Teil 06:
Tag 04 – Die Besteigung des Osoršćica
Montag, der 08.08.2022:
Heute hatten wir eine Wanderung auf dem Plan. Unsere Rucksäcke mit einer ausreichenden Menge an Getränken waren gepackt und unsere Wanderschuhe waren geschnürt. Das kroatische Fußball-Trikot wurde übergezogen. Es konnte losgehen. Ich hatte noch schnell einen Telefonanruf erledigt. Bereits seit einer Weile stand ich im E-Mail-Kontakt zu einem E-Bike-Verleiher in Mali Lošinj. Heute wollte ich anrufen und reservieren. Am Telefon sagte man mir, es sei noch zu früh, da wir erst übermorgen fahren wollten. Ich solle am nächsten Tag noch einmal durchrufen. Gut – also dann morgen nochmal.
Nach dem Frühstück fuhren wir nach Osor zur Drehbrücke. Ich Depp hatte natürlich wieder nicht mitgedacht. Ich versuche immer, so vieles mit zu bedenken, doch alles geht einfach nicht. Meine Schuld. Es war kurz nach 9 Uhr. Das bedeutet natürlich, dass die Brücke geöffnet wird. Dies ist täglich einmal um 9 und dann noch mal um 17 Uhr der Fall, was ich eigentlich wusste. Wie blöd kann man sein? Zuerst fahren alle Boote von der einen Seite hindurch, dann ist die andere Seite dran. Zahlreiche Boote warten in langen Schlangen auf dem Wasser, um die abkürzende 11 Meter breite Durchfahrt namens „Kavada“ zu nehmen, die die Römer bereits gegraben hatten und damit aus einer Insel zwei gemacht hatten. Der damals Apsorus genannte Ort war damals die bedeutendste Stadt der Insel, in der im Mittelalter sage und schreibe 30.000 Menschen wohnten. Heute sind es vielleicht noch gerade mal 80 Einwohner. Wie ist sowas möglich? Das frage ich mich schon seit vielen Jahren. Nun gut, warten mussten wir sowieso. Wir kannten das ja schon durch einige Besuche in früheren Jahren, aber warum soll man dauernd im Auto sitzen bleiben? Also lief ich zur Drehbrücke und wohnte dem Schauspiel bei. Natürlich tun dies etliche Touristen und filmen die Durchfahrt der Boote. Marco hatte derweil einfach geduldig im Auto gewartet.
Endlich, um 09:45 Uhr, ging es weiter, und wir fuhren nach Nerezine und parkten gegenüber der Ortschaft auf dem Televrin-Wanderparkplatz. Einige PKW’s standen bereits dort. Der Televrin mit einer Höhe von 588 Metern und der Sv. Mikula mit einer Höhe von 557 Metern sind die Gipfel des Berges Osoršćica, des höchsten Berges der Insel Lošinj. Mit einer Länge von ca. 20 Kilometern erhebt er sich zwischen den Orten Ćunski und Osor. Er birgt eine Vielzahl von Höhlen, wie z. B. die Höhle des hl. Gaudentius unter dem Televrin-Gipfel und die Höhle Vela Jama auf der westlichen Seite. Vom Gipfel Sv. Mikula hat man die schönere Aussicht, und wir entschieden uns, dass dies unser Ziel sei.
Beginn der Wanderung
Gegen 10:30 Uhr starteten wir. Auf diese Wanderung freuten wir uns seit Jahren. Zwischen Trockensteinmauern und Olivenbäumen, auf vielerlei Geröll und Gestein arbeiteten wir uns langsam voran. Der Weg ist mit rot-weißen Markierungen versehen und relativ leicht zu finden. Da es heute auch wieder ca. 30° werden würden, nahmen wir uns vor, viele Pausen einzulegen. Es wurde steiler und steiniger. Marco machte sich ein wenig Sorgen, doch auch er freute sich seit langem auf die Wanderung. Sollte es nicht mehr funktionieren, müssten wir eben umkehren. Nach einer halben Stunde sahen wir Nerezine unterhalb des Weges liegen. Von hier sieht man erst einmal, wie schön die Meerenge zwischen Cres und Lošinj doch wirklich ist. Man muss das von oben sehen. Der Süden der Insel Cres bietet zahlreiche Buchten, Halbinseln und viel, viel Wald. Wir begegneten etlichen Wanderern. Die Meisten von ihnen überholten uns, doch es war uns egal. Wir ließen sie ziehen und hatten unsere eigene Geschwindigkeit.
Heiko im Wandermodus
Zwischen Trockensteinmauern hindurch
Marco, der Wandersmann
Gegenverkehr
Zwischen Fels und Stein
Blick auf Nerezine
Weiter bergan
Blick zurück auf die Meerenge zwischen Cres und Lošinj
Erster Wegweiser
Nach einer Stunde erreichten wir einen hübschen Platz zum Ausruhen mit zahlreichen Holzbänken unterhalb eines Felsens. Kleine Eidechsen sprangen über Bänke und Gestein. Hier rasteten wir natürlich und nahmen erst einmal ordentliche Schlücke aus unseren Wasserflaschen. Die Serpentinen nahmen anschließend zu. Da die Temperaturen zugenommen hatten, war ich froh, mein Handtuch dabeizuhaben, da es durchaus eine schweißtreibende Angelegenheit war. Nerezine und die Meerenge zwischen Cres und Lošinj verschwand immer mehr in der Tiefe. Eine Zeit lang unterhielten wir uns mit einer bayrischen Familie. Wir überholten sie, sie überholten uns. Stolz verkündete uns der Herr, dass er schon seit langem mit dem Rauchen aufgehört hatte. Letzten Endes ließen wir auch ihnen der Vortritt. Nach ca. 2,5 Stunden erreichten wir den Gipfel und waren gespannt, was uns gleich erwartet, denn wir freuten uns auf die Aussicht. Eine Vielzahl von roten Wegweisern zeigt die Richtungen zu den verschiedenen Zielen.
Am Rastplatz
Die Wanderung geht weiter
Nicht mehr weit
Gleich sind wir da
Das letzte Stückchen
Noch eine kleine Anhöhe, über die letzten Wurzeln hinüber, und wir standen auf dem Gipfel Sv. Mikula. Und wir wurden nicht enttäuscht! Auf der einen Seite des Gipfels steht man vor der kleinen Kapelle Sv. Nikola; auf der anderen Seite wartet der herrliche Ausblick über den gesamten Süden des Cres-Lošinj-Archipels. Trotz des sonnigen Wetters war es ein klein wenig diesig, was unsere Freude jedoch nicht schmälerte. Man sieht über die Insel Lošinj hinweg mit dem Ausläufer, auf dem der Flugplatz liegt und der Insel Koludarc, ganz hinten dem Mali Lošinj-Teil, Orjule auf der linken Seite und auf der rechten Seite Unije, Vele und Male Srakane und Susak. Einfach nur herrlich. Schon immer wollte ich genau hier stehen. Diese Aussicht muss man auf sich wirken lassen. Ich verstehe nicht die vielen Leute, die hier oben ankommen und sofort weitermarschieren. Bedeutet ihnen das alles etwa nichts? Mir schon! Man muss sich setzen, einen Schluck trinken und schauen. Einfach nur schauen. Für mich ein erstes Highlight des Urlaubs. Marco ist da genauso wie ich. Natürlich macht man auch unzählige Bilder. Unter allen kann man ja später die besten raussuchen. Ein Weile lag ich einfach auf einem Felsen und ließ die Sonne auf mich herunterbrutzeln.
Fabelhafte Aussicht
Blick auf eine hübsche Bucht im Westen
Nochmal der Blick nach Nerezine
Die Kapelle ist geöffnet, und man kann die Glocke läuten, sich ins Kapellenbuch eintragen. Ein kleiner Altar mit Bildern und Opfergaben ist an der Wand. Mindestens eine halbe Stunde lang waren wir hier oben, bevor wir den Rückweg antraten. Der geht natürlich etwas leichter als der Hinweg, und um 16:00 Uhr waren wir wieder am Auto. Die Länge der Route lässt sich schwer abschätzen. Sind es nur 7 Kilometer oder gar 10? Schwer zu sagen.
Kapelle Sv. Nikola
Der Rückweg