Das Parlament

  • Das ungarische Parlament



    (ungarisch: Országház und wörtlich: Landeshaus)


    Es wurde schon einiges über die ungarische Hauptstadt Budapest hier geschrieben.
    Das Parlament ist auch schon auf einigen Bildern zu sehen gewesen.
    Ich reise nun regelmäßig seit etwa 45 Jahren nach Ungarn, aber erst in diesem Jahr habe ich es geschafft das Parlament auch von innen zu besichtigen.


    Aber bevor wir reingehen betrachten wir es erst mal von außen.


    Vom Budaer Donauufer etwas nördlich des Burgberges beherrscht das Parlament das Pester Ufer.



    (ein Bild von 2008)



    Auch von der Burg aus wirkt es großartig.




    365 Türmchen zeigen gen Himmel - soviel wie das Jahr Tage hat - Zufall???



    Nach einer Ausschreibung 1883 gingen 19 Entwürfe ein.
    Graf Gyula Andrássy, ehemaliger ungarischer Ministerpräsident und damaliger Außenminister der österreichisch-ungarischen Monarchie,
    unterstützte den Bauplan von Imre Steindl weil dessen Bauplan im neugotischen Stil an das Londoner Parlamentsgebäude erinnerte.


    Am 12. Oktober 1885 erfolgte der erste Spatenstich zum Bau des Parlamentes.
    Der Bau dauerte 17 Jahre und wurde am 8. Oktober 1902 übergeben.
    Die Ausstattung der Innenräume dauerte noch mal 2 Jahre und 1904 konnte das Parlament bezogen werden.


    Es ist erwähnenswert, dass die erste Sitzung im neuen Parlamentsgebäude schon am 8. Juni 1896
    - dem 29. Jahrestag der Krönung von Kaiser Franz Joseph zum ungarischen König -
    anlässlich der 1000-Jahrfeier der ungarischen Landnahme, stattfand.


    Das Gebäude ist 268 m lang, 123 m breit und 96 m hoch.
    Es hat 17.745 Quadratmeter Nutzfläche und ein Volumen von 473.000 Kubikmetern.
    Das Gebäude hat 10 Innenhöfe, 27 Tore, 29 Treppenhäuser und 13 Aufzüge für Personen und Güter, und 691 Räume.


    Das Gebäude verfügte über eine Fernheizung.
    In einem etwa 150 Meter entfernten Gebäude standen die Dampfkessel.
    Durch gut isolierte Leitungen wurde die warme Luft ins Parlament befördert und in Lüftungsschächten verteilt.


    Zur Kühlung an heißen Sommertagen hatte sich der Architekt eine besondere Lösung ausgedacht.
    Von zwei Brunnen auf dem Platz vor dem Parlament transportierte man durch Leitungen die gekühlte Luft ins Parlament.
    Später wurden einige der Tunnel allerdings zugemauert.
    Die verbliebenen offenen dieser Luftkanäle werden auch heute noch genutzt,
    so werden an heißen Sommertagen hier große Mengen an Eis deponiert, um die Räume des Parlaments zu kühlen.


    Vor dem Haupteingang des Parlamentes konnte ich die Wachablösung miterleben.




    Zwischen den beiden riesigen Löwen aus Bronze und vor den aufwändigen schmiedeeisernen Toren...




    ... präsentierten die Soldaten den Säbel.






    Das Parlamentsgebäude ist natürlich ein beliebter Hintergrund für ein Erinnerungsfoto.





    Zahlreiche berühmte ungarische Figuren zieren die Fassade rundum.






    Insgesamt zieren 90 Statuem die Fassade und innen stehen 152 Plastiken.


    Vor dem Südeingang des Parlamentes hat man Anfang Mai diesen Jahres (2015) die Reiterstatue von Gyula Andrássy wieder aufgestellt.




    Der ehemalige ungarische Ministerpräsident und spätere Außenminister der Doppelmonarchie war außerdem ein guter Freund von Kaiserin Elisabeth.
    Das Originalstandbild, geschaffen von György Zala war am 2. Dezember 1906 am gleichen Ort aufgestellt worden.
    Nach dem zweiten Weltkrieg holte man die Statue vom Sockel. Man brauchte die Bronze für das neue Stalindenkmal.


    ...



    Ich ging weiter im Uhrzeigersinn um das Parlament.




    Im Zentrum des Parlamentes dominiert die mächtige Kuppel über dem Kuppelsaal.




    Am oberen Ende ihrer Spitze sind es 96 Meter. Der Herr auf einem der vorderen Türme steht etwas tiefer.


    ...



    Der 1950 an der Spitze der Kuppel angebrachte rote Stern wurde 1990 abgenommen und 1992 durch eine Nachbildung der originalen Spitze ersetzt.


    Das südliche Tor der Westseite...




    ... wird auch von Statuen der ungarischen Geschichte flankiert.





    An der Nordseite des Parlamentes...





    ... wurde 1914 das neue Tourismuszentrum eröffnet.




    Hier herrscht dauernder Andrang um eine Karte für eine Führung in der gewünschten Sprache zu erhalten.
    Führungen in deutscher Sprache gibt es täglich um 11:00, 13:00 und 14:00 Uhr.
    Das Ticket kostet für EU-Bürger 2000 Forint, das sind etwa 6,40 Euro.
    Die Zeiten wo EU-Bürger das Parlament kostenlos besuchen konnten ist leider vorbei.
    Das Ticket für Nicht-EU-Bürger kostet 5200 Forint, das sind fast 17 Euro! Das finde ich ganz schön happig!


    Leider ist das Fotografieren im Kuppelsaal, wo die Krönungsinsignien immer von Soldaten bewacht werden, verboten.


    Trotzdem kann man in den Fluren und Treppenhäusern die Pracht der Innenausstattung des Parlamentes erahnen.
    Schließlich wurden etwa 40 Kilogramm 22- bis 24-karätiges Gold verbraucht.


    Erst mal müssen wir über Kellergänge...




    ... und Treppenhäuser mit herrlichen Buntglasfenstern...




    ... und wunderschönen Deckenmalereien...




    ... durch lange Gänge...




    ... zum Haupttreppenhaus kommen.




    Diese Treppe führt direkt zum Kuppelsaal in dem nicht fotografiert werden darf.


    Weiter gehts, vorbei an statuengeschmückten Säulen...




    ... und unter diesem Türbogen durch...




    ... zur Galerie des Sitzungssaales des Angeordnetenhauses.





    Über dem Rednerpult sehen wir das große ungarische Wappen.




    In der Mitte des großen ungarischen Wappens sehen wir das sogenannte Kossuthwappen von 1848, das auch heute wieder Ungarns Wappen darstellt. (siehe waldis Avatar)
    Drumherum sind die Wappen der damaligen ungarischen Länder angeordnet, Dalmatien, Slawonien, Fiume, Siebenbürgen und Kroatien.
    Das Wappen wird von der Stefanskrone gekrönt und von zwei Engeln gehalten.


    Die sechs Wappen von links nach rechts sind die der ungarischen Herrscherhäuser, Árpád, Anjou, Hunyádi, Jagelló, Szapolyai und Habsburg-Lothringen.


    Links von den Wappen zeigt ein Gemälde die Verkündung der goldenen Bulle durch András II. im Jahre 1222.




    Auf dem Gemälde auf der rechten Seite huldigt der ungarische Adel Kaiserin Maria Theresia, 1741.




    Die Abgeorneten können direkt an ihrem Pult...




    ... elektronisch ihre Stimme abgeben.




    Damit wars auch schon fast vorbei mit der Führung durch das Parlament.
    Aufgefallen sind mir nur überall diese Zigarrenablagen in den Gängen.





    Die Abgeordneten müssen früher wohl viel geraucht haben.


    Am Saal der Ultrarechten kamen wir vorbei.




    Mein letztes Bild aus dem ungarischen Parlament zeigt eine Gedenktafel die an István Bibó erinnert.




    Er war während des ungarischen Volksaufstandes und dem Einmarsch der Sowjetarmee der letzte Minister, der das ungarische Parlament am 6. November 1956 verließ.
    Anstatt sich in Sicherheit zu bringen, wartete er auf seine Gegner und schrieb währenddessen seine Erklärung "Für Freiheit und Wahrheit".
    Im Mai 1957 wurde Bibó verhaftet und im August 1958 zu lebenslanger Haft verurteilt.







    Liebe Grüße von waldi :174:

  • Super- jetzt komme ich endlich in den Genuss, das Parlament auch mal von innen zu sehen!
    Mir war bei meinem Budapestbesuch die Warteschlange zu lang!


    Danke, waldi!


    Liebe Grüße,
    Elke

  • :wink:


    ein fantastisches Gebäude, waldi. Ich bin ganz begeistert von dieser Stadt, obwohl ich noch nie da war. :)


    Danke für diesen interessanten Fotobericht.


    Gruß
    Jofina

    El mundo es un libro, y quienes no viajan leen sólo una página. (Aurelio Agustín)
    Gruß Jofina

  • Ich habe diesen wirklich gelungenen Bericht mit viel Interesse gelesen und so manches erfahren.


    Die Bilder sind einmalig schön!!!


    Danke dafür (Mein Danke-Button funktioniert noch nicht)

  • hallo Waldi,


    ein toller Bericht über ein Gebäude, welches viele nur von außen kennen. Noch viel beeindruckender ist es von innen. Gut, daß du die Besichtigung für uns gewagt hast. So sehe ich doch, daß ich, sollte ich einmal nach Budapest kommen, unbedingt auf deinen Spuren auch das Innere in Augenschein nehmen muß.


    Wenn ich mir den gewaltigen Aufwand in technischer und finanzieller Hinsicht ansehe, der seinerzeit für den Bau betrieben wurde, so zeugt dieses Gebäude von der vergangenen Macht und dem Selbstbewußtsein Ungarns. Im Vergleich dazu ist unser Reichstag eigentlich nur so etwas wie das dazugehörige "Hausmeisterhaus". Vielleicht ist er auch nur ein Beispiel für preußische Sparsamkeit und die Ablehnung von Prunk und Protz. Diese "Tugenden" kamen ja erst mit dem Kaiserreich oder später mit dem Dritten Reich bei uns in Mode.


    Auch die von dir vorgestellten Wappen der heute im Ausland liegenden Teile Ungarns, teilweise sind es ja selbstständige Staaten, zeigen mir, daß sich Ungarn auch heute noch größer fühlt als es tatsächlich ist. Undenkbar wäre bei uns, daß die Wappen von Schlesien, Memelland oder Ostpreußen in einem öffentlichen Gebäude gezeigt werden.


    Graf Andrassy kennen wir ja alle noch aus den Sissi-Filmen. Was meinst denn du? War da was oder war da nix zwischen den beiden? :wink:


    grüsse


    jürgen

  • Auch die von dir vorgestellten Wappen der heute im Ausland liegenden Teile Ungarns, teilweise sind es ja selbstständige Staaten, zeigen mir, daß sich Ungarn auch heute noch größer fühlt als es tatsächlich ist. Undenkbar wäre bei uns, daß die Wappen von Schlesien, Memelland oder Ostpreußen in einem öffentlichen Gebäude gezeigt werden.


    Man hat es nur im Urzustand belassen, Jürgen.
    Zur Zeit des Parlamentbaues gehörten diese Länder eben zu Ungarn.
    Du hast aber nicht ganz unrecht wenn Du annimmst dass sich Ungarn damit schwer tut, sich mit den Trianonverträgen abzufinden - auch heute noch!
    Wenn man das heutige Wappen der Ungarn mit dem der Slowaken vergleicht, dann bekommt man vielleicht eine Ahnung davon, wie schwer es fällt.


    Graf Andrassy kennen wir ja alle noch aus den Sissi-Filmen. Was meinst denn du? War da was oder war da nix zwischen den beiden? :wink:


    Darüber kann nur spekuliert werden, Jürgen.
    Die Spezialisten sind davon überzeugt, dass man ein sexuelles Verhältnis bei dem Bekanntheitsgrad von beiden, und den ständigen Beobachtungen des österreichischen Geheimdienstes - ja, so was gab es auch damals schon - nicht hätte geheimhalten können.
    Es steht aber außer Frage, dass sie sich blendend verstanden haben.
    Kaiserin Elisabeth hat sich dahingehend geäußert, dass Graf Andrássy nicht nur ihr bester sondern auch einziger Freund war, und das ohne die Last der körperlichen Liebe.


    Nein, ich vermute dass da nix war zwischen den beiden!



    Liebe Grüße von waldi :174:


  • Mir war bei meinem Budapestbesuch die Warteschlange zu lang!


    Das geht sicher vielen so, Elke.
    Das muss aber nicht sein, denn man kann ja Karten vorbestellen und online buchen!
    Erst mal gucken ob der Sitzungssaal bei meinem Wunschtermin besuchbar ist oder das Parlament wegen einer Veranstaltung geschlossen ist.
    https://www.parlament.hu/en/web/latogatokozpont
    Dann hier das Ticket bestellen und zurücklehnen.
    https://www.jegymester.hu/eng/…n/480000/Parliament-visit
    So kann ich feststellen ob und wieviele Karten noch frei sind und kann dementsprechend meinen Besuch in ein Programm einbauen.



    Liebe Grüße von waldi :174:

  • Als einer, der noch nicht einmal das Reichstasgebäude in Berlin besucht hat kann ich sagen, dass ich das Landeshaus Ungarns prächtig finde und auch mich ein Besuch reizen würde.


    Herzlichen Dank für deinen Beitrag,
    Klaus

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