Das Grenzdenkmal Hötensleben
Im Landkreis Börde in Hötensleben befindet sich direkt an der L104 an der Landesgrenze zu Niedersachsen das Grenzdenkmal, hier war Deutschland bis 1989 geteilt. Es ist ein Teil der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn. Der Ort befand sich unmittelbar an der ehemaligen innerdeutschen Grenze, man konnte praktisch nach „Drüben“ schauen, nur durfte man sich dabei nicht erwischen lassen. Des weiteren gab es auf DDR-Seite das Sperrgebiet bzw. die 5-km-Sperrzone, diese wurde in den 1970er Jahren teilweise dahingehend geändert, dass einige Orte aus dieser Zone heraus genommen wurden, und dadurch waren es an einigen Stellen auch mal nur 3 km bis zu den Grenzanlagen. In diese Zone, die es an der gesamten Grenze zum ehemaligen Westdeutschland gab, durfte man nur mit einem Passierschein einreisen, diesen erhielten Personen, die in den jeweiligen Ortschaften wohnten. Wenn man dort in der Sperrzone dienstlich zu tun hatte, konnte man einen Passierschein für den entsprechenden Ort beantragen, dieser Antrag wurde von den dementsprechenden Stellen geprüft, und wenn man nicht als „Staatsfeind“ auffällig geworden oder dem Regime aus anderen Gründen ein Dorn im Auge war, dann erhielt man diesen auch befristet.
Die Sperrzone war an allen Zufahrtsstrassen mit Schlagbäumen und einem Postenhäuschen versehen. Diese sind, zumindest hier in der Region, nicht erhalten wurden, aber ich kann mich an die Standorte noch sehr gut erinnern, als wir uns nach der Grenzöffnung hier frei bewegen durften und daran vorbei fuhren. Den Ort Hötensleben, wie auch alle anderen Orte im damaligen Sperrgebiet, kannte ich bis 1989 nur vom Namen her, obwohl er nicht sehr weit von meinem Heimatort entfernt war.
Das Grenzdenkmal hat für mich auch eine persönliche Bedeutung, hier reiste ich 1989 das erste Mal ins damalige Westdeutschland. Wir fuhren an einem Samstag morgen mit dem Bus nach Hötensleben, liefen dann bis zur Grenze, natürlich wurden unsere Ausweise kontrolliert, und dann ging es weiter über einen provisorisch angelegten Betonplattenweg im direkten Grenzbereich, rüber nach Niedersachsen. Unmittelbar an der Grenze befand sich auf niedersächsischer Seite der „Fährturm“, bis zur Wende ein Ausflugspunkt, man konnte von einem Podest aus, welches sich in unmittelbarer Nähe befand, über die Grenze schauen.
Über den „Fährturm“ habe ich mich kürzlich mit einem gebürtigen Schöninger unterhalten, er ist ca. in meinem Alter. Er berichtete mir, dass er und seine Freunde als Kinder immer mit ihren Fahrrädern über die schmale Kopfsteinpflaster-Strasse von Schöningen aus dort hin zum Eis essen gefahren sind. Im Fährturm wurde ein Kiosk betrieben, der auch noch viele Jahre nach der Wende ein beliebter Anlaufpunkt für Besucher und Einheimische war. Diese Strasse wurde Anfang 1990 asphaltiert, als dann der Übergang Hötensleben auch für den Fahrzeugverkehr freigegeben wurde. Mittlerweile ist sie mindestens 1x verlegt wurden, da der Schöninger Tagebau in dem Bereich erweitert wurde.
Von hier aus liefen wir ins ca. 3 km entfernte Schöningen, es war sehr neblig und kalt, man konnte höchstens 50 m weit sehen und wir kannten uns hier ja auch nicht aus, also immer dem Vordermann hinterher. Alles war so neu, alle Geschäfte waren geöffnet, vor einer Fleischerei wurde Wurstsuppe ausgeschenkt, an der ich mir gehörig den Mund verbrannte. Gekauft habe ich nichts, ich wusste nicht, was, ich war einfach überwältigt von der Vielfalt der angebotenen Waren.
Am frühen Nachmittag machten wir uns dann auf den Weg zurück nach Hötensleben, an der Grenze wieder Ausweiskontrolle und der provokatorische Blick der Grenzer in die Einkaufsbeutel der vielen Menschen, und dann fuhren wir mit dem Linienbus wieder nach Hause.
Immer, wenn ich hier Richtung Niedersachsen entlang fahre, läuft es mir heute noch kalt den Rücken runter, und die Bilder und Erlebnisse von 1989 sind sofort wieder in meinem Kopf. Und ich bin froh, dass es für mich zur Selbstverständlichkeit geworden ist, dorthin fahren zu können, wo auch immer ich sein möchte.
Ich möchte noch erwähnen, dass auch ich in den 1990er Jahren, als feststand, dass hier ein Stück der innerdeutschen Grenze erhalten werden soll, nicht unbedingt begeistert davon war, und ich denke, auch einige Hötenslebener nicht. Aber mittlerweile sehe ich es als ein Stück Zeitgeschichte, und die Schrecken, die diese unmenschliche Grenze verbreitet und die vielen Opfer, die sie gefordert hat, sollten niemals in Vergessenheit geraten.
Soweit meine persönlichen Anmerkungen, und nun zum Denkmal.
Als erstes habe ich mal ein paar Bilder, auf denen der gesamte Aufbau der Grenzanlage zu sehen ist, von Ost (links) nach West (rechts).
Nun der Blick von Hötenslebener Seite Richtung Westen.
Der Aufbau der Grenzanlage, beginnend auf der Ostseite, also nun von rechts nach links. Alle Einzelabschnitte sind beschriftet.
Weiter in Richtung Westen. Auf dem nächsten Bild sind ganz rechts die Lampen zu sehen, dann weiter nach links folgen der Kolonnenweg, der gepflügte Kontrollstreifen (Todesstreifen), er diente zur Erkennung von Spuren eventueller Grenzübertritte, dann die Fahrzeugsperren und die Grenzmauer oder auch Grenzzaun.
Hinter der Grenzmauer, im nächsten Bild ganz rechts, befand sich das vorgelagerte Hoheitsgebiet, welches durch Tore in der Grenzmauer betreten werden konnte, natürlich nicht von jedem Grenzsoldat, dafür waren die Grenzaufklärer zuständig.
Das nächste Bild ist von der Brücke über die Schöninger Aue aus aufgenommen, die hier in diesem Bereich in etwa die eigentliche Grenze markierte. Von links das vorgelagerte Hoheitsgebiet und dann die Grenzmauer.
Die grossen Tafeln sind überall an der ehemaligen Grenze aufgestellt, mit dem Datum versehen, wann an der jeweiligen Stelle die Grenze geöffnet wurde.
Hier nochmal ein Blick Richtung Westen, unmittelbar dahinter, wo die Strasse nach links abbiegt, befindet sich der Tagebau Schöningen.
Der Blick von West nach Ost, und die Stelle, an der sich der weiter oben erwähnte Fährturm befand.
Nun folgen Bilder, die ich auf dem Rundweg aufgenommen habe. Er ist mit vielen Informationstafeln versehen. Die Bilder von den Tafeln sind mir leider nicht so gut gelungen, da ich mit der Sonne zu kämpfen hatte, und daher teilweise etwas schräg fotografieren musste. Aber ich möchte sie Euch trotzdem zeigen, auch, weil darauf abgebildet ist, wie es dort vor 1989 aussah bzw. zuging.
Erstmal die Gesamtübersicht.
Der Rundweg beginnt im Bereich des Kolonnenweges und führt zuerst Richtung Norden.
Hier noch einmal, von rechts nach links.
Durch dieses Tor konnte das vorgelagerte Hoheitsgebiet betreten werden.
Kurz ein Blick zurück.
Weiter geht es vorbei am Fahrzeugsperrgraben.
Ein Blick den Kolonnenweg entlang Richtung Süden.
Oben auf dem Berg steht dieser Turm, in dem die Führungsstelle untergebracht war. Und daneben der Fahrzeugstellplatz mit Sichtschutz Richtung Westen.
Blick aus Richtung Osten, dieser Plattenweg war vermutlich die Zufahrt für die Grenzeinheiten.
Das nächste Bild spricht für sich.
Die Grenzbeleuchtung.
Die Hötenslebener Seite.
Das Schaupodest befand sich in der Nähe des Fährturms.
Nun geht es südlich der L 104 weiter. Dort wurde eine Baumreihe gepflanzt, an der Stelle, an der die Grenzmauer stand. Und ein Stück Grenzmauer steht noch zwischen den Bäumen.
Ein Stück weiter südlich entlang des Kolonnenweges kommt man zu diesem Beobachtungsturm.
Was es mit diesem zugeschütteten Ring aufsich hat, kann ich leider nicht sagen. Er befindet sich in unmittelbarer Nähe des Beobachtungsturmes. Vermutlich war es ein Fäkalien-Sammler, so wie er auch auf der schematischen Darstellung der Führungsstelle abgebildet ist.
Der Turm steht auf einer Anhöhe, dachte ich zumindest, aber darunter befindet sich der Zugang zum Turm, von westlicher Seite aus war der Eingang nicht einsehbar.
Der Blick vom Beobachtungsturm aus Richtung Norden über den Parkplatz bis hinauf zum Führungsstelle.
Dem aufmerksamen Leser wird wahrscheinlich nicht entgangen sein, dass die Informationstafeln 14 und 19 von mir nicht fotografiert wurden.
Hier nochmal das Bild mit der Übersicht.
Die Nummer 14 habe ich übersehen, sie beschreibt die Hundelaufanlage, und die Nummer 19 steht, wenn man den Kolonnenweg am Beobachtungsturm weiter südwärts läuft, an der Eisenbahnbrücke. Über diese führte die Strecke von Oschersleben nach Schöningen, nach dem Krieg wurde sie unterbrochen, und der Endbahnhof war dann Hötensleben. Ende der 1960er Jahre wurde die Strecke stillgelegt.
Ich habe diesen Bericht so geschrieben, wie sich das Grenzdenkmal mir bei meinem Besuch erschloss. Auch meine Kenntnisse um die Grenze sind mit eingeflossen.
Hier ein paar Links zu Hötensleben, dem Grenzdenkmal und der innerdeutschen Grenze.
https://de.wikipedia.org/wiki/Grenzdenkmal_Hötensleben
https://de.wikipedia.org/wiki/Hötensleben
https://de.wikipedia.org/wiki/Innerdeutsche_Grenze
Die Oschersleben-Schöninger Eisenbahn (OSE).
https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrecke_Oschersleben–Schöningen
Das Sperrgebiet.
https://www.mdr.de/damals/archiv/artikel84666.html
Ich möchte nicht versäumen, einen Hötenslebener zu erwähnen, der sich sehr für das Grenzdenkmal eingesetzt hat. Achim Walther war viele Jahre Vorsitzender des Grenzdenkmal-Vereins. Für seine geleistete Arbeit und Verdienste erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande.
http://www.hoetensleben.de/news/1/222179/…im_walther.html
Er hat auch Bücher über diese Region geschrieben, zum einen "Die Heringsbahn", darin geht es um die OSE und auch, wie es nach Ende des Krieges bis 1952 dann war, und man erfährt auch, warum sie Heringsbahn heisst. Auch das Folgebuch möchte ich erwähnen, "Die eisige Naht", darin schildert er die Ereignisse von 1952 bis 1989.
https://www.volksstimme.de/nachrichten/lo…ugen-reden.html
In diesen beiden Videos berichtet Achim Walther über den Aufbau der Sperranlagen.
Teil 1: https://www.youtube.com/watch?v=PDCTiy_3ULg
Teil 2: https://www.youtube.com/watch?v=dP09yGnIwfE
Im Forum gibt es bereits einen Beitrag aus dem Jahr 2008 zum Grenzdenkmal Hötensleben.
https://www.schoener-reisen.at/thread/914-sachsen-anhalt-grenzdenkmal-hötensleben/
Viele Jahre fand hier auch "Rock am Denkmal" statt, 2009, als sich die Grenzöffnung zum 20. mal jährte, traten sogar die Scorpions in Hötensleben auf, unter anderem mit dem Wende-Klassiker "Wind of Change". Seit 2013 gibt es die Veranstaltung leider nicht mehr.
https://www.volksstimme.de/nachrichten/lo…ausgerockt.html
Wer das Grenzdenkmal einmal besuchen möchte, hier die Karte dazu.
Viele Grüsse, Daniel.