Wir wohnen ja im "Zweistromland", nein, nicht in Mesopotamien also zwischen Euphrat und Tigris, sondern zwischen Lech und Wertach. Das sind zwei kleinere Flüsse, die von den nördlichen Alpen in Richtung Donau fließen. Der Lech ist bekannt als jahrhundertealte Grenze zwischen Oberbayern und Schwaben. Die Wertach mündet in Augsburg in den Lech.
Südlich von Augsburg befindet sich das relativ ebene Lechfeld. Etwa ab der Höhe von Landsberg, Buchloe und Bad Wörishofen wird die Gegend hügeliger. Beide Flüsse werden seit langer Zeit zur Stromerzeugung genutzt. Man hat die Gewässer begradigt, Überschwemmungsgebiete trocken gelegt und die Flüsse mit Dämmen eingefasst um Stauseen zu bauen. So ergibt sich alle paar Kilometer ein Gefälle von um die 10 Meter, was für die Stromerzeugung ausreichend ist.
Wir sind vor ein paar Tagen um einen dieser Seen herumgegangen. Die Bilder des Irsinger Sees oder auch Wörishofer Sees genannt möchte ich euch nicht vorenthalten. Das Auto haben wir an der Brücke bei Stockheim südlich des Sees abgestellt. Drei Stunden ist sehr großzügig gerechnet. In eineinviertel Stunden hat man den See umrundet. Wer natürlich jede Info-Tafel auswändig lernt, braucht entsprechend länger.
Das ist die aufgestaute Wertach.
Wer für diesen umgestürzten Baum verantwortlich ist, brauche ich euch ja nicht zu sagen.
Überall im Bereich der Ufer wurden Baustahlmatten versenkt. Vermutlich sollen diese den Biber davon abhalten, im Bereich des Dammes ins Wasser zu gehen oder dieses dort zu verlassen.
Manche sprechen schon von einer Biberplage in unserer Gegend. Selbst bei mir zuhause in LA (Langerringen) nagt er fleissig an den Bäumen am Ufer der mitten durch mein Dorf fliessenden Singold.
Solche Info-Tafeln erklären die einheimische Fauna.
An mehreren Stellen am Ufer haben Fischer ihre Boote abgelegt. Der Anzahl der Boote nach zu urteilen gibt es eine Menge Fisch im See. Oder vielleicht ist das Fischen für manchen auch nur eine Flucht vor dem trauten Heim.
Nicht jeder Fischer pflegt sein Boot. Vielleicht ging es dem Fischer aber auch wie dem Hauptdarsteller aus "Der alte Mann und das Meer", der bekannten Novelle von Ernest Hemingway. Der Fisch war zu groß für das Boot.
Direkt neben dem Kraftwerk wurde erst vor kurzem eine Fischtreppe gebaut. Diese Sperre soll verhindern, daß sich darin Treibholz verfängt.
Vor einhundert Jahren sah die Wertach hier noch völlig anders aus.
Sollte zu viel Wasser vorhanden sein ist es erforderlich, daß ein Teil davon über dieses Schott an den Turbinen vorbei aus dem See abgelassen wird.
Unterhalb dieses Stausees verläuft der Fluß in einer Art Kanal etwa 10 Kilometer bis zum nächsten Kraftwerk.
Aus diesem Text ist zu entnehmen, daß es nach der Begradigung eigentlich ein Muß ist, überall Wasserkraftwerke zu bauen um die Fließgeschwindigkeit des Flusses zu verringern. Paradox!
Es werden gerade Bauarbeiten am Maschinenhaus durchgeführt. Was lag da näher für mich als neugieriger Hobbyforscher um gleich meine Nase dort reinzustecken und mir von einem Angestellten der Stadtwerke Bad Wörishofen die Technik erklären zu lassen. Meine Gattin war davon zwar nicht erfreut, aber so eine Gelegenheit darf man sich nicht entgehen lassen.
Hier das Schema des Wasserkraftwerks, welches Anfang der 60er Jahre gebaut wurde. Damals gab es hitzige Diskussionen in Bad Wörishofen, ob nicht 5 Millionen Euro zu viel Geld für die Kleinstadt mit nicht einmal 15.000 Einwohnern sei. Heute wäre das ein Kleckerlesbetrag für eine technische Anlage mit einer geschätzten Betriebsdauer von mehr als 100 Jahren. Bei voller Leistung erzeugen die beiden Maschinen etwa 1600 KWh Strom, was gerade mal einem Achtel des durchschnittlichen Gesamtverbrauchs von Bad Wörishofen entspricht. Aus heutiger Sicht ist das Kraftwerk ein Kleinkraftwerk, hat hier in der Gegend ja schon jede moderne Windanlage etwa die doppelte Leistung bei einem Investitionsvolumen von etwa 4,5 Millionen Euro.
Damit regelt man das Wasserkraftwerk. Eigentlich recht simpel.
Eine der beiden Turbinen mit dem oben angeflanschten Generator.
Diese Vorrichtung ist dazu da, in Notfällen mit hohem Druck das Schott zu schließen, so daß die Turbine nicht mehr vom Wasser durchströmt wird.
Die Wertach ist anders als der Lech oder andere Flüsse hierzulande nicht in der Hand eines einzigen Strommultis. Die Wasserkraftwerke gehören Stadtwerken wie Bad Wörishofen, einer Papierfabrik in Ettringen, den VWEW (Vereinigte Wertach Elektrizitätswerke), BEW (Tochter des RWE-Konzerns) oder privaten Investoren wie z. B. der Firma Ruf, einer Porsche-Tuning Firma aus der Gegend.
Der Schwimmsteg des Segelclubs Bad Wörishofen wird den Winter über am Ufer gelagert.
Endlich haben wir den Beweis. Auf einer der Info-Tafeln ist vermerkt, daß es selbst hier im Unterallgäu echte Wolpertinger gibt. Ich habe bisher immer angenommen, diese kommen nur im Hochgebirge des Allgäus vor. Man lernt halt immer wieder mal was dazu.
Auf der Westseite der Wertach gelangen wir wieder zu unserem abgestellten Pkw. Rund um Bad Wörishofen, was etwa 20 Fahrminuten von uns entfernt liegt, gibt es viele bequeme und relativ ebene gut markierte Wanderwege. Dazu gehören auch gut ausgebaute und beschilderte Wege entlang der Wertach und ihrer Seen. Schließlich ist ja auch eine Philosophie des bekannten Wasserdoktors Sebastian Kneipp "viel Bewegung".
Jürgen