Vor vierzehn Tagen sind wir nach Nesselwang gefahren um im Wertachtal eine Wanderung zu unternehmen. Da dort das Wetter viel kälter als bei uns zuhause war und zudem die Sonne nicht schien, haben wir die dortige Tour abgekürzt. Ich habe euch vor kurzem gezeigt, wo wir dort unterwegs waren.
Wanderung im oberen Wertachtal bei Nesselwang

Kaum haben wir den Heimweg angetreten und uns in einer Käserei mit Milchprodukten eingedeckt stand für Angelika und mich fest, daß es einfach nicht sein kann und darf, daß wir nun bei sonniger und wärmerer Witterung wieder nach Hause fahren und da im warmen und sonnigen Wintergarten eine Tasse Cappucino genießen. Wir wollten doch eigentlich eine "richtige Wanderung" unternehmen. So entschieden wir kurzfristig, noch eine kleine Runde um den Römerturm bei Kaufbeuren zu drehen. Der befindet sich in der Ortschaft Großkemnat.
Das Auto konnten wir am dortigen Theaterstadel parken.
Dann ging es erst einmal hinauf auf den Römerturm. Die 99 Stufen schaffen wir doch mit links.
Mit den Römern hat dieser Turm übrigens gar nichts zu tun. Er ist der Rest einer alten Burg.
Diese Mauerfragmente sind der andere Rest der Anlage.
Da gehts rein bzw. hinauf.
Das Nagelfluhgestein wird bei uns auch Herrgottsbeton genannt. Es findet sich überall in der Gegend und dient schon seit mindestens 2000 Jahren als Baumaterial.
Der Turm ist immer für Besucher geöffnet.
Wenn die Sicht gut ist, kann man diese Berge in der Ferne von hier aus erkennen.
Auf manchem Berg war ich schon oben.
Wir haben heute allerdings keine Fernsicht.
Wir steigen wieder hinab und ich befasse mich mit der Geschichte der Burganlage.
1802 war es aus mit der Freiheit. Napoleon hat meine Heimat dem Herzogtum Bayern geschenkt und dieses dann als Dank für die (Zwangs-)Waffenbrüderschaft gleich zum Königreich Bayern erhoben. Manche meiner Vorfahren durften dann im Jahr 1812 mit dem kleinen Korsen mit nach Russland reisen. Das ging bekanntlich gewaltig in die Hose. In manchen Kirchen des Allgäus finden sich heute noch Gedenktafeln für die Gefallenen der Napoleonischen Kriege.
Auch der Brunnen der ehemaligen Burg ist noch vorhanden.
Wer hätte gedacht, daß ein Schuh auch ein Längenmaß sein kann?
So sah die Burg Kemnat zeitweise einmal aus.
Nun haben wir aber genug von den vielen alten Steinen. Schließlich sind wir hier um uns die Beine zu vertreten und die Heimat wieder ein Stück näher kennenzulernen.
Unser Rundweg führt durch einen lichten Wald nach Norden in die Ortschaft Kleinkemnat. Auf der Karte könnt ihr sehen, daß wir die beiden Kamnats und Bickenried tangiert haben. Unser Rundweg ist nicht exakt auf der Karte zu verfolgen. Ich nutze seit einiger Zeit bei meinen Touren immer die App maps.me, die viel detailgetreuer ist als jede andere Karte.
Hier gehts nach Kleinkemnat. Am Ortsrand wurde übrigens gerade ein alter Bauernhof abgerissen. Zum Verdruß der Einheimischen entsteht auf dem Grundstück eine Wohnanlage mit insgesamt 24 Wohnungen. So ist das nun mal in Zeiten der Wohnungsnot und enorm steigender Immobilienpreise. Später habe ich zuhause mal recherchiert, was die kleinste Wohneinheit, eine Drei-Zimmer-Wohnung von 85 qm hier kostet. Mit schlappen 320.000 Euro ist man dabei.
die Dorfkirche
Bickenried ist eigentlich ein altes Klostergut. Heute trägt es den Namen Fazenda Esperanca und ist eine kirchliche soziale Einrichtung, die sich um Drogenkranke kümmert.
Hier gibt es übrigens auch ein Cafe wo der müde Wanderer einkehren kann. Pandemiebedingt ist das derzeit geschlossen.
Rund um Kaufbeuren wird man natürlich überall und somit auch hier an die Heilige Creszentia von Kaufbeuren erinnert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Crescentia_H%C3%B6ss
Unser Weg führt uns bergauf und bergab wieder nach Kleinkemnat. Dabei entdecke ich einen historischen Wegweiser am Waldrand.
Warum war hier wohl einstmals "Vieh treiben strengstens verboten"? Ich kann mir nur denken, daß vermieden werden sollte, daß die Rindviecher den Fußweg nach Kaufbeuren versch....
Wir hatten ja immer noch einen Rucksack mit einer Brotzeit dabei. Eigentlich wollten wir die ja bei unserer Tour an der oberen Wertach verspeisen. Aber da war es uns dann doch zu kalt. Wie gut, daß sich hier südlich von Bickenried eine wunderschöne Stelle für ein Picknick fand.
Die Sonne schien herrlich warm und hier gab es bereits die ersten Schlüsselblumen zu entdecken.
Also Brotzeit ausgepackt und in Ruhe den doch noch sonnigen Tag genossen.
Es fehlt an nichts. Landjäger, Bergkäse wurde drei Stunden vorher bei unserer Stammkäserei eingekauft, Senf, Brezen, Semmeln, Tomaten und hinterher ein Apfel und eine Banane. Und natürlich gehört zu so einer Tour eine halbe Bier, aber auch Mineralwasser dazu.
Frisch gestärkt gehts weiter.
Wir sind auf diesem Rundweg übrigens fast alleine unterwegs.
Im Wald entdecke ich am Weg ein altes Metallteil dessen frühere Verwendung ich nur erahnen kann. War das mal eine Art Kohlenschippe?
In Kleinkemnat fällt mir noch das alte Feuerwehrhaus auf. Da steht zwar heute kein Feuerwehrauto mehr drin, aber der Erhaltungszustand ist recht gut.
Nach knapp drei Stunden sind wir wieder am Parkplatz angekommen. Hier bleibt mir noch Zeit, die Geschichte der Burg auswendig zu lernen.
So kam es, daß wir an diesem Tag zwei völlig unterschiedliche Wanderungen unternehmen konnten. Das war zwar so überhaupt nicht geplant. Aber oft sind es ja gerade die spontanen Entscheidungen, die dem Menschen Freude bereiten.
jürgen