Eine unendliche Geschichte: Der „Ruhrpott“ (Fahrrad, Wasser, Kunst und mehr)

  • Bei strahlendem Sonnenschein haben wir am vergangenen Montag all unsere Verpflichtungen abgesagt und uns eine Fahrradtour „gegönnt“.


    Entlang des Emscherpark-Radweges ignorierten wir die angebotenen Köstlichkeiten. „Ist noch zu früh“, meinte meine treibende Kraft.




    Durch Wälder …




    … und entlang der Emscher und des Rhein-Herne-Kanals erreichten wir die im Jahr 2009 eröffnete Brücke „Grimberger Sichel“, die den Kanal überspannt. Hier beginnt auch die Erzbahntrasse, ein Radweg, den wir in nächster Zeit auch noch befahren wollen.




    Über weitere Brücken, …





    … und vorbei an Überresten der Industrie.





    „Monument for a forgotten Future“ nennt sich dieses für die Ausstellung EMSCHERKUNST.2010 gefertigte Werk der Künstler Olaf Nicolai und Douglas Gordon. Aus dem Innern der 10 Meter hohen Nachbildung einer Felsformation aus dem Nationalpark Joshua Tree bei Los Angeles erklingt die „Emscher-Sinfonie“ der in das Kunstwerk eingebundenen schottischen Band Mogwei. Alles irgendwie unwirklich oder wie ein Plakat aussagt - eine „unnatürliche Naturerscheinung“.




    Über 100 Meter hoch über dem Nordsternpark in Gelsenkirchen trohnt auf dem alten Schachtturm die 18 Meter hohe und 23 Tonnen schwere Herkules-Statue des Bildhauers Markus Lüpertz. Aus der Entfernung gar nicht so imposant.





    Der Nordsternpark wurde nach Stilllegung der Zeche Nordstern im Zuge der Bundesgartenschau im Jahr 1997 zu einem Landschaftspark, der die alten Zechengebäude in die Gestaltung einbezieht, ausgebaut.





    An verschiedenen Plätzen entlang der Emscher hat der chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei im Rahmen des Projektes „Aus der Aufklärung“ rund 1000 von ihm gestaltete Zelte aufstellen lassen. Er will unter anderem damit Menschen ins Gespräch und in die sich wandelnde Natur bringen.





    Carpe diem




    Auf der anderen Kanalseite fliegt auf dem ehemaligen Kohlenbunker die Skulptur "Ring Bell- the solar orchestra and the wind structures" des Künstlers Tomás Saraceno. Der 13 Meter breite Flugdrache - das Ding fliegt wirklich - soll dem Betrachter neue Räume eröffnen und Visionen und Utopien von der Zukunft anregen. Den Aufstieg auf den Kohlenbunker haben wir uns (leider) gespart.



    An einen ganz anderen, aber nicht weniger begnadeten Künstler erinnerte mich wenige Kilometer weiter dieses Hinweisschild. "Ich habe nie eine Torchance überhastet vergeben. Lieber habe ich sie vertändelt."



    Unvergessen die Rote Karte, die der Kultfußballer „Ente“ Lippens einmal erhalten hatte. Der Schiedsrichter zeigt ihm Gelb mit den Worten „Ich verwarne Ihnen!“ Darauf der Holländer Willi Lippens: „Ich danke Sie!“ - Konsequenz, Rote Karte.


    Aber wer glaubt, wir hätten uns hier zu einem Päuschen nieder gelassen, der kennt meine "Bergziege" nicht (Rote Karte).



    Ach ja, was ich fast vergessen hätte, wir befinden uns „Mitten im Pott“!




    Fortsetzung folgt …

  • Du zeigst uns sehr schön, wie sich der Wandel im Ruhrgebiet vollzieht.


    Da meine Schwester in Bochum studierte kenn ich auch das Aussehen der Region aus den siebziger Jahren.


    Klaus, nicht nur Du benötigst eine Bergziege um vorwärts zu kommen.


    Zitat von vadda

    Rote Karte


    Bei der aktuellen Tour de France fehlt vielen dieses Vorbild.


    Freu Dich - an ihrer Seite kommst Du voran.

    [COLOR="#0000CD"]Entdecke die Welt, wie einst Captain Cook, Baedeker oder Marco Polo[/COLOR]


    Carpe Diem Annette und Hartmut


    [COLOR="#008080"]Wissen schafft Wissen - jeden Tag entsteht neues Wissen![/COLOR]

  • Ich habe noch nie eine so spannende, facettenreiche Radroute gesehen.

    Bei soviel abwechslungsreichen Eindrücken würde selbst ich, das ständige „Aua-Aua“ beim Sitzen auf dem Folterinstrument Sattel, besser überstehen.


    Was hat doch das Ruhrgebiet für beeindruckende Ausflugsziele und Sehenswürdigkeiten!


    Danke Klaus, dass Du uns diese wohl einzigartige Themenroute gezeigt hast.


    Liebe Grüsse
    Gabi

  • Hartmut: Wenn Irmgard mir nicht manchmal sinnbildlich in den Allerwertesten treten würde, bekäme ich denselben wohl auch nicht hoch. :14:


    @Dieter: Das Ruhrgebiet ist ein wahrer "Luftkurtort". ,btz, Wenn wir Ende der 70er von Süden kamen, sahen wir schon ab Lüdenscheid eine gelbliche Dunstglocke. In den 50ern konntest du draußen auch keine weiße Wäsche aufhängen. All das gehört aber längst der Vergangenheit an. Das mittlerweile zwar perforierte Klischee wird sich aber leider wohl noch lange halten.


    @Gabi: Mit einer guten Radlerhose ist der Sattel kein Folterinstrument, Albert wird es dir bestimmt bestätigen.


    Habt Dank für eure Kommentare, ich will dann mal weiter machen.


    Gruß,
    Klaus

  • Diesen Ausblick genossen wir auf der „Halde Prosperstraße“ in Bottrop. Links die Veltins-Arena und ganz rechts im Hintergrund das Horizontobservatorium auf der Halde im „Landschaftspark Hoheward“, den ich hier schon einmal vorgestellt hatte.




    Auf dieser Bergehalde befindest sich das alpincenter Bottrop mit der längsten Skihalle der Welt, einem Klettergarten, Sommerrodelbahn und vielem mehr. Wie auch zum Beispiel dem höchsten Biergarten des Ruhrgebietes. Sollte man eine Radltour hierher planen, macht es nicht wie ich - montags geschlossen!




    Die benachbarte „Halde Beckstraße“ krönt der fast 60 Meter hohe Tetraeder, der von Wolfgang Christ entworfen und 1994 als erste Landmarke auf einer Bergehalde erbaut wurde. Von dort ist die Aussicht über das Ruhrgebiet noch besser, wie wir vor einigen Jahren gesehen hatten. Dieses Mal haben wir uns den Aufstieg gespart.




    In Oberhausen erreichten wir Burg Vondern, Im Jahr 1266 erstmals urkundlich erwähnt. Das Burgfräulein fuhr voraus und begab sich sofort …




    … unter den Schutz des sagenumwobenen grünen Ritters.





    Wenige Meter weiter in der Bergarbeitersiedlung Vondern liegt die Verkaufsanstalt IV der Gutehoffnungshütte. In dieser Filiale des Hüttenkonsums konnten die Belegschaftsmitglieder der Zeche Vondern preiswert Lebensmittel, Haushaltswaren und mehr erstehen. Am Jahresende wurden den Kunden der erwirtschaftete Überschuss ausgezahlt.




    Und dann war es da, das eigentliche Ziel unserer Fahrradtour. Unweit des Gasometers in Oberhausen, wo z. Zt. CHRISTO mit seiner „Big Air Package“ die größte Innenraumskluptur der Welt präsentiert (wie alle Biergärten auch montags geschlossen) …



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    … steht er, der „Zauberlehrling“. Endlich frei von Lasten, wie Atommüll, CO2-Ausstoß und vielen anderen Dingen.



    Die Zeichen einer Wende? Das Netz wird wohl umgerüstet und die ersten Strommasten sind "ausgebüchst" und in die Freiheit geflüchtet. Mit unbändiger Energie tanzen sie ohne verbindende Leitungen in der und für die Natur.


    In Zeiten von Klimawandel und Energiewende werfen sie auf jeden Fall neue Fragen nach der Zukunft auf. Aber Erinnerungen an eine glorreiche Vergangenheit werden nicht verschwiegen.



    Oder ist es vielleicht der Geist aus Goethes "Zauberlehrling", der dem Lehrling seinen Gehorsam verweigert?
    Dieser von der Berliner Künstlergruppe „Inges Idee“ entworfene Freileitungsmast ist auch eine Umrundung wert. Je nach Blickwinkel verändert sich seine Gestalt, so dass die „Bewegungen“ fast real wirken - faszinierend (hätte ich doch noch ein paar Bilder mehr geschossen).


    Nach diesem Höhepunkt machten wir uns auf den Rück(um)weg. Er führte uns durch die Innenstadt von Bottrop und vorbei an verschiedenen Energieerzeugern …




    … zum Schloss Westerholt.




    Ein Bummel durch das Dorf Westerholt, das mit seiner am 19. Dezember 2008 stillgelegten Zeche Westerholt zur Stadt Herten gehört.








    Auf der Weiterfahrt gab es dann an der ehemaligen Zeche Ewald endlich die heißersehnte Rast.




    Sowohl der Akku-Ladezustand unserer E-Bikes von noch fast 40% als auch der Zustand unseres körperinternen Akkus, den wir ja jetzt wieder aufgeladen hatten, erlaubte uns noch die Fahrt auf die Hoheward-Halde, wo wir den abendlichen Ausblick über den „Pott“ genießen konnten.






    Daheim unser Fazit: Mit dieser 9-stündigen und 89,3 Kilometer langen Fahrt mit 571 Metern Anstieg hatten wir einen herrlichen Tag erlebt. Die E-Bikes bewähren sich, so dass wir auch ruhig weiter entfernte Ziele in Angriff nehmen könnten (allerdings sollte ich dann nicht ständig vom Rad steigen, um Fotos zu machen). Und sollten es Gesundheit und Zeit erlauben, werden wir das auch in den nächsten Wochen tun.


    Herzliche Grüße aus dem „Kohlenpott“,
    Irmgard und Klaus

  • Hallo Klaus,


    es ist unglaublich, wie viele Facetten der "Pott" hat, Kunst, Kultur, Burgen, Schlösser, Fachwerkhäuser, dazwischen doch mal ein "rauchender Schlot" (um alte Klischees zu bedienen ;) ) und wunderschöne Landschaften.


    Hat mir sehr gut gefallen Eure Tour, gut, daß Deine Bergziege Irmgard so hartnäckig ist und Dich dazu bewegen kann die Ausflüge mitzumachen, so kommen auch wir in den Genuss Deiner schönen Berichte.


    Vielen Dank fürs Mitnehmen :)

    :blume17: Grüssle von Sylvi


    Nicht woher der Wind weht, sondern wie man die Segel setzt, darauf kommt es an!

  • Das , lieber Klaus,


    ist schon ein fantastischer Ausschnitt aus einer bisher anders wahrgenommenen Welt im Ruhrpott. Sicher, du hast uns schon herrliche Berichte darüber gezeigt, aber so umfassend wird es erst durch diese lange Radl Tour.


    Auch wirst du gemerkt haben, dass selbst "bestes durchhangenes Sitzfleisch" an seine Grenzen kommt, bei diesen ausgiebigen langen Fahrten .


    Es freut mich sehr, dass auch durchtrainierte Sportliche Gefallen an den Pedelec Reisen gewonnen haben.


    Da steht einer ausführlichen Bergfahrt auf Almen ( wenn es mal 6 km richtig aufwärts geht) wohl nichts mehr im Wege. Wenn nicht gerade mal 15-20% anliegen,
    hat man eben mit diesen Pedelecs einfach mehr Genuss, die Gegend zu betrachten. (aber an Reserve Akku denken)


    Herzlichen Dank für die ausführliche Einsicht in die Veränderungen einer bisher so stark geprägten Industrie Landschaft, das offensichtlich nicht nur mit der Anlage von Radlwegen eine gewaltige Umstrukturierung erfahren hat.


    Nun steht wohl bald einer echten Bergfahrt , wie es sich für Irmgard gehört, nichts mehr im Wege, nach dem Motto; Immer weiter, immer weiter.


    Ganz lieben Gruß
    Helmut

  • hallo vadda,


    vielen dank für deine beiden tollen berichte mit bekannterweise klasse bildern einer gegend, die ich so nicht kenne.


    als gebürtiger allgäuer entlockte es mir bisher eher ein mitleidiges lächeln, wenn jemand behauptet hat, aus dem pott zu kommen. "der arme" oder so ähnlich dachte ich oder sprach es oftmals sogar aus. deine berichte zeigen mir jedoch, daß man da durchaus seine freizeit sehr abwechslungsreich verbringen kann. ich glaube nur, mit der von mir oft geschätzten einsamkeit in der natur dürfte es da nicht so ganz klappen.


    in erwartung weiterer einblicke aus deiner heimat sagt noch mal danke


    jürgen

  • Was mir ganz besonders auffällt und gefällt ist, wie gut es gelungen ist, Natur und Industriedenkmäler ( und neue Kunst!) harmonisch zu einer ganz neuen Landschaft zu verbinden und lebenswerten Raum zu schaffen.
    Da wird kaum etwas versteckt - der ehmalige "Pott" steht zu seiner Vergangenheit.


    Ich hätte das nie geglaubt - aber Deine Bericht und Bilder, Klaus, überzeugen mich.


    Übrigens: Wenn Bergziege es mal übertreiben will mit den Strecken - mach doch einfach den Vorschlag, dass Du mit dem E Bike, Irmgard mit dem normalem Trekkingrad fährt...
    Andererseits ergeben die vielen ( notwendigen ) Fotopausen ja genügend Gründe für Päuschen.


    Bin auf weitere Eindrücke aus Eurer Gegend gespannt!


    Liebe Grüße,
    Elke

  • ... als gebürtiger allgäuer entlockte es mir bisher eher ein mitleidiges lächeln, wenn jemand behauptet hat, aus dem pott zu kommen. "der arme" oder so ähnlich dachte ich oder sprach es oftmals sogar aus. deine berichte zeigen mir jedoch, daß man da durchaus seine freizeit sehr abwechslungsreich verbringen kann. ich glaube nur, mit der von mir oft geschätzten einsamkeit in der natur dürfte es da nicht so ganz klappen ...


    Hallo Jürgen,


    Gott sei Dank denken viele so wie du. :14w: Wegen unserer Natur kommt kaum jemand ins Ruhrgebiet, sondern nur wegen der unzähligen Veranstaltungen, der Kunst, der Museen etc. in überschaubarem Raum. Das hat für uns natürlich einen riesigen Vorteil: Es wuseln keine Touris in der Natur herum. :grin: Gestern bin ich über mehrere Stunden durch unseren über 1.000 Quadratkilometern großen Naturpark Hohe Mark (ich hatte hier berichtet) gefahren, bin lediglich einem Radfahrer und zwei wandernden Frauen begegnet. Also Einsamkeit in der Natur findet man hier.


    Zitat von ELMA

    ...Übrigens: Wenn Bergziege es mal übertreiben will mit den Strecken - mach doch einfach den Vorschlag, dass Du mit dem E Bike, Irmgard mit dem normalem Trekkingrad fährt...


    Irmgard ist mit deinem Vorschlag nicht einverstanden, Elke. Auch sie weiß mittlerweile die Unterstützung der Muskeln zu schätzen.


    Vielen Dank für eure positiven Kommentare!


    Herzliche Grüße,
    Klaus

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