Hallo Freunde von alter Industriearchitektur!
Vor zwei Jahren hatte ich die Gelegenheit, im Augsburger Stadtteil Oberhausen auf den 84 m hohen Gaskessel steigen zu dürfen. Auch das Innere ist mittlerweile begehbar, nachdem das Gaswerk im Jahr 2001 stillgelegt wurde. Dieser größte von insgesamt 3 Gasbehältern wurde erst im Jahr 1954 in Betrieb genommen, hat einen Durchmesser von 45 Metern und fasst immerhin 100.000 Kubikmeter Gas.
Das folgende Bild zeigt das Innere des Gaskessels. Darin war im Jahr 2009 ein Foucaultsches Pendel aufgehängt. Die Bewegung dieses Pendels wird durch die Erddrehung hervorgerufen. Die Stelen sind Lautsprecher. Gesteuert durch das 70 Meter lange Foucault Pendel erklingen die Töne von Bachs C-Dur Präludium in hypnotischer Langsamkeit.
Synchron zur Pendelperiode von 17 Sekunden baut sich das Stück Note für Note über eine Zeit von 10.000 Sekunden auf. Ob dieses Ding heute noch installiert ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Es war jedenfalls ein sehr ungewöhnliches Klangerlebnis im Innern dieses gewaltigen Kessels.
Oben war eine sogenannte Abdichtscheibe mit Betongewichten. Das ganze wog 356 Tonnen und verhalf so dem Gas zu einem Druck von ca. 23 bar. Diese Scheibe ist mittlerweile abgesenkt worden. Wenn man jetzt nach oben blickt, sieht man Licht, welches durch Öffnungen an der Decke bzw im oberen Bereich der Wand einfällt. Der jetzt abgesenkte Deckel wurde nur bis maximal knapp unterhalb der Fensteröffnungen angehoben.
Der Blick auf das Gelände während des Aufstiegs.
Auf das Dach des Kessels führt sowohl ein Aufzug als auch eine Treppe. Oben kann man herumlaufen und hat von dort natürlich einen tollen Blick über Augsburg. Hier der Blick nach Süden. Etwas links der Mitte der Hotelturm.
Dies ist eines von mehreren Notventilen, über welche Druck abgelassen werden konnte.
Die beiden benachbarten Gasbehälter waren kleiner und von anderer Bauart. Vom großen Kessel aus kann man erkennen, daß diese älteren ein wesentlich geringeres Fassungsvermögen haben als der jüngste Behälter. Hier ist der „Deckel“ eine Art umgestülpter Topf, der exakt in den unteren Teil passt und sich je nach Gasmenge nach oben schiebt. Abgedichtet wurde das ganze bei allen drei Gasbehältern durch Öl. Durch das Eigengewicht entsteht der Gasdruck. Diese beiden Gasbehälter wurden bereits in den Jahren 1910 bis 1913 gebaut.
Die Eisengestelle außen um die Behälter dienten zum einen dem Deckel als Führung und zum anderen der Wartung, insbesondere dem Aufbringen des Dichtöls. Unvorstellbar für mich ist die Tatsache, daß die Dichtung allein durch dieses Öl erfolgt ist.
In diesem Pumpen- und Maschinenhaus wurde das Gas gereinigt und bei Bedarf weiter verdichtet und ins städtische Netz eingespeist.
Hier noch mal der große Gasbehälter von unten gesehen.
Als Laie habe ich mir angelesen, daß zur Gasproduktion Steinkohle aus Bayern, Böhmen und dem Saarland per Bahn angeliefert und mittels Hitze zu Kokskohle verschwelt wurde. Dabei entstand das sogenannte Stadtgas, welches im übrigen giftig war. Dieses Stadtgas wurde in das seit dem 19. Jahrhundert ständig weiter ausgebauten städtische Gasnetz eingespeist und diente der Beleuchtung von Straßen sowie Wohnungen und auch zum Kochen. Natürlich konnten sich dies nur wohlhabende Bürger leisten.
Für die ärmeren Mitmenschen blieb immerhin noch der Kauf eines Leiterwagens voll Kokskohle, die immer noch einen guten Heizwert hatte. Das Gaswerk in Augsburg wurde während des Krieges trotz wiederholter Bombenangriffe nicht zerstört und stellt heute ein einzigartiges Industriedenkmal in Europa dar.
Wer mehr darüber wissen will, kann unter diesem Link technische und geschichtliche Details nachlesen:
https://www.gaswerk-augsburg.de/
Ich hoffe, mit diesem Beitrag euch interessantes aus der Nachbarschaft nahe gebracht zu haben.
Ein Nachtrag noch zur dieser Technik der Speicherung von Gas. In Pula in Kroatien gibt es noch solche Behälter wie die hier gezeigten älterer Bauart. Die Anlagen stehen beim Yachthafen Veruda und sind noch in Betrieb.
Jürgen