Gastfreundschaft in Bosnien
Wir waren dieses Jahr nun schon zum wiederholten Mal bei Radomir auf dem Campingplatz Ivan Do auf 1400m Höhe in Zabljak in Montenegro.
Radomir, der Campingplatzbesitzer, war schon immer sehr freundlich und hilfsbereit gewesen.
Schon letztes Jahr waren wir einem Mann aus Bosnien begegnet, der allerhand Arbeiten auf dem Campingplatz machte, zu dem wir aber wenig Kontakt hatten.
Es war Beli, an dessen Erfindungsgeist wir uns letztes Jahr erfreut hatten.
https://www.schoener-reisen.at/forum/showthread.php?t=1140
Mit großer Herzlichkeit wurden wir auf dem Campingplatz empfangen.
Außer Radomir waren noch seine Schwester da, von allen Beba genannt, sowie Belis Familie, Vesna und Sohn Miro, ein aufgeweckter 10jähriger Schlingel, der den ganzen Tag in Bewegung war.
Obwohl wir nicht Montenegrinisch sprechen und verstehen, Beli und Vesna kein Deutsch und kein Englisch und Radomir nur wenige Wort Deutsch, so hatten wir Tag für Tag zunehmend Spaß miteinander und es gab viel zu lachen.
An einem Nachmittag kam Vesna und machte mir klar, dass ich nichts zum Nachtessen vorbereiten solle – wir waren zum Essen eingeladen.
Was tun??
Die Einladung anzunehmen war die einzige Möglichkeit, wenn wir sie nicht beleidigen wollten.
Und so fanden wir am Abend einen weiß gedeckten Küchentisch vor – in einer Art Peka war ein riesiges Huhn, gut gewürzt ,knusprig gebraten samt Kartoffeln. Dazu gab es Tomatensalat , Brot und Getränke( Wein, Bier, Wasser…)
Beim Essen versuchten wir uns wieder – wie schon zuvor – unter großem Gelächter mit Händen und Füßen zu verständigen. Mir gelang es, Beli und Vesna zu erklären, dass wir weiterfahren wollen nach Visegrad in Bosnien, um dort die berühmte Brücke über die Drina zu sehen, ein UNESCO Weltkulturerbe.
Nun kam die Überraschung: Beli und Vesna kommen aus Visegrad!
Und nun ging es schnell: wir wurden gefragt, wann wir in Visegrad sein würden und dass wir dort herzlich willkommen seien.
Wir nannten einen Tag, den Mittwoch, ohne sicher zu sein, dass wir diesen Zeitplan würden einhalten können.
Die bosnische Familie, auch Beli, fuhr am nächsten Tag ab, wir zwei Tage später.
Wir hatten uns eine zweitägige Fahrt vorgenommen, wussten aber nicht, was uns auf dieser Strecke erwarten würde.
Siehe Berichte:
https://www.schoener-reisen.at/forum/showthread.php?t=1697
https://www.schoener-reisen.at/forum/showthread.php?t=1699
Nachdem wir am Dienstag Abend in Foca übernachtet hatten ( was so gar nicht geplant gewesen war) fuhren wir an der Drina entlang in Richtung Visegrad.
Die Mobilnummer von Vesna hatte ich.
Gleich am Ortseingang befindet sich die berühmte Brücke. Ein Parkplatz war schnell gefunden. Ich war begeistert und fing an zu fotografieren.
Ich traute meinen Augen nicht: Vesna und Sohn Miro standen auf der Brücke und winkten uns zu. Sie hatten schon den ganzen Morgen auf uns gewartet und uns kommen sehen.
Die Freude war echt – und riesig.
Ich weiß nicht, was sie so sicher gemacht hat, dass wir wirklich kommen würden. Wir hätten unterwegs auch leicht steckenbleiben können. (Vielleicht hatten sie auch ihre „Späher“ unterwegs- wir waren ja nicht zu übersehen: außer unserem Wohnmobil gab es auf der ganzen Strecke kein zweites)
In Belis neuem Lada fuhren wir zum Wohnhaus oben am Hang in schöner Aussichtslage.
Die Familie hat im Krieg einiges erleiden müssen, mehrmals flüchten und neu anfangen müssen und vor 10 Jahren hat Beli in Visegrad den Rohbau, fast eine Ruine, eines Hauses gekauft und alles in eigener Arbeit gerichtet.
(Er arbeitet im Sommer als „Gastarbeiter“ in Montenegro , weil es in Visegrad keine Arbeit gibt. – 14 bis 16 Stunden für wenig Geld)
Ein schmuckes Anwesen: innen und außen!!!
Ein herrlicher Blick hinunter in das Drinatal.
Vesna liebt Blumen
So etwas hatten wir nicht erwartet.
Dann eine Überraschung:
Ein Schaf war am Abend zuvor geschlachtet worden und drehte sich schon seit den frühen Morgenstunden am Spieß. – Für uns!!!
Die Vorrichtung genial: eine Fahrradkurbel, ein Scheibenwischermotor und eine Autobatterie ….und
der Spieß drehte sich zuverlässig.
Es duftete schon verführerisch, aber das Fleisch war noch nicht gar.
So machten wir eine Besichtigungsrunde:
Selbstversorger in vielerlei Hinsicht!
Zwetschgen ( für eigenen Slivo), Trauben an der Hauswand, Kartoffeln, Bohnen, Möhren, Kürbisse, Kraut und Tomaten, von denen eine fast ein Kilo wiegen mochte.
Blick in den Garten und in den Hof
Neben Schafen, Hühnern auch noch diese hier ( einschließlich 3 Ferkel, 3 Wochen alt):
Im Garten weidete unter Zwetschgenbäumen eine kleine Schafherde.
Der Großvater und ein Bruder waren gekommen und auch jetzt war es wieder wie auf Ivan Do: mit Händen und Füßen wurde erzählt und viel gelacht.
Das Mittagessen: Eine gut gewürzte Bohnensuppe und danach köstliches gebratenes Schaf und eigene Kartoffeln.
Die Gastgeber und der reich gedeckte Tisch
Unser Wohnmobil stand noch unten in der Stadt auf einem Parkplatz.
Nach dem Essen lud man uns zu einem Ausflug zu einem Kloster ein.
5 Erwachsene und der kleine Miro wurden in den Lada gepackt und es ging los in Richtung der serbischen Grenze, die nur wenige Kilometer von Visegrad entfernt ist.
Dobrun ist ein alter Standort für ein serbisch-orthodoxes Kloster.
Diese Region war im letzten Krieg sehr umkämpft. Die Schäden sind heute noch in vielen der kleinen Dörfer zu sehen.
Auch das Kloster musste nach dem Krieg neu aufgebaut werden. Heute ist es eines der wichtigsten und größten Klöster in Bosnien und Hezegowina.
Früher führte die Schmalspurbahn an Dobrun vorbei, eine Bahnlinie von Belgrad nach Sarajevo , die im 19. Jahrhundert von den Österreichern gebaut wurde.
Die Kirche ist innen restauriert und recht einfach gestaltet.
Glücklicherweise konnten an der Rückwand die 500 Jahre alte Fresken erhalten und restauriert werden.
Ikone in einem alten Baumstamm ( Olive? )
Spontan wollten unsere Gastgeber uns noch eine Sehenswürdigkeit 4 km jenseits der bosnisch – serbischen Grenze zeigen.
Straße kurz vor dem Grenzübergang nach Serbien
Ich hatte nur die Personalausweise in meine Fototasche eingesteckt – aber es gab für uns Deutsche keine Chance, ohne Reisepässe nach Serbien einzureisen. Und die Reisepässe waren in meiner Tasche in Visegrad. Schade.
Es war auch schon gegen Abend und so wir machten noch einen Spaziergang durch die Stadt.
( siehe https://www.schoener-reisen.at/forum/showthread.php?t=1709.)
Im Haus hatte Vesna schon die Betten für uns gerichtet.
Wir wollten aber im Wohnmobil schlafen.
Vor dem Haus am Berg war aber nicht genügend ebener Platz für unser Fahrzeug, auch war die Zufahrtsstraße etwas schmal.
Beli besorgte uns einen ruhigen Platz unten in der Stadt und informierte die Anwohner (seine Freunde) darüber, wer wir sind.
So fühlten wir uns sicher und hatten eine ungestörte Nachtruhe.
Zum Frühstück wurden wir wieder abgeholt und nach herzlichem Abschied verließen wir am frühen Vormittag Visegrad, von der Familie mit dem Auto bis zum Stadtrand geleitet.
Ich wusste nicht, wie wir wenigstens ein klein wenig zeigen konnten, dass wir diese ungewöhnliche Gastfreundschaft in hohen Maße genossen haben.
Ich hoffe, Vesna hat den Umschlag gefunden, den ich auf einen Tisch gelegt habe - am 1. September war Schulbeginn in Visegrad und bestimmt braucht Miro einiges an Büchern und Schulmaterial.
Eines ist uns klar: Bezahlen kann man eine solche Gastfreundschaft nicht.
Man kann sie nur genießen und dies auch zeigen.
Manchmal muss man halt einfach dankbar akzeptieren, dass man mehr bekommt als man zurückgeben kann.
ELMA