Der Mördersee in den Ostkarpaten
Auf der Fahrt zum Gyilkos-tó (rum. Lacul Roşu, deutsch Mördersee, Rotsee) fuhren wir von unserem Ferienhäuschen in Zetelaka (Zetea) ca. 40 Kilometer Schotterstraße
zwischen den Görgényibergen und den Hargitabergen über einen Pass nach Gyergyószentmiklos (Gheorgheni, Niklasmarkt).
Dabei habe ich diese Häuschen entdeckt.
In Gyergyószentmiklos mußte ich tanken. Ich fuhr an die Zapfsäule, suchte die 95 Oktan und los gings.
Denkste! Der Rüssel der Zapfpistole passte nicht in meinen Tankstutzen. Das gibts doch nicht.
Ein junger Mann kam auf mich zu "òlommentes?".
"Wie antworte ich ihm? Ich kann kein Wort rumänisch!", schoss es mir durch den Kopf.
"Ólommentes", fragte er wieder. Ich muss geguckt haben wie ein mókuska (ungarisch für Oachkatzerl) wenns blitzt.
Klick, "Iggen, iggen!" antwortete ich, als ich begriff, er spricht ungarisch. (bleifrei)
Er nahm mir die Zapfpistole aus der Hand und steckte sie zurück in die Zapfsäule, griff den Zapfhahn daneben und drückte ihn mir in die Hand. Ich bedankte mich und tankte.
Mit verbleitem Sprit hatte ich nicht gerechnet.
Von Gyergyószentmiklos führt die Straße im Tal und später in Serpentinen zum Gipfel des Pongrácz in 1257 m Höhe.
Von nun an gings bergab durch das wunderschöne Vereskő-Tal (Rotsteintal) bis zum Mördersee.
Der Mördersee liegt in der mittleren Gruppe der Ostkarpaten in einem Bergmassiv namens "Nagy-Hagymás".
Der See liegt 983 Meter hoch, hat eine Fläche von ca. 11 Hektar und ist an der tiefsten Stelle 9,6 m tief. Fünf Bäche speisen den See. Diese sind Juh, Kis-Gyilkos, Vereskő, Likas und Cohárd.
Der Mördersee ist im Juli 1837 durch eine Talverschließung entstanden. Der von einem starken Gewitterregen durchnässte Boden rutschte vom Nordwesthang des Mördersteins in das Tal des Békáspatak. Innerhalb eines Jahres füllte sich das Tal und überschwemmte den Wald. Noch heute ragen die Stümpfe aus dem See.
Der anfängliche Name Rotsee, wie er in rumänisch heute noch bezeichnet wird, hat sich im Volksmund gewandelt zum Gyilkos-tó oder Mördersee. Es wird erzählt, dass Holzarbeiter im Winter eine Abkürzung über den zugefrorenen See versuchten und mit ihren Fuhrwerken eingebrochen und umgekommen sind.
Es gibt aber auch noch...
Die Legende vom Mördersee
In der Gegend von Gyergyó lebte einmal ein wunderschönes Mädchen mit Namen Eszter Fasekas.
Ihr Haar war schwarz wie der Schlehdorn, ihre Augen waren graugrün, ihre Gestalt war biegsam wie die Pappel, wenn sie der Wind bewegt.
An einem sonnigen Julivormittag ging Eszter zum Markt in Niklasmarkt.
Dort begegnete ihr ein stolzer Geselle, der mit der Kraft seines Armes dem Bären die Luft auspressen konnte und der in der ganzen Gegend am lieblichsten auf der Flöte spielen konnte, so daß es das Herz ergriff.
Er konnte Häuser bauen und Pferdewagen herstellen.
Sie erblickten einander - da fuhr die Liebe wie der Blitz in ihr Herz. Sie liebten einander.
Der Bursche kaufte Eszter ein himmelblaues Seidentuch und Plätzchen mit Spiegelchen und bat um ihre Hand.
Aber die Hochzeit konnte sobald nicht stattfinden, denn der Bursch musste zu den Soldaten. Das Mädchen wartete treu auf den Geliebten.
Abends, wenn die Sonne hinter dem Berg versank, ging sie mit ihrem tönernen Krug zum plätschernden Brunnen unter den Fichten und sehnte sich nach ihrem Herzallerliebsten.
Sogar die nahen Berge wurden weich von ihrem schmerzlichen Gesang.
Es geschah aber einmal, an einem Sonntagnachmittag, daß ein Räuberhauptmann Eszter erblickte.
Er nahm das wunderschöne Mädchen zu sich auf seinen Sattel und galoppierte wie der Sturmwind zum "kleinen Suhard", mitten in die Felsen mit ihren tausend Gesichtern. Dort war sein Lager.
Er versprach ihr alles Gold und Silber, wollte ihr ein herrliches Schloss bauen, wenn sie ihn liebe. Das Mädchen schenkte ihm aber seine Liebe nicht.
Es wartete treu auf seinen Geliebten, wenn die Sonne auf- und wenn sie unterging. Da wurde der Räuber wütend und wollte Eszter zwingen seine Frau zu sein.
Eszter rief ihre stummen Augenzeugen, die Berge, um ihre Hilfe an. Ihre Not rührte die harten Felsen, und in einer Julinacht antworteten sie mit einem Donnern, als ob Himmel und Erde einstürzten.
Der Regen strömte und durch die pechschwarze Nacht zuckten die Blitze.
Als der Morgen graute stürzte mit gewaltigem Getöse ein riesiger Felsblock in die Tiefe und begrub alles unter sich.
Das Mädchen, den Räuber, und auch den Schäfer mit seiner Herde, die auf der Wiese am Hügel gegenüber weidete.
Der Nebel zerstob und die Sonne des letzten Julisonntags sandte ihre goldenen Strahlen auf das Felsgewirr.
Das Tal, in dem gestern noch der Bach geplätschert hatte, war vom herabgestürzten Gestein verschlossen.
Das Wasser staute sich und schwoll und schwoll, und in der schlammigen, trüben Flur ertranken Blumen und Gräser, Büsche und Bäume.
Im engen Tal entstand ein See. Klar und still liegt er jetzt da. Aus seinem graugrünen Wasser ragen auch heute noch die Überreste des Nadelwaldes heraus.
Zwar wird von den Schäfern der Umgegend der Berg "Mörderberg" und der See "Mördersee" genannt. Aber längst ist sein Flur nicht mehr trüb, längst birgt er lebendiges Wasser, Wasser des Lebens.
Wenn du im Sonnenschein hineinschaust, blicken sanft die graugrünen Augen von Eszter zu dir zurück.
Nachdem wir den Mördersee mit dem Ruderboot erkundet hatten, fuhren wir weiter.
Das Tal des Békáspatak verengt sich zu einer Klamm. Der Bach, die Straße und auf beiden Seiten die Felswände, die fast senkrecht in die Höhe stiegen.
Ich traute mich nicht hier anzuhalten um Fotos zu machen. Überall standen Autos auf der engen Straße und die vielen Touristen säumten die Straßenränder.
Etwas weiter bachabwärts fanden wir eine schattige Stelle, wo wir parken konnten.
Wir machten eine kleine Pause und kühlten uns im eiskalten Wasser des Békáspatak ab.
Wir fuhren noch etwas weiter in Richtung Békás (Bicaz). In einem kleinen Ort namens Neagra fand ich diese orthodoxe Kirche.
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Die fortgeschrittene Zeit ließ uns umkehren und die Heimfahrt antreten.
Den Békási-tó (Stausee Izvorul Muntelui) werde ich mir ein anderes Mal ansehen.
waldi