3./4. März 2013
In meinen einwöchigen Urlauben suche ich mir seit einigen Jahren immer wier eine Stadt aus, in der ich noch nie war, und in der es schön und interessant sein könnte. Mach dann über Tourismusbüro oder ein entsprechendes Internetportal Quartier, setz mich in den Zug und fahr hin. Diesmal war, dank umfangreicher Historie und zahlreicher, mit meiner Frau zusammen genossener, Krimis aus den Serien Wilsberg und Tatort Münster, eben diese Stadt dran.
Mit dem IC oder ICE (beide sind gleich schnell, beide halten sie vorher nur in Bremen und Osnabrück, manchmal noch in Harburg) ist man von Hamburg-Hbf in etwa zweieinviertel Stunden da. Straßenbahn gibt's dort leider nicht mehr, seit 1954, aber ein relativ übersichtliches Busnetz. Gegenüber vom Hauptbahnhof ist ein Büro der Busgesellschaft, dort - oder im Automaten - bekommt man Einzel- oder Tagesfahrkarten - wenn man ein weitere Fahrt am gleichen Tag vorhat, rentiert sich (ab 9h) schon die Tageskarte.
Zum Quartier gefahren, eingecheckt, der Grieche um die Ecke sorgt für das leibliche Wohl, rein ins Bett gefallen, morgens wieder raus, und nach dem Frühstück kann's losgehen. Bis zum Domplatz sind's etwa zwei Kilometer - Google Maps sagt, 1800m und 22 Minuten, da hab ich gut geschätzt !
Ich brauche natürlich länger, weil ich alle Naslang irgendwas zum Gucken hab.
Das z.B. ist eine Trümmerlok. Die zog vor dem 2. Weltkrieg irgendeine Werksbahn, und danach die Loren, die den Schutt aus der kriegsbedingt völlig zerstörten Altstadt beförderten.
Nein, wir sind nicht in Hamburg, auch wenn das Lokal Davidwache heisst,
in das, wie die Warnung Out of Bounds verrät,
britisches Militär nicht rein darf.
Alle andern dürfen, und das Verbot für die Soldaten Ihrer Majestät ist deren Kommando verantwortlich, nicht die Münsteraner Stadtväter. Mir ist das wurscht, der Laden hat eh noch zu.
Der Münsteraner Stadtbach hat den kurzen Namen Aa, das hiess früher lateinisch Aqua, aber den Ortsansässigen war das zu lang (laut Stadtführung), und manche konnten auch kein Latein.
Münster ist voller Kirchen, zum Glück sehen sie nicht alle gleich aus, und so kann man sich ein bissl daran orientieren. Die erste erreichbare Kirche ist die Liebfrauenkirche - sie sieht oben etwas gerupft aus, daran sind die Täufer schuld,
weil sie das Turmdach weggesprengt haben
um eine Kanone obendrauf zu stellen, gegen den bösen Fürstbischof. Genutzt hat's ihnen nix, aber dazu später.
Und gegenüber der Kirche das erste Münster-Krimi-Highlight,
das mehrmals im Jahr das Schild ausgewechselt bekommt.
Und vor den Dreharbeiten muss drin ein bissl aufgeräumt werden, damit Kamerateam, Kamera nebst Schienen, und last not least die Akteure reinpassen. Wenn die alle drin sind, wird's nämlich eng.
Ups - irgendwo hier drin hockt er mit seiner versteckten Kamera und hat das Bild meiner Frau gemailt
Immer noch Montag, 4.3.2013, bei strahlendem Sonnenschein:
Jetzt machen wir mal weiter auf unserem Münster-Individualrundgang, die Stadtführung ist erst morgen dran.
Wilsberg hat sich auf sein Radl geschwungen, er muss noch ein bissl ermitteln. Er meint, nachdem ich das Münster-Buch von Jürgen Kehrer, Gebrauchsanweisung für Münster und das Münsterland, gelesen habe, würde ich auch ohne ihn zurecht kommen. Und Jürgen Kehrer ist schliesslich Wilsberg's Entdecker, der muss es wissen.
Die gegenüber dem bekanntesten Antiquariat der Stadt gelegene und oben schon erwähnte Liebfrauen- oder Überwasserkirche (Überwasser ist ein Stadtteil der Altstadt und heisst so, weil es oberhalb der Aa liegt) hat übrigens nach der Turmzerstörung durch die Täufer nochmal eine neue Spitze bekommen, die aber 1703 nach einem Orkan erneut herunterkam und nicht wieder aufgebaut wurde. Wie alle Kirchen bzw. die gesamtte Altstadt gab es auch hier schwere Bombenschäden, die Wiederherstellungsarbeiten dauerten bis in die 70er Jahre.
In Münster liegen alle Kirchen in Sichtweite voneinander, der Dom ist, wie es sich gehört, noch ein bissl weiter oben.
Das ist Bischof von Galen
bekannt u.a. durch seine Predigten gegen das sogenannte Euthanasieprogramm der Nazis; die Massenmorde an den Behinderten gingen danach zwar weiter, aber die Mörder wurden etwas vorsichtiger. An den Bischof trauten sie sich nicht heran.
Die astronomische Uhr werden wir morgen um 12 in Aktion erleben
Münster und das Münsterland waren bis 1803 ein Fürstbistum, d.h. Regierungschef war der Fürstbischof. Die Stadt genoss eine immer wieder umstrittene Teilselbständigkeit - die Konflikte darüber eskalierten mehrmals in kriegerische Auseinandersetzungen. Der Domplatz mit dem Dom selber wiederum unterstanden unmittelbat dem Fürstbischof; im Mittelalter war er durch Tore gegenüber der Stadt abgegrenzt, von denen man nichts mehr sieht. Eines davon war das Michaeli-Tor, das etwa da stand, wo man jetzt das Altstadt-Modell sehen kann,
Auf dem abgeschrägten Teil befindet sich eine Beschreibung in Blindenschrift.
Am Durchgang des früheren Michaeli-Tors sind es nur noch ein paar Schritte zum Rathaus,
links daneben das Stadtweinhaus
Während der dreimal im Jahr stattfindenden Synode, münsteranerisch Send, fand um den Dom ein großer Markt statt. Um in dieser Zeit die Ordnung aufrecht zu erhalten, galt ein verschärftes Strafrecht, u.a. drohte jedem Verursacher einer blutigen Auseinandersetzung die Todesstrafe. Das Symbol dafür war das Sendschwert am Rathaus, das früher nur während des Send aufgesteckt wurde und auch Freiheitsschwert hiess, weil in dieser Zeit der Rat der Stadt Münster auch die Gewalt über die "Domimmunität", d.h. den Domplatz hatte.
Der Send ist, ähnlich wie der Hamburger Dom, heute nur noch die Bezeichnung für das dreimal im Jahr stattfindende große Volksfest, das aus Kapazitätsgründen an den Schlossplatz verlegt wurde. Auch da kommen wir später noch hin.
(wird fortgesetzt)