Kamenický Šenov (deutsch Steinschönau) besteht aus zwei Stadtteilen - Kamenický Šenov und Prácheň (Parchen)
Eine Sehenswürdigkeit von Prácheň hatte ich hier schon einmal vorgestellt. Klick: Die Steinorgel oder den Herrenhausfelsen.
Das Ortszentrum Steinschönaus bildet nicht der etwas weiter oberhalb gelegene Marktplatz, sondern die Kirche des Heiligen Johannes des Täufers von 1718,
nahe der Durchgangsstraße E442.
In den Jahren 1715 bis 1718 erbaute Peter Paul Columbani diese Kirche und ersetzte damit die frühere Holzkirche.
Vor der Kirche befindet sich ein 8 m hohes Denkmal aus den hiesigen Basaltsäulen zusammengesetzt. Errichtet wurde es am 23. Juni 1912 vom Veteranenverein zu Ehren Kaiser Franz Josef I.. Heute findet man eine Tafel für Opfer des Faschismus vor.
Ein paar Schritte weiter, der heilige Nepomuk von 1809, der vermutlich erst einen anderen Standort hatte und um 2005 restauriert wurde.
Direkt an die Kirche angrenzend befindet sich ein kleiner, von Mauern umgebener, Friedhof mit wunderschönen Grabmalen aus der zweiten Hälfte des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts.
Einige Grabmale stammen aus der Werkstatt der Bildhauer Emanuel und Joseph Max.
Durch eine kleine Straße getrennt, befindet rechterhand der Kirche der "neue" um 1900 gegründete Friedhof. Er wird heute noch genutzt. Offenbar auch von wildlebenden Tieren, denn überall lagen Tierlosungen herum und verschleppte Blumentöpfe.
Nun, leider sind auf diesem Friedhof die meisten Grabmale stark verfallen.
Wenn es so weiter rostet, dann ist in ein paar Jahren nix mehr da. Detail Grabumzäunung:
Friedrich Schillers Sinnspruch: "Um zu verlieren, müssen wir erwerben! Und Alles blüht zu welken und zu sterben!"
Auch das Mausoleum der Familie des berühmtesten Sohnes der Stadt - Elias Palme (*1827- +1893) - Lusterproduzent - hat durch Wind, Wetter und vielleicht auch menschliche Verwüstungen starken Schaden genommen.
Da ich mich - wie auch schon in meiner Vorstellung kurz erwähnt - schon seit einigen Jahren mit Friedhofskultur befasse, ist für mich dieser Friedhof der traurigste Anblick, der sich mir seit langem bot. Es ist schade, dass solche Zeugnisse langsam aber sicher verschwinden werden.
Unterhalb der Kirche steht ein Umgebindehausaus dem Jahre 1856. Typisch für die Region. Im Haus Nr. 79 befand sich die Fachschule für Glasindustrie - die erste in Mitteleuropa.
Besucht habe ich das kleine, schmucke Städtchen nun zweimal. Und es gibt trotzdem noch so viel zu entdecken. Details an Hausfassaden zum Beispiel.
Und da sind sie wieder... die Basaltsäulen - praktisch verbaut:
Die Villa Elias Palmes:
Kleine, feine Häuschen:
Es verwundert nicht, ausgerechnet in der Glasstadt schlechthin ein wunderbares Museum, welches sich mit Glasmanufaktur beschäftigt, vorzufinden.
Ein Link dazu: www.liberecky-kraj.cz/dr-de/10…seum-kamenicky-senov.html Kann doch Steinschönau mit einer großen Tradition dahingehend aufwarten. Josef Palme gründete um 1724 in Prácheň die erste Kronleuchter-Manufaktur. Im Jahre 1856 folgte eine Glasmacher-Fachschule und 1886 eine erste industrielle Glashütte.
Zu sehen gibt es im Museum vom stilvollen Weinglas bis zum edlen Pokal und moderner Kunst einiges.
Auf zwei Etagen kann man sich so einen Überblick über jede Epoche verschaffen. Alles kleine Kunstwerke, welche durch unglaublich detailreiche Darstellungen bestechen.
Achtung!!! Genau hinschauen! Abbild Kaiser Franz Josef I.
Ein drehbares Glas - so kann man die Körper frei zusammensetzen.
Stilvoll in die "guten, alten Zeiten" zurückversetzt:
Ein altes, originales Muster- und Kalkulationsbuch:
Aber nicht nur Gläser und Kronleuchter stellte man her. Ein wahres Novum müssen die gläsernen Einrichtungsgegenstände gewesen sein. So wie dieser Stuhl mit einem Grundgerüst aus Metall.
Der Stuhl stammt ebenfalls aus der Manufaktur Palmes und wurde 1894 im Rahmen einer Musterschau für den Maharadscha von Hyderabad in Indien hergestellt. Aber natürlich sollte es nicht nur ein Stuhl sein, sondern auch anderes Mobiliar wie Sofas, Lehnstühle, Hocker, Toilettentische, Blumentische, Doppelbetten mit Baldachin, Wasserpfeifengarnituren, spanischen Wänden usw.. Ich glaube mit dem ganzen - heuer würde man sagen "BlingBling" - stand der Maharadscha den Kristallwelten in Wattens in nichts nacht.
Hier noch zwei Videos. Das erste zeigt Einblicke in die Glashütte in Prácheň und das zweite in die allgemeine böhmische Glaskunst. Wunderschöne Stücke mit Liebe zum Handwerk und zur Tradition. (Da wohl fast niemand des tschechischen mächtig ist, kann man den Ton getrost austellen.)
httpss://www.youtube.com/watch…er_embedded&v=3HdPCEhSAzc
httpss://www.youtube.com/watch?v=yQIN0iWz6nc
Bei der Durchfahrt zum Ortsausgang entdeckte ich rechterhand hinter Häuserreihen auf einer Anhöhe eine Ruine. Leider wars mir - ob der Zeit - nicht mehr möglich davon noch selber Fotos zu machen, aber durch ein bisschen googeln fand ich einen Link mit Foto.
Quelle: Wikimedia / copyright expired
Und wie ich es vor Ort im Gefühl hatte, musste es sich um etwas bedeutendes handeln. Allein schon des (Jugend-)Stiles wegen. Und so war es dann auch. Bei der Ruine handelt es sich um die alte Glasmanufaktur Elias Palme.
Hier ein Link zu einem Bild aus der heutigen Zeit:
https://img5.rajce.idnes.cz/d0…f0ead05a47/images/663.jpg
Ja, und nach den ganzen Eindrücken, leider auch nicht so schöne Erkenntnisse. Der Ort Steinschönau erlangte zudem leider traurige Berühmtheit durch sein Außenlager des KZ Flossenbürg.
Es gibt so viel zu zeigen und zu erzählen, weil ich so begeistert von diesem fast noch unbekannten kleinen Städtchen bin und wie sich immer ein Puzzleteil ins nächste fügt - aber man soll sich ja aufs Wichtigste beschränken. Ich hoffe, dass ist mir ein bisschen gelungen.
Viele liebe Grüße,
Anja