Rügen: Wanderung am Kap Arkona

  • Das Kap Arkona ist ein Touristenmagnet ganz im Nordosten der Insel Rügen.


    Bei meinem Aufenthalt in Binz schloss ich mich an einem grauen, nebligen Tag Ende Oktober einer kleinen Wandergruppe mit einem kompetenten Reiseleiter an.


    Das Kap Arkona liegt auf der Halbinsel Wittow - einer relativ flachen Hochebene, über die der Wind pfeift.



    Im November waren die Felder schon mit Raps eingesät , der im Frühjahr leuchtend gelb blüht.



    Bis zu dem kleinen Dorf Putgarten kann man mit dem Auto fahren - dann geht es zu Fuß weiter oder die ca 3km bis zum Kap mit dem Pferdewagen oder dem gasbetriebenen Züglein.



    Wir fuhren mit einem Linienbus ein Stück zurück, da wir an der Abbruchkante entlang wandern und das aus der Jungsteinzeit stammende Riesengrab von Nobbin sehen wollten .


    Es ist ein großes Hünenbett aus der Zeit von 3500 bis 1800 v. Chr. , 34m lang, 8 bis 11m breit und bestand aus 2 Grabkammern.
    Neben einigen senkrecht stehenden Steinplatten fallen die großen, tonnenschweren Wächtersteine am Ende der Anlage auf.
    Ob diese tonnenschweren Steine dazu dienen sollten, Grabräuber abzuhalten, ist eine Vermutung.


    Umgedreht gibt es jedoch auch die Vermutung, dass die Steine verhindern sollten, dass Verstorbene wieder unter den Lebenden erscheinen - ein Aberglaube, der sich bis in unsere Zeit in manchen abgelegenen Gegenden erhalten hat.
    Siehe hier "Wiedergänger"


    Unser einheimischer Reiseführer erzählte uns, dass man in der Gegend Mönchgut im Südosten von Rügen Gräber gefunden hat, bei denen den Toten vor der Bestattung die Beine mit einem großen Stein beschwert wurden- wohl aus diesem Grund.




    Unser Weg führte an der Kante entlang zu dem Fischerdorf Vitt.



    Leider nicht in Betrieb ... aber man kann sich die Sauna in den Garten stellen lassen - eine clevere Geschäftsidee




    Vitt liegt an einem der wenigen Taleinschnitte entlang der Steilküste, wo man bequem ans Meer gelangt. Es ist ein altes Dorf mit langer Tradition der Heringsfischerei.



    Oberhalb des Ortes steht eine Kapelle mit interessanter Geschichte.



    Die Bewohner von Vitt mussten für einen Kirchbesuch immer ins etliche Kilometer entfernte Altenkirchen gehen. Ein beschwerlicher und langer Weg, den viele Fischer vor allem während der Heringfangsaison scheuten.


    Und so kam der Pastor ins Dorf und hielt seine Gottesdienste und Predigten zunächst im Freien (bekannt als "Uferpredigten"), bis unter dem Pastor Ludwig Gotthard Kosegarten 1806 - 1916 eine kleine Kapelle errichtet werden konnte.


    Diese Kapelle steht oberhalb des Ortes mit Blick auf das Meer ( heute ist der Blick auf das Meer durch die vorgebaute Sakristei und durch hohe Bäume versperrt)


    Man erzählt, dass während der Heringsaison immer einer der Gottesdienstbesucher auf Ausguck stand und das Meer beobachtete. ( Er wird auch erzählt, dass dies der Pastor auf der Kanzel war)
    Waren Heringschwärme in Sicht, rief er mitten im Gottesdienst laut "dei Hering kümmt "- und alle rannten aus der Kirche hinunter zu ihren Booten.



    Die achteckig gebaute Kapelle ist schlicht eingerichtet.



    An der Rückseite befindet sich ein eindrucksvolles Gemälde des italienischen Malers Gabriele Mucchi ( 1899-2002)
    Links "Christopherus" , rechts "Menschen im Sturm"



    Auf dem Weg hinunter ins kleine Dorf kommt man an etlichen rohrgedeckten Häusern vorbei.




    Alte Hausmarken, mit denen Häuser, sowie alles, was zum Haus gehörte, gekennzeichnet wurde.



    Vitt lebt heute von Fremdenverkehr.
    Es gibt Gaststätten und ein Cafe



    Wir gingen hinunter bis ans Meer zu einer keinen Fischräucherei direkt am kleinen Hafen.




    Auch an diesem Tag wollte ich nicht auf mein tägliches Fischbrötchen verzichten - die Auswahl an frischem Fisch in dieser Räucherei war groß.



    Und trotzdem bevorzugte ich einen Pott mit heißem Kaffee!



    Blick hinüber zum Kap Arkona. Man könnte hier am Ufer entlanggehen und vielleicht würde man Bernstein finden. Aber es ist sehr mühsam, auf den glatten runden und lockeren Steinen zu wandern.



    Wir stiegen wieder hinauf zum Uferweg. Er führt oberhalb der Klippen zum Kap Arkona.



    Sanddorn - eine Spezialität auf Rügen



    Die Veilchentreppe ( so benannt, weil im Frühjahr überall Veilchen blühen) führt mit mehr als 100 Stufen hinunter zum Wasser.





    Blick auf die Steilküste, auf der oben die Reste der slawischen Jaromarsburg steht.


    https://de.wikipedia.org/wiki/Jaromarsburg
    Die Jaromarsburg war vom 6. bis zum 12. Jahrhundert eine dem Gott Svantovit gewidmete Kultstätte des slawischen Stammes der Ranen


    Die Küste bricht ständig ab und man geht davon aus, dass von dem Gelände der Burganlage nur noch ein Drittel übrig ist.



    Die Ausgrabungsstellen darf man nicht mehr betreten- die Gefahr von Abbrüchen ist zu groß.




    Am Kap Arkona stehen drei Türme


    Der alte Peilturm, er wird heute für Kunstausstellungen benützt .



    sowie die beiden Leuchttürme - links der neuere Turm , 75m ü.NN , erbaut 1901/02,
    rechts der ältere Schinkelturm ( 66m ü. NN), 1826/27 nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel gebaut.



    Auf alle drei Türme kann man hochsteigen. Das Wetter war trüb und an diesem Tag war nur der Schinkelturm geöffnet.


    Im Inneren führt eine aufwändig gestaltete , gusseiserne Treppe zur Plattform hinauf.
    Verschiedene Räume im Turm werden für eine Ausstellung von Leuchtsignalen und Seezeichen genützt.



    Der Blick hinunter auf eine Bunkeranlage.
    Sie wurde zu DDR Zeiten nur wenige Jahre vor der Wende erbaut.
    Heute kann man den Bunker besichtigen.



    Eingang zum Bunker



    Die Lüftungsrohre



    Nahe der Leuchttürme führt eine lange Treppe, die Königstreppe, mit ca 300 Stufen hinunter ans Wasser.



    Bis letztes Jahr konnte man unten , unterhalb der Kreidefelsen, an der Küste entlanggehen.
    Seit einem Unglück Ende 2011 ist der Weg am Ende der Holztreppe gesperrt.



    Die Klippen sind ständig in Bewegung , vor allem nach langen Regenfällen.



    Das ist die Unglücksstelle vom Dez 2011, wo ein Kind verschüttet wurde und ums Leben kam.




    Noch heute ist das Meer von der Kreide weiß gefärbt.



    Wer Lust hat, kann vom Kap Arkona mit dem kleinen Bähnchen zum Parkplatz zurückfahren.



    Wir gingen zu Fuß und kehrten in einem ganz besonderen Cafe ein.
    Es war das "Helene Weigel Haus" -
    https://www.helene-weigel-haus.de/


    Helene Weigel hatte das Haus in Putgarten Mitte der 50er Jahre für sich und ihren Ehemann Bertolt Brecht
    als Feriendomizil erworben.
    Es diente dann seit den späten 50er Jahren bis nach der Wende den Mitgliedern des Berliner Ensembles
    als Ferienunterkunft.
    Nach der Wende wurde das Haus von einer Berliner Familie restauriert und ist heute Cafe und Literaturtreff.



    Man sitzt sehr gemütlich in kleinen, niederen Räumen, an roh gezimmerten Tischen, die wohl noch aus der Zeit stammen, als Bert Brecht dort wohnte.


    Wir hatten Glück, dass wir am 31. Oktober noch diesen Ausflug unternommen haben.
    Das Helene Weigel Haus ist vom 1. Nov. an geschlossen und öffnet erst wieder Anfang Mai.


    Ich hätte mir keinen schöneren Abschluss unserer Wanderung vorstellen können.


    Elke

  • Danke Elke für einen sehr informativen und schönen Bericht.


    Deine Bilder sind sehr eindrucksvoll.


    Diese Felsabbrüche sind schon eine große Gefahr für Mensch und Tier.


    Ich habe das letztes Jahr verfolgt wie lange man nach dem Kind gesucht hat.


    Bei schönem Wetter ist es dort bestimmt genauso schön an Kroatiens Küste.

  • Danke Elke für die aufschlussreiche Wanderung.

    Der Höhepunkt ist selbstverständlich das Kap.
    Es ist schon erschreckend wie die Kreideküste wegbröckelt bzw. ganze Abschnitte in die Tiefe stürzen....


    Aber ich finde auch sehr interessant, was das Umfeld zu bieten hat.
    Du hast es bemerkenswert in Szene gesetzt und exzellent vorgestellt.
    Besonders hübsch finde ich die Geschichten rund um die Kapelle.


    Irgendwie habe ich gerade wieder den aromatischen Geruch von geräuchertem Fisch in der Nase.
    Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir vor einigen Jahren auch auf Rügen waren.


    Vielen Dank!


    Liebe Grüsse
    Gabi

  • Herzlichen Dank für die Erinnerungen, die du in uns wachrufst, Elke.


    Vitt liegt an einem der wenigen Taleinschnitte entlang der Steilküste, wo man bequem ans Meer gelangt. Es ist ein altes Dorf mit langer Tradition der Heringsfischerei.
    Oberhalb des Ortes steht eine Kapelle mit interessanter Geschichte.


    In der Kapelle haben wir gesungen. Das Gewölbe aus Holz ist verputzt und sorgt für eine fantastische Akustik. Das hat einfach wunderbar geklungen.


    Umgedreht gibt es jedoch auch die Vermutung, dass die Steine verhindern sollten, dass Verstorbene wieder unter den Lebenden erscheinen - ein Aberglaube, der sich bis in unsere Zeit in manchen abgelegenen Gegenden erhalten hat.
    Siehe hier "Wiedergänger"


    Unser einheimischer Reiseführer erzählte uns, dass man in der Gegend Mönchgut im Südosten von Rügen Gräber gefunden hat, bei denen den Toten vor der Bestattung die Beine mit einem großen Stein beschwert wurden- wohl aus diesem Grund.


    Wohl auf Grund der langen Winterabende hatten sich die Rügener anscheinend viele gruselige Geschichten zu erzählen.


    Wie z. B. über den Nonnensee, der sich nordwestlich der Stadt Bergen auf Rügen befindet:


    "Vor vielen hundert Jahren war an der Stelle, wo heutzutage der Nonnensee liegt, ebenes, festes Land, und mitten darin stand ein großes Nonnenkloster. Die Nonnen des Klosters waren sehr reich, so dass alle ihre Gerätschaften aus lauterem Golde verfertigt waren; aber sie waren auch so geizig, dass sie keinem Bettler, der bei ihnen vorsprach, etwas gaben. Der Reichtum machte sie allmählich immer übermütiger, und als sie zuletzt gar große Mengen Salz auf die Erde streuen ließen, um im Sommer Schlitten fahren zu können, da nahm es mit ihrer Herrlichkeit ein jähes und schreckliches Ende. Das Kloster versank in der Nacht zu Pfingsten in die Tiefe, so dass man niemals wieder eine Spur davon gesehen hat und alsbald bildete sich ein See, welcher die ganze Umgebung des früheren Klosters überflutete. Nur am Pfingstmorgen kann man Glockengeläut und klagende Stimmen aus der Tiefe des Sees herauftönen hören..." (A. Haas: Rügensche Sagen, Stettin 1922)


    Es dankt der schaudernde
    Klaus

  • Liebe Elke,


    das hat schon echte Reiseführer Qualitäten. Aus allem herausragend finde ich zum einen den Sanddorn , der ja auch bei uns zum Teil an den Bachläufen z.B. in der Nähe des Wallberges wächst (daher wurde er auch immer bei Katarrh "verordnet" von Muttern),


    zum anderen den erschreckenden Hintergrund des bewegenden Unglücks, sichtlich nachvollziehbar auf Grund deiner Bilder und der Übersichtskarte.


    Frage mich schon, warum immer erst etwas passieren muss, bevor man reagiert. Die von dir fotografierte Tafel entlarvt ja die Verantwortlichen mit ihren wiederkehrenden stereotypen Aussagen.


    Herzlichen Dank für diese wunderbare Wanderung, die ich so vielleicht nicht persönlich mitgemacht hätte.


    Es zeigt aber davon, wie fit du bist.


    Noch was: Ein unglaubliches Bild finde ich "den Möven Parkplatz"! Das ist meines Erachtens prädestiniert für einen Flyer hier.


    Lieben Gruß


    Helmut

  • Ein Besuch des Kap Arkona ist bestimmt eine der ganz großen Höhepunkte bei einem Aufenthalt auf Rügen. Wenn man es dann noch sportlich angeht, so wie ihr es getan habt, sieht man weitere interessante Dinge, wie das Riesengrab von Nobbin.
    Auch den Ort Vitt wird man wohl mit der Pferdekutsche oder dem Züglein nicht zu sehen bekommen. So gesehen, ist eure Wander-Route die richtige Entscheidung um zum Kap zu kommen.


    Tolle Impressionen und wie immer, Top Hintergrundinformationen.

  • Danke für Euer Interesse und für Eure Kommentare zu diesem Bericht!
    Ja, ich habe Gefallen an Rügen gefunden - ich war viel zu Fuß unterwegs ( anders kann man die Insel kaum richtig erleben)


    Bernd- das Züglein und die Pferdekusche fahren sowohl nach Vitt als auch zum Kap - man könnte z.B. nach Vitt fahren, dann auf dem Uferhochweg zum Kap wandern und von dort wieder nach Putgarten zurückfahren ( oder umgedreht)
    Die Wanderung ist nicht anstrengend - etwas anstrengender ist es nur, wenn man alle die Treppen hinunter ans Ufer und hinauf auf den Leuchtturm steigt- das sind dann insgesamt einige hundert Stufen. Schön langsam... dann geht es gut.


    Zum Thema Verantwortung


    Zitat von Wallbergler

    Frage mich schon, warum immer erst etwas passieren muss, bevor man reagiert


    Zu den Kreideabbrüche an Rügens Steilküste
    https://www.ndr.de/geschichte/…e/wissowerklinken104.html
    https://www.ndr.de/regional/me…mern/koenigsstuhl103.html
    https://www.ndr.de/regional/me…ern/kreideabbruch123.html
    https://www.ndr.de/geschichte/…e/wissowerklinken100.html


    Es gibt Diskussionen über die komplette Absperrung der vielen Kilometer ( in Meck. Pomm wären es 128km ) Steilküste.


    Die Diskussion darüber wird kontrovers geführt .
    https://www.ndr.de/apps/php/forum/showthread.php?t=58032


    Das Unglück vom Dez 2011 ist tragisch und sehr traurig.


    Und doch gehöre ich zu denjenigen, die es ablehnen, dass in Deutschland immer alles geregelt und verboten wird.
    Überall an den Abstiegen stehen Warnschilder.



    Deutlicher geht es kaum.
    Es muss jedem selbst überlassen sein zu entscheiden, ob er das Risiko eingeht oder nicht.


    Wenn ich Verantwortung für jemanden hätte, z.B. ein Kind), dann wäre ich vermutlich nicht hier entlanggegangen
    s. Bericht ( Die Treppe ist im Hintergrund, dort wo die Menschn zu sehen sind)
    https://www.schoener-reisen.at…g-im-Nationalpark-Jasmund



    Ich setze mehr auf Selbstverantwortung als auf Reglementierung.


    ( So wie ich es auch in anderen Ländern handhabe, wo diesbezüglich nicht einmal Warnschilder stehen und ich selbst entscheiden muss, ob ich irgendwo entlanggehe oder etwas unternehme, was im Prinzip mit einem Risiko verbunden sein könnte)


    Aber ich denke , da ist jeder von uns anders veranlagt.


    Lieben Gruß,
    Elke

  • ist nur ein verschreiberling gewesen - ich hab die 0 vergessen.


    Das dachte ich mir , Dieter!
    Aber 20 cm sind auch unwahrscheinlich viel!


    Umgerechnet auf die Jaromarsburg aus dem 6. Jhd...
    In rund 1500 Jahren wären das 300m ( hab ich richtig gerechnet? - Unglaublich!)


    Was an den Steilküsten abbricht, wird allerdings zum Teil an anderer Stelle wieder angeschwemmt- unter anderem an dem wunderschönen, kilometerlangen Sandstrand von Binz.
    Hier ein Kärtchen von Rügen
    https://www.ostsee.de/insel-ruegen/inselkarte.html


    Gruß,
    Elke

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