Botanische Wanderung durchs Planeiltal

  • Liebe Leser,


    ich möchte heute noch in "Schöner Reisen" einen Beitrag für "Schönes" leisten - und Euch von der Möglichkeit einer botanischen Wanderung im Vinschgau, die ich mit einem Experten erleben durfte, berichten.


    Ich hatte die Möglichkeit, einen kompetenten und liebenswerten Biologen und Botaniker kennen zu lernen - und die Ehre, mit ihm auf besonderen Pfaden im Planeiltal des Vinschgau zu gehen. Er stammt aus dieser Gegend, lebt hier, kennt nahezu alle Alpenpflanzen - und hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich besonders gefährdeter Arten anzunehmen.


    Zu diesen sehr gefährdeten Arten im Alpenraum gehört der Berg-Drachenkopf, auch Nordischer Drachenkopf genannt. Er ist ein Lippenblütler, der besondere Bedingungen für sein Leben und Überleben braucht. Steile, sommerwarme Bergwiesen muss er vorfinden, um üppig, oft in größeren Gruppen aufzutreten. Einer der wenigen Standorte in Südtirol ist das Planeiltal im Oberen Vinschgau.


    Mein Begleiter hat vor einigen Jahren diese Bestände erforscht und dokumentiert. Seit Eiszeiten ist der Drachenkopf - wahrscheinlich aus Innerasien - ausgewandert und hat hier in den Alpen wieder eine Heimat gefunden. Seine Gefährdung besteht einerseits in starker Düngung der Wiesen und andererseits im Brachfallen steiler Bergwiesen, wodurch Verbuschung den Lebensraum der seltenen Pflanze mehr und mehr einengt.


    Sehr steile Bergwiesen geben wenig Ertrag, das Mähen ist Schwerarbeit und wird daher kaum mehr von den Besitzern durchgeführt. Durch besondere Initiative einiger Naturschützer (plus unterstützender Förderung) wurde eine Möglichkeit gefunden, eine solche Bergwiese mit besonders intensivem Bestand des Berg-Drachenkopfs vom Eigentümer zu erwerben - und die Pflegemaßnahmen am Standort in notwendiger Weise durchzuführen.


    Zu diesem großen Bestand des Berg-Drachenkopfs wurde ich geführt. Mit Bildern dieser Pflanze möchte ich diesen Beitrag beginnen - und dann auch noch einige andere Besonderheiten dieser Bergwiesen aufzeigen.


    Der Weg dorthin und die bezeichnete Bergwiese sind außerordentlich steil, ein schöner, aber etwas anstrengender Anmarsch war nötig.

    Am Morgen lagen Wolken und fast dichter Nebel über dem Tal, es war fraglich, ob unsere "Exkursion" nicht mit Regen enden würde.



    Der Aufstieg war aber ideal, in der Kühle ließ sich gut wandern, dann kam nach und nach die Sonne - die Pflanzen konnten so ihre ganze Schönheit zeigen. Blick auf die Puni, den Bach, der das Tal durchfließt, im Vordergrund reiche Arnikablüte:



    Große Bestände des Lippenblütlers, Drachenkopf, inmitten einer üppiger Bergwiese, auch ein Fundort der Astlosen Graslilie.






    Diese zarte Blume, Graslilie, übt auch einen ganz besonderen Zauber aus. In der zweiten Juni-Hälfte sind viele Wiesen in diesem Bereich wie mit einem weißen Schleier dieser Blume überzogen.





    Auch Türkenbundlilien sind in diesem Gebiet stark vertreten, hier der Fruchtstand eines schon verblühten Türkenbunds, neben einem kleinen Fleck mit dem Drachenkopf (man beachte die Größenverhältnisse!).







    In diesem wunderbaren, touristisch kaum erschlossenen, Tal gibt es die weitere Besonderheit einer seltenen Pflanze, der Kugelorchis, einer Orchidee. Mein kompetenter Begleiter wusste um die Vorkommen in diesem Gebiet, entdeckte aber auf unserer Wanderung auf einem bisher noch nicht bekannten Standort einen großen Bestand dieser schönen, zarten Pflanze.


    Kugelorchis, an verschiedenen Standorten:




    Weitere Orchideen-Pflanzen im Gebiet:

    Die Mücken-Händelwurz in der Bergwiese



    Hübsches Exemplar des Schwarzen Kohlröschens



    Das Breitblättrige Knabenkraut (Fingerwurz) in feuchten Wiesen, neben großen Beständen des Breitblättrigen Wollgrases - und Schachtelhalmen, die direkt in der Feuchtigkeit stehen:







    Dazwischen einige Schmetterlingsarten, die ich "angetroffen" habe. Dukaten-Feuerfalter, Roter Scheckenfalter und Beifleck-Widderchen waren zu entdecken. Der Schwalbenschwanz, der ebenfalls im Gebiet zu finden ist, stammt von einem anderen Ausflug.






    Im letzten Teil noch einige weitere pflanzliche Besonderheiten des Gebiets.


    Das Heilglöckchen, ein Primelgewächs, ist ebenfalls eine sehr seltene Pflanze. Die Heilglöckchen sind schon nahe am Verblühen, hier auch ein Bild von einer früheren Wanderung.




    Sowie ein starke Vorkommen der Feuerlilie, hier nur aus großer Entfernung zu beobachten - das 2. Foto aus einer anderen Bildserie.




    Die Pechnelke, eine im Vinschgau ebenfalls eher seltene Pflanze, hat ihren Namen durch einen im oberen Abschnitt klebrigen Stängel:



    Alpen-Tragant, Südlicher Tragant, Tiroler Alpen-Spitzkiel - Schmetterlingsblütler mit großer Ähnlichkeit miteinander.





    Den Hängeblüten-Tragant kannte ich schon von früheren Wanderungen. In diesem Jahr ist er schon knapp am Verblühen. Letztes Jahr - am Waalweg durchs Matscher Tal - konnte man schon die reifen Früchte beobachten.





    Schon am Beginn der Wanderung wurde mir der Sumpf-Storchschnabel mit Ähnlichkeit zum Blutrot-Storchschnabel, präsentiert:



    Eine Pflanzenart, die besonders Dich, Johannes56 , interessieren könnte.


    In den Bergwiesen wächst eine Sommerwurz, die mein botanisch geschulter Begleiter als in dieser Gegend noch nicht entdeckte Art der Laserkraut-Sommerwurz zu erkennen glaubt. Die Bestimmung dieses Funds ist noch nicht gesichert, wird aber unter Fachleuten interessiert beobachtet und überprüft. Diese, auch Laserkraut-Würger genannte Pflanze, schmarotzt auf Hallers Laserkraut:




    Einige Pflanzenarten, die optisch nicht so attraktiv wirken, die mir aber neu nahe gebracht wurden, lernte ich kennen: Schlangen-Wegerich, Alantblättriger Pippau, Geflecktes Ferkelkraut (Blütenkopf links oben, Flecken beziehen sich auf die Blätter ganz unten).





    Eine wieder entdeckte, nicht häufig vorkommende Pflanze, die Gewöhnliche Mondraute, machte Freude. Sowie einige herrlich aufgeblühte Knäuel-Glockenblumen, deren Blüten fast wie Enzian-Sterne aussehen.





    Als ich nicht ganz 3 Wochen später wieder ins Gebiet komme, sind die Wiesen ziemlich ausgetrocknet, es gibt nur wenige blühende Pflanzen, eine hübsche Perücken-Flockenblume erfreut mich:



    Gegen Ende der botanischen Wanderung blicken wir, von einer Bank neben einem Wegkreuz, jausnend zurück. Dort oben bei den Baumgruppen sind wir gewesen, stellt mein Begleiter fest. Und ich denke, das sind sicher noch 100 Höhenmeter von hier, nein, es sind schon fast 200 Höhenmeter, meint er. Sieht von hier aus gar nicht so weit aus.




    In der mittlerweile schön aus den Wolken getretenen Sonne glänzt de Puni - und der Blick aus der Höhe auf den Ort Planeil ist auch erfreulich. War die Wanderung ja vor allem ein beeindruckendes Erlebnis!




    Über eine - etwas anders, flotter und weiter, angelegte Wanderung durchs Planeiltal - mit auch anderem Schwerpunkt - hat Jürgen in diesem Sommer berichtet.



    Mein Begleiter und ich sind mittlerweile beim Parkplatz angekommen, dankbar und zufrieden schauen wir auf den Ort und in Richtung der Bergweilt des Planeiltals.



    Ich möchte mich bei meinem Wander- und Botanikführer Joachim auch noch auf diesem Weg sehr herzlich bedanken und grüße Euch!


    Susanne

  • hallo Susanne,


    da haben wir beide die gleiche Gegend kennengelernt und doch sieht sie jeder mit anderen Augen. Gut, du hattest zwei Vorteile: einen fachkundigen Begleiter und du bist nicht so groß wie ich. Folglich sind all die Blühpflanzen viel weiter von meinen Augen weg. ;)


    Im Ernst. Schön, daß ich dieses Hochtal nun durch dich aus völlig anderer Sichtweise kennenlernen darf. Es gibt übrigens durchaus Pflanzen, die ich kenne. Es sind also nicht alle nur "böhmische Dörfer" für mich.


    Mal sehen, ob wir im kommenden Frühjahr erneut in der Gegend sind. In diesem Jahr ist unser Hotel in St. Valentin bereits ausgebucht.


    Danke fürs Zeigen sagt


    jürgen, dem gerade einfällt, daß er noch ein paar Bilder aus dem oberen Vinschgau auf der Festplatte hat, die sich durchaus für einen oder zwei Berichte eignen.

  • Fantastisch, was da alles auf diesen Bergwiesen blüht. Du hast es so herrlich präsentiert, Susanne.

    Einfach nur schön. <3 Danke dafür. :)

    El mundo es un libro, y quienes no viajan leen sólo una página. (Aurelio Agustín)
    Gruß Jofina

  • Liebe Susanne !

    Das ist ein Bericht , in den ich mich verlieben könnte!

    So genau beobachtet, so treffend beschrieben, so gut fotografiert!

    Ich kann mich nur @Bruce anschließen

    ein Wahnsinn, es gibt sie noch die intakten Fauna und Flora-Paradiese,

    Gewusst wo - und dann das Glück haben, mit einem fachkundigen Führer unterwegs zu sein.

    Ich kann mir so gut vorstellen, mit welchem Glücksgefühl Du den Tag beendet hast. Ich spüre das in Deinem Bericht !


    Vielen Dank !


    Gruß,

    Elke


    P.S. Ich hab ein neues Wort gelernt

    Man kann Brotzeit machen, vespern aber auch "jausen" ! ^^

  • Ja, liebe Elke, jausnen ist wohl österreichisch, vielleicht sogar wienerisch.. Ist mir bei der Freude des Berichtens gar nicht aufgefallen.

    Aber ist das Hauptwort Jause ausserhalb Österreichs auch kaum gebräuchlich?…

    Hallo Susanne,


    In Bayern und im Allgäu, ich treffe bewusst diese Entscheidung, ist der Begriff nicht gebräuchlich. Meines Wissens spricht man nur in Südtirol und Austria von einer Jause.


    Im dem Allgäu sprachverwandten Ausserfern in Tirol kennt man zwar wie im Allgäu Alpen, die in Oberbayern Almen genannt werden. Zur Brotzeit hingegen sagt man Jause und folglich gibt es Jausenstationen.


    Grüße


    Jürgen

  • Das ist ein Bericht , in den ich mich verlieben könnte!

    Das ist ein Bericht, in den ich mich sofort verliebt habe. Wie wunderwunderschön. Danke für diese fachkundige, herrliche botanische Wanderung! Großartig!


    Johannes

  • Klasse :thumbup: von einer so kompetenten Pflanzenkundlerin die Alpenflora erklärt zu bekommen!

    Teilweise ganz schön steil hast du aussagekräftige Fotos geschossen. Diese Pflanzen sieht man nur wenn man zu Fuß unterwegs ist und ein besonderes Augenmerk auf die kleinen Schönheiten legt. Und in Begleitung eines Botanikers macht das ganze richtig Spaß.

    Danke dass du uns mitgenommen hast Susanne - ehem. Mitglied


    Grüße

    Citronella

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