Gedenkstätten in Deutschland zur jüngeren deutschen Geschichte

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    Der Beitrag von Waldi über Budapest und die Gedenkstätten zum 25.Okt 1953 war Anstoß zum Nachdenken über den Umgang in Deutschland mit Erinnerungen an die Ereignisse um die Teilung .


    Grizzly hat vorgeschlagen

    Zitat

    Vielleicht brauchen wir da mal einen eigenen Thread.


    Ich möchte den Vorschlag aufgreifen und die auf Deutschland bezogenen Beiträge von waldis Ungarnbeitrag trennen und in diesen neuen Thread mit dem Thema
    Gedenkstätten in Deutschland zur jüngeren deutschen Geschichte
    verschieben.



    Gruß,
    Elke

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    Hallo Waldi,


    vor vielen Jahren habe ich ein Buch über den Ablauf der ungarischen Revolution gelesen. Deshalb kann ich mitfühlen, was damals geschehen und jahrzehntelang totgeschwiegen bzw. geleugnet wurde. Nicht nur die hunderte Toten sind bedauernswert, sondern auch deren Angehörige. Die neue unter sowjetischer "Aufsicht" eingesetzte ungarische Regierung führte damals ganz schnell die "Sippenhaft" ein. Die Angehörigen verloren Arbeit und Wohnung oder wurden deportiert, auch ins Land des Brudervolkes der Sowjetbürger. Erst nach 1989 setzte ein langsames Umdenken ein.


    Auch hier könnte man wieder mal einen Vergleich zu unserer eigenen jüngeren Geschichte machen. Die Bürger der DDR sind leider auch heute noch zum großen Teil von der jahrzehntelangen Indoktrination ihrer eigenen kommunistischen Diktatur beeinflusst. Viele glauben immer noch, daß der Volksaufstand vom 17.6.1953 gar keiner war sondern einzig und allein von CIA und BND "angezettelt" wurde. Ich kann mich auch gar nicht entsinnen, daß es bei uns eine nationale Gedenkstätte für die Opfer dieses Aufstandes gibt.


    Danke für deinen nachdenklichen Bericht.


    grüsse


    jürgen

  • Ich musste lange suchen, bis ich Hinweise zu Denkmälern zur Erinnerung an den 17.6.1953 fand.


    https://www.150-jahre-spd.de/O…mal_des_17.juni_1953.html
    httpss://de.wikipedia.org/wiki…st%C3%A4tte_17._Juni_1953
    https://www.visitberlin.de/de/ort/denkmal-17-juni-1953


    Es scheint tatscählich ein nicht ganz einfaches Thema in unsrer Geschichte zu sein.


    Überschrift eines Spiegelbeitrags von 2003
    "Denkmal zum 17. Juni , Stein des Anstosses"
    https://www.spiegel.de/panoram…s-anstosses-a-252214.html


    Solange der 17. Juni bei uns im Westen ein arbeitsfreier Gedenktag ( Nationalfeiertag) war, war dieser Termin noch eher im Bewusstsein vieler Westbewohner.
    ( Obwohl wir ihn damals vor allem als freien, willkommenen Ausflugstag im Juni verbrachten, weniger im Gedenken…)


    Aber heute?


    Liebe Grüße,
    Elke

  • hallo Elke,


    es ist tatsächlich so, daß hierzulande eine Gedenkstätte ähnlich wie in Budapest fehlt. Ein symbolischer Gedenkstein sagt doch der jüngeren Generation überhaupt nichts. Eine Gedenkstätte abseits vom Trubel der Hauptstadt ist sicherlich auch nicht unbedingt ein Top-Ziel für Besucher. Ich meine, hier wäre unser Staat gefordert, ein paar Euro mehr auszugeben und eine zentrale Einrichtung zu schaffen, die die Ereignisse medial und allgemeinverständlich aufarbeiten.


    In Mödlareuth in der Mitte Deutschlands oder für manchen am Ende Deutschlands hat das doch auch ganz gut geklappt.


    https://www.museum-moedlareuth.de/?id=35


    Hier konnte ich meinen französischen Freunden in diesem Sommer vor Ort erklären, wie die deutsche Teilung sich vor Ort auf die Menschen auswirkte. Für die Franzosen war die Besichtigung ein erheblicher Gewinn an Erkenntnis.


    grüsse


    jürgen

  • Die "Oktoberereignisse", wie sie im Sprachgebrauch der Kádár-Regierung genannt wurden, sind nur bedingt mit dem 17. Juni in der DDR vergleichbar.
    Es passt eher der Vergleich mit dem "Prager Frühling".
    Sowohl in Prag als auch in Budapest waren es Regierungen die eine Richtungsänderung ihrer Politik, hin zu einem "demokratischen Sozialismus" suchten.
    In beiden Fällen gefiel dies manchen Regierungsmitgliedern nicht und sie riefen die sozialistischen Bruderländer um Hilfe, an deren Spitze natürlich die Sowjetunion.
    In der DDR wurde jedoch gegen eine amtierende Regierung demonstriert und agiert.


    Auch von den Folgen und Opfern her besteht ein gravierender Unterschied zwischen den drei Ereignissen!
    Beim Volksaufstand in der DDR spricht man heute von maximal 75 Toten, einschließlich der zum Tote Verurteilten.
    Der Prager Frühling soll etwa 150 Menschen, einschließlich der getöteten sowjetischen Soldaten, das Leben gekostet haben.


    Bei den Kämpfen während des ungarischen Volksaufstandes zählt man heute etwa 2500 Tote, dazu 720 sowjetische Soldaten und 229 hingerichtete Personen!
    Es wurden rund 22000 Urteile in Bezug zum Volksaufstand gesprochen.
    Auch die führenden Mitglieder der Regierung wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet, obwohl der nachfolgende Ministerpräsident János Kádár Straffreiheit versprochen hatte.
    Sogar einen während des Aufstandes 15-jährigen hat man 11 Tage nach Erreichen seines 18ten Geburtstages, am 21. März 1959 hingerichtet!


    Die Geschichte einer Augenzeugin.
    Den Link unter diesem Titel habe ich entfernt weil er nur von angemeldeten Usern des Ungarnforums lesbar ist. Schade!



    Das wollte ich nur zur Klarstellung anführen.
    Es soll nicht nach der Anzahl der Opfer geurteilt werden.
    Jeder einzelne Mensch der durch das Vertreten seiner Meinung sein Leben verliert ist zuviel!



    Dass man den 17. Juni abgeschafft hat war in meinen Augen eine falsche Entscheidung!
    Damit verschwindet ein wichtiges Datum in der Geschichte der DDR.
    Dem Volksaufstand vom 17. Juni, oder besser den Menschen die dahinter standen, sollte man an einer zentralen Stelle in der deutschen Hauptstadt gedenken können.



    meint waldi :174:

  • ...Dass man den 17. Juni abgeschafft hat war in meinen Augen eine falsche Entscheidung!
    Damit verschwindet ein wichtiges Datum in der Geschichte der DDR.
    Dem Volksaufstand vom 17. Juni, oder besser den Menschen die dahinter standen, sollte man an einer zentralen Stelle in der deutschen Hauptstadt gedenken können....


    hallo Waldi,


    genau meine Meinung. Dies vor allem vor dem Hintergrund, daß es 25 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch Menschen in unserem Land gibt, die einerseits die Existenz der Berliner Mauer leugnen (!) und andererseits die DDR-Dikatur mit all dem begangenen Unrecht verharmlosen. Ich empfehle hier nur mal die Gedenkstätte Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen in Berlin zu besichtigen. Eine Führung durch in der Regel ehemalige Insassen dieses Gefängnisses dürfte jeden Skeptiker überzeugen.


    https://www.stiftung-hsh.de/


    Irgendwie erinnert mich als relativ jungen Menschen dieses Verhalten an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch da war die Meinung "es war ja alles gar nicht so schlimm" oder "das haben wir nicht gewusst" ziemlich weit verbreitet, wobei der eingedeutschte Österreicher nur ganze zwölf Jahre Zeit hatte, die Köpfe der Menschen in seinem Sinne zu formen, wohingegen die DDR-Diktatur ja ganze 40 Jahre zur Verfügung hatte um den Sozialistischen Volksgenossen im Sinne der Partei zu formen, wie es offiziell hieß. Da müssen wir schon dankbar sein für die glücklichen Momente Ende der 80er Jahre, die zumindest für unser Volk eine unblutige Wende nahmen.


    grüsse


    jürgen


  • In Mödlareuth in der Mitte Deutschlands oder für manchen am Ende Deutschlands hat das doch auch ganz gut geklappt.
    https://www.museum-moedlareuth.de/?id=35
    Hier konnte ich meinen französischen Freunden in diesem Sommer vor Ort erklären, wie die deutsche Teilung sich vor Ort auf die Menschen auswirkte. Für die Franzosen war die Besichtigung ein erheblicher Gewinn an Erkenntnis.


    Da gibt's noch mehr, zB Kleinensee/Großensee:
    https://www.forum-ddr-grenze.d…-Kleinensee.html#viewport
    Ich hab davon irgendwo Papierbilder, es gibt auch eine Gedenk- und Infotafel.


    Das Problem ist wie bei Mödlareuth, wo ich in den späten 60ern noch mit dem Radl bis an die West- (genaugenommen Süd-)seite der Mauer gefahren bin, dass man da nur hinfindet, wenn man weiss wo man hin muss. Kleinensee kenne ich von einer Landarztpraxisvertretung, man musste zickzack um die Grenze fahren, 12 km auf einer im Winter oft schwer passierbaren Straße. Heut fährt man 4 oder 5 km übe Großensee auf einer weitestgehend ebenen Strecke ...


    Eine Ort hab ich noch (man findet über diese HP noch andere), nämlich Rüterberg:
    https://www.erlebnisgruenesban…frepublik-rueterberg.html


    Vielleicht brauchen wir da mal einen eigenen Thread.

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • P.S.

    ... daß es 25 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch Menschen in unserem Land gibt, die einerseits die Existenz der Berliner Mauer leugnen (!) und andererseits die DDR-Dikatur mit all dem begangenen Unrecht verharmlosen.


    ... die hier zum Beispiel, am der Gedenkstätte für den Kontrollpunkt Berlin-Dreilinden:

    Zitat

    Während ich die braunen Infotafeln neben dem Grenzturm studierte, kamen zwei junge Jogger an, der eine fragte mich was da sei. Ich erklärte es so gut ich konnte und reicherte das Ganze mit meinen eigenen Grenzerfahrungen an. Die beiden hörten interessiert zu - als sie geboren wurden, gab's die DDR nicht mehr.


    Der eine meinte, in der DDR sei sowieso alles viel besser gewesen, man hätte mehr für die Jugend getan und jeder hätte ein Auto gehabt ... Ich warf noch ein, dass man meines Wissens auf einen Trabbi mehrere Jahre hätte warten müssen, dann verhinderte einsetzender Regen eine Fortsetzung der Diskussion.


    Ganzer Text: https://www.schoener-reisen.at…lpunkt-Dreilinden-Drewitz

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • hallo Elke,


    gut daß wir diesem Thema einen eigenen Thread widmen. Tatsächlich gibt es sehr viele Gedenkstätten für die Opfer des Dritten Reichs. Nicht nur ehemlige Konzentrationslager sind im ganzen Land als Mahnmale geöffnet. Auch Stolpersteine die an einzelne Opfer und deren Namen erinnern, finden in den Orten immer größere Verbreitung. Hier gilt das Wort "Erst wenn dein Name vergessen ist, bist du vergessen". Selbst kleinere Initiativen vor Ort halten die Erinnerung wach. Im Raum Landsberg am Lech und Kaufering gibt es aufgrund der ehemaligen Außenstellen des KZ Dachau einige Plätze der Erinnerung.


    https://www.buergervereinigung-landsberg.de/


    Warum wird aber in unserer Gesellschaft DDR-Unrecht verharmlost oder totgeschwiegen? Es geht nicht nur um die Mauertoten. Es geht um Kinder, die zur Zwangsadoption freigegeben wurden weil deren Eltern bei der "Republikflucht" erwischt wurden. Es geht um Folteropfer in den Gefängnissen, allen voran Hohenschönhausen oder das Stasi-Gefängnis Bautzen II.


    httpss://de.wikipedia.org/wiki/Haftanstalt_Bautzen_II)


    Es geht um Berufsverbote oder dem Verbot des Studiums, weil der "Bürger" sich nicht systemkonform verhalten hat. Es geht um die sogenannten "Russenkinder", deren Schicksal bis vor kurzem noch tabuisiert wurde. Erst ein Artikel in der renomierten Zeitschrift GEO hat anhand einiger Beispiele deren schwieriges Leben vor wenigen Monaten der Allgemeinheit bekannt gemacht.


    https://www.geo.de/GEO/info/ne…r-russenkinder-80535.html


    Zusammengenommen sind es viele Dinge, die vor dem Vergessen bewahrt werden müssen. Eine nationale Gedenkstätte an prominenter Stelle mitten in Berlin wäre hier meines Erachtens angemessen.


    grüsse


    jürgen

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