Mord am Grenzübergang Achleiten
Als ich auf der Rückfahrt von Ungarn nach der Übernachtung am Jochenstein die Reise entlang der Donau fortsetzte entdeckte ich auf der rechten Straßenseite, direkt am Donauufer eine Nepomukstatue.
Darüber werde ich im Thema Sankt Nepomuk berichten.
Beim Fotografieren bemerkte ich auf der anderen Straßenseite einen Gedenkstein.
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Was steht denn da auf der Gedenktafel?
Wow! Erschossene Grenzsoldaten? Gibts denn sowas im Europa ohne Grenzen?
Ach so. Das war ja schon 1978. Zu der Zeit fuhr ich diese Strecke noch regelmäßig. Mir ist damals aber nichts aufgefallen und von einem Mord an Grenzsoldaten hatte ich auch nichts mitbekommen.
Das ließ mir keine Ruhe und ich bin bei meiner Suche im Internet auf einen Artikel im Stadtarchiv von Passau gestoßen.
Zitat von Stadtarchiv PassauAlles anzeigenWo der Schlagbaum der Zapfsäule Platz machte
Im 14. Teil der Serie war der PNP-Grenzgänger ein Grenzsteher: Beobachtungen und Plaudereien am Zollamt Achleiten
Einen Einblick in das verlassene Dienstgebäude der 1998 aufgelösten Bayerischen Grenzpolizei und des Zolls verschaffte sich als Grenzgänger PNP-Redakteur Thomas Seider.
Grenzgehen? Nicht ganz. Mehr Grenzstehen. Wie es eben früher auch war am Grenzübergang Achleiten, als er noch ein richtiger Grenzübergang war mit Schlagbaum, Kontrolle und Beamten. Da sind die Grenzer auch mehr gestanden als herumspaziert. Denn für Müßiggang war keine Zeit, jedenfalls nicht bis zum Jahr 1983. Dann wurde die Autobahn geöffnet, und am Übergang Achleiten wurde es ruhig. Aber vorher: "Da waren wir der bedeutendste Übergang in Ostbayern", sagt Werner Gugger. Er ist einer der Männer, die beurteilen können, was in Achleiten los war.
Erster Polizeihauptkommissar Gugger ist im Ruhestand, seit Juni erst. Aber so ganz hat er das Polizist-, das Grenzer-Sein nicht abgelegt. "Was hamm S’ denn für ein Kennzeichen?", hat er mich am Telefon gefragt, als wir uns für ein Stünderl Grenzstehen in Achleiten verabredet haben. Gleich ist mir durch den Kopf geschossen: Stimmt mit meinem Auto alles - Kfz-Schein dabei, das Zeug im Erste-Hilfe-Kasten noch nicht abgelaufen, TÜV und AU drauf? Vielleicht kontrolliert er mich ja.
Ein Grenzer plaudert aus dem Nähkästchen
"Ob was nicht stimmt, das sieht man einem an. Da braucht es Gespür und Eigeninitiative", plaudert Gugger aus dem Nähkästchen, als wir an der Straße gegenüber des früheren Zollamts stehen. Von 1968 bis 1981 war er Dienstgruppenleiter in Achleiten und 1998, als die Grenzpolizei aufgelöst und Achleiten aufgegeben wurde, kam er seiner alten Wirkungsstätte wieder ganz nahe: Als Chef der Schleierfahnder zählte dann das Hinterland von Achleiten zu seinem Revier.
Das einstige Dienstgebäude hat bessere Tage gesehen. Auch die österreichischen Kollegen nutzen es seit einigen Jahren nicht mehr, es steht leer. Die Jalousien hängen herunter, an der Fassade sind Platten zerbrochen. "Bayerische Grenzpolizei" steht in Metallbuchstaben noch an den Türen auf der deutschen Seite, auf der österreichischen ist auf Aufklebern "Zollwachabteilung Achleiten" und "bitte läuten" zu lesen. Das Läuten kann man sich sparen. Hier öffnet niemand mehr. "Ein Schandfleck", nennt Werner Gugger das Gebäude, in dem er sein halbes Berufsleben verbracht hat.
Der schlimme Tag im Mai 1978
"Wenn ich Achleiten sehe, werde ich wehmütig", sagt Gugger. Aber das hat weniger mit dem Niedergang des Grenzübergangs zu tun. Sondern mit einem Vorfall, der sich am 26. Mai 1978 um 17 Uhr zugetragen hat. Ein Kollege hielt einen Renault mit Wiener Kennzeichen bei der Ausreise nach Österreich an. Der Fahrer hat keinen Führerschein dabei. Plötzlich gibt er Gas und flüchtet Richtung Linz. Der bayerische Grenzer ruft seinen Dienstgruppenleiter, eben Werner Gugger. Zwei österreichische Zollwachbeamte nehmen als erste die Verfolgung auf. Sie heißen Johann Haas und Josef Kaspar. Ihre Namen stehen heute auf einer Tafel unterhalb der Burg Krempelstein.
An dieser Stelle haben die beiden österreichischen Kollegen den Renault eingeholt. Als nächste treffen einige Minuten darauf in einem zweiten Wagen ein österreichischer Gendarm, der bayerische Beamte, der nach dem Führerschein gefragt hatte, und Werner Gugger ein. Die drei finden Haas und Kaspar nebeneinander tot in der Wiese liegen. Die beiden hatten die zwei Männer aus dem Renault als nicht so gefährlich eingeschätzt, wie sie tatsächlich waren.
Es handelte sich um bewaffnete Wiener Berufsgangster, die tags zuvor in Holland einen Raubmord verübt hatten. Sie legten den 32- und 28-jährigen Beamten einen Hinterhalt und ermordeten sie durch Genickschüsse.
Die Mörder werden einige Stunden später gestellt. Beim Feuergefecht mit der Polizei kommt einer ums Leben. Der andere wird zu Lebenslänglich verurteilt. Keine zehn Jahre später wird er wieder auf freiem Fuß gesehen. "Sie können sich vorstellen, was ich davon halte", sagt Werner Gugger. Der Tag im Mai veränderte den Alltag in Achleiten: "Wir hatten oft mit gesuchten Straftätern zu tun. Aber das so etwas passiert, das hätte niemand geglaubt."
Die Schilderung des altgedienten Polizisten vermittelt, dass für die Grenzer bis heute ein dunkler Schatten über Achleiten schwebt. "Wenn ich sehe, wie die Leute hier alle ohne Kontrolle durchfahren, die beiden Kollegen aber wegen des Kontrollierens mit ihrem Leben bezahlt haben...", grübelt der einstige Grenzer.
In der Tankstelle hört das Kassen-Klingeln nie auf
Durchfahren. Genau genommen fahren nicht alle durch, sondern vielleicht jeder Zweite. Die anderen bleiben sehr wohl stehen in Achleiten, aber nicht zum Ausweis-Herzeigen, sondern zum Tanken. Dafür ist Achleiten seit Dezember 2003 da. Die Frage nach dem Geschäftsverlauf beantwortet Tankstellen-Inhaber Reinhold Klaffenböck mit einem äußerst zufriedenen Lächeln. Ja, die Hoffnungen hätten sich durchaus erfüllt, sagt er. Über 1000 Autos am Tag würden mit dem günstigeren österreichischen Sprit befüllt. Macht überschlägig im Jahr 18 Millionen Liter Absatz, was das Lächeln hinreichend erklärt.
"Die Leute sind froh, dass es uns gibt. Sie müssen sparen - man merkt, die wirtschaftliche Lage ist nicht so gut", analysiert der Tankstellen-Betreiber seine Kundschaft - unterbrochen von deren Ansagen "Grüß Gott, fünf", "an Zwoarer", "am Siebner war i". Und wenn sich das Spritpreisgefälle wieder einmal umkehrt? "Dann sperr i zua", sagt Klaffenböck. Wie das Zollamt. Zusperren hat in Achleiten Tradition, seit die Grenzen aufgesperrt sind.von Thomas Seider
Eine schreckliche Geschichte die da passiert ist. Sie hat mich jetzt noch berührt.
waldi