Danke für die Dankes.
@ Elke:
ZitatSeltsam - und ich kann mich einer gewissen Gänsehaut nicht entziehen, wenn ich Geschichten höre und lese wie die des Nagelmanns. Wie siehst Du das, Grizzly? Sind wir aufgeklärten Europäer einfach nicht mehr empfänglich für Dinge, die nicht erklärbar sind oder ist das alles afrikanischer Hokuspokus???
Ich muss sagen, dass ich dieser und anderer Magie durchaus nicht gleichgültig gegenüber stehe. Ich hab zwar keine Ahnung, wie das wirkt oder ob überhaupt, aber ich kann mir zumindestens vorstellen, dass es funktionieren kann, weshalb ich mir so einen Kopf auch nicht in die Wohnung stellen möchte.
5.8.07 - letzter Tag auf Sansibar
Es gibt jetzt leider (fast) keine Bilder mehr.
Wenn man das Dhow-Palace-Hotel, einem burgähnlichen Bau mit mehreren Innenhöfen, verlässt, so haben wir das bisher immer in Richtung rechts gemacht, weil dort, auf der Gizenga-Street, alle bedeutsamen Restaurants und Läden liegen, und es dort auch zum Meer geht - das ist, wenn man langsam läuft (und mit vielen Straßenverkäufern herumdebattieren muss), keine 10 Minuten entfernt.
Heut gehen wir das erste Mal nach links.
Dort stehen keine Taxifahrer, keine Verkäufer, keine bewaffneten Wächter, es herrscht sonntägliche Ruhe (im Gegensatz zur anderen Richtung). Nach wenigen Metern stehen wir vor einem heruntergekommenen Gebäude, an dem bei uns vermutlich ein großes Schild mit der Aufschrift "Wegen Renovierung vorübergehend geschlossen" stehen würde. Das große Schild ist auch da, jedoch ist dort zu lesen, dass hier eine skuli ya sekondari d.h. eine weiterführende Schule steht. Da ist F., die an einer solchen Schule unterrichtet, natürlich Feuer und Flamme und steht schon auf dem Schulhof, während ich noch zögere (darf man das hier ?).
Da ruft ein Mann von dem rund um den Bau laufenden Balkon herunter:
"Karibuni - welcome, have a look to our school !"
Da gibt's natürlich kein Halten mehr.
Der Mann begrüßt uns, er ist Englischlehrer an dieser Schule und redet wie ein Maschinengewehr. Er erklärt, dass die Schule ganz früher eine Sklavenstation war, in deren Keller Menschen zum Zweck des Weiterverkaufs gefangen gehalten wurden, zeigt uns auch die finsteren Kellerlöcher, in denen die Armen zusammengepfercht waren.
Danach habe das Gebäude erst eine Missionsschule und dann eine Schule für Inder aus Goa beherbergt - zu Zeiten der britischen Besatzung bzw. der Sultan-Marionettenregierung seien alle "Rassen" (Araber, Inder, Afrikaner und die wenigen Europäer) getrennt unterrichtet worden, das habe sich erst nach der Revolution 1964 geändert.
Er zeigt uns einige Klassenräume, die entweder ganz leer oder mit Bänken vollgestopft sind. Drei Schüler sollen in einer Bank sitzen, drei Bänke stehen neben- und ca. sieben hintereinander, das macht über 60 Schüler pro Klasse - dass man diese Masse kaum vernünftig unterrichten kann, zumal der Lärm von der Straße und aus anderen Klassenzimmern mangels Fensterscheiben ungehindert hereinkommt, ist nachvollziehbar.
Jetzt weiss ich auch, woher die Kindersprechchöre kamen, die ich im Hotel gehört habe - der Lehrer spricht etwas vor, und die Schüler sprechen es, ggf. wiederholt, im Chor nach, bis sie es auswendig im Kopf haben, oder der Lehrer hofft, dass dem so ist. So funktionierte der Unterricht schon zu Prinzessin Salme's Schulzeit Mitte des 19. Jahrhunderts - nur, dass die Klassen da nicht so voll waren.
Im Büro des Lehrers steht ein großer Tisch, auf dem fliegen zerfledderte Bücher und Broschüren herum - Spenden aus Großbritannien, wie in den Büchern zu lesen ist. Inhaltlich haben sie mit der afrikanischen Wirklichkeit nicht viel zu tun, u.a. finden wir dort Grimm's und Andersen's Märchen, wie die Bremer Stadtmusikanten u.a. - ich wusste gar nicht, dass die in England Unterrichtsmaterial sind.
Der Bretterfussboden ist zum Teil instabil, an einer Stelle sind lose Bretter über ein Loch gelegt, durch das, wenn ich unseren Führer richtig verstanden habe, ein übergewichtiger Kollege durchgebrochen ist. Entsprechend morsch sieht die Deckenverkleidung aus, lediglich kleinere Bereiche sind kürzlich renoviert worden.
Wir bekommen einen Verschlag gezeigt, in dem Kleidung und Decken herumliegen. Dort würden Schüler übernachten, insbesondere dann, wenn sie sich gemeinsam auf die Prüfung vorbereiteten. Einige Schüler sind auch jetzt da - obwohl sonntags keine Schule ist. Diese folgen uns, nachdem sich der Lehrer verabschiedet hat, es werden immer mehr, und sie glauben F. zunächst nicht, dass sie Lehrerin ist. Sie fragen sie aus, über den Aufbau der Zelle, die globale Erwärmung, Erdbeben und den Sauren Regen ... Irgendwann sind sie zufrieden, es gibt noch ein Gruppenfoto, und dann sind wir entlassen.
Ein Stück weiter wird die Straße breiter. Rechts liegt hinter einer weissen Mauer ein Prachtbau mit Zanzibar-Flagge obendrauf, ein bewaffneter Soldat am Eingangstor winkt uns heran und erklärt uns, dass hier Fotografieren verboten sei. Hier wohnt nämlich Regionalpräsident Karume, der Sohn des ersten Präsidenten und kurz nach der Revolution ermordeten Revolutionsführers - dessen Dienstwagen im Nationalmuseum steht, mit dem kürzesten Autokennzeichen, das ich je gesehen habe: "R" - für Rais = Chef, dahinter keine Nummer, nicht mal eine 1.
Dann verstärkt sich der Meeresgeruch und wird schliesslich zu Fischgestank. Am Strand angekommen, sehen wir auch, warum: Dort sind unzählige sardellenähnliche Kleinfische -die Einheimischen nennen sie Dagaa- zum Trocknen ausgelegt, viele liegen auch als Abfall herum und werden von herumlaufenden Hühnern eifrig aufgepickt; jetzt wundert mich auch nicht mehr, warum unser Frühstücksei gelegentlich nach Fisch geschmeckt hat ...