D / A 1760 Hortus Eystettensis - Eichstätt und Wien

  • Hier einmal ein Rätsel, welches zwei Länder verbindet, nämlich Deutschland und Österreich.


    Wo befinde ich mir hier, was halte ich in Händen?


    Wo befindet sich diese Tafel, die ich besichtigte, aber nicht einmal mit Handschuhen berühren durfte?


    Was verbindet diese beiden Bilder mit folgend gezeigten und wo befinde ich mir hier?


    Johannes

  • zu Frage 1:
    Vermutlich im Naturhistorischen Museum in Wien.
    Und Du hast das Privileg, das Herbarium des Nikolaus Thomas betrachten zu dürfen.


    Liebe Grüße,
    Elke

  • Nein, ich befand mich nicht im Naturhistorischen Museum und ich betrachtete kein Herbarium des Nikolaus Thomas Host (sein Nachname ist Host und die Hosta, Funkien sind nach ihm benannt). Aber es hat etwas mit Pflanzen zu tun.


    Johannes

  • Clematis kommen auch vor, richtig spiegelverkehrt gelesen, ich befand mich nicht in Oberösterreich.


    Ich zeige einmal die ganze Platte, eine von vielen:



    Ja, die ersten beiden Bilder stammen aus Österreich, die beiden anderen aus Deutschland. Die Sache entstand in Deutschland.


    Johannes

  • Ich denke , ich bin Dir auf der Spur:


    Die beiden letzten Bilder könnten in Eichstätt aufgenommen worden sein, im Bastionsgarten
    https://www.eichstaett.de/sehe…ten_mit_pflanzen_au-1756/
    https://www.br.de/br-fernsehen…rtus-eystettensis100.html


    Der Garten wurde zerstört, aber man weiß dennoch wie er ausgesehen hat, dank des gleichnamigen botanischen Kupferstichwerkes, des hortus eystettensis von Blasius Besler, von 1613.


    Nun zitiere ich Wikipedia
    https://de.wikipedia.org/wiki/Hortus_Eystettensis
    Lange Zeit wurde angenommen, die Druckplatten seien 1820 eingeschmolzen worden. 1994* wurden 329 der 366 Druckplatten im Depot der Albertina in Wien entdeckt; einige von ihnen waren 2006 in einer Sonderausstellung auf der Willibaldsburg zu besichtigen. Die Universitätsbibliothek Erlangen besitzt die Vorzeichnungen, die wahrscheinlich alle aus einer Hand stammen.



    Ich gehe davon aus, dass Bild 1 und 2 in #1 aus der Albertina in Wien stammen. Dort durftest Du die alten Kupferplatten genauer anschauen ( vielleicht auch begutachten)
    http://www.urlaub-im-altmuehlt…ichstaett/kupferstich.htm
    Zitat
    "Bisher ging man davon aus, daß die Kupferplatten 1820 in München
    eingeschmolzen wurden. 1998* entdeckte man überraschenderweise in der
    Albertina in Wien 329 der insgesamt 372 Platten.

    Weltweit existieren noch zahlreiche unkolorierte, aber nur noch 28 kolorierte Exemplare des Hortus Eysttensis."


    *1994 oder 1998 ???



    Ich nehme an, dass die Skulptur der Göttin ( Ceres?) im Bastionsgarten in Eichstätt steht.


    Liebe Grüße,
    Elke

  • Erst einmal herzliche Gratulation, Elke!


    Ich war in Eichstätt im Bastionsgarten und in der Albertina in Wien. Das Exemplar eines Hortus Eystettensis hatte ich mir allerdings in Wien woanders angesehen, ein Freund ermöglichte es mir.


    Ich melde mich am Abend mit weiteren Fotos und Erläuterungen.


    Johannes

  • Hortus Eystettensis, ein Garten in Eichstätt, Kupferstiche und ein prächtiges Buch.


    Der Erzbischof Gemmingen beauftragte den Arzt und Botaniker Joachim Camerarius (1534–1598) mit einer Erweiterung einer bereits bestehenden Gartenanlage auf den Bastionen der Willibaldsburg in Eichstätt. Nach dessen Tod setzte der Nürnberger Apotheker Basilius Besler (1561–1629) seine Arbeit fort. Dieser hatte die Idee zu einem Prunkband der im Bastionsgarten gepflanzten Pflanzen, den Jahreszeiten nach geordnet.


    1613 erschien das Prachtwerk „Hortus Eystettensis“. Basilius Besler war auch Botaniker, Sammler, Kupferstecher und Verleger in Nürnberg.


    Auf 367 Tafeln wurden 1.084 Pflanzen in Originalgröße dargestellt. Dem Zeitgeist entsprechend waren die Pflanzenteile so angeordnet, dass bei größeren Pflanzen die einzelnen Teile getrennt voneinander oder mit einem Abstand, der den dazwischen liegenden Verlauf symbolisierte, dargestellt wurden. Pflanzengruppen wurden kunstvoll nebeneinander platziert.


    Die Herstellung des großformatigen Buches war äußerst aufwändig:


    Zuerst wurden Vorzeichnungen von Originalpflanzen hergestellt. Diese wurden unter großem Aufwand im geeigneten Stadium zu den Künstlern gebracht. Die Farben wurden von den Künstlern mit Codierungen auf den Zeichnungen angegeben.


    Danach wurden nach diesen Vorzeichnungen die seitenverkehrten Kupferstiche angefertigt. Dies war eine sehr anspruchsvolle, zeitraubende Arbeit und es waren mehrere Kupferstecher lange Zeit beschäftigt, die detailgetreuen Platten herzustellen.


    Dann wurde auf entsprechendem Papier gedruckt, entweder einseitig oder doppelseitig, je nach Qualität des Papiers durchscheinend oder nicht durchscheinend.


    Zum Schluss erfolgte die Kolorierung nach den Farbcodes der Vorzeichnungen. Nicht alle Bücher wurden koloriert und es gibt Exemplare ohne botansiche Beschreibungen, nur mit Bildern und solche mit botanischen Beschreibungen.



    Die Bücher waren sehr teuer und nur wenige Fürsten oder sehr reiche Leute wie Andrea Vendramin konnten sich so ein Buch leisten. Die botanischen Beschreibungen stammten von vor der Zeit von Carl von Linné. Als Linné seine Nomenklatur einführte und diese allgemeine Anerkennung fand, war die letzte Auflage des Hortus Eystettensis nicht mehr zu verkaufen, da die darin verwendete Nomenklatur veraltet war. Die letzten Drucke wurden zum Papierpreis verscherbelt.


    Heute existieren nur noch wenige vollständige Exemplare dieses Prachtwerkes. Das letzte, welches bei Christie‘s 2016 versteigert wurde, erzielte einen Preis von 1,9 Mio Pfund (2,2 Mio Euro).



    Ein vollständiges Buch, unkoloriert mit botanischen Beschreibungen existiert in einem nicht öffentlich zugänglichen Bereich der Bibliothek des Botanischen Instituts in Wien. Ich durfte dieses Buch durchblättern und begutachten.







    In der Albertina in Wien tauchten 329 Kupferplatten auf, die als verschollen galten. Man kann ausgesuchte Platten nach Anmeldung ansehen, man darf sie aber weder angreifen, noch fotografieren, mir wurde jedoch ein Foto ausgehändigt, welches exemplarisch die Darstellung zeigt, die ich auch im Buch auf dem Foto ansehe.



    Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, dieses alte Buch im Original anfassen und ansehen zu dürfen und vergleichend dazu das Meisterwerk einer Kupferplatte zu bestaunen.


    Die Vorzeichnungen zu Basilius Beslers Hortus Eystettensis sind in der Universitätsbibliothek in Erlangen erhalten. Neben den Codierungen für die Farbgebungen sind auch kryptische Zeichen auf zahlreichen Blättern gezeichnet. Diese verschiedenen Kürzel und Symbole sind bis heute noch nicht entschlüsselt. Hier eine Ansicht des gleichen Blattes „Staphylodendron“. Links unten neben Staphylodendron befindet sich ein derartiges Geheimsymbol. Ich verfolge eine Spur.



    Nachdem der Garten in Eichstätt vollkommen verschwunden war, wurde er in einer Initiative des Gärtners Martin Ringholz exemplarisch neu angelegt und 1998 wieder geöffnet. Diese Anlage ist, vor allem zur Blütezeit der prominentesten Pflanzen äußerst sehenswert. Hier zeige ich ein paar Eindrücke.


















    Johannes


    P.S. die Kupfelplatten tauchten 1998 in der Albertina in Wien auf


    https://www.bibliotheksforum-bayern.de/fileadmin/archiv/2013-3/PDF-Einzelbeiträge/BFB_0313_11_Lorenz_V04.pdf

  • Es ist wieder einmal unglaublich, was ich hier im Forum erfahre, lerne und an Anregungen bekomme.


    Zwar habe ich mich zu Beginn des Rätsels mit Stichwörtern wie Kupferstich und Botanik an die Lösung herangehangelt.
    Aber so wie Du, Johannes, jetzt die Zusammenhänge aufzeigst, vor dem Hintergrund eigener Erlebnisse und auch persönlicher Eindrücke, das ist großartig.


    Mit großem Interessen habe ich Deine Ausführungen gelesen und gespürt, mit welcher Begeisterung ( Leidenschaft) Du in diesem Bereich "zuhause" bist.
    Ich kann sehr gut nachempfinden was es bedeutet, solch ein Buch nicht nur zu sehen, sondern auch darin blättern zu dürfen mit dem Wissen, welche Geschichte und Arbeit dahinter steckt.


    Danke , für diesen Bericht und für die Bilder.


    Für mich würde es sich lohnen, mal nach Eichstätt zu dem Bastionsgarten zu fahren,
    Ich denke, Du warst dort schon öfter - im Sommer zur Zeit der Blüte des Rittersporns, der Akelei , der "Brennenden Liebe", des Frauenmantels, der Taglilien , der Heckenrose und des Perückenstrauches ( Sorry die lat. Namen weiß ich nur selten)


    Wurden die wiedergefundenen Kupferplatten für neue Kupferstiche verwendet, oder sind sie zu kostbar als dass man da etwas riskiert?


    Nun weiß ich auch was ein Staphylodendron ist - eine "Pimpernuss" ... noch nie gehört oder gesehen , aber anscheinend im 16. Jahrhundert schon bekannt.
    ( Aber es gibt so vieles, was ich nicht kenne)


    Liebe Grüße,
    Elke

  • Liebe Elke,


    ja, es entwickelte sich eine gewisse Leidenschaft daraus. Es ist immer wieder faszinierend für mich, mit welcher Akribie sich diese Univesalgelehrten aus dem 16./17. Jahrhundert mit der Materie befasst haben und unter welchen Umständen sie mitunter ihre Forschungen und Forschungsreisen anstellten.


    Nein, die Kupferplatten bleiben unangetastet und sind in der Albertina gut verwahrt. Aber jeder kann sich in der Bibliothek anmelden und ein oder zwei Kupferplatten zur Besichtigung entlehnen. Jede für sich ist ein einzigartiges Kunstwerk.


    Es gibt aber den ganzen Hortus Eystettensis als guten Nachdruck, allerdings in kleinem Format.


    https://www.amazon.de/Garten-von-Eichstätt-Hortus-Eystettensis/dp/3836557851/ref=pd_cp_14_1?_encoding=UTF8&psc=1&refRID=WW9SPWBN0KR9FVQ0H606


    Die Vorzeichnungen sind alle digitalisiert verfügbar.


    http://digital.bib-bvb.de/view…usePid1=true&usePid2=true


    Eine sehr gute Abhandlung auf 336 Seiten findet sich hier:


    http://archiv.ub.uni-heidelber…tus_Eystettensis_2003.pdf


    Die kryptischen Zeichen darin sind ein eigenes Rätsel, für diese Zeit auch nichts Ungewöhnliches, da sie neben aller Naturwissenschaftlichkeit auch viel mit Alchemie, Mystik und Aberglauben verbunden war.


    Ich war bislang nur einmal in Eichstätt, kann aber einen Besuch, jetzt besonders im Frühling bis Sommer nur empfehlen!


    LG


    Johannes

  • Danke für die Links!
    Sehr schön, dass die Vorzeichnungen digitalisiert ( kostenlos) für jedermann zugänglich sind.
    Ebenso die digitalisierte Abhandlung der Uni Heidelberg.


    Liebe Grüße,
    Elke

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