Vor einiger Zeit hörte ich zum ersten Mal daß der bulgarische Künstler Christo plant, auf dem Lago d’Iseo in Italien mehrere Kilometer begehbare Stege in leuchtendem Orange zu verlegen. Als Anhänger von dessen Kunstinstallationen, die alle nur einen kurzen Zeitraum bestehen mußte ich natürlich die Chance nutzen, mir die Floating Piers anzusehen zumal ich vor 21 Jahren auch beim verhüllten Reichstag in Berlin dabei war.
Um es kurz zu sagen. Meine Gattin und ich waren begeistert. Ein super Erlebnis am ersten Tag des Happenings, am Samstag den 18. Juni 2016. Zwei Wochen danach ist übrigens alles wieder vorbei.
Los geht’s in Sulzano am Ostufer des Sees. Klar, daß am späten Vormittag alle Parkplätze im weiteren Umkreis belegt waren. Alle wollten zu Christo, noch dazu weil wie immer kein Eintritt erhoben wurde. Wir fanden schließlich einige Kilometer weiter in Clusane einen sogar kostenfreien Parkplatz und fuhren mit dem Bus nach Sulzano. Nach einer Wartezeit von etwa einer dreiviertel Stunde waren wir drin, oder sagen wir besser auf dem schwimmenden Steg.
220.000 Plastikkanister sind teilweise mit Wasser gefüllt und mit Clips aneinander befestigt.
Darauf ein Vlies von etwa einem cm Stärke und darauf wiederum 70.000 qm PE Gewebe in leuchtendem Orange. Das ganze mit 37 Kilometer Seilen und 200 Ankern befestigt, so daß die insgesamt 5,5 km Schwimmstege nicht abgetrieben werden.
Mensch und Tier waren glücklich. Jeder lächelt und freut sich. Wo gibt es so etwas sonst noch?
Neben den schwimmenden Stegen von 16 Metern Breite hat Christo auch noch Wege, Gassen und Plätze in Sulzano und dem Ort Peschiera Maraglio auf der Monte Isola mit dem Gewebe auslegen lassen.
Bei Nässe wirkt das Gewebe dunkler.
Polizei, Sanitäter und 600 bezahlte Volunteers sorgen für Sicherheit. Es gibt keine Geländer. Die Stege sind auch für Rollstuhlfahrer geeignet, wenn auch nicht ideal. Man geht wie auf einem Moorboden und sinkt ganz leicht ein.
In der ersten Woche war die Anlage 24 Stunden täglich geöffnet, da eine Beleuchtung installiert war. Nun nach einer Woche ist alles etwas anders. Von Mitternacht bis morgens um sechs ist geschlossen. Müll und sich auflösende Nähte durch etwa 60.000 Besucher täglich ramponieren das Kunstwerk vorzeitig.
Vor der Uferpromenade von Monte Isola wächst im Wasser eine spezielle Zypressenart.
Die Isola di San Paolo besteht nur aus einem schloßartigen Anwesen, welches sich in Privatbesitz befindet. Die gesamte Insel ist mit einer hohen Mauer umgeben. Mir war es vergönnt, einen Blick ins Innere der Anlage zu werfen.
Um diese kleine Insel wurden extra breite Schwimmstege gebaut. Die Bewohner des Gebäudes können normalerweise nur mit Booten direkt zum Gebäude fahren. Es gibt keinen Steg.
In einer Woche ist leider alles vorbei. Wer Zeit, Lust und die Möglichkeit hat, dieses einmalige Event zu besuchen, muß sich also beeilen. Ich als jemand, der eigentlich seine Ruhe will und Menschenaufläufe scheut war jedenfalls begeistert.
Ob Christo mit seinen 81 Lenzen überhaupt noch mal etwas in dieser Art in seinem Leben macht ist zweifelhaft. Das Projekt hat er mit seiner vor sieben Jahren verstorbenen Frau seit Jahrzehnten geplant. Alle Kunstinstallationen bezahlt er aus eigener Tasche. Geld kommt nur durch den Verkauf seiner Bilder dieser Dinge herein. Christo lehnt Steuergelder und Spenden ab.
Nun kann man über den Sinn und Zweck und Kosten und wer weis was noch alles bei so einer Veranstaltung diskutieren. Für mich erübrigt sich das. Ich bin einfach begeistert und kann euch nur sagen, daß es eine Art Glücksgefühl ist, stundenlang bei strahlendem Sonnenschein dabei gewesen zu sein.
Jürgen