Beiträge von Grizzly

    Ich hab grad technische Schwierigkeiten. Text geht mit Verzögerung, Bilder gar nicht. Sorry.


    Zwischendrin Schaukästen mit den besonderen Schwierigkeiten einer Ozeanüberquerung mit Segel- und später mit Dampfschiffen. Bei den wetterabhängigen Segelschiffen, bei denen die Überfahrt schon mal erheblich länger dauern konnte als geplant, wurde manchmal der Proviant und, schlimmer, das Trinkwasser knapp, da halfen auch Vorgaben der Hafenverwaltung, wieviel mindestens davon mitgenommen werden musste, nur bedingt. Bei den Dampfschiffen war die Arbeit der Kohleschaufler im Bauch des Schiffes so brutal, dass die Suizidrate der Arbeiter Mitte des 19. Jahrhunderts zeitweise um zehn Prozent betrug.


    Aber irgendwann war man angekommen. Die Erste- und Zweite-Klasse-Passagiere wurden einer lockeren Kontrolle unterzogen und durften von Bord. Die Mehrheit kam dritter Klasse und wurde weitertransportiert bzw. auf Barkassen, jedenfalls Ende des 19. Jahrhunderts, nach Ellis Island gebracht und dort genauer durchgecheckt. Das fing schon mit einer "unauffälligen" Gesundheitskontrolle auf einer langen steilen Treppe an, auf der Ärzte die Ankommenden beobachteten:

    Wie gut kommt er/sie die Treppe hoch ?

    Muss er unterwegs verschnaufen ?

    Hinkt er ?

    Nach einer medizinischen Untersuchung mussten die Einwanderer ca. 30 Fragen beantworten.

    Das können Besucher auch an einem Computer in der "Aufnahmekabine".

    Ob man lesen und schreiben könne, Haar- und Augenfarbe, aus welchem Land man käme, jemals im Knast oder in der Psychiatrie gewesen, ob man Anarchist oder Polygamist sei, und wieviel Geld man dabei habe - über 50 Dollar, unter 10 oder dazwischen.

    Ich hab den Test in mehreren Variationen gemacht, bis sich nach mir eine Schlange bildete, sonst hätte ich noch länger so weiter gespielt.

    Wo man herkommt sowie Haar- und Augenfarbe spielten für die Einreise keine Rolle, ich kam durch.

    Analphabet durfte ich auch noch sein.

    Aber weniger als 10 Dollar in der Tasche durfte ich nicht haben, da wurde ich zurück geschickt, ebenso nach Knast- und Psychiatrieaufenthalt (schön blöd, wenn man das angegeben hätte).

    Wahrscheinlich hätte ich als Anarchist ode Polygamist auch keine Chance gehabt, das konnte ich aufgrund der wartenden Besucher hinter mir nicht mehr durchspielen, aber die Begründung hätte mich interessiert.

    Bis später !

    Beim Eintritt hat man eine Extrakarte mit einem Auswanderer bekommen, in meinem Fall eines späteren Musikinstrumententechnikers, der 1926 im Bauch seiner schwangeren Mutter von Oberschlesien über Bremerhaven nach Argentinien auswanderte und dort vor einigen Jahren starb (leider hab ich die Karte verloren und den Namen vergessen). Dessen Biographie kann man unterwegs immer wieder nachlesen.


    Ansonsten ist das Innere des Museums Teilen eines Schiffsinneren nachgebildet, man geht den Gang zwischen den Kabinen entlang, manchmal glaubt man das Schwanken des Seegangs zu spüren (das ist jetzt eher psychosomatisch). Die Schlafsäle der 3. Klassen sind drangvoll eng, erinnern mich an die Schlafsäle in den Skihütten der 60er Jahre, es sitzen oder liegen wieder lebensgroße Puppen herum, und manche geben ein lautes aber regelmäßiges Schnarchen vor sich.

    Im Gegensatz zur Ballinstadt, wo die Ausstellung in Originalgebäuden untergebracht ist, ist das Auswandererhaus ein Neubau. Soweit ich das mitbekommen habe, hielten sich die Auswanderer in Bremerhaven, das im 19. Jahrhundert zu größten deutschen Auswandererhafen anwuchs, nicht mehr lange auf, über die Unterbringung dort habe ich nichts gefunden. Entsprechend beginnt die Ausstellung in einem heruntergekommen wirkenden Wartesaal (für die Auswander 3. Klasse, als die die Besucher/innen gruppenweise hereingeführt werden), von dort geht es direkt ans Schiff, dessen riesig wirkender Unterbau in der nächsten Halle nachgebaut ist, samt einer größeren Anzahl menschengroßer Puppen, gekleidet in die Tracht einfacher Leute vor 150 Jahren, daneben Unmengen von Kisten, Karren und Tragegestellen.

    Puppen und Besucher mischen sich und sind in diesem Halbdunkel, in dem ich ohne Blitz (verboten !) nicht photographieren kann, kaum zu unterscheiden.
    Von "Schiff" sieht man nur die dunkle Bordwand und ganz oben die erleuchteten Bullaugen des untersten Decks, das Ganze macht einen bedrohlichen Eindruck, so als sollte man es sich spätestens hier nochmal überlegen, ob man nicht lieber wieder umkehrt. Wer sich doch entschliesst, an Bord zu gehen, steigt die steile Treppe hoch, oder nimmt, wenn fußkranker Besucher, den Aufzug.

    (wird fortgesetzt)


    In diesem Link sind ein paar Bilder, die ich wegen der Lichtverhältnisse selber nicht machen konnte.

    Ich schreib später weiter, versprochen - auch ein Rentner hat nicht den ganzen Tag Zeit.

    Deutsches Auswandererhaus erzählt Migrationsschicksale | DW | 09.07.2021
    Johanna schifft sich 1853 nach Amerika ein, Ahmad flieht 2015 aus Syrien nach Deutschland - nur zwei Geschichten, die das Auswandererhaus in Bremerhaven…
    www.dw.com

    Herzlichen Glückwunsch, lieber Johannes !

    Es ist ein nachgebauter "Deli" dh Delikatessen-Laden deutscher Einwanderer in New York im Deutschen Auswandererhaus, Bremerhaven. Du kannst dort nichts kaufen oder verzehren.

    Die Preise haben mich trotzdem gewundert. USA v.a. New York sind doch nicht grad billig.

    Wobei dieser Laden nicht Teil der Photoausstellung ist, sondern da kannst Du schon reingehen. Er ist Teil einer nachgestellten Auswanderung, dh hier sind die Leute schon angekommen und haben in der neuen Heimat etwas aufgebaut, unter Berücksichtigung der Wünsche sowohl der Eingesessenen als auch ihrer zugereisten Landsleute.

    Die Namen klingen bayrisch. Das Blitz- und Wassersymbol deutet auf ein Wasserkraftwerk hin, ein größeres, die Machart des Denkmals auf ein älteres.

    Walchenseekraftwerk ?


    Zitat

    Allerdings ist es so, daß nur diejenigen vergessen sind, deren Namen vergessen sind.

    Seh ich genau so. Und auf diese Weise bringst Du sie in Erinnerung.