Die Suche nach Nepomukstatuen führte mich Ende September an einem Samstag auch nach Martonvásár, einer Kleinstadt mit etwa 6000 Einwohnern in der Mitte zwischen Budapest und Székesfehérvár. Ich wunderte mich über die vielen Menschen im Zentrum des Ortes und hatte Mühe einen Parkplatz in der Nähe der Kirche zu finden, wo der gesuchte Nepomuk stehen sollte. Ich stellte fest, dass ich in der "Tök Jó Hét" zu Besuch war. Das ist die Kürbiswoche in Martonvásár (Martinsmarkt). Sie begann am 27. September und endete am 5. Oktober 2025.
Ich fand den gesuchten Nepomuk an der Kirche im Schlosspark.
In den Nischen stehen zwei ungarische Könige die heilig gesprochen wurden, László und István.
Der Nepomuk ist rechts neben der Kirche im dunklen Schatten kaum erkennbar.
Leider war die Kirche verschlossen.
An die Kirche ist das Brunszvik-Schloss angebaut.
Dazu etwas Geschichte.
Brunszvik ist die ungarische Schreibweise einer aus Deutschland stammenden Familie. Die heute gebräuchliche deutsche Schreibweise Brunswick ist auf den niederdeutschen Ortsnamen Brunswiek für Braunschweig zurückzuführen. Wie kommt diese Familie nach Martonvásár?
Martonvásár war ein Gutshof mit einer kleinen Siedlung die durch die Türkenfeldzüge die in den Jahren 1526, 1528, 1541, 1543, 1545 und 1551 durch den Ort führten so in Mitleidenschaft gezogen wurde dass er bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts fast vollständig entvölkert war. Während des 15-jährigen Krieges wurde Martonvásár dann vollständig zerstört. Der sogenannte "Lange Türkenkrieg" war ein von 1593 bis 1606 währender Krieg zwischen dem Osmanischen Reich und mehreren christlichen Staaten, insbesondere der Habsburgermonarchie. Die leere Puszta fiel zuerst in die Hände der Familie Sajnovics, die auch den Nachbarort Tordas besaß. Dann ging sie in den Besitz des österreichischen Militäroffiziers Sándor Beniczky über. Von ihm wurde das Gut mit dem Herrenhaus mit einigen wenigen Einwohnern gepachtet. Am 7. Oktober 1775 erhob Kaiser Joseph II. (oder Maria Theresia) den k.k. Hofrat Anton I. Brunsvik (* 1709, † 1793) in den Grafenstand und er durfte dadurch auch das Adelsprädikat "de Korompa" im Namen führen (nach Dolná Krupá in der heutigen Westslowakei, deutsch Unterkrupa, ungarisch Alsókorompa). Außerdem erhielt er als Lehen die Herrschaft Martonvásár, die dann 1771 von Antal Brunszvik dem Älteren gekauft wurde.
Dieser begann mit der organisierten Landwirtschaft. Ab den 1770er Jahren brachte er slowakische, deutsche und ungarische Siedler auf das Gut und baute auch zwischen 1773 und 1776 die römisch-katholische Kirche Szent Anna. Über deren Eingang prangt das große Wappen derer von Brunszvik.
In den Jahren 1784-85 ließ Antal Brunszvik jun. das einstöckige Schloss im Barockstil errichten. Er begann mit der Entwicklung des englischen Parks und schaffte es sogar, dass das neu erbaute Dorf 1789 von Joseph II. den Rang einer Marktgemeinde erhielt. Nach seinem Tod erbte sein Sohn Ferenc Brunszvik das Anwesen. In den 1820er Jahren ließ Ferenc Brunszvik das Schloss aufstocken und baute es im klassizistischen Stil um. Sein Sohn, Géza Brunszvik, ließ das Schloss zwischen 1872 und 1875 im neugotischen Stil umbauen.
Martonvásár ist stolz auf seine Verbindung zu Ludwig van Beethoven. Wie kam es dazu?
Im Jahr 1799 begab sich die Witwe von Antal Bruszvik, geborene Baronin Anna Seeberg, mit ihrer 24-jährigen Tochter Teréz und der 21-jährigen Josephine nach Wien, mit dem unverhohlenen Ziel, die eine oder andere ihrer Töchter zu verheiraten. Damals bat sie Beethoven, den Mädchen das Klavierspielen beizubringen. Beethoven lehrte nicht gerne. Er war der Meinung, dass diejenigen, die nicht komponieren können, lehren sollten. Aber bei Mädchen machte er eine Ausnahme. Beethoven arbeitete 16 Tage lang mit den Mädchen. Josephine Brunszvik heiratete noch im Sommer 1799 den Grafen Joseph von Deym, zog zu ihm nach Wien und gebar in ihrer kurzen Ehe vier Kinder. In dieser Zeit war Beethoven regelmäßiger Besucher der jungen Gräfin und erteilte ihr viele Stunden hintereinander kostenlos Klavierunterricht. Nachdem Graf Deym Anfang 1804 unerwartet gestorben war, entwickelte sich zwischen Beethoven und Josephine eine Liebesbeziehung. Im Herbst 1807 zog sich Josephine schließlich auf Druck ihrer Familie von Beethoven zurück. 1810 ging Josephine eine zweite Ehe mit dem estländischen Baron Christoph von Stackelberg ein, der sie aber Ende Juni/Anfang Juli 1812 verließ. Am 3. Juli traf Beethoven in Prag eine Frau, die er drei Tage später in einem (nie abgeschickten) Brief, ohne ihren Namen zu erwähnen, seine "Unsterbliche Geliebte" nannte. Neun Monate nach dem wahrscheinlichen Treffen der beiden in Prag brachte Josephine ihre Tochter Minona – Minona ist ein Palindrom zu Anonym – zur Welt. Etliche Forscher halten es für wahrscheinlich, dass Beethoven der leibliche Vater Minonas war.
Jedenfalls lernte Beethoven durch die beiden Mädchen Ferenc Brunszvik kennen, den Bruder der beiden, der später sein Freund und Förderer wurde. Bis 1808 besuchte Beethoven Martonvásár dreimal. 1806 vollendete er hier die Klaviersonate Nr. 23, die Appassionata, die er Ferenc Brunszvik widmete.
Auch Teréz Brunszvik respektierte Beethoven zutiefst. Letztere eröffnete übrigens den ersten Kindergarten in Ungarn. Martonvásár feiert 2025 ihren 250. Geburtstag.
Das Beethoven-Gedächtnismuseum, das im Schloss eingerichtet ist, zeigt die Korrespondenz der weiblichen Familienmitglieder mit Beethoven, sowie Dokumente aus dem Leben des Künstlers und seiner Familie. Zu sehen sind unter anderem eine Haarlocke des Komponisten, eine Büste und ein Porträt, aber auch seine Werke mit Bezug zu Ungarn kann man kennenlernen.
Im Jahr 1927 modellierte János Pásztor für die Drehers die Natursteinbüste des großen musikalischen Genies. Am 22. Mai sollte die Einweihung der Statue in Martonvásár das Abschlussprogramm der nationalen Feierlichkeiten zum 100. Todestag Beethovens sein. Es wurden Sonderzüge angekündigt, und laut Programm sollte der aus dem Ort stammende Opernsänger Sándor Pusztai bei der Sühnemesse Lieder des Musikdichters singen, aber die Zeremonie wurde aus irgendeinem Grund abgesagt. Die Einweihung der Statue im Schlosspark fand erst am 14. September 1954 statt. Die habe ich aber nicht gefunden.
Vier Generationen lang besaßen die Brunszviks Martonvásár, aber in der Krise musste sich die Familie Ende des 19. Jahrhunderts von ihren Gütern trennen. Das Gelände wurde von Erzherzog Joseph von Habsburg, dem Sohn des Palatins Joseph und Besitzer von Alcsút, für seinen Sohn gekauft, weil er es als Hochzeitsgeschenk beabsichtigte. Nach drei Jahren wechselte der Besitz jedoch von ihm zum Brauereibesitzer Antal Dreher, der nach und nach die Ländereien des Areals aufkaufte.
Sein Sohn Jenő Dreher und seine Kinder besaßen das Anwesen bis zur Verstaatlichung. Nach der Verstaatlichung war geplant, hier eine landwirtschaftliche Universität zu errichten, und nach der Gründung dieser in Gödöllő wurde in Martonvásár das Landwirtschaftliche Forschungsinstitut der Ungarischen Akademie der Wissenschaften gegründet. Mit seinem Versuchsbauernhof ist das Forschungsinstitut seit Jahrzehnten ein guter Eigentümer des Brunszvik-Erbes, das auch heute noch der Verwalter des Schlosses und des Parks ist.
Ein ordentlicher Wachstumsschub begann in Martonvásár nach 1991 durch die Organisation der ersten "Martonvásár-Tage". Sie haben sich zu einer Touristenattraktion entwickelt.
Es gibt zahlreiche Aktivitäten während dieser Kürbiswoche. Mehrere Ausstellungen, Bauernmarkt, Käsemarkt, Handarbeitsmarkt und andere warten auf Besucher. Es gibt Konzerte, natürlich auch mit Musik von Beethoven. Auch für das leibliche Wohl ist bestens gesorgt.
Damit den Kindern nicht langweilig wurde, konnten sie zwischen Kinderschminken und Glitzertattoos wählen, bei einem Spiel mitmachen, oder der "Märchentante" (rechts) zuhören.
Im Park werden Kompositionen mit Kürbissen gezeigt.
Inmitten von Fliegenpilzen steht die Büste von László Baross, einem verdienten Forscher im Bereich Landwirtschaft.
Einer der Bäume dahinter ist Ludwig van Beethoven gewidmet.
Ein Höhepunkt der Kürbistage ist das Kürbiswiegen!
Vor dem Eingang zum Brunszvik-Schloss steht der Gewinner.
In diesem Jahr landete dieses Monstrum auf Platz 1.
Der Imker Tibor Kókai, der in Tápiószentmárton in der Nähe von Cegléd lebt, hat sich vor einigen Jahren ein neues Hobby zugelegt und mit dem Anbau von Riesenkürbissen begonnen. 2023 erreichte er mit einem Kürbis von 865 kg einen neuen ungarischen Rekord. Sein diesjähriger Champion hat "nur" 832 kg. Aber auch dieses Gewicht reichte um beim Kürbiswettbewerb in Kikinda (Serbien) und hier den ersten Platz zu erreichen. Dies verriet mir dieses Schild.
Zum Abschluss noch ein Oldtimer, einen FSC Żuk A-15 C oder A-156 B.
Hier musste ich etwas länger warten um zu einem Foto zu kommen. Die Eltern standen Schlange um ihre Kleinen auf der Bank sitzend abzulichten.
Der Aufenthalt in Martonvásár hatte länger gedauert als geplant. Ich musste weiterfahren. Es warteten noch einige Nepomuks auf meinen Besuch.
Mehr Bilder vom Nepomuk in Martonvásár findet Ihr hier.
Liebe Grüße von waldi