An einem regnerischen Morgen, der für einen Schwimmbadbesuch ungeeignet schien, machte ich beim Frühstück - zwischen kenyér und kalács (Brot und Hefekuchen) - den Vorschlag, einen Ausflug nach Gyula zu machen.
Also habe ich die Karte rausgekramt und eine Route gesucht. Dabei stellte ich fest, dass es etwa 180 Kilometer – einfache Strecke – sind!
Trotzdem wurde der Vorschlag angenommen und wir fuhren über Tiszafüred, Karcag, Körösladány und Békéscsaba nach Gyula.
In Körösladány machten wir Pause und ich suchte nach "Erzsébet királyné".
Im Internet hatte ich einen Bericht darüber gefunden, dass man in Körösladány beim diesjährigen (2009) Ortsfest ein Denkmal für Sissi enthüllen wollte. Das musste im Juni gewesen sein. Und tatsächlich! Im Park vor dem Wenckheim-Schloss fand ich den Gedenkstein mit dem Bronzerelief von Elisabeth. Es wurde einem früheren Denkmal nachempfunden, dass bis zum zweiten Weltkrieg in Körösladány stand.
das Elisabeth-Denkmal in Körösladány
Der Eingang zum etwas unscheinbaren Wenckheim-Schloss das heute als Schule dient.
Vor dem Schloss stehen auch die Büsten derer von Wenckheim die damals das Elisabeth-Denkmal erstellen ließen.
Etwas abseits finde ich die Büste eines berühmten Sohnes von Körösladány, Lajos Tüköry. Als 18-jähriger nahm er am Freiheitskrieg von 1848/49 teil. Später emigrierte er nach Italien und führte dort erfolgreich eine ungarische Legion im italienischen Freiheitskampf von 1859 gegen Österreich und wurde dort zum Helden. In Palermo steht deshalb ebenfalls ein Tüköry-Denkmal.
die Büste von Lajos Tüköry
Ich war zufrieden! Wir stärkten uns und fuhren weiter.
das Wappen von Gyula
Gyula ist eine Kleinstadt in der pannonischen Tiefebene an der Grenze zu Rumänien.
Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Siedlung, die sich aus einem Kloster am Flüsschen "Fehér körös" entwickelte, im Jahre 1214.
Auf einer Flussinsel begann man anfangs des 14. Jahrhunderts mit dem Bau der Burg.
die Burg von Gyula
Durch die 15 Meter hohen Mauern wirkt das Gebäude recht imposant und wehrhaft.
In der gotischen Ziegelburg ist jetzt das Burgtheater untergebracht.
Im 18. Jahrhundert wurde auf dem Areal der Inselfestung das Almásy-Schloss errichtet. Ich habe es mal von der Rückseite fotografiert.
das Almásy-Schloss in Gyula
An der Burg wurde von der Familie Almásy auch ein Gebäude errichtet, das als "Erzsébet-Szeretetház" (Elisabeth-Waisenhaus) diente und heute ein Hotel mit dem Namen "Elizabeth" beherbergt. Natürlich nach Königin Elisabeth benannt.
Ebenfalls auf der Burginsel befindet sich das Vár-fürdő (Burgbad). Auf 8,5 Hektar des ehemaligen Almásyparkes hat man das modernste Strand- und Heilbad des Tieflandes mit 19 Becken errichtet. Zu einem Besuch reichte leider die Zeit nicht.
1566 fiel Gyula in die Hände der Osmanen, zu deren Reich es 129 Jahre gehörte. Nach der Befreiung von der türkischen Besatzung im Januar 1695 war die gesamte Region entvölkert.
Eine bedeutende Veränderung im Leben der von der türkischen Herrschaft befreiten Gebiete brachte das Erscheinen der Privatgutbesitzer. Das Habsburger Herrscherhaus begüterte fremde (meistens österreichische) neue Grundbesitzer mit dem größten Teil der königlichen Kammergüter für verschiedene Dienstleistungen und staatliche Schulden. Der größte Teil der Gebiete des Komitates Békés, weiterhin einige Güter der Komitate Csongrád und Zaránd, darunter auch Gyula, kamen infolge der Begüterung ab 1720 in den Besitz des kaiserlichen Versorgungskommisärs Johann Georg Harruckern.
Harruckern war ein begeisterter Anhänger des Wiener Hofes und vertrat die Lebensauffassungs des reichwerden wollenden Bürgers. Er wusste, dass das erhaltene große Gut nur dann Erträge bringt, wenn er es vorher mit Hörigen bevölkert. Deshalb siedelte Baron Johann Georg Freiherr von Harruckern in Gyula ab 1723 in mehreren Wellen unter anderem auch Familien aus Franken an.
Die deutsche Bevölkerung wählte sogar 1734 einen eigenen Richter, trennte sich von der ungarischen Kommune und gründete Deutschgyula, das 123 Jahre eine eigene Verwaltung hatte.
Die Revolution und der Befreiungskrieg 1848/49 haben auch in Gyula ihre Spuren hinterlassen.
Karl von Leiningen-Westerburg, ein deutscher Graf der eine Ungarin geheiratet hatte und auf ungarischer Seite im Freiheitskrieg kämpfte, übernachtete als Gefangener in diesem Haus. Er war einer der Märtyrer von Arad.
Hier stand das Haus in dem Lajos Aulich übernachtete. Auch er war einer der Revolutionsgeneräle die in Arad hingerichtet wurde.
Die wirtschaftliche Entwicklung Gyulas wurde durch den "Frieden von Trianon" nach dem Ersten Weltkrieg sehr negativ beeinflusst. Lag die Stadt zuvor im Herzen des Königreichs Ungarn, so rückte sie nun in eine Randlage zwischen Ungarn und Rumänien und wurde von ihrem Hinterland in Siebenbürgen abgeschnitten.
Heute ist Gyula ein anerkannter Badeort und lebt auch vom Heiltourismus.
Die Innenstadt ist verkehrsberuhigt und hervorragend restauriert. Man bemerkt überall das Bemühen der Stadtplaner.
Wasser plätschert über Terrassen...
... und sogar in die Körös spritzt man es!
Die innerstädtische katholische Kirche von Gyula.
Davor steht das Denkmal von Vilmos Apor.
Anfang 1919 wurde er Pfarrer von Gyula. Als im Mai rumänische Truppen die Stadt besetzten und ungarische Offiziere deportierten, reiste Apor nach Bukarest und konnte durch Intervention bei Königin Marie von Sachsen-Coburg und Gotha erreichten, dass die Gefangenen freigelassen wurden. 1941 wurde er zum Bischof von Györ ernannt und musste, nachdem er zum Ehrenbürger ernannt worden war, Gyula verlassen.
In Györ setzte sich Apor sehr für die Juden ein und protestierte gegen die Deportation in die Konzentrationslager. Auch für die Freilassung von Kardinal Mindszenty kämpfte er.
Am 28. März 1945 erreichten die sowjetischen Truppen die Stadt Győr. Viele Verfolgte und Flüchtlinge, vor allem Frauen und Kinder, hatten Zuflucht in der bischöflichen Residenz gefunden. Als sowjetische Soldaten am 30. März in den Keller des Bischofssitzes eindringen wollten, stellten sich ihnen Bischof Apor und sein Neffe, Sándor Pálffy, entgegen und wurden niedergeschossen. Am 2. April 1945 starb Apor an den Folgen der Verletzungen.
1997 wurde er selig gesprochen.
Vilmos Apor vor der Stadtpfarrkirche von Gyula
Ein Kleinod ist die rumänisch-orthodoxe Sankt Nikolaus Kathedrale.
Szt. Miklós Katedrális in Gyula von außen...
... und von innen
Bei unserem leider viel zu kurzen Rundgang machte ich noch einige Bilder.
das Komitatshaus in Gyula...
... und ein besonders schön renoviertes Bürgerhaus
Im Zentrum steht diese Weltzeituhr. Wer erkennt, zu welcher Uhrzeit ich dieses Foto gemacht habe?
Als ich ein Denkmal von Albrecht Dürer in Gyula entdeckte staunte ich nicht schlecht!
das Dürer-Denkmal in Gyula
1455 kam aus Ajtós, einem kleinen Ort der heute zur Stadt Gyula gehört, ein Mann nach Nürnberg und ließ sich dort als Goldschmied nieder. Ajtó bedeutet auf deutsch "Tür". So nannte sich "der aus Ajtós" eben "Türer". Da man in Nürnberg das "harde D" nicht mag wurde daraus Dürer. Auf seinen Sohn, "Albrecht Dürer den Jüngeren" ist man auch in Gyula stolz – wurde er doch dort geboren - und hat ihm ein Denkmal gesetzt. Seine "betenden Hände" kennt wohl jeder.
Ein weiterer berühmter Mann aus Gyula ist der deutschstämmige Ferenc (Franz) Erkel, ein Komponist der durch die ungarische Nationalhymne (Magyar himnusz) unsterblich wurde. Weitere Werke sind "Hunyadi László" und "Bánk bán". Er ist auch der Begründer der ungarischen Nationaloper und ein Theater in Budapest (Erkel-Szinház) wurde nach ihm benannt.
Denkmal von Ferenc Erkel in Gyula
Was Béla Bartok mit Gyula verbindet konnte ich nicht herausfinden.
Denkmal von Béla Bartok in Gyula
Diese Büste vor dem "Don Bosco Kollegium" zeigt Attila József, den berühmten ungarischen Lyriker, der an seinem Leben verzweifelte und sich im Alter von 32 Jahren am Balaton vor einen Güterzug warf.
Denkmal von Attila József in Gyula
Nicht fehlen darf natürlich ein Denkmal von Sándor Petőfi.
Denkmal von Petőfi in Gyula
Und außerdem steht im Park gegenüber der Burginsel, dem "Csigakert" (Schneckengarten), eine Büste von Königin Elisabeth, geschaffen von Gyula Felek.
Denkmal von Königin Elisabeth in Gyula
Es wurde Zeit für die Rückfahrt.
Meine Beifahrer entschieden sich für die Route über Hortobágy.
Ich erinnerte mich, dass da in der Nähe von Hortobágy eines der Lager der Nachkriegszeit war. Ich wusste ungefähr wo es sein müsste und fuhr auf einer schmalen Betonpiste im Nationalpark meiner Nase nach. Als ich im Begriff war umzudrehen sah ich ein paar Häuser in einiger Entfernung. Das wollte ich mir dann doch noch angucken. Und tatsächlich, da stand die kopjafa (Holzpfahl, ein in Siebenbürgen entstandenes Grabholz) der Kónya tanya (so hieß der Gulag). Das Licht der Dämmerung reichte gerade noch für meine Aufnahmen.
die kopjafa der kónya tanya
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In der Hortobágy-Puszta stärkten wir uns für den Rest des Heimwegs.
Unter dem Bogengang vor der Puszta fand ich eine Gedenktafel, die an den Besuch Petőfis 1842 erinnert. Hier hat er vermutlich sein Lied auf die Wirtin von Hortobágy geschrieben.
Petőfi-Gedenktafel an der Hortobágy-Csárda
An einen anderen berühmten Gast erinnert diese Gedenktafel.
Vielleicht war der Schriftsteller Zsigmond Móricz gerade auf dem Weg von Budapest zu seinem Geburtsort Tiszacsécse.
Gedenktafel für Zsigmond Móricz
Jetzt war es schon zu dunkel um zu fotografieren. Ich probierte es trotzdem.
ein Denkmal bei dem ich nicht weiß was es darstellen soll
Und als ich die neunbögige Brücke fotografieren wollte war die Batterie der Kamera zu schwach. Die Brücke war übrigens wegen Restaurierung gesperrt und wir traten unsere Heimreise an und fuhren über eine klappernde Behelfsbrücke an den neun Bögen vorbei.
Aber Josef hat sicher schon ein Foto dieser berühmten Brücke hier eingestellt, oder?
waldi