(7) SANKT NEPOMUK, der Brückenheilige, Teil 7

  • Wien 1180, Währing


    Fährt man die Gersthofer Straße stadtauswärts fällt bei der Eimündung der Salierigasse linker Hand dieses Gebäude und die kleine Kapelle davor auf:





    Das Jugendstilhaus wurde nach der davor stehenden Kapelle von der Bevölkerung „Johanneshof“ genannt und ist unter diesem Namen auch heute noch bekannt. Die Kapelle ist weniger bekannt, führt sie doch im Schatten des prominenten Hauses irgendwie ein Schattendasein.




    Für die Mistkübel hat man wohl auch keinen passenderen Platz gefunden....



    Die Kapelle wurde 1907 dem Johannes v. Nepomuk geweiht. Die Statue stammt aus 1724 und stand ursprünglich bei einer Brücke über den Währingerbach.


    Durch die Fensterscheiben der verschlossenen Türe war er leider nicht in einem Stück fotografierbar, deshalb zwei Teile, obere Ansicht und untere Ansicht:


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    Die Putten zu den Füßen des hl. Nepomuk sind ziemlich frech. Einer hält sich am Rock des Nepomuk fest und der andere hat sich einfach dessen Birett aufgesetzt. Anmaßung!


    Johannes

  • Wien 1020, Leopoldstadt


    Johannes von Nepomuk, stummer Zeuge der Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung


    Betritt man die Leopoldstadt, den 2. Wiener Gemeindebezirk, wird man unweigerlich mit der Geschichte von Vertreibung, Verfolgung und Ermordung zehntausender Juden konfrontiert.


    https://de.m.wikipedia.org/wik…n_der_Wiener_Leopoldstadt


    Die in Wien lebenden Juden hatten schon im 12. Jahrhundert unter dem Antisemitismus zu leiden und die Leopoldskirche steht seit 1670 quasi als Symbol der Vertreibung im Herzen der Leopoldstadt.



    Diese Tafel erregt den Unmut einiger heute in dem Grätzel wohnender Juden, da mit dem eher lapidaren Hinweis auf die Vertreibung der Juden dem Gedenken nicht Genüge getan wird, finden sie, wie mir in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt wurde.



    Der hl. Leopold, dem diese Kirche geweiht ist, hat nichts mit der Vertreibung der Juden und dem Abriss der Synagoge, die an dieser Stelle stand, zu tun, er lebte im 11./12. Jahrhundert.



    Sehr wohl aber Kaiser Leopold der I, welcher 1670 die Vertreibung der Juden aus dem heutigen 2. Bezirk, der nach ihm benannt wurde, anordnete und nach dem Abriss der Synagoge die Leopoldskirche errichten ließ.


    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Leopoldskirche_(Leopoldstadt)


    Johannes von Nepomuk kam dann durch ein Gemälde von Johann Georg Schmidt im 18. Jahrhundert als stummer Zeuge weiterer Verbrechen dazu. Die Kirche ist eine der typischen Barockkirchen, die unter der Ära von Kaiser Leopold I errichtet wurden.



    Der Nepomukaltar befindet sich auf der linken Seite:




    Links unten im Bild wird, wie auch bei anderen ähnlichen Gemälden, der Brückensturz gezeigt, mit den fünf Sternen, die im Wasser der Moldau erscheinen:



    Wie diese Gestalt mit Schlangen am Kopf, die in einen roten Gegenstand beißt, zu interpretieren ist, kann ich leider nicht sagen. Es ist wohl eine Allegorie, vielleicht hat jemand von euch eine Interpretation?



    Die Geschichte der Judenverfolgung in der Leopoldstadt, die in Pogromen gipfelte, kann man auf den Gehsteigen der Gassen rund um die Leopoldskirche auf einem Weg der Erinnerung, beginnend mit der Vertreibung 1670/71 und endend mit der Ermordung in der Nazizeit nachverfolgen.



    Am Boden und an Hausfassaden sind Steine der Erinnerung an ermordete Juden und Gedenktafeln an ermordete Bewohner dieser Häuser angebracht.




    Es sind viele, sehr viele.



    Entlang eines Gehweges sind Textfragmente von persönlichen Berichten aus der Nazizeit aufgemalt.


    https://leopoldstadt.gruene.at…ssen-novemberpogrome-1938





    Als ich am gestrigen Sonntag den hl. Johannes v. Nepomuk in der Leopoldstäder Pfarrkirche besuche, ging ich diesen Weg lesend und zweifelte, ob der Hass jemals ein Ende finden würde....


    Johannes

  • Johannes, vielleicht ist meine Interpretation verwegen.

    Eine Putte, ein Engel tritt mit voller Kraft auf den Rücken einer Person.

    Ein zweiter hält eine Kippa in den Händen, statt der Kippa sind Schlangen auf dem Kopf des Mannes. Auffällig ist auch die lange Nase und der böse Blick des Mannes, der da getreten wird. Für den roten Gegenstand, in den er beisst, hab ich noch keine Erklärung Ein Herz? Ein Symbol für?..

    Ein Jude? Auf hetzerischen Bildern oft mit langen, gekrümmten Nasen zu finden.


    Ein antisemitisches Bild beim Nepomuk? Wäre eigentlich unglaublich.

    Vielleicht interpretiere ich falsch...


    Gruß,

    Elke

  • Gut beobachtet, Elke! Die Kippa (ist es wirklich eine Kippa?), welche der Engel der Figur mit den Schlangen am Kopf weggenommen hat, war mir noch gar nicht aufgefallen.


    So unglaublich deine Interpretation klingen mag, ich halte sie im Zusammenhang mit der Geschichte dieses Standortes für möglich. Nepomuk wurde ja auch als Gegenreformator missbraucht, daher ist der Gedanke nicht so abwegig, hier ihn auch missbraucht als Antisemit zu sehen, der sich über die Juden, die in den sauren Apfel beißen, erhebt. Schau dir den bösen Blick des anderen Engels an, der den Darunterliegenden tritt und mit seiner Märtyrerpalme auf ihn hinzuschlagen scheint. Der Judenhass war ja gerade zu dieser Zeit allgegenwärtig und salonfähig. Es wird schwer sein, dies endgültig zu klären.


    Johannes

  • Es erscheint mir sehr interessant, die Gedanken weiter zu führen. Wenn statt des königlichen (?) Auftrags, Nepomuk zu ermorden, hier "der Jude" eingesetzt wird, zeigte das wieder einmal sehr, wie tief verwurzelt der Antisemitismus in der Stadt - und auch im christlichen Bereich war. -


    Es lohnt sich, der Geschichte des Gemäldes weiter nach zu gehen.


    Ich glaube, die "Stolpersteine" zum Gedenken liegen nicht umsonst auf Wiens Strassen!!!


    Susanne

  • Zitat

    Schau dir den bösen Blick des anderen Engels an, der den Darunterliegenden tritt und mit seiner Märtyrerpalme auf ihn hinzuschlagen scheint.

    Die beiden kräftigen Burschen haben dem Nepomuk scheinbar nichts gelassen.

    Ohne Birett, ohne Kreuz, ohne Palme schaut er mit leeren Händen zum Himmel hoch.

    Ich erinnere mich nicht , jemals schon einen Nepomuk mit solch hilflosem Blick und solch hilfloser Geste gesehen zu haben.

    Anders gefragt: stellt der Maler die Fähigkeiten, die Gläubige dem Nepomuk zusprechen, in Bezug auf das Schicksal der Juden im Ort in Frage...eine versteckte Kritik an der Rolle der Kirche?

    Aber das ist vermutlich überinterpretiert.


    Gruß,

    Elke

  • Meine Gedanken zum Nepomuk in der Leopoldskirche.


    Das Altarbild in der Leopoldskirche wird dem Maler Johann Georg Schmidt (1685 - 1748) zugeordnet.

    Dieser malte auch Nepomuks für Weißenalbern und Etsdorf.

    Bei diesen beiden Bildern versucht ein Mann mit einem Prügel auf Nepomuk einzuschlagen und Engel scheinen zu versuchen dies zu verhindern.


    Weißenalbern

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    Etsdorf

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    Die Schläger tragen auf beiden Bildern Kopftücher. Könnten die "Schlangen" in der Leopoldskirche auch ein Kopftuch sein?


    Beim Gemälde in der Leopoldskirche scheinen die Engel diesen Mann schon überwunden zu haben.

    Der obere Engel schwingt seinen Palmwedel als wolle er auf den liegenden Mann einschlagen.

    Könnte der Apfel ein Hinweis auf den ersten Sündenfall sein?


    Andererseits waren antisemitisch eingestellte Personen auch in der Leopoldskirche aktiv.

    Mitte des 19. Jahrhunderts war der spätere Erzbischof Anton Josef Gruscha als Provisor in der Pfarre tätig, Anfang bis Mitte der 1870er-Jahre als Cooperator und Vorstand (der später antisemitisch publizierende) Joseph Deckert (1843–1901).

    Allerdings war der Maler des Bildes zu diesem Zeitpunkt lange verstorben.


    sinniert waldi :174:

  • Könnte der Apfel ein Hinweis auf den ersten Sündenfall sein?

    an den Apfel als Sündenfall hab ich auch schon gedacht.

    Wie kommt Ihr auf "Apfel" ?

    Wenn ich auf dem großen Desktopbildschirm genauer anschaue , was diese Person festhält und mit raubtierähnlichen Zähnen und bösem Blick reinbeißt,

    so erkenne ich eher ein lebendes Tier, einen Vogel ( mit Flügeln, Schwanz und einem herunterhängenden Bein)


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    Gruß,

    Elke

  • Du hast recht, Elke. Apfel war wohl eine falsche Spur von mir. Und das am Kopf sind gewiss Schlangen. Es ist für mich ein barockes Rätsel und vielleicht löst es sich irgendwann auf.


    Oder es bleibt uns, wie so vieles dieser Zeit, verborgen.


    Johannes

  • Johannes, da stimme ich Dir zu.

    Obwohl auf diesem Bild aus der Leopoldskirche offensichtlich ein enger Bezug von dem Nepomuk zu dem Bild rechts unten besteht, so können wir das Rätsel nicht lösen.


    Wir müssten die Symbolik von Bildern und die Denkweise der Menschen Ende des 17. , Anfang des 18. Jahrhunderts kennen, ihre Vorurteile gegenüber Juden , ihre Metapher, mit denen sie verhöhnen und demütigen wollten.


    Ich war kürzlich in Wittenberg und habe die Diskussion um das Relief mit der "Judensau" an der Stadtkirche verfolgt.

    Dass so etwas an einer Kirche angebracht werden konnte, ist heute nur noch im historischen Zusammenhang zu verstehen.

    Und dazu braucht es Fachwissen.

    Das gilt auch für dieses Bild in der Leopoldskirche,


    Liebe Grüße,

    Elke

  • Liebe Nepomuk-Freunde,


    ich habe gestern noch "kunsthistorische Informationen" eingeholt - als ein kleinerer weiterer Beitrag zur Deutung des Nepomuk-Bildes in St. Leopold.


    Die Überlegung lautet: derart dargestellte Personen (Schlangen am Kopf, verzerrtes Gesicht + schwer deutbar Rotes zwischen den Zähnen) stehen für das Böse schlechthin. Weniger den Teufel selber, eher "Verdammte", die ob ihres bösen Tuns in die Unterwelt fahren. Diese Person fällt ja abseits des Brückensturzes in die Tiefe....


    Gruß! Susanne

  • Elke, das beste wäre, wir könnten den Künstler noch fragen, nachdem unser Interesse an dieser Darstellung so entbrannt ist. Aber leider..


    Es gibt zwar natürlich schon Literatur über Künstler, sicher auch über den Barockmaler Johann Georg Schmidt, aber da sollte man auch mehr wissen, wo und ob etwas zu finden ist.


    Herzlichen Gruß!

    Susanne


    PS: Auch warum die Darstellungen in Etsdorf und Weißenalbern deutlich abweichen, wissen wir nicht...

  • Nepomuk in Karlobag, Gespanschaft Lika-Senj, Kroatien.

    Diesen Nepomuk habe ich in der Kirche St. Joseph des Kapuzinerklosters

    links des Altars gesehen.


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  • Lieber Josef!


    Hast du noch ein Detailbild vom Nepomuk? In der rechten Hand hat er, soweit ich das sehen kann eine Zunge und rechts unten im Bild macht ein Putto die Schweigegeste?


    Johannes

  • Fels am Wagram, Bezirk Tulln, Niederösterreich


    Zwei Nepomuks


    In Fels am Wagram steht dieser Nepomuk am Jakobsweg Richtung Weinviertel:



    Man hat ihm einen Regenschirm zum Unterstellen spendiert:




    In der Kirche riecht es förmlich nach einen Nepomuk, aber man muss in der Taufkapelle genau schauen:




    Die Heiligenfiguren sind angeschrieben mit den Hhl. Franz Xaver (links) und Ignatius (rechts). Das Gemälde links ist ziemlich dunkel, aber es lohnt, es näher zu betrachten:



    Betrachten wir die Komposition näher, so erkennen wir einen Engel, das Kreuz haltend, ein zweiter macht die Schweigegeste und hält seine andere Hand auf eine merkwürdige rote Scheibe (eine Mütze?) und Nepomuk selbst hält (s)eine Zunge in der Hand, die mit fünf Sternen umkränzt ist.





    Das Gemälde stammt von Martin Johann Schmidt, genannt der Kremser Schmidt.


    Johannes

  • Wagram am Wagram, Ortsteil von Grafenwörth, Bezirk Tulln, Niederösterreich


    Am Fuße der Kirche von Feuersbrunn steht noch im Ortsgebiet von Wagram am Wagram diese Kapelle mit einem hölzernen Nepomuk aus dem 19. Jahrhundert.





    Am Abend ist die Kapelle hübsch beleuchtet.




    Die Kirche war leider verschlossen, innen gibt es laut Beschreibung ein schönes Gemälde mit dem hl. Nepomuk. Kommt auf die wachsende to-do Liste.


    Johannes

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