Tag 14 – Quadtour in den Dünen
Mittwoch, der 25.09.2019:
Heute frühstückte ich zum letzten Mal im Riad. Ich hatte Saadia wieder einen Zettel auf Französisch zugeschoben, auf dem ich ihr erklärte, dass ich am nächsten Tag auf das Frühstück verzichten würde, weil ich zu früher Stunde nach Marrakesch aufbrechen wollte, um rechtzeitig am Flughafen zu sein. Ich verabschiedete mich also schon einmal von Saadia, die mir trotz unserer sprachlichen Barrieren sympathisch war, gab ihr ein kleines Trinkgeld in Höhe von 70 Dirham, schulterte meinen Rucksack und startete meine Strandwanderung, die ich für den heutigen Tag angedacht hatte. Durch einen Blick auf meine Lufthansa-App überzeugte ich mich vom planungsmäßigen Start der Maschine am nächsten Tag.
Mein zweiter Brief an Saadia
In der Nähe der Strandpromenade steuerte ich ein Wein- und Likörgeschäft an, das Épicerie de la plage. Als ich den schwer zu findenden Laden endlich gefunden hatte, musste ich feststellen, dass er erst um 10:00 Uhr öffnen würde. Nun gut – dann musste ich eben am Nachmittag wiederkommen.
Ich begann meine Wanderung am Strand in Richtung Süden, die mich zur Ruine des Sultanpalasts Sidi Mohamed Ben Abdallah führen würde, ins Nachbardorf Diabat und zum Unternehmen Diana Quad Essaouira, bei denen ich eine zweistündige Quadtour gebucht hatte. Es ging immer am Strand entlang, an den heranbrausenden Wellen, vorbei an Joggern, bolzenden Jungs und frühen Strandbesuchern. Ich hatte mir meinen Schal umgebunden und beobachtete die Wellenreiter in den Fluten vor der vorgelagerten Insel Mogador. Welch herrlicher Morgen es doch war. Auch die Dromedare mit ihren Reitern waren bereits unterwegs. Eine auf Pferden reitende Gruppe von Polizisten ritt den Strand ab und warf mir merkwürdige Blicke zu. Vielleicht lag dies aber auch daran, dass sie nicht von mir fotografiert werden wollten. Bald ließ ich die letzten Menschen hinter mir und Essaouira wurde immer kleiner.
Wanderung am Strand
Gegen 10:00 Uhr erreichte ich einen kleinen Leuchtturm am Strand, den Borj el Berod. Hier mündet der Oued Ksob – jedenfalls manchmal – ins Meer. Ich wusste, dass meine Route hinter diesem Turm nach links führen würde. Hier waren einige Surfer mit ihren Autos, die ihre Bretter und Segel bereit machten. Einige von ihnen waren mit einem kleinen, schnuckeligen gelblich-grünen VW-Bus hergefahren. Was für ein süßes Ding. Auf meiner sandigen Route passierte ich nun einen kleinen Wald und erspähte dahinter den Sultanpalast. Ein Ziegenhirte mit seiner Herde verweilte zwischen den alten Mauern. Der Palast ist sehenswert, ein herrliches Kleinod inmitten der kargen Natur. 3 Kilometer von der Altstadt Essaouiras entfernt, war er ein wunderschöner Palast, der im 18. Jahrhundert von Hoban, einem reichen Mitglied des Hofes von Sultan Sidi Mohammed Ben Abdallah, erbaut wurde. In heutiger Zeit ist er halb vom Sand begraben. Nachdem ich die alten, etwa rechtwinklig aufgestellten Mauern inspiziert hatte, fuhr ich mit meiner Wanderung fort und sah bereits die ersten Quadfahrer in den Dünen. Genau das würde ich auch alsbald machen.
Surfer mit ihren Autos
Am Sultanpalast
Nach weiteren 20 Minuten erreichte ich das Dorf Diabat. Am Ortseingang befindet sich eine Bar, die kräftig damit wirbt, dass Jimi Hendrix 1969 diesen Ort besuchte. Sein Konterfei sieht man schon von weitem. Einige Straßen weiter oben stand ich vor Diana Quad Essaouira. Jetzt konnte es also losgehen. Viele Quads parkten vorm Eingang.
In Diabat
Diana Quad Essaouira
Ich bekam einen Guide zugewiesen, einen jungen, sympathischen Marokkaner. Man gab mir den Helm, doch mein Guide trug auch keinen. Also fragte ich sogleich, ob ich den Helm denn unbedingt brauche. Wenn ich wollte, war die Antwort. Ich wollte nicht. Wir schossen einige Fotos und starteten um 10:45 Uhr unsere Rundfahrt. Mein Guide fuhr voran, und ich folgte. Er fragte mich, wie oft ich bereits mit einem Quad gefahren sei, und ich musste gestehen, dass dies meine Jungfernfahrt sei. Doch es ist leicht. Wenn man weiß, wie man Gas gibt und bremst, findet man sich schnell zurecht. Wir fuhren aus dem Ort in Richtung des Sultanpalasts, den ich ja bereits zuvor kennengelernt hatte. Zuerst fuhr ich etwas verhaltener, und mein Guide drehte sich manchmal um, um zu schauen, ob ich denn folgte. Doch schon bald lief alles wie am Schnürchen. Am Palast machten wir wieder einige Fotos, und ich stellte fest, dass er das wirklich gut machte. Die Bilder waren nicht von schlechten Eltern. Als er merkte, dass ich Spaß hatte und auch ordentlich Gas gab, legte er einen Zahn zu. Die Quads fuhren ca. 55 km/h, was auf einem solchen Gerät auf schmalen Pfaden und im Sand aber schon recht viel ist. Ich musste mich wirklich fragen, warum ich eine solche Tour nicht schon viel früher mal im Urlaub gebucht habe. Ich habe nun ein neues Hobby.
Und los geht's!
Dann fuhren wir durch den Wald und in die Dünen, und da mein Führer nun wusste, dass er mit mir was anfangen konnte, fuhren wir richtig coole Manöver. Wir nutzten die Dünen (wie beim Skateboard-Fahren) als Half-Pipe, fuhren steil hinauf, rutschten oben herum, und fuhren wieder runter und die gegenüberliegende Düne hinauf, rutschten wieder rum und so weiter und so fort. Es machte einen Heidenspaß. Wir fuhren ganz steile Dünen hinauf, bei denen man Vollgas geben musste, um überhaupt hochzukommen und auf der anderen Seite sehr steil wieder hinab. Hier musste man aufpassen und gefühlvoll runterrutschen, so steil war es. Wir fuhren am Strand so nah am Wasser entlang, dass die Wellen uns fast erwischten. Hin und wieder gab es eine kurze Zigarettenpause, in denen wir uns angeregt unterhielten. Ja, ich mochte ihn. Von mir aus hätte das viel länger als nur 2 Stunden dauern können.
Wir kamen an ein kleines Fischerdorf, welches lediglich aus tiefen, behelfsmäßigen Hütten bestand. Es waren nur aufgestapelte Steine, Fischernetze, Holz und Planen, im Innern aber weiche Sitzmöglichkeiten, Körbe, Kaffeekannen und Eimer. Viele Fischabfälle lagen um die Hütten herum, ein kaputtes Fahrrad, alte Reifen, viel Unrat, Dromedarschädel und Krebsklauen hier, gemütliche Kissen dort. Man fragt sich automatisch, wie die Fischer so leben können. Es war niemand hier. Die Fischer waren gerade auf dem Meer, und so nahmen wir in einer Hütte Platz und unterhielten uns. Es war ein herrlicher Abschlusstag meines Urlaubs. Irgendwann war unsere Tour leider zu Ende, und wir fuhren zurück. Im Anschluss fand sich ein netter Fahrer, der mich und auch einige Andere wieder zurück nach Essaouira brachte.
Zum Fischerdorf und durch die Dünen
Zuerst suchte ich den Laden Épicerie de la plage auf, wo ich am frühen Morgen bereits war. Da ich mich ja mit marokkanischem Rotwein jetzt nicht sooo gut auskenne, fragte ich die Einheimischen um Rat. An der Theke standen der Verkäufer und davor ein guter Kunde. Sie empfahlen mir den Rotwein „Ksar“ (wie ein befestigtes, altes Dorf) aus Meknès für umgerechnet nur 4,50 €. Warum empfahlen sie mir einen so günstigen Wein? Da war doch mit mir sicher viel mehr Geld zu verdienen! Sollten sie es wirklich gut meinen? Nun – ich folgte ihrem Rat. Einige Wochen später genoss ich ihn zuhause, und ich muss sagen, er war fantastisch. Trocken und schwer, aber dennoch relativ fruchtig ohne aufdringlichen Säureanteil. Genau wie ich es mag. Klasse. Und das für so wenig Geld! Ich nahm lediglich diese zwei Flaschen (auch den Rotwein vom Weingut Le Val d’Argan in Ounagha) mit nach Hause, und beide Flaschen waren vorzüglich.
Nun legte ich eine verdiente Pause ein und nahm am Moulay-Hassan-Platz an einem gemütlichen Tisch Platz, trank den obligatorischen Minztee, aß eine kleine Pizza Quattro Stagioni und lauschte der Livemusik am Platz. Ich ließ die Zeit Zeit sein. Gegen 15:00 Uhr raffte ich mich auf und besuchte noch einmal die Souks. Ich wollte noch ein Souvenir mitnehmen; und mir waren herrliche, orientalische, handgemalte Bilder, auf Schafsleder gespannt – genau das Material, welches man auf die Trommeln spannt – ins Auge gefallen. Ein Händler aus dem Senegal schenkte mir eine Muschelkette für das Handgelenk, in der Hoffnung, dass ich zu ihm zurückkehren und bei ihm kaufen würde. Doch warum sollte ich mich bestechen lassen? Bei einem anderen Händler sah ich viel schönere Bilder zu einem günstigeren Preis. Ich nahm zwei.
Ruhepäuschen beim Tee
Immer wenn ich sie trage, soll sie mir Glück bringen!
Dann startete ich zu meinem letzten Ausflug. Eigentlich hatte ich vor, am Kap Tafelney zu baden, eine Landspitze ca. 70 km südlich von Essaouira. Leider konnte ich jedoch keine Zugangsstraße zum Kap finden – es ist wohl nur zu Fuß erreichbar – und so verschlug es mich südlich davon in das kleine Fischerdorf Tafedna. Das Dorf war richtig schnuckelig und brillierte mit kleinen weißen, meist direkt aneinander gebauten Häusern mit blauen Fensterläden. Hier herrschte noch eine ursprüngliche Atmosphäre. Fast nur Einheimische waren zu sehen und die Esel liefen über die sandige „Hauptstraße“. Es gab sogar ein kleines Restaurant. Vor dem Dorf lagen etliche blaue Fischerboote. Idylle pur. Auch hier erlebte ich es wieder, dass die Sonne an der Küste nicht durchkam, obwohl es ansonsten sehr warm und sonnig war. Der Nebel lag über dem Strand Tafani. Nicht viele Badende waren hier. Jugendliche spielten Fußball unter den Klippen. Bis zu den Wellen lief ich sehr weit hinaus, doch eine kleine Abkühlung musste einfach sein. Dann ließ ich mich auf meine Decke fallen und gab mich der Ruhe am Strand hin. Es war ein hübsches Fleckchen Erde. Als ich mich später gegen 18:00 Uhr langsam aufraffte, kam die Sonne doch noch raus und ließ den Strand in hellen Farben erstrahlen. Als ich die Straße aus dem Dorf hinaus fuhr, staunte ich nicht schlecht, denn mitten auf der Straße standen drei Dromedare.
Tafedna und Strand Tafani
Mein letzter Abend in Marokko brach an. Meine Koffer hatte ich bereits vorgepackt. Ich checkte schon online im Flieger ein. Für das Abendessen hatte ich mir das Restaurant Chalet de la Plage direkt am Stadtstrand Essaouiras ausgesucht. Es vermittelte eine Fischeratmosphäre. Als Vorspeise aß ich das erste Täubchen meines Lebens, mit Spiegelei und Erdnüssen darauf. Die Hauptspeise stellte ein Filet vom Petersfisch mit Reis, Brot und Tomaten dar. Es war ein gelungenes Essen, was ein Gläschen Wein und ein Bier zufriedenstellend abrundete.
Täubchen
Petersfisch mit Reis, Brot und Tomaten
Ein bisschen Wehmut macht sich am letzten Abend immer breit. Zum letzten Mal setzte ich mich im Riad in meine gemütliche Ecke auf der Dachterrasse, wickelte mich in eine Decke, lauschte den lauten Möwen und schrieb Nachrichten an die Freunde.
Tag 15 – Die Abreise
Donnerstag, der 26.09.2019:
Gegen 6:00 Uhr startete ich bereits. Mach’s gut, mein schönes Essaouira. Ich winkte den Wächtern an meinem Parkplatz am Bab Marrakesch. Ich glaube, sie verstanden, dass ich nicht wiederkommen würde. Am Abend zuvor hatte ich den Peugeot an einer Tankstelle mit einem Schlauch abgespritzt, so dass er einigermaßen sauber war. Die Rückfahrt zum Flughafen Menara in Marrakesch verlief ohne Zwischenfälle. Ich hatte mir schon gedacht: Jetzt musst Du Dich wieder in den Verkehr in Marrakesch stürzen. Doch liegt der Flughafen soweit außerhalb der Stadt, dass man mit dem richtig intensiven Stadtverkehr nur wenige Berührungspunkte hat. Wär‘ ja auch blöd, wenn Du den ganzen Urlaub unfallfrei durchkommst, und hier auf den letzten Metern in Marrakesch passiert was. Um 9:00 Uhr stand ich auf dem Parkplatz vorm Flughafen und schaute, wo sich mein Mietwagen-Mann rumtrieb – der, der als einziger mitten auf dem Parkplatz sitzt oder an seinem Auto steht, da das Unternehmen kein Gebäude besitzt. Ach, da war er ja. Und mein gutes Gefühl, was diesen Mann anging, hatte mich nicht getrogen. Er schaute sich meinen Wagen kaum an und sagte: „Okay.“ Er war erstaunt, dass ja viel mehr Benzin im Tank war, als ich vor 14 Tagen bekommen hatte. „Da bekomme ich noch Geld zurück“, sagte ich schmunzelnd, doch darauf wollte er sich, ebenfalls schmunzelnd, nicht einlassen.
Mit einem letzten Blick auf den mir treu ergebenen Wagen wandte ich mich gen Flughafen. Zuerst nahm ich natürlich den falschen Eingang. Dieses mir bekannte Portal war nämlich nur für die Ankunft vorgesehen, so dass ich den Eingang für die Abflüge suchen musste. Vergeblich suchte ich einen Gepäckautomaten der Lufthansa, doch gab es solche lediglich für die einheimischen Fluggesellschaften. Also musste ich zum Schalter. Zwei Pärchen – im Alter von ca. 60 Jahren – warteten bereits vor mir. So, nun hatte ich noch Zeit und nahm ein kleines Frühstück ein. Es bestand aus einem Käse-Schinken-Baguette und einem Pizzastück. Um 11:00 Uhr begab ich mich zum Gate und setzte mich, wartete, schaute dem Treiben zu. Im Duty-Free-Shop schien es richtig guten Wein zu geben. Dann kamen zwei weibliche, einheimische Flughafenbedienstete und begannen, ihren Abfertigungsschalter abzusperren. Um 12:25 Uhr ging es an Bord. Auch heute hatte ich wieder einen Fensterplatz. Das braune Land schwebte unter uns dahin. Tschüs, Marokko.
Am Flughafen
Im Flieger
Mach's gut, braunes Land!
Nach dem Essen überflogen wir um 13:30 Uhr die Straße von Gibraltar, und die spanische Küste sah von hier oben richtig gut aus. Ich erinnere mich, dass wir einen spektakulär aussehenden See überflogen – es muss sich um den Stausee Embalse de Barbate handeln – und bald schlief ich ein. Mir war natürlich klar, dass durch die einstündige Zeitverschiebung eine Stunde zur aktuellen Uhrzeit hinzu kommen würde, doch staunte ich nicht schlecht, als ich aufwachte und dachte: Jetzt haben wir sicher halb drei oder drei Uhr, doch bei einem Blick auf mein Handy sah ich dort 16:30 Uhr stehen. Der Anflug auf Frankfurt wurde bereits angekündigt. Um Viertel nach 5 waren wir pünktlich gelandet.
Die spanische Küste
Ankunft
Natürlich dauert es immer Ewigkeiten, bis man vom Gate den weiten Weg bis zum Gepäckband zurückgelegt hat, und dann warteten wir wieder Ewigkeiten auf unsere Koffer. Gerade so erwischte ich noch meinen angepeilten Zug am Fernbahnhof und war gegen 20:00 Uhr am Bahnhof Wilhelmshöhe in Kassel. Nun ließ ich mich von einem Taxi direkt vor die Haustür fahren. Man will ja jetzt keinen Stress mehr. Die Fahrt ist für die Fahrer nicht die beste – sie kostet lediglich 7,90 €, und man kann als Taxifahrer vom Bahnhof bessere Fahrten bekommen – doch durch ein angemessenes Trinkgeld lassen sich die Fahrer stets zufrieden stimmen. Und dann ist es immer ein ganz merkwürdiges Gefühl, wenn man nach dem Urlaub wieder vor dem Haus steht. Man fühlt sich, als sei man Ewigkeiten weggewesen. Nein – ich ging noch nicht hinein, sondern rauchte eine Zigarette und betrachtete das mir fremde Haus. Lässt man den Urlaub Revue passieren und bedenkt, was man alles erlebt und gesehen hat, denkt an jeden einzelnen Tag und bemerkt, dass jeder einzelne etwas Besonderes war, denkt an die vielen Eindrücke, die man mitgenommen hat, die Menschen, mit denen man gesprochen hat, wird einem erst so richtig bewusst, was es für ein toller Urlaub war. Ja – wie aus meinem Bericht ja sicher hervorgeht – in Marokko ist nicht alles schön, aber vieles, in Marokko riecht nicht alles gut, aber einiges, es ist nicht alles perfekt, sondern hat auch einige kleine Schattenseiten, doch bin ich glücklich und möchte das Erlebte und die Erinnerungen daran nie mehr missen.