Tajine, Couscous & Méchoui - Eine Reise in das Reich von Tausendundeiner Nacht

  • Schöne Adventzeit! Erst das nächste Türchen hier am Forum öffnen und dann die nächste Geschichte aus tausendundeiner Nacht lesen. Manchmal klingt es so unwirklich, aber deine Berichte sind authentisch und anschaulich geschrieben, sodass der Leser in dieser für ihn fremden Welt gefangen wird.


    Für mich wäre das ja nichts, ständig mit Leistungen von Esel bis Keksen beworben zu werden und immer mit einem Beutel Geld herumlaufen zu müssen. Da bin ich zu sehr lieber alleine Reisender.


    Aber wahrscheinlich muss man sich, wie bei allen Reisen, dann auf die Bräuche und Eigenheiten des Landes, welches man bereist, einlassen und hat bald heraussen, wie die Spielregeln laufen. Man lernt wohl auch „Nein“ sagen, ohne unhöflich zu sein.


    Jedenfalls sind deine Berichte spannend zu lesen und wirklich schön illustriert. Ein Genuss, sie zu lesen und die Fotos anzuschauen. So funktioniert gute Reiselektüre.


    Johannes

  • Hallo Jofina, über die Nationalität der Dame kann ich leider nichts sagen. Vielleicht war es keine Muslima. Eine strenge Muslima würde sicher keinen Bauchtanz aufführen, oder? Schließlich sind nicht alle Einwohner Muslime.

    Ja, so wird es wohl sein, wie Du schreibst. So eine Vorführung ist halt überwiegend etwas für uns Touristen.

    Passt irgendwie zum Flair von 1001er Nacht. ;)

    El mundo es un libro, y quienes no viajan leen sólo una página. (Aurelio Agustín)
    Gruß Jofina

    Einmal editiert, zuletzt von Jofina ()

  • Für mich wäre das ja nichts, ständig mit Leistungen von Esel bis Keksen beworben zu werden und immer mit einem Beutel Geld herumlaufen zu müssen. ...


    Aber wahrscheinlich muss man sich, wie bei allen Reisen, dann auf die Bräuche und Eigenheiten des Landes, welches man bereist, einlassen und hat bald heraussen, wie die Spielregeln laufen. Man lernt wohl auch „Nein“ sagen, ohne unhöflich zu sein.

    Das war für mich auch sehr gewöhnungsbedürftig als wir in diesem Jahr in Agadir waren. Aber nun beschreibt Heiko es ja auch sehr ausführlich und man muss es halt mit Humor ertragen. ;) Sollte ich mal wieder in einer marokkanischen Hafenstadt sein, dann bin ich darauf besser vorbereitet. Dann lasse ich mich halt für 1 EURO mit einem Kamel fotografieren, nachdem ich den Preis vorher um 50% heruntergehandelt habe. ^^

    El mundo es un libro, y quienes no viajan leen sólo una página. (Aurelio Agustín)
    Gruß Jofina

  • Hallo Heiko,


    toll was Du wieder alles erlebt und gesehen hast, ich bewundere Dich, daß Du so ganz alleine unterwegs warst, niemals hätte ich mich das dort getraut.

    Tolle Bilder und spannende Erzählung, das sind die Gewürze dieses Erlebnisberichts, ich bin begeistert.


    aber sag, durftest Du von der Tänzerin keine Fotos machen?


    Ich weiß, dass man in Marokko nicht einfach drauflosknipsen darf, denn viele Menschen haben Angst vor dem bösen Blick. Oft halten diese Menschen die Hand vor das Gesicht, also die Hand Fatimas , um sich vor dem bösen Blick zu schützen, bzw. zu signalisieren daß sie nicht fotografiert werden wollen.

    :blume17: Grüssle von Sylvi


    Nicht woher der Wind weht, sondern wie man die Segel setzt, darauf kommt es an!

  • Vom Inneren des Restaurants habe ich 2-3 Bilder, aber ohne die Tänzerin. Ich kam nicht auf die Idee, sie zu fotografieren. ||

    Liebe Grüße

    Heiko


    Heute sind die guten, alten Zeiten, nach denen Du Dich in 10 Jahren sehnst. Genieße sie!!!

  • Tag 07 – Im Ourika-Tal

    Mittwoch, der 18.09.2019:

    Mit Rachid hatte ich besprochen, dass ich am Abend – denn dies sollte mein letzter Abend hier im Riad sein – ein Abendessen bekäme. Eine Angestellte sollte mir eine Rindfleisch-Tajine zubereiten, und ich stellte mir vor, dass es etwas Besonderes wäre, eine solche Hausmannskost-Tajine zu bekommen. Außerdem hatte ich ihm noch 150 Dirham übereignet – 50 für ihn, 50 für Fatima und 50 für Ajif. Rachid verstand zuerst nicht, wofür das sein sollte. „For the dinner?“ „No, it‘s a present!“ Leider viel mir kein Wort für „Trinkgeld“ ein. Doch dann verstand er. Fatima bedankte sich gleich herzlich, als sie mir das Frühstück brachte.

    Um 09.00 Uhr startete ich meine heutige Tour in das 1.500 m hoch gelegene Ourika-Tal. Das Tal liegt 60 Kilometer südöstlich von Marrakesch und ist für einen Tagesausflug sehr beliebt. Kommt man zum Eingang in das Tal, und der Oued Ourika nähert sich der Straße, gelangt man in das kleine Dorf Douar Tafza. Hier befindet sich das Ecomusée Berbère de l'Ourika, welchem ich einen Besuch abstatten wollte. Das Dorf fand ich, aber das Museum nicht. Und so fragte ich einen Souvenirverkäufer am Straßenrand. Bereitwillig kam er sofort mit und wollte es mir zeigen. Er wolle auch kein Geld, doch nach dem Besuch des Museums könne ich ja in seinem Laden vorbeischauen. Ich versuchte, ihm klarzumachen, dass er nicht mitkommen brauchte, das das war fruchtlos. Das Dorf war in einem recht ärmlichen Zustand. Es gab alte, recht schöne Häuser, aber eben auch viele, die ihre besten Zeiten weit hinter sich hatten und halb verfallen ihr Dasein fristeten. In ihnen schienen aber noch immer Menschen zu wohnen.



    Ecomusée Berbère de l'Ourika


    Am Museum gesellte ich mich für 40 Dirham zu einer kleinen Gruppe, bestehend aus einem amerikanischen Pärchen, einem finnischen und einem jungen Führer, die soeben mit einer kleinen Führung durch das Museum begonnen hatten. Das passte ja wie die Faust auf’s Auge. Das finnische Pärchen machte ich auf mein T-Shirt der Band Nightwish aufmerksam und wollte wissen, ob ihnen das was sagte. Natürlich tat es. Unser Führer war witzig und wusste auch für viele Dinge das englische- und auch das deutsche Wort. Er kannte das Wort „Teppich“, und wenn man es tat, dann war es „flechten“. Ich staunte nicht schlecht. Er pflegte dann meist zu sagen: “On finnish – I don’t know.“ Man kann ja nicht alles wissen. Er zeigte uns alte Gerätschaften und berichtete über die Lebensweise der Berber. Manchmal ließ er uns raten, wofür ein Gegenstand verwendet wird. Er erklärte, was die verwendeten Farben und Muster von Teppichen über die Familie aussagten, für die sie geflochten wurden. So scheinen z. B. Rauten für Frauen zu stehen und gelbe Farben für Kinder. Er zeigte uns eine Ribab, eine einsaitige, mit dem Bogen gestrichene Kastenspießlaute, und führte vor, wie man die verschiedenen Töne erzeugt. Das Instrument ist sehr einfach gehalten, doch je nach der Höhe, auf der man mit dem Bogen über die Saite streicht, erklingen hohe oder tiefe Töne. Wenn man das Instrument sieht, glaubt man gar nicht, dass man daraus verschiedene Töne hervorbringt. Ein Raum war wie das Innere einer alten Berberhütte hergerichtet. Trachten, Gefäße, Fotos, Waffen, Schneidewerkzeuge und vieles mehr werden hier ausgestellt. Von der gemütlichen Dachterrasse hatte man einen guten Überblick über das ärmliche Dorf.



























    Im Museum


    Als ich es verließ, liefen einige Kinder um mich herum und bettelten. Als ein Erwachsener das sah und ihnen etwas zurief, ließen sie von mir ab, doch als er weg war, kamen sie wieder. Einer der Jungen war besonders hartnäckig, und mein „Non, pardon“ erzielte nicht die gewünschte Wirkung. Am Dorfausgang waren es dann nur noch zwei und der besagte Bub bettelte und bettelte. Als ich wieder ablehnte, fing er fast an zu weinen. Ich schaute mich um. Niemand sonst konnte uns sehen. Da drückte ich ihm 20 Dirham in die Hand. Da war aber einer glücklich. Der andere Junge wollte auch noch was haben, doch ich versuchte, ihnen verständlich zu machen, dass sie es sich teilen sollten, und sie verschwanden. Am Geschäft des Souvenirverkäufers, der mit mir hier hinauf gekommen war, ging ich schnell vorbei.



    Auf dem Weg in das Tal


    Ich fuhr tiefer in das Tal, und hin und wieder lagen Dromedare am Straßenrand. Je höher man kommt, umso mehr kleine Holzbrücken überqueren den Ourika. Überall winken die Einheimischen und wollen dich auf ihren Parkplatz lotsen. Am Fluss sind überall kleine Restaurants, die zum gemütlichen Verweilen einladen. Die Brückchen sehen idyllisch aus, und so musste ich einfach mal über eines drüber laufen. Die Straße endet im Bergdorf Setti Fatma. Hier wollte ich hin, um eine kleine Wanderung hinauf zu den Asgaour-Wasserfällen zu machen. Im Dorf fuhr ich mit ca. 10 km/h hinter einem anderen Wagen. Ein kurzer Blick in eine andere Richtung – und der Wagen vor mir stand. Auch ich trat ruckartig auf die Bremse. War ich drauf gefahren? Nee, ne? Nicht das auch noch! Der Fahrer des anderen Wagens stieg aus, und auch ein anderer Einheimischer kam herbei. Man hatte keinen Knall gehört, und ich war eigentlich der Meinung, das andere Fahrzeug nicht berührt zu haben, auch wenn ich verdammt nah dran stand. Die beiden Herren wollten den Schaden begutachten, doch dann winkten sie ab, weil anscheinend nichts zu sehen war. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Puh. Glück gehabt.











    Am Fluss Ourika


    Ich parkte, und sogleich kamen einige Guides auf mich zu, die mir ihre Dienste anboten. Ich musste hartnäckig bleiben, um sie loszuwerden. „Please let me find it myself!“ „Without guide you will find nothing!“ So ging es hin und her. Ich hatte schon gehört, dass die Guides, die man wirklich nicht braucht, bis zu 300 Dirham für ihre Dienste verlangen. Viele lassen sich darauf ein, was man aber wirklich nicht tun sollte. Man braucht lediglich über eine Brücke den Fluss zu überqueren und dem Bachlauf zu folgen. Außerdem laufen viele Wanderer den Pfad hinauf und einige Verkaufsstände zieren den unteren Bereich. Man kann es gar nicht verfehlen.


    Das Gebiet erwies sich als sehr schön. Es war sehr felsig, und ich kam in den Wald. Ab und zu musste man den Bach überqueren. Es waren viele Guides mit ihren Gruppen unterwegs, und ich war froh, hart geblieben zu sein. Nach einer Weile kommt man zu ersten kleinen Wasserfällen. Das Geröll nimmt stetig zu. Normalerweise hätte ich dafür meine Wanderschuhe gebraucht, doch da dies nur eine kleine Wanderung war, dachte ich, ich bräuchte sie nicht. Das war falsch. Auch heute war es wieder sehr warm, doch im Schatten der Bäume ließ sich gut laufen. Die Natur hier ist wirklich angenehm; ich hätte es nicht so schön erwartet. Je höher man kommt, umso steiler wird der Pfad. Man war hier nun schon weit im Gebirge, und die Zivilisation hatte sich schon längst verabschiedet. Immer wieder zeigten sich bereits kleinere Wasserfälle. Zum ersten Mal bekam ich die marokkanische Bergwelt zu spüren. Nach ca. einer Stunde erreichte ich den großen Wasserfall. Ich wunderte mich, als ich eine kleine Getränke-Bar und Sitzmöglichkeiten hier oben sah. Ein anderer Tourist bat mich, von ihm und seiner Familie ein Foto unter den Fällen zu machen. Das nutzte ich dazu, um auch von ihm fotografiert zu werden. Die meisten Besucher kommen nur bis hierhin und kehren dann wieder um. Doch ich wollte das nicht. Wenn ich nun schon einmal hier war, dann wollte ich auch alle Wasserfälle sehen, denn weiter oben sollten noch welche folgen.



















    Die kleine Wanderung beginnt


    Der weitere Weg wird aber immer schwieriger, und teilweise muss man schon fast klettern. Von weit oben hatte man eine schöne Aussicht auf Setti Fatma. Meine Anstrengungen wurden belohnt, auch wenn meine Beine durch die Kletterei schon fast zitterten, aber ich kam noch zu drei weiteren Wasserfällen und hatte den höchstgelegenen erreicht. Ein Wanderer kam von noch weiter oben den Berg hinab und berichtete mir, dass man oben den Bach ruhig dahinfließen sehen würde und es sehr schön dort sei. Da musste ich nun aber passen. Ich konnte nicht mehr und der weitere Aufstieg war sehr schwierig. Auf der Höhe der Getränke-Bar – an der ich zwecks Ausruhen und der Aufnahme eines Orangensafts erst einmal pausierte – zweigt ein anderer Pfad ab, auf dem man ebenfalls wieder nach Setti Fatma kommt. Den nahm ich, denn schließlich will man ja nicht denselben Weg wieder zurücklaufen, und außerdem hatte man von dort einen schönen Überblick über das Tal. Dieser Pfad führte mich in nur 30 Minuten zurück in das Dorf. Nun hatte ich mit 2 ½ Stunden doch länger gebraucht als gedacht, doch ich war glücklich. Die Parkgebühren waren mit 10 Dirham ein Schnäppchen.



















    Weiterer Aufstieg und Rückkehr







    Zurück in Setti Fatma


    Im Anschluss wollte ich eigentlich das schöne Mizane-Tal bei Imlil besuchen, doch entschied ich mich aufgrund der fortgeschrittenen Stunde dagegen und fuhr durch das Gebirge in Richtung der 2 ½ Stunden entfernten, festungsartigen Moschee Tin Mal, der einzigen Moschee, die man auch als Ungläubiger betreten darf. In einem Bergrestaurant stärkte ich mich mittels einer Suppe und eines Cheeseburgers. Die Straße wurde dann immer schlechter und schlechter und wurde zu einem holprigen Waldweg. Wo war ich denn hier gelandet? Ein einsamer Schafhirte führte seine Herde durch den Bergwald. Irgendwann war der Weg unbefahrbar. Durch Unwetter hatten sich so große Rillen und Furchen im Weg gebildet, dass man das mit einem herkömmlichen PKW nicht mehr schaffen konnte. Ich habe meinem Peugeot wirklich Einiges zugemutet. Das arme Auto! Dann versuchte ich, von der anderen Seite auf einer anderen Straße an die Moschee zu kommen. Leider hatte ich übersehen, dass man die letzten Kilometer hinauf zur Moschee laufen musste. Das wollte ich mir jetzt aber nicht mehr zumuten und versuchte auch hier, so weit wie möglich zu fahren. Da auch hier das irgendwann nicht mehr möglich war, gab ich auf. Schade. So gab ich mich mit meiner schönen Wanderung im Ourika-Tal und dem Besuch des Berber-Museums als Tageserlebnisse zufrieden und trat den Rückweg nach Marrakesch an.            


    Als ich wieder zurück war, streifte ich noch etwas durch die Souks und schaute mir die Fontaine Mouassine an. Doch ich hatte einen schönen, aufwändigen Brunnen erwartet, wie man es gewohnt ist und war etwas enttäuscht, als er sich einfach als eine Art Tränke an einer Hauswand entpuppte. Die Souks kannte ich jedoch mittlerweile sehr gut. Zurück im Riad bekam ich mein Dinner. Zuerst reichte mir Rachid einen Salat. Na ja – es waren Kartoffel-, Tomaten- und Gurkenstückchen und Bohnen. Den Teller hatte ich bereits morgens im Kühlschrank stehen sehen. Besonders ansprechend war das nicht. Dann lüftete Rachid den Deckel der Tajine. Es war eine Rindfleisch-Tajine mit Pflaumen, wie ich sie bereits am Abend des zweiten Tages im Restaurant Le Salama gegessen hatte, doch das Fleisch erwies sich als relativ zäh, und auch die Pflaumen waren sehr trocken. Im Le Salama hatte mir das großartig geschmeckt. War wohl doch keine so tolle Idee gewesen, mir im Riad ein Dinner kochen zu lassen. Dazu trank ich noch Rotwein, den ich noch im Kühlschrank stehen hatte. Die Hälfte des „Salats“ und die Pflaumen konnte ich nicht mehr essen.





    Zurück in den Souks



    Rindfleisch-Tajine mit Pflaumen

    Liebe Grüße

    Heiko


    Heute sind die guten, alten Zeiten, nach denen Du Dich in 10 Jahren sehnst. Genieße sie!!!

  • Tag 08 – Die Atlantikküste

    Donnerstag, der 19.09.2019:

    Ein letztes Mal genoss ich morgens den Blick von der Dachterrasse über die Dächer Marrakeschs und zur Koutoubia-Moschee. Ich hatte mit Rachid abgesprochen, dass ich mein Gepäck noch bis zum Mittag stehen lassen würde, weil ich mir bis dahin noch etwas in der Medina anschauen wollte, bevor ich Marrakesch dann verlassen sollte. Am Morgen verabschiedete ich mich von ihm. Er sagte, ich wäre ein guter Gast gewesen, und – inschallah – sehen wir uns wieder. Hehe!



    Auf dem Weg zum Gerberviertel



    Ein Auto quetscht sich durch die Medina


    Die Gerberviertel befinden sich im Osten der Medina. Einen Besuch in solch einem Ledergerberhof (Tannerie) hatte ich mir für heute aufgehoben. Also machte ich mich ein letztes Mal auf den Weg durch die Altstadt. Als ich die Nähe kam, kam ein Einheimischer auf mich zu. Er wollte mich in einen Hof führen. Da ich das auf eigene Faust wahrscheinlich nur schwer gefunden hätte, ließ ich mich darauf ein. Der zuständige Herr im Gerberhof hatte einen recht grimmigen Gesichtsausdruck, reichte mir aber dann ein Bündel Minzblätter, die ich mir zum Übertünchen des Gestanks vor die Nase halten sollte. In den Höfen werden die Tierhäute wie vor 100 Jahren gegerbt. Überall liegen sie zum Trocknen aus. In den vielen Steinbecken werden die Häute, eingeweicht, geklopft und eingefärbt. Die Männer stehen in den unter anderem aus Kalk und Taubenkot bestehenden Flüssigkeiten, und es stinkt nach Urin. Bei dieser Arbeit lassen sich die Männer nicht gern fotografieren, und ich sollte sie nur von weitem ablichten oder am besten gar nicht. Ich hätte gern etwas mehr darüber erfahren oder gezeigt bekommen, doch der Herr war schnell am Ende. Dann sagte er zu mir: „Speak Allahu Akbar!“ Für manche wäre das sicherlich ein Unding gewesen, doch da ich mit Religion nicht viel am Hut habe, habe ich es wiederholt. Ich weiß nicht, was er gemacht hätte, hätte ich mich geweigert. Ein wenig unheimlich war das schon.











    Im Gerberhof


    Dann führte er mich in einen Lederladen zu einem Bekannten, doch diesem machte ich relativ schnell klar, dass ich nichts kaufen wolle und ging. Dann kam der Mann vom Gerberhof zurück und verlangte von mir 300 Dirham. Ich gab ihm 50, und unter erheblichem Protest von ihm ging ich. Er folgte mir durch die Gassen, bog aber irgendwann ab. Das war mein unschönstes Erlebnis in Marrakesch. Im Nachhinein habe ich von vielen Touristen gelesen, die in den Gerbervierteln abgezockt werden sollten, die die Einheimischen hier sehr aggressiv fanden, denen das Ganze sehr unheimlich war oder sich gar etwas bedroht fühlten. Des Öfteren habe ich auch erzählt bekommen, heute seien die Gerber aus dem Hohen Atlas in der Stadt, und deswegen solle man ins Gerberviertel gehen. Das scheint auch so eine Masche mancher Einheimischen zu sein.

    An der Moschee Ben Youssef vorbei kam ich zum Maison de la Photografie. Auch dieses Haus ist ein altes Riad mit einem kleinen Brunnen und Pflanzen in der Mitte. Wie der Name schon sagt, geht es hier ausschließlich um Fotografie, aber die Bilder sind sehenswert. Meist historische Aufnahmen, alte Bilder geschmückter Frauen, Momentaufnahmen, Erinnerungen, kunstvoll gestaltete Fenster sind zu sehen. Es ist eine Reise in die Vergangenheit wie z. B. die Souks oder der Djamaâ El Fna vor 100 Jahren. Der Aufenthalt war angenehm, und von der schönen Dachterrasse, auf der man auch etwas essen kann, hat man einen schönen Ausblick. Wer dem Treiben in der Medina für einige ruhige Momente entfliehen will, ist hier richtig.

























    Maison de la Photografie


    Gern hätte ich im Anschluss einen Blick in die Funduqs, die alten Karawansereien geworfen, doch die Tore waren verschlossen. Die Merdersa Ben Youssef ist eine ehemalige Koranschule und eines der sehenswertesten Gebäude in Marrakesch mit fantastischen Innenhof, Brunnen, Mosaiken, Zedernholzbalken und einem Gebetssaal, doch leider hatte sie zwecks Restauration geschlossen.

    Zum Abschluss begab ich mich in das Musée de Marrakech, setzte mich erst mal in den Innenhof und trank einen Minztee, auch um einfach etwas zu ruhen. Hier will niemand etwas von dir. Das Museum steht den eindrucksvollen Palästen und Museen, die ich bisher sah, in nichts nach und bietet ebenfalls schöne maurische Innenhöfe, farbenfrohe Gemälde aus 1001 Nacht, gehämmerte Kupfergegenstände, Waffen, kunstvoll gestaltete Türen und Fenster, geschnitzte Ornamente, Mosaike, Brunnen, prächtige Säulen, Gefäße, ein altes Hammam, Berber-Schmuck und Zedernholzmöbel.



















    Musée de Marrakech


    Im Norden der Stadt findet allabendlich im Restaurant Chez Ali ein spektakuläres Essen mit mehreren Gängen in Berberzelten mit Reiterspielen, Musik, Tänzern und Akrobaten statt. Ich hatte aber mehrfach gelesen, dass das alles mit marokkanischen Bräuchen wenig zu tun haben soll und eine einzige, wenig authentische, touristische Show sein soll. Also hatte ich letztendlich davon Abstand genommen, einen Tisch zu reservieren.

    Ich verabschiedete mich gedanklich von Marrakesch, was mir viele schöne, aber auch einige nicht so schöne Eindrücke bescherte. Es ist eine tolle Stadt, in der aber nicht alles toll ist. Sie bietet tolle Gerüche, aber nicht alles hier riecht toll. Dennoch war es mir in dieser ersten Woche mein Zuhause geworden. Mach’s gut, mein Marrakesch. Ich holte mein Gepäck im Riad und lud es ins Auto. Am Vortag hatte ich das Waschen meines Mietwagens in Auftrag gegeben, als ich sah, dass ein anderer Wagen auf dem Parkplatz gewaschen wurde. Ich hatte mich mit Hilfe eines sehr gut Deutsch sprechenden Marokkaners, der von Zeit zu Zeit in Deutschland weilt und der mir noch einen schönen Aufenthalt wünschte, auf einen Preis von 50 Dirham geeinigt, und nun war auch mein Wagen schön sauber. Auf die Leute vom Parkplatz war Verlass. Ich winkte ein letztes Mal und fuhr los.

    Bis nach Essaouira an der Küste, wo ich gedachte, die zweite Woche des Urlaubs zu verbringen, sind es 190 km. Der Großteil lässt sich auf einer geraden, einer Autobahn ähnlichen Straße fahren. Und da sie größtenteils wirklich geradeaus verläuft, gab ich auch mal etwas Gas. Weit und breit kein Auto! Da bin ich kurzzeitig sogar mal 160 anstatt der erlaubten 100 km/h gefahren. An einem Parkplatz standen zwei Polizisten und winkten mich raus. „Why are you speeding?“ Sie faselten irgendwas von Michael Schumacher. Hatte ich da irgendwas von „We will arrest you“ verstanden? Ich wurde bleich im Gesicht. Doch zum Glück hatte ich mich wohl verhört. Mit 125 km/h hatten sie mich gemessen. Das hätte auch schlimmer ausfallen können. Auch hier sollte ich 300 Dirham zahlen, die ich zunächst auf 200 runterhandeln konnte. Als ich dem einen das Geld übergab, versuchte ich noch mal mein Glück und sagte: „Much money!“ Daraufhin gab er mir doch wirklich noch mal 100 Dirham zurück. Dann fragte er: „Okay?“ Im Anschluss erzählten sie mir noch die Champions-League-Ergebnisse. Bayern München hätte 3-0 gewonnen, Leverkusen 1-2 verloren. Ob ich denn Bayern-Fan sei, wollten sie wissen, und ich wunderte mich, dass sie sogar Mainz 05 kannten. Ich solle aufpassen, da sich von hier bis nach Essaouira noch 5 weitere Polizeistreifen befänden. Also, mit der Polizei hier musste man wirklich aufpassen und sich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen wirklich halten; das hatte ich gelernt.

    Ca. 20 Minuten, bevor ich in Essaouira ankam, welches in früheren Zeiten auf den Namen Mogador hörte, rief ich die Unterkunft an, das Riad Les Sultanes, und unterrichtete sie über mein baldiges Eintreffen. Wir vereinbarten, dass jemand zum Bab Marrakesch – ein großes Tor vor der Medina – kommen würde, um mir den Weg durch die Innenstadtgassen zu zeigen. Das Tor ist der Eingang in den Altstadtbereich und liegt an einem großen Parkplatz, auf dem ich sogleich zu parken gedachte. Etwas erstaunt war ich, dass man hier für eine einzige Nacht 70 Dirham nahm, doch ich wollte nicht woanders hin, da dies sicher die einfachste Variante war. Von hier bis zu meinem neuen Riad war es sicher nicht allzu weit. Immerhin konnte ich mich mit dem Hauptverantwortlichen auf dem Parkplatz auf 170 Dirham für zwei Tage und 2 Nächte einigen. Er war der Einzige unter den Parkplatzbetreibern, der etwas Englisch sprach. Mit den Anderen war eine Kommunikation so gut wie unmöglich. Mit Koffer und Rucksack lief ich zum Tor, und da wartete eine verschleierte Dame. Auch sie hatte selbstverständlich Schwierigkeiten bei der Aussprache meines Namens, doch meinte sie zweifelsfrei mich. Sie lachte und bedeutete mir, ihr durch das Gassengewirr zu folgen. Wir bogen rechts ab und liefen von innen bis zur Stadtmauer, dann links und erst einmal geradeaus, die Zweite links, hinten wieder links und am Ende noch einmal links. Wir waren da. Ob ich das selbst finden könnte?

    Das Viertel war in keinem besonders guten Zustand, doch die blaue Eingangstür wirkte besser. Mittlerweile hatten wir die Mitte des Nachmittags erreicht, und ich war angekommen. Die Dame stellte sich als Saadia vor, sprach jedoch ebenfalls nur Französisch. Das konnte ja heiter werden, da ich ihr auch noch Einiges zu erklären hatte. Es würde schon funktionieren. Nett war sie auf jeden Fall. Sie zeigte mir die Unterkunft, und sofort merkte ich, dass das ein anderes Niveau war als mein Riad in Marrakesch. Alles war sehr sauber und wirkte relativ neu. Hier konnte man sich wohlfühlen. Auch hier konnte ich den Kühlschrank in der Küche benutzen. Der bepflanzte Innenhof hatte ein Glasdach. Neben ihm gab es sogar ein kleines Lesezimmer.

















    Im Riad Les Sultanes


    Wir stiegen die Treppe hinauf. In der 1. Etage konnte man den Innenhof auf einem Rundgang mit Holzgeländer umrunden; und außen gingen die Zimmer ab. Alles war ruhig; es schien gar kein anderer hier zu wohnen. Auch hier befand sich einen kleine, gemütliche Ecke mit Couch, Tisch, Kissen und Stuhl, in der man einfach nur ruhen oder Zeitung lesen konnte. Mein Badezimmer war ein separater Raum, der nicht direkt neben meinem Schlafzimmer lag, doch das war überhaupt nicht schlimm, denn ich merkte gleich, dass es sich hier gut aushalten ließe. Das Schlafzimmer hatte wieder einen Eisenriegel mit Schloss daran und bot ausreichenden Platz. Mir gefiel das hohe Bett und wie edel es bezogen war. Eine weitere Treppe hinauf ging es auf eine gemütliche Dachterrasse mit einer Sitzecke und einem Steingrill. Hier würde ich abends wohl sitzen, ein Glas Wein trinken und mit Freunden zuhause kommunizieren. Und es gab eine weitere schmale Treppe, die noch auf ein höheres Dach führte. Ich war ausgesprochen zufrieden. Wir legten das Frühstück auf 08.00 Uhr fest. Saadia war nur morgens im Haus. Den Rest des Tages war man hier als Gast auf sich allein gestellt. Das gefiel mir gut. Wie ein eigenes kleines Zuhause.

    Ähnlich wie in Marrakesch, gedachte ich vom dritten bis zum fünften Aufenthaltstag eine Fahrt mit zwei Zwischenübernachtungen zu machen, und zwar ganz in den Süden bis nach Tiznit. Ich versuchte, dies Saadia zu erklären, dass ich einen Teil meines Gepäcks hier lassen würde, dass ich dann zwei Tage nicht hier wäre und kein Frühstück brauche; und am Morgen nach meiner Rückkehr wollte ich gern eine halbe Stunde früher frühstücken, wenn das möglich war. Ich war mir nicht hundertprozentig sicher, ob sie aus meinen mit ein paar Französischfetzen gespickten, auf Englisch vorgetragenen Erklärungen schlau geworden war.

    Es war ein schönes Gefühl, an einem neuen Wohnort zu sein und ihn erkunden zu können. Nach einer erfrischenden Dusche machte ich mich auf. Ich lief hinüber zum Bab Marrakesch und fragte einfach an einem Kiosk nach dem Weg zum Strand (Plage). Der Stadtstrand heißt Plage Tagharte. Ich hätte nicht fragen brauchen, da ich mich im Vorfeld natürlich mit der Stadt beschäftigt habe, aber so ging es vielleicht schneller. Es war nicht weit. Der Sandstrand ist viele Kilometer lang und wegen des starken Windes vor allem bei Surfern beliebt. Und endlich war ich nun mal am Meer. Richtiges Schwimmen war aber etwas schwer. Hierzu ist die Kraft des Atlantiks hier doch etwas zu stark. Geht man so weit hinaus, dass man wirklich schwimmen kann, ist man schon zu sehr dem Meer ausgesetzt und läuft Gefahr, hinausgezogen zu werden. Zum Ins-Wasser-Springen, abkühlen und von den herannahenden Wellen überspült zu werden, hat es jedoch gereicht. Und dann hab‘ ich mich einfach am Strand hingelegt und ein Sonnenbad genommen. Hin und wieder sieht man auch ein Dromedar, welches den Urlaubern zum Reiten angeboten wird, doch das hatte ich ja bereits ausgiebig getan.











    Am Stadtstrand


    Dann wurde es Zeit, die Souks und die Medina kennenzulernen. An der langen Promenade entlang, am Bab Sbaa und dem Platz Orson Welles vorbei, gelangte ich an das südliche, dem Hafen am nächsten gelegene Eingangstor in die Medina, das Bab el-Mechouar. Hier waren lauter Gesang und Trommeln zu hören. Vor dem L’Horloge d’Essaouira, dem Uhrturm, stand eine Gruppe Farbiger und beschallte die Innenstadt mit ihren Rhythmen. Die Stadt besitzt viele weiße Häuser mit blauen Fenstern, was sehr ansehnlich ist und ein einheitliches Bild erzeugt. Neben den Souks ragt die Moschee Ben Youssef in die Höhe. In den Souks merkte ich sofort: Hey, hier ist es anders als in Marrakesch. Die Gassen sind breiter, und man kann in der Mitte der Gassen entlang schlendern, ohne dass sich einem jemand aufdrängt. Ja, wie entspannt ist das denn? Im Vergleich zu Marrakesch sind diese Souks erholsam.

















    In der Medina


    Die Hauptgassen sind die Avenue Oqba Ibn Nafi, die Avenue de Istiqlal und die Rue Mohamed Zerktouni, welche jeweils durch sehenswerte Tore unterteilt sind. Es machte Spaß. Das komplette Gebiet der Souks ist eigentlich recht übersichtlich, denn Essaouira ist eher eine Kleinstadt, die begann, mir richtig gut zu gefallen. In der Mitte der Souks liegt der Marché aux grains, der alte Getreidemarkt. Heute wird hier jedoch überwiegend Fisch verkauft. Und ich staunte nicht schlecht über die vielen verschiedenen Fischarten, die hier zum Verkauf und Verzehr bereitlagen. Eine solche Artenvielfalt kannte ich aus meinen bisherigen Urlauben nicht. Doraden, rote Meerbarben, Garnelen, Sardinen, Aale und noch mindestens 15 weitere Arten, die ich gar nicht benennen konnte.



















    Die Souks von Essaouira


    Doch die große Fischhalle machte auf mich keinen besonders sauberen Eindruck, und ich hätte nicht unbedingt hier gegessen, was viele Einheimische jedoch taten. Ein großer Schwertfischkopf stand aufrecht auf einem der Tische. Auch hier in der Medina gibt es Fleischverkäufer, die Ziegenköpfe auf den Tischen ausliegen haben, und die Lammteile und Hühner hängen wer-weiß-wie-lange an den Haken. That’s Morocco! Auf der anderen Seite des Marché aux grains befindet sich hinter den Souks jedoch ein Platz mit einigen kleinen Restaurants, an dem es schon weitaus einladender aussah. Hier kann man sich wirklich gemütlich niederlassen. Mit dem Bab Doukkala im Norden der Medina enden die Souks, und ich war überrascht, wie schnell man bis dorthin durchgelaufen ist.

    Pünktlich zum Sonnenuntergang begab ich mich zurück an den Strand. Viele machen dies, da man die Sonne wunderbar über dem Hafen – und geht man eine Weile am Strand entlang – herrlich zwischen dem Hafen und der kleinen vorgelagerten Insel Mogador direkt im Wasser untergehen sehen kann. Idylle pur!











    Sonnenuntergang


    Das waren wahrhaft tolle Stunden an meinem ersten Tag in Essaouira, die ich gedachte, im Restaurant Il Mare neben dem Hafen bei einem guten Essen zu beschließen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Das Restaurant ist wirklich nur zu empfehlen. Bei einem herrlichen Blick auf das Meer auf der Dachterrasse und Livemusik entschied ich mich für eine wunderbare gegrillte Seezunge mit gegrilltem Gemüse, Spaghetti, Brot, Oliven und ein Glas sehr guten Weißwein. Doch wenn die Sonne sich verzogen hatte, wurde es hier an der Atlantikküste abends sehr windig und auch etwas kühl, also aß ich lieber im Innern. Morgen würde ich am Abend eine lange Hose anziehen. Ein deutscher Tourist war am Handy in ein Streitgespräch mit seiner Freundin vertieft, beteuerte ihr seine Liebe und verzog sich an einen ruhigeren Ort zum Telefonieren. Er kam nicht wieder. Im Riad nahm ich auf meiner windgeschützten Dachterrasse Platz, wickelte mich in eine Decke und berichtete den Freunden zuhause über meine Erlebnisse. Es war erstaunlich, was für einen Lärm die Möwen veranstalteten, die über das Haus hinweg flogen.



    Gegrillte Seezunge

    Liebe Grüße

    Heiko


    Heute sind die guten, alten Zeiten, nach denen Du Dich in 10 Jahren sehnst. Genieße sie!!!

    2 Mal editiert, zuletzt von Heiko705 ()

  • "Wenn einer eine Reise tut..."

    an diese Zeile eines Gedichts von Matthis Claudius musste ich bei den letzten Teilen Deines wunderbar unterhaltsamen Reiseberichtes denken

    ...so kann er was verzählen"


    LIeber Heiko, dafür möchte ich Dir ganz herzlich danken!!!


    Du nimmst mich regelrecht mit in Deine Erlebnisse- manches würde ich gern selbst erleben , anderes wiederum nicht.


    Aber eine Frage stellt sich mir zunehmend:
    Hast Du ein Reisetagebuch geführt, oder hast Du all die Details in Deinem Gedächntnis festgehalten?


    Ich freue mich schon auf weitere Fortsetzungen !!


    Liebe Grüße,

    Elke

  • Na Elke, hast Du's auch bis hierhin geschafft?


    Diese Frage, die Du mir stellst, die hab' ich schon öfters gehört. Am Ende eines Tages notiere ich mir nur kurz die Orte, an denen ich war. Das reicht mir. Wenn ich dann den Bericht schreibe, erinnere ich mich wieder an das, was dazwischen war. Aber natürlich hilft mir das Sehen der Fotos auch, keine Frage.

    Liebe Grüße

    Heiko


    Heute sind die guten, alten Zeiten, nach denen Du Dich in 10 Jahren sehnst. Genieße sie!!!

  • Na Elke, hast Du's auch bis hierhin geschafft?

    Was für eine Frage , lieber Heiko !


    Ich lasse keinen Teil aus !!

    Dein Bericht ist wie ein Feuerwerk!

    Kaum hat man einen Abschnnitt genossen, verinnerlicht , die Bilder und Geschichten lebendig werden lassen, gestaunt und sich etliches gefragt,

    so folgt schon der nächste !!! Fast atemlos (zumindest für mich ).

    Ich genieße ALLE!!!


    Und ich danke Dir dafür.


    Liebe Grüße,

    Elke

  • Tag 09 – Die weiße Stadt des Windes

    Freitag, der 20.09.2019:

    Das von Saadia zubereitete Frühstück war gut, und zusätzlich zu den Zutaten, die ich eigentlich auch schon in Marrakesch auf den Tisch bekam, kredenzte sie mir auch noch Rührei. Mit Hilfe des Internets hatte ich Saadia einen Zettel geschrieben, um ihr die Sache mit meiner Fahrt nach Tiznit und der Rückkehr zwei Tage später noch einmal zu verdeutlichen. Ich hatte die Sätze übersetzen lassen, und mit meinem geringen Französischwissen stufte ich das Ergebnis als gut ein. Wenn ich aber auch keine Vokabeln kann, so weiß ich wenigstens ein wenig über Grammatik. Saadia grinste, als sie las, doch hatte nun genau verstanden, was ich ihr bereits am Vortag erklären hatte wollen. Na also.



    Mein Brief


    Ich schulterte meinen Rucksack und machte mich zum Hafen auf. Auf diesen hatte ich mich besonders gefreut, da er neben sehenswerten Gebäuden und Toren auch Befestigungsanlagen und einen Fischmarkt bietet. Auch sollte man von dort tolle Aufnahmen der Altstadt machen können. Die Gassen in der Medina, die Unesco-Weltkulturerbe ist, sind alle geradlinig, was für eine marokkanische Stadt sehr untypisch ist. Über den Moulay-Hassan-Platz, auf dem stets geschäftiges Treiben herrschte und ab dem Mittag auch meist ein Livemusiker mit Mikrofon und Verstärker die Gäste der Restaurants unterhielt, gelangte ich an den Hafen. Hatte ich schon erwähnt, dass hier Unmengen von Möwen die Gegend unsicher machten? Bereits aus einiger Entfernung sieht man die Westbastion Sqala du Port, einen imposanten Turm. Ich weiß nicht, wie viele blaue Holzfischerboote und Netze an der gesamten Hafenzitadelle liegen. Das sieht schon beeindruckend aus. Man passiert das Bab el-Marsa und findet sich inmitten des Hafens wieder. Viele Fischer waren hier zugange und luden ihre Ware aus. Hier vorn war es schlammig, und viel Müll und Unrat bleibt in den Ecken liegen. Dass das viele Möwen anzieht, ist also kein Wunder. Die Fischer bieten ihren Fang an, und alte Fischkutter-Monstren ragen in den Himmel. Neben der Hafenidylle existiert eben auch ein unschöner Hafenteil. Ich hatte gehört, dass hier in den frühen Morgenstunden eine Fischauktion stattfände. Von einer Auktion und bietenden Kunden habe ich jedoch nichts gesehen.



    Moulay-Hassan-Platz





































    Der Hafen



    Die Ostbastion


    Ich bestieg die Westbastion, vor deren Eingang die Kanonen in einer Reihe aufgestellt sind. Der Preis betrug 50 Dirham. Von der Bastion aus hatte ich dann die erwünschte Aussicht. Durch ein rundes Loch im Mauerwerk lassen sich hervorragend die Altstadtmauern der weißen Stadt fotografieren. Die Ostbastion ähnelt der westlichen sehr, doch fanden an ihr Restaurationsarbeiten statt, was aber nicht weiter störte, denn besteigen kann man sie nicht. Das Castelo Real habe ich auch nach mehrfachem Befragen der Einheimischen und Studieren der Karte nicht finden können. Macht nix.


    Im Westen der Medina befinden sich das Bab Skala und die Rue Skala, eine kleine Straße, auf der die Kanonen an den vielen Schießscharten der Mauer postiert sind. Ich konnte mir durchaus vorstellen, dass in alten Zeiten von hier aus viele feindliche Schiffe bombardiert wurden. Ich lief hinüber zur Ostseite der Medina, wo sich das Dar Souiri befindet. Das Haus (Dar) ist Kulturzentrum und eine Oase der Ruhe, ein Riad mit vielen Sitzmöglichkeiten und Gemälden, Büchern, alten Gefäßen und kunstvoll verzierten Tischen. Der Eintritt ist kostenlos.







    Bab Skala mit Rue Skala und Kanonen









    Dar Souiri


    Es war Mittag geworden. Jetzt ein kleiner Snack! Auf zum gemütlichen Platz beim Marché aux grains! Alle Restaurantbesitzer buhlen hier um die Kunden, doch schließlich entschied ich mich für einen und nahm an einem kleinen Tisch Platz. Es gab Brot auf’s Haus, Oliven, eine Paprikapaste und ein dickflüssiges Getränk, dessen untere Schicht orange und obere Schicht grün war. Ich musste erst nachfragen, ob man das trank oder löffelte. Man trank es. Es bestand aus Karotten und einem anderen Gemüse und schmeckte süß. Dann kam mein Tee. Mit der Zeit lernt man in Marokko das gemütliche Sitzen beim Minztee zu schätzen. Das gehört einfach dazu. Und ich hatte ein paar Sardinen mit einer Handvoll Pommes bestellt. Ich genoss die Zeit.





    Mittagspause


    Nach dem Mittag verließ ich die Stadt und begutachtete den Leuchtturm Sidi Magdoul im Süden. Doch hinein kann man hier nicht. Nun hatte ich geplant, das einzige Weingut im Süden Marokkos zu besuchen, das Le Val d’Argan in Ounagha. Es gibt durchaus guten Wein in Marokko. Man soll es kaum glauben. Lediglich an einer Weinprobe scheiterte es, da ich gedachte die Promillegrenze von 0,0 einzuhalten und sowas auch gar nicht angeboten wird. Ich erhielt jedoch eine kleine Führung durch die Anlage. Ich sah den Verkaufsraum, das Lager für die Weinfässer, ein Flaschenlager, einen Verpackungsraum, bekam die großen Weintanks gezeigt, und mein Führer führte mir sogar vor, wie mittels Maschine die Flaschen mit Korken versehen werden. Dann erstand ich eine Flasche Perle Noir de Mogador, ein Rotwein, der – so viel kann ich vorwegnehmen – mir später zuhause in Deutschland sehr gut schmeckte. Das war ein Volltreffer!



    Leuchtturm Sidi Magdoul















    Besuch des Weinguts Le Val d’Argan


    Der Nachmittag gehörte dem Baden, und ich fuhr 20 km in den Süden zum wunderbaren Sandstrand Sidi Kaouki. Gleich als ich ankam, sah ich, dass der Strand eine Augenweide ist. Esel warteten in der Nachmittagshitze am Parkplatz. Dromedare und Pferde stehen zum Ausritt bereit. Im Hintergrund steht ein wunderbares, weißes Gebäude, welches einer Kasbah ähnelt. Das macht den langen Sandstrand unverwechselbar. Viele Sonnenschirme aus Bast säumten die Weiten des Strandes, der aber recht spärlich besucht war. Genau richtig! Der Sand war weich und das Ende des Strandes nicht sichtbar. Das Wasser war hier wärmer als in Essaouira und so hielt ich mich eine ganze Weile darin auf. Die Wellen schlugen über mich und verschafften mir Abkühlung. Eine Kitelandboarder zog am Strand seine Runden. So etwas könnte mir auch gefallen. Man konnte hier sehr weit hinauslaufen, bis man zu den hohen Wellen kam. Schlussendlich mietete ich mir eine Liege mit Sonnenschirm für 40 Dirham und machte es mir bequem. Dass der Strand sooo schön ist, hätte ich nicht gedacht. So blieb ich bis zum Ende des Nachmittags hier.



























    Sandstrand Sidi Kaouki


    Als er sich dem Ende neigte, fuhr ich zurück in „meine“ neue, windige Stadt. Nachdem ich im Riad eine lange Hose für den Abend angezogen hatte, suchte ich das Centre d’Art Le Real Mogador, einst Kunstzentrum im Herzen der Medina. Auch hier ist der Eintritt kostenlos. Jeder, der sich dafür interessiert, kann sich einfach umsehen. Herrlich. Auch dieses Gebäude ist ein altes Riad und überzeugt mit alten Steinbögen, Skulpturen und gemütlichen Sesseln zum Niederlassen. Es war ganz ruhig hier. Die Decken der Gänge waren in roten und orangenen Farben gehalten. Ein Herr wurde auf mich aufmerksam und schaltete in allen Ecken und Nischen das Licht an, damit ich die Gemälde betrachten konnte. Moderne Tiergemälde, Darstellungen der Stadt, abstrakte, sehr farbenfrohe Malereien und kunstvolle Türen zieren die Galerie. Als ich alles betrachtet hatte, wurde das Licht wieder ausgeschaltet, und ich wurde gebeten zu gehen. Der Herr hatte noch zu tun. Ich verstand es.















    Centre d’Art Le Real Mogador


    Ich fragte nach dem sehenswerten Musée Sidi Mohamed Ben Abdallah, doch wies mir jeder eine andere Richtung, und in keiner der genannten war das Museum zu finden. Tja, so ist es manchmal. Also durchwanderte ich das Al Qacha – Viertel und die Mellah, das Judenviertel, und man sah deutlich, dass hier noch ältere, ärmere Gebäude standen. In der Mellah besichtigte ich die Synagoge R. Haim Pinto, die ebenfalls sehr kunstvoll gestaltet ist. Ähnlich wie die Synagoge im Judenviertel Marrakeschs bestach sie durch viele Kacheln und Mosaike an den Wänden. Die Farbe Blau dominierte. Alte Steindurchgänge, Gemälde, Gedenktafeln und Gebetsräume mit blauen Holzwänden warten auf den Besucher.

















    Al Qacha – Viertel, Judenviertel und Synagoge


    Den Sonnenuntergang verbrachte ich am Hafen. Die Eindrücke von der untergehenden Sonne an der Hafenzitadelle sind unvergleichlich. Ich hatte mir heute einen sehr guten Eindruck der Stadt verschaffen können und begab mich zum Abschluss in das Restaurant Chez Sam in der Nähe des Bab Sbaa. Das war eine gute Wahl. Neben Brot und Oliven bekam ich einen delikaten Oktopussalat, der wirklich außerordentlich war. Dann hatte ich mich für ein Petersfischfilet in Champignonsoße, Reis, Gemüse und Kartoffelpüree entschieden, und es war eines der besten Abendessen des Urlaubs. Hier in Essaouira war man endlich nicht mehr auf das ständige Couscous, die Tajines oder das Méchoui angewiesen, obwohl ich Lamm liebe, doch wenn man zu den üblichen Speisen auch noch unter leckeren Meeresspezialitäten wählen kann, ist die Auswahl ungleich größer. In Essaouira wurde ich dreimal gefragt, ob ich nicht Marihuana kaufen wolle. Ich hatte mir schon gedacht, dass sowas in Marokko kommen würde, doch frage ich mich auch andererseits, wie die Einheimischen das machen, denn die Strafen auf Drogendelikte müssen doch hoch sein. Schließlich beschloss ich den Abend auf meiner Dachterrasse bei etwas Wein und Bier, verschickte Urlaubsfotos und schlief sehr gut in meinem Bett.


    Sonnenuntergang


    Der herrliche Oktopussalat


    Petersfischfilet in Champignonsoße

    Liebe Grüße

    Heiko


    Heute sind die guten, alten Zeiten, nach denen Du Dich in 10 Jahren sehnst. Genieße sie!!!

  • Am Ende eines Tages notiere ich mir nur kurz die Orte, an denen ich war. Das reicht mir. Wenn ich dann den Bericht schreibe, erinnere ich mich wieder an das, was dazwischen war. Aber natürlich hilft mir das Sehen der Fotos auch, keine Frage.


    Gutes Auge, guter Stil!

    Danke Heiko.

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