Grizzly's Schwedenreise 2006

  • Aufgrund einer trotz ihrer (2010) 90 Jahre noch rüstigen Tante in Ulricehamn (zwischen Göteborg und Jönköping) fahre ich fast jedes Jahr nach Schweden, meistens mit dem Zug bzw. das letzte Stück mit dem Bus, weil die Banausen die schöne Nebenbahn Boras-Ulricehamn 1987 stillgelegt haben. Ab 2007 gibt's auch Bilder, die von davor sind leider nicht digitalisiert.


    Im Herbst 2006 hab ich, von Ulricehamn aus, eine Tour gemacht zu einer kleinen Schlucht bei Håverud, nördlich von Trollhättan, die mit einem Metalltrog für kleine Schiffe überbrückt wird.
    Mit denen kann man während der Touristensaison vom oberen in den unteren See fahren, und wenn man genug Zeit und Schwedenkronen hat, auch noch weiter (die Saison war schon vorbei, und es fuhr nix mehr)..


    Unten am See, in Upperud, findet man eine alte Mühle, wo es Kaffee, Kuchen und Kunsthandwerk gibt.
    Und hinter der Mühle lag ein kleiner Dampfer, der sah genau so aus wie die "African Queen" in dem Film mit Humphrey Bogart und Audrey Hepburn, und hiess eben auch Hamfri - die Schweden haben die Angewohnheit, möglichst alles so zu schreiben, wie man's spricht (nur ihre eigene Sprache sprechen sie nicht so, wie sie sie schreiben ...)


    Und jetzt war Hamfri weg ...


    Ich betrat die Mühle, sagte hej hej - guten Tag, und dann schoss es aus mir heraus:
    "Var är Hamfri - WO IST HAMFRI ????"


    Man beruhigte mich.
    Erst auf Schwedisch, dann auf Englisch.
    Hamfri ist in einer Werft, die er sich nach so langer Arbeit redlich verdient hat - nächstes Frühjahr ist er wieder da.


    Und irgendwann krieg ich ihn noch vor die Kamera: Diesmal hatte ich sie nämlich vergessen. So kann ich Euch nur durch externe Links einen kleinen Eindruck geben.


    Håverud
    Hamfri (das rote Gebäude ist die Mühle)

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • Ach ich glaube da kommt noch Arbeit auf mich zu, lieber Grizzly
    Muss mal nachsehen, ob ich überhaupt noch die Dia meiner Skandinavienreise habe.
    Wenn ja, muss der Scanner wieder her .
    Aber danke für den "Aufsteher".
    wallbergler

  • Danke für das Danke, lieber Wallbergler.



    Auf der HP der Göta-Kanal-Gesellschaft,
    die den größten Kanal Schwedens betreibt, fand man eine Zeitlang folgenden Eintrag:


    Zitat

    Spana efter Baby Nessie! Håll ögonen öppna när du kommer till Vättern! Chansen finns att du får se vårt eget sjöodjur Baby Nessie. Hennes mamma är det världsberömda sjöodjuret Nessie i Skottland. Vi fick ett ägg från Nessie av våra skotska vänner på Caledonian Canal. Ägget sänkte vi i Vättern och nu har det kläckts. Baby Nessie har siktats i både kanalen, Vättern och de andra sjöarna som passeras när du går Göta kanal så håll ögonen öppna, kanske just du får se henne simma omkring och leka i vattnet!


    Sinngemäß heisst das:


    Zitat

    Schau aus nach Baby Nessie ! Halte die Augen offen, wenn Du an den Vättern-See kommst. Mit Chance kannst Du ein echtes Seeungeheuer, Baby Nessie, sehen. Seine Mamma ist das weltberühmte Ungeheuer von Loch Ness. Wir bekamen ein Ei von Nessie von schottischen Freunden aus dem Caledonia Canal, das wir im Vättern versenkt haben, und jetzt ist es ausgebrütet.
    Baby Nessie wurde sowohl im Kanal als auch im Vättern und den anderen Seen, die mit dem Göta-Kanal verbunden sind, gesehen - so halte die Augen offen, vielleicht kannst Du es gerade umherschwimmen und im Wasser spielen sehen.


    In Karlsborg, wo der Göta-Kanal aus dem Vättern abgeht,
    steht ein Aussichtsturm, an dem in schwedisch, englisch und deutsch die Geschichte von Nessies Eiablage beschrieben wird, mit Bild vom Ei und den in zünftigen Kilts gekleideten Schotten, die das Ei gebracht und unter gälischen Gesängen im See versenkt haben.
    Auf dem Turm steht, dass er zum Zweck der Baby-Nessie-Beobachtung errichtet wurde, und dass man etwaige Erkenntnisse bitte an die Kanalgesellschaft weiterleiten möge, Telefonnummer und Email-Adresse sind angegeben.


    Ich bin eine Weile auf dem Turm gestanden, aber leider hatte Baby-Nessie grad seinen freien Tag ...



    P.S.
    Eben hab ich die deutsche Version der Göta-Kanal-Gesellschaft gefunden, und hier haben sie Baby Nessie noch drauf :link::


    Über den oben erwähnten Ort Karlsborg steht im Reiseführer:
    Riesenfestung mit Ortschaft drum herum.
    So stimmt das auch in etwa.


    Ursprünglich sollte diese Festung mal letztes Rückzugsgebiet für Verteidiger sowie Bevölkerung sein, wenn irgendwelche übelmeinenden Militärs sich über Schweden hermachen sollten. Irgendwann wurde dieses Konzept dann verworfen, aber die Festung war halt schon da.
    Lange Zeit beherbergte sie das Ortskrankenhaus, so dass ein größerer Teil der Karlsborger dort geboren ist - heute ist die Festung immer noch Kaserne, und es rennen Soldaten in voller Ausrüstung herum, auch hört man es oft schiessen - immerhin spielt die schwedische Armee bei UNO-Einsätzen eine wichtige Rolle (was in unten erwähntem Museum auch ausreichend gewürdigt wird).


    In Deutschland darf man eine Kaserne höchstens dann betreten, wenn man einen Grund dafür angeben kann (Soldat, Angehöriger, beruflich), oder am Tag der Offenen Tür. Auch haben es die Herren (und wenigen Damen) Landesverteidiger nicht so gern, wenn man sie bei ihrer Tätigkeit als Tourist photographiert.
    Den Schweden ist das offensichtlich wurscht.


    In der ehemaligen Garnisonskirche befindet sich ein Museum - die angebotene Abenteuerführung gibt's nur in der Touristen-Saison. Das Museum ist interessant genug - neben dem großen militärhistorischen Teil gibt's einen kleinen zivilen über die 50er Jahre.


    Dort fand ich eine interessante Statistik über die häufigsten Namen von 1950 (meinem Geburtsjahrgang), wonach die getauften Mädchen zu
    12,9 % Margareta,
    12,7 % Elisabeth,
    11,8 % Kristina,
    9,5 % Eva
    und 6,7 % Birgitta hiessen.


    Die Buben nannte man etwas abwechslungsreicher, aber immer noch zu
    8,3 % Lars,
    7,5 % Erik,
    6,3 % Anders (=Andreas) und
    zu 5,9 % Karl.


    Wenn man jetzt noch in einem schwedisches Telefonbuch die seitenlangen Einträge für Andersson, Karlsson, Larsson usw. liest, möchte man 1956/57 nicht Grundschullehrer dort gewesen sein und sich mit 3 Margareta Larsson's in einer Klasse herumgeärgert haben.


    Noch einmal zurück nach nach Karlsborg.


    Beim Bau der Festung wurden auch Strafgefangene eingesetzt.
    Die Arbeitsbedingungen waren ausserordentlich hart - 5 Uhr Wecken, 6-Tage-Woche, und der Sonntag ging mit Wäschewaschen etc. drauf, nicht zu vergessen der verpflichtende Kirchgang, Gottesdienstbeginn um 7 Uhr früh.


    Zu lebenslanger Haft Verurteilte konnten auf Begnadigung nach 4 Jahren Festungsarbeit hoffen, wenn sie sich freiwillig meldeten. Im Karlsborger Museum haben sie eine kleine Ecke gekriegt, so erfährt man wenigstens, unter welchen Bedingungen die Festung gebaut wurde.


    Die Lebensbedingungen in Schweden waren früher allgemein härter als wir uns das heute vorstellen können. Das Leben war in vielfältiger Weise reglementiert. Die Pastoren herrschten diktatorisch über die Dörfer, es gab regelmäßig Hausbesuche derselben mit sogenannten "Kirchenverhören", in denen die Gemeindemitglieder auf ihre Bibelkenntnisse überprüft wurden.


    Die Pastoren mussten darüber Buch führen, was auch wieder kontrolliert wurde.
    Kleiner positiver Nebeneffekt heute:
    Familienforscher freuen sich über die Aufzeichnungen, die -wenn's gut geht- detaillierter sind als unsere. Jeder musste im Alter von spätestens 8 Tagen getauft werden. Wenn er gestorben ist, oder umgezogen, wurde auch das vermerkt. Stand dann da aber nur: "Ausgewandert nach Amerika", war das aus heutiger Sicht nicht sehr informativ ...


    Und es wanderten viele Schweden aus, v.a. im 19. Jahrhundert, was einen bei solchen Lebensbedingungen nicht wundert. Kurz nach meiner Rückreise hörte ich zufälligerweise auf NDR4 eine Sendung, wonach es erst ab 1851 erlaubt war, einer anderen Religion als der (evangelisch-lutherischen) schwedischen Staatskirche anzugehören (z.B durften sich Nichtkatholen in Bayern bereits ab 1801 niederlassen).


    Allerdings musste man eine Religion haben, Atheist durfte man nicht sein. Letzteres -also völlige Religionsfreiheit- gibt es in Schweden seit 1951, und die Trennung von Kirche und Staat ist erst 2000 erfolgt.

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • Auf der Rückfahrt hab ich in Malmö Station gemacht.
    Da meine Blase drückte, musste erstmal eine entsprechende Einrichtung suchen.
    Da sah ich ein Haus, auf dem stand oben ganz groß:
    HUMANITETENS HUS


    Das Haus der Humanität - die müssten doch eine Toilette für mich haben.
    Ich ging die Treppe hoch und kam in ein Foyer.
    Gegenüber war ein Tresen, da saß eine Frau. Ich fragte nach der Toilette, sie zeigte sie mir, und die kostete nicht mal was - das ist in Schweden, wo der Service sonst so teuer ist (für Toilette muss man meistens eine 5-Kronen-Münze dabei haben, sonst geht der Türautomat nicht), nicht üblich.


    So erleichtert, trank ich erstmal einen Kaffee.
    Dann guckte ich mich in der Halle um. Ich befand mich im Haus des Roten Kreuzes von Malmö.


    Mitten in der Halle stand ein alter weisser Bus, Baujahr ca. 1940 (Bild hab ich leider keines mehr).


    Das war einer von den "Weissen Bussen", mit denen das Schwedische Rote Kreuz 1945 - kurz vor Kriegsende - über 10.000 Gefangene aus den KZ's in Nazideutschland herausholte. Auf einzelnen Tafeln beschrieben Beteiligte ihr Schicksal damals.


    Hier hab ich einen deutschen Link zur Geschichte der Weissen Busse gefunden. In dieser NDR-Reportage steht am Schluss:
    "Viele ehemalige Gefangene erholten sich in den Sanatorien von Ramlösa Brunn bei Helsingborg. Manche blieben und bauten sich in Schweden ein neues Leben auf."


    Aus der Ausstellung in Malmö geht hervor, dass es ganz so einfach nicht war.
    Viele der KZ-Opfer waren schwerkrank, hatten u.a. Typhus - mehrere von ihnen und eine schwedische Krankenschwester, die sich bei der Pflege angesteckt hatte, starben. Auch für sie stehen in Malmö Erinnerungstafeln.

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  • Ich war nur ein Mal - ganz kurz auf der Durchreise nach N- in Schweden, hab also so gut wie keine eigenen Erfahrungen. Aber ich habe ein Bild von Schweden, das Du , Grizzly , mit Deinen Berichten jetzt einerseits bereicherst, aber anderseits auch etwas durcheinanderbringst. Vor allem die Geschichte mit der früheren Bedeutung und Macht der Staatskirche überrascht mich doch sehr.


    Schaust Du bitte nochmals nach dem Link mit den "Weissen Bussen"- er geht bei mir nicht.


    Gruß,
    ELMA

  • Danke für die Dankes.

    Schaust Du bitte nochmals nach dem Link mit den "Weissen Bussen"- er geht bei mir nicht.


    Link ist repariert, hab sogar den gleichen Text wiedergefunden.


    Ich vergaß zu erwähnen, dass ich die 2006er Reise ausnahmsweise mit dem eigenen Auto gemacht hatte.
    Von Malmö aus bin ich dann - wie auf der Hinfahrt - über die Öresund-Brücke zurück gefahren, vorher noch über ein paar Dörfer, weil ich eine Ausfahrt zum Utsiktsplats Öresundsbron entdeckt hatte - auf der Brücke kann man ja schlecht photographieren, sonst gilt man als Verkehrshindernis.



    Von Schweden aus geht's erst über 13 km übers Meer und dann je 4 km über eine Insel sowie zuletzt vor Dänemark durch einen Tunnel. Ich war schneller drüben als befürchtet, meine Höhenangst, die sich auch auf Brücken bemerkbar macht, blieb weg.



    Auf der Hinfahrt von Dänemark hatte ich die falsche Mautstelle erwischt und den Verkehr aufgehalten,
    auf der Rückfahrt war ich dann schlauer. Ich hatte bereits an der Fähre in Puttgarden (Hinfahrt) für alles bezahlt und entsprechende Karten bekommen - die kann man dann an den Kontrollstellen ähnlich wie in einem Parkhaus einstecken, damit die Schranke automatisch hochgeht. Die richtige Spur ist an einer gelben Markierung auf dem Spurschild zu erkennen, ansonsten war die Beschilderung etwas unübersichtlich.
    Und man kann sich diesen ganzen Stress sparen, wenn man mit dem Zug/Bus fährt (und sich für die Umgebungsfahrten am Zielort ein Auto mietet, wie ich das seit 2007 mache).


    P.S.
    Die Bilder sind aus Wikipedia, da ich die eigenen derzeit nicht einscannen kann.

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • Nachtrag:


    Da ich ohnehin einen Taschenkalender brauchte, hab ich mir in Ulricehamn einen gekauft,
    Fickkalender stand auf der Quittung - nein, nix Pornographisches, ficka heisst Tasche.
    Das Wichtigste steht verständlich -für mich zumindestens- drin.


    Allerdings finden sich dort auch Themenbereiche, mit denen ich mich als Bundesbürger noch nie beschäftigt habe.
    Zum Beispiel, wann man die Flagge hisst.
    Dies hat -an bestimmten Tagen- morgens um 8:00, winters um 9:00 (in Nordschweden ist es dann womöglich noch stockfinster) zu geschehen; abends bei Sonnenuntergang, spätestens aber um 21:00 ist sie wieder einzuholen.


    An Anlässen zum Flaggen sind neben den auch bei uns bekannten Feiertagen einige landesspezifische dabei, u.a. Geburts- und Namenstage der königlichen Familie bzw. der wichtigsten Mitglieder derselben (König, Königin, Kronprinzessin).


    Ich stell mir jetzt die dummen Gesichter meiner Mitbürger vor wenn ich am 12. März die Flagge hisse mit der Erklärung, dass dies zu Ehren der schwedischen Kronprinzessin Victoria passiert, die heute ihren Namenstag feiert.


    ihr Bild hier reinzustellen verweigert mir die Königlich-Schwedische Homepage, dann müsst Ihr sie Euch halt hier anschauen (nach unten scrollen).


    Ach, es geht nicht, mit der Flaggerei.
    Ich hab etwas Wichtiges vergessen, nämlich das Haus, vor dem die Fahne steht - wir haben keines, nur eine Etagenwohnung, und auf unserem Wohnzimmerbalkon käme das gute Stück nicht zur Geltung, zumal der nicht zur Straße, sondern zum (Winz)garten hin gelegen ist.
    Schade !


    ENDE
    der Reise 2006 - aber: Nach der Reise ist vor der Reise.

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