Möbel ins Heim. Es werden mit den Kindern Spieletage organisiert, gemeinsame Feste an denen die Frauen Spezialitäten aus Ihrer Heimat kochen und deutsche Küche kennen lernen, Nikolausbescherung, Sprachkurse, Hilfe bei Behördengängen usw. usw.


    Es gab auch schon sogenannte Dienstagsdeonstrationen mit Lichterketten und Mahnwachen gegen Abschiebung von Familien die schon integriert waren, eine Familie aus Syrien sollte abgeschoben werden, Bürger versteckten sie, dann bekamen sie Kirchenasyl, die Schulkameraden des Sohnes demonstrierten ebenfalls - der Kampf war von Erfolg gekrönt, die Familie konnte bleiben, hier ein Bericht den man gerne liest und alle freuen sich was z.B. aus der jungen Frau geworden ist:


    https://www.badische-zeitung.d…promotion--102271591.html


    https://www.swr.de/swr1/bw/pro…895042/1enpwwc/index.html


    Die Menschen in unserem Ort sind nicht fremdenfeindlich, im Gegenteil.


    Eine wunderbare Geschichte, zwar ein Tropfen auf den heißen Stein, aber ein Beispiel, was man gemeinsam erreichen kann - das Schicksal der Familie hat sich zum Guten gewendet - so was macht Hoffnung in der jetzigen Zeit......


    Aber es gibt auch die andere Seite: Diebstahl und Aggressionen bei den Männern, Zerstörungswut, und es gibt immer wieder Verletzte.
    Das ist einfach Fakt und hat nichts mit Schubladendenken zu tun.
    Und es wird schwieriger - Inzwischen fahren wir nicht mehr direkt ins Heim und Spenden vorbeizubringen, sondern geben es zentral ab.


    Es gibt junge Asylbewerber die im Ort in die Kneipen gehen, sie suchen natürlich auch Ablenkung zum langweiligen Alltag in der Asylbewerberunterkunft - mein Sohn und meine Schwiegertochter erzählten mir kürzlich, daß sie mit zwei Jungs in einer Kneipe Dart gespielt haben, sie haben sich mit Händen und Füssen verständigt um ihnen das Spiel zu erklären , sie konnten kein Englisch - egal, alle hatten Spaß.
    Es gibt aber auch Gruppen die pöbeln und Frauen trauen sich nachts nicht mehr alleine heimzulaufen, sowas haben wir früher nicht erlebt, das ist ein neues Phänomen.
    Alles hat zwei Seiten, man muss sie auch benennen dürfen....


    Ich hoffe, daß Deutschland es wirklich schafft, den Menschen die auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung und gewillt sind, sich hier eine Zukunft aufzubauen, eine neue Heimat zu geben. Dass es funktionieren kann mit der Integration, zeigt mein kleines Beispiel oben.... und da gibt es noch viel mehr solcher Geschichten.


    Integration ist keine Einbahnstrasse.....

    :blume17: Grüssle von Sylvi


    Nicht woher der Wind weht, sondern wie man die Segel setzt, darauf kommt es an!

  • Ich bin immer wieder froh, wenn man sich so sachlich wie hier mit dem Deutschland so bewegendem Thema auseinandersetzt. Deshalb ist dein "Schicht am Schacht" auch keine Alternative, liebe Sylvie.



    Zitat von Klaus

    Daher will ich auch den Artikel von Sophie Lübbert mit einem kleinen Fragezeichen versehen (Hörensagen par excellence). Der Bericht ist von ihr lediglich protokolliert worden. "Protokolliert von Sophie Lübbert", so heißt es am Ende. Das steht ganz im Gegensatz zu ihren vorangegangenen Artikeln, die sie als Redakteurin recherchiert hat, "Von Sophie Lübbert" heißt es dort. Vielleicht ergibt das einen Sinn.




    Genau das ist es doch, was ich nicht mag. Da werden Aussagen an Dritte übermittelt (protokolliert), ohne deren Wahrheitsgehalt auch nur annähernd zu überprüfen (zu recherchieren). Uwe Wappler ("Das habe ich nicht exakt präsent") und Frauke Petry (meine Behauptung sind unwahr) lassen grüssen. Daher auch mein kleines Fragezeichen.


    Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Ehrenamtliche sich so blauäugig in die Flüchtlingsbetreuung einlassen. Ehrenamt (unbezahlt und freiwillig) und Hauptamt (bezahlt, verpflichtent und abhängig) unterscheiden sich leider oft in ihrem Engagement (verharmlost ausgedrückt).


    Genug für die heutige Nacht, morgen geht es um den Run auf die Karten für die Ruhrfestspiele: "Mittelmeer – Mare nostrum?"


    Liebe Grüße,
    Klaus


    PS:

    Zitat von tosca

    Integration ist keine Einbahnstrasse.....

    Und da hast du völlig Recht!

  • Tagebuch Nr. 17
    (ich hab's grad aufgeladen - Kommentar zum Davorstehenden kommt gleich)


    Mitte Januar sieht man das Bieberhaus kaum, wenn man aus meiner U-Bahn-Station kommt.



    Es hat sich etwas Routine eingestellt. Morgens werden die Leute aus ihren Schlafstellen gebracht, "meine" Dolmetscherin Habibeh ist jetzt eine der vier Festangestellten des Paritätischen Wohlfahrtsverbands und für die Sicherheit im Haus verantwortlich, d.h. sie wacht meistens unten am Eingang, während ich eine Etage drüber vor mich hin doktore und die Schwätzchen während der patientenfreien Pausen vermisse. Gelegentlich hole ich sie dazu, sonst suche ich mir spontan einen Dolmetscher, meistens einen Flüchtling oder einen Helfer, der oft auch Flüchtling ist, nur schon ein paar Monate länger im Land. Der kann mir allerdings, im Gegensatz zur "Aktivistin der ersten Stunde" und mit den Gepflogenheiten der Menschen aus den Fluchtregionen vertrauten Habibeh, keine Hintergrundinformationen geben.


    Auch die neu in Hamburg Angekommenen bleiben jetzt oft mehrere Tage im Bieberhaus, denn ihre Weiterreise gestaltet sich oft schwierig. Meistens handelt es sich um auseinander gerissene Familien, deren einer Teil, im Regelfall der Vater, schon irgendwo in Skandinavien angekommen ist, während Mutter mit Kindern jetzt hier gucken muss, wo sie bleibt, und ob eine Familienzusammenführung nicht doch möglich ist. Diese zu verweigern, wie es jetzt verschiedene Länder tun in dem blinden Wahn, die Flüchtlingszahlen etwas nach unten zu treiben, ist strunzdumm und kontraproduktiv, denn alleinstehende Männer sind, siehe "Köln", am ehesten für dumme Gedanken und deren Umsetzung in noch dümmere Taten anfällig - Familienzusammenführung ist effektive Verbrechensvorbeugung, aber das schnallt ein Herr Seehofer nicht.


    Dass sich Flüchtlinge, denen in den "Camps", wie die in Hamburger Bürokratendeutsch "Zentrale erstaufnahmeeinrichtungen", kurz "Zea's" getauften Massenquartiere sowohl in Arabisch als auch Farsi heissen, die Decke auf den Kopf fällt, ist mehr als nachvollziehbar. Und wenn sich dann einige hier und anderswo als Helfer engagieren, so ist das sowohl für sie selbst als auch für die anderen Helfer von Vorteil. Einer als Patientin gekommenen jungen Frau, die in Afghanistan zwei Jahre Medizin studiert hat und sowohl Englisch als auch schon nach einem Monat Selbststudium passables Deutsch spricht, biete ich spontan an, bei mir mitzuhelfen, was sie auch bereitwillig tut - ihre erste Aufgabe ist es, eine mit Bauch- und Brustschmerzen zusammengebrochene Mutter ins Krankenhaus zu begleiten und zu dolmetschen. Zwei Stunden später bekomme ich eine Mail von ihr: "Sie genehme Medikament und jetzt besser".

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • Konflikte zum gelegentlich unterirdischen Frauenbild mancher Geflüchteter gibt es auch im Bieberhaus, so ist das nicht. Aber wenn man die Herrschaften rechtzeitig "auf den Pott setzt" und gelegentlich auch mal ein Hausverbot ausspricht, dann bleibt das im Rahmen. Ausserdem kotzt es mich an, wenn jemand wie Herr Seehofer und andere CSU-Parteigenossen, die 1997 noch gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe gestimmt haben (die trotzdem beschlossen wurde), sich auf einmal als Vorkämpfer für die Rechte von Frauen und von Schwulen und Lesben etc. ausgeben. Auf einmal sollen frisch eingereiste Muslime ad hoc alles können und annehmen, wozu ein CSU'ler zwei Nachkriegsgenerationen gebraucht hat (und ich bezweifle, ob er damit jetzt schon fertig ist).
    Nochmal:
    Was in Köln, St. Pauli und anderswo passiert ist, bleiben unentschuldbare Verbrechen und muss bestraft werden. Nur jetzt "Abschiebung !" zu geifern bringt nicht weiter. Denn so einfach ist das nicht ...


    Dazu schreibt eine bekannte Journalistin - eine Frau, die sich seit Wochen am Uelzener Bahnhof die Nächte um die Ohren haut um (meistens männliche) Flüchtlinge zu betreuen:

    Zitat

    Was also sollte nach "Köln" an der Asylpolitik geändert werden? Gar nichts. Jetzt schon steht das Credo, dass Frauen in Deutschland Gleichbehandlung erführen, in allen möglichen Infos für Asylsuchende. "Deutsches Leitungswasser können Sie trinken. Deutsche Frauen werden respektvoll behandelt." Das kommt so überzeugend rüber wie nur sonst was.
    Als Schriftstellerin glaube ich daran, dass ein Leser es merkt, ob etwas phrasenhaft und aufgesetzt ist – oder ob der Sprecher/Schreiber es ernst meint. Ein Flüchtling merkt spätestens dann, dass wir es nicht ernst meinen, wenn er an dem Pappaufsteller im Supermarkt vorbeikommt, wo auf einem nackten Frauenkörper verschiedene Würste drapiert sind. Er merkt es an der Werbung für den Schwarzwald mit liegender Frauensilhouette: "Steile Hügel, feuchte Täler." Oder an dem Plakat der Jungen Union, das nur einen weiblichen Unterkörper, einen schwarzen Slip und eine Hand zeigt, die sich in selbigen schiebt. Wenigstens den Slogan dazu kann der Flüchtling zunächst nicht verstehen: "Wir gehen tiefer."


    All diese Bilder und ja, auch Herrenwitze à la Brüderle, und ja, auch dieses Weglachen – "war doch nicht so gemeint", "Darf man nicht so eng sehen!" – all das sind Praktiken in unserer Gesellschaft, die dazu verleiten, Frauen verdinglicht und respektlos zu behandeln. Sie zeigen, dass wir es eben doch nicht ernst meinen mit dem Sprüchlein: Frauen werden respektvoll behandelt. Das heißt nicht, die Schuldfrage zu verschieben, denn Schuld am Begrapschen haben natürlich die Täter. Wenn wir Neuankommenden aber wirklich signalisieren wollen, dass Frauen in Deutschland nicht nur Trägerinnen von Brüsten und beliebig "nutzbaren" Geschlechtsteilen sind, muss sich das in unseren Bildern widerspiegeln. Wir müssen sexistische Werbung abschaffen und Gameshows ändern, in denen Frauen nur Preise durch die Gegend tragen. Wir müssen uns in jedem gesellschaftlichen Bereich fragen, welche Botschaften wir einstellen oder aussenden müssen, um neue und alte Praktiken sexueller Gewalt nicht zu ermutigen, sondern im Keim zu ersticken.


    Ganzer Artikel: https://www.zeit.de/kultur/201…-arabischer-mann-sexismus

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • Zufällig hab ich vor 45 Jahren die erste Generation der jetzt im Ruch des Besondersböseseins stehenden Düsseldorfer Marokkaner kennen gelernt. Ich war damals auch so ein Paria, nämlich ein männlicher Krankenpflegerschüler an den "Städtischen Krankenanstalten", später Uniklinik Düsseldorf. Paria deshalb, weil die Krankenpflegeleitung damals fest in der Hand der Rotkreuzschwestern war, die in den Anfängerblocks der Schwesternschülerinnen Sätze verbreiteten wie: "Krankenpflegeschüler, meine Damen, sind unter Ihrem Niveau !" Ein gemeinsames Wohnheim, wie später üblich, wäre dort unmöglich gewesen.
    Meine - gemessen an der Anzahlt der Schwestern - wenigen Mitschüler und ich liessen es sich allerdings nicht nehmen, uns auf das Niveau der angesprochenen Damen zu begeben, in einigen Fällen durchaus erfolgreich.


    Zurück zu den Marokkanern. Aus irgendeinem Grund konzentrierten sich die Migranten aus diesem Land auf Düsseldorf, und die Geländearbeiter der Klinik waren fast alle von dort. Sie hatten die Scheissjobs, sie fuhren den Müll weg, fegten die Straßen im Gelände und mussten im Winter früh raus zum Schneeräumen. Ich wohnte zwei Jahre in der gleichen Baracke wie sie und wurde mitgeweckt, wenn die Geländeaufsicht wintermorgens um 5 herein gerammelt kam und an die Türen donnerte: "Ali, aufstehen ! Schneeräumen ! 6 Uhr Dienstbeginn !!"


    Und wie ein Nachfahre der damals Gebeutelten in die Lage gekommen sein kann, ein Kölner (oder Hamburger, oder ...) Täter zu werden, und wie man ihm da vielleicht wieder raus helfen kann, wird in diesem TAZ-Artikel herausgearbeitet:
    Sex muss nicht haram sein


    PS
    Das Frauenbild meiner damaligen Barackennachbarn war auch nicht so doll. Nachdem eine Nacht drei Schwesternschülerinnen auf dem Matratzenlager in meinem Zimmer genächtigt hatten, da nicht im Besitz eines "Nachtschlüssels", der die Schwesternheimtür nach 23:00 geöffnet hätte, bekam ich anderntags eine Standpauke:
    "Du nix gut Mann ! Du nix meine Freund ! Du diese Nacht drei Mädchen auf Deine Zimmer und nix mir sagen !"
    Es folgte eine Abhandlung, wonach ein Mann der zwei oder drei Brote habe, verpflichtetet sei, einem Brotlosen eines davon abzugeben. Diesem Menschen, der mindestens zehn Jahre älter war als ich, klarzumachen, dass zwischen Frau und Brot hierzulande ein qualitativer Unterschied besteht, war ich mit meinen 21 leider nicht in der Lage.

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • Grad entdeckt:


    Lagebericht von 2016 aus einer Hamburger "Zea" (Zentrale Erst-Aufnahmeeinrichtung) ?
    Irrtum - Biodeutsche 1990. Hier der Link zum ganzen Artikel:
    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13507375.html

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • 23.1.2016
    Heute stellte sich eine Syrerin mit ihrer Tochter mit Atembeschwerden vor. Das war medizinisch nicht weiter kompliziert, zumal wir Asthma-Spray da hatten (was nicht immer der Fall ist). Allerdings erfuhren wir dabei, dass zwei Tage zuvor ihr Bus auf der Fahrt von der österreichischen Grenze nach Niedersachsen am Irschenberg (Oberbayern) ausgebrannt ist, mit ihrem gesamten Gepäck darin. Das heisst, ihre gesamte Habe war weg - im Gegensatz zu einem Touristen in ähnlicher Lage, für den der Verlust seines Gepäcks im Einzelfall auch bitter ist, aber er hat dabei daheim noch seine fertig eingerichtete Wohnung, und diese Leute haben jetzt nichts mehr. Ein Fakt, den man zumindestens in einem Satz hätte erwähnen sollen - hat man aber nirgends, der damit verbundene Verkehrsstau war wichtiger.
    https://www.aib-stimme.de/2016…brand-auf-a8/#comment-540


    Ebenfalls heute interviewte eine Prager Journalistin mich und meine afghanische Assistentin Z. in der Absicht, die dortige Presse für das Thema zu sensibilisieren und der in Tschechien eingerissenen rassistischen und migrantenfeindlichen Stimmung v.a. unter den Politikern (den Staatspäsidenten Zeman, der sich ohnehin gern mal daneben benimmt, eingeschlossen) etwas entgegen zu setzen. Bin gespannt, was da kommt - ich werde Euch natürlich informieren.

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • Zitat

    diese Leute haben jetzt nichts mehr.


    Grizzly, das gilt nicht nur für die in dem Bus.
    Wen kümmert es, ob die Flüchtlinge auf der Flucht übers Wasser gekentert und außer ihrem Leben alles verloren haben?
    Oder in den Balkanländern ausgeraubt wurden??


    Bei uns gibt es auch solche Flüchtlinge, die nichts mehr haben - aber wir haben im Ort eine gut gefüllte Kleiderkammer- sie bekommen alle warme Winterkleidung. Essen ebenso , dazu noch etwas Geld .
    Ich denke, dass die , die in dem Bus saßen, in ihren Aufnahmeorten auch mit dem Notwendigsten versorgt wurden. ( Wieso kam die syrische Familie denn nach Hamburg, wenn sie in Niedersachsen aufgenommen werden sollte?)


    Die Turnhalle als Unterkunft* ist alles andere als Luxus- dieses Sammellager ist alles andere als ein angenehmer Aufenthaltsort. Aber es muss niemand verhungern oder erfrieren.
    Ich hätte gerne , dass jeder eine Wohnung bekommt oder ein Zimmer! ... Aber das ist Utopie!


    Zuerst waren es 240, jetzt schon 270 Menschen, die da zusammen leben müssen - und es werden immer mehr. Ich weiß nicht, wann das ein Ende hat.


    Gruß,
    Elke


    P.S.*
    Übrigens nur ca 6 km von der Irschenberger Unfallstelle entfernt - was hätten wir, die Anwohner, nach Deiner Ansicht tun müssen?
    Die Flüchtlinge wurden in einem Ersatzbus weiter gefahren.

  • Zitat von ELMA

    Übrigens nur ca 6 km von der Irschenberger Unfallstelle entfernt - was hätten wir, die Anwohner, nach Deiner Ansicht tun müssen?
    Die Flüchtlinge wurden in einem Ersatzbus weiter gefahren.


    Ist doch alles korrekt gelaufen, Elke. Wenn ich Grizzly richtig verstanden habe, prangert er nur an, dass es in dem Artikel im Wesentlichen um den Feuerwehreinsatz, die Schäden an der Fahrbahn und den Stau ging und nur nebenbei um die Menschen.


    Zitat

    Zuerst waren es 240, jetzt schon 270 Menschen, die da zusammen leben müssen - und es werden immer mehr. Ich weiß nicht, wann das ein Ende hat.


    Bei der Verteilung der Flüchtlinge liegt nicht nur in Bayern einiges im argen, bei uns auch. Kürzlich hat Jürgen berichtet, dass an seinem Wohnort noch keine Flüchtlinge unterbracht worden sind. Und so wird es bestimmt viele Orte geben.


    Lieben Gruß,
    Klaus

  • Ist doch alles korrekt gelaufen, Elke. Wenn ich Grizzly richtig verstanden habe, prangert er nur an, dass es in dem Artikel im Wesentlichen um den Feuerwehreinsatz, die Schäden an der Fahrbahn und den Stau ging und nur nebenbei um die Menschen.


    Genauso isses.

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

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