HR: Das Zementwerk Koromacno an der Ostküste Istriens

  • Da ich mich mehrere Male im Jahr in Istrien aufhalte, ist es mir oft zu öde, nur am Strand zu liegen. Da kam es mir und meiner Angelika gerade recht, als unser Freund Branco vorschlug, den Tag der offenen Tür des Zementwerks in Koromacno an der Ostküste von Istrien für einen Besuch dieser Anlage im Mai 2012 zu nutzen.



    Vorweg gesagt: Von der eigentlichen Zementproduktion haben wir wenig gesehen. Dies ist auch kein Wunder, weil die Zementproduktion ja überall gleich abläuft. Kalk wird zerkleinert und in einem rotierenden Ofen gebrannt. Der Ofen wird meist mit Gas, oft auch durch die Verbrennung von Altreifen befeuert. So wird es auch hier in Istrien sein. Genaueres hierzu konnten wir allerdings nicht in Erfahrung bringen. Auch kann ich Euch nicht sagen, wie viele Arbeitsplätze hier vorhanden sind.




    Anlaß für den Tag der offenen Tür war das 100jährige Jubiläum der Firma Holcim, einem weltweit tätigen Baustoffkonzern mit Sitz in der Schweiz und mehr als 21 MRD CHF Umsatz.. Gleichzeitig gab es das 20jährige Jubiläum der Privatisierung des istrianischen Zementwerks zu feiern. Holcim produziert vor allem Zement, Beton und andere Baustoffe in mehr als 70 Ländern der Welt. Bekanntester Aktionär des Unternehmens ist die Familie Schmidheiny aus der Schweiz.



    Wie ich von Angestellten vor Ort erfahren habe, sind die meisten mit ihrem Arbeitsplatz Koromacno zufrieden. Die Löhne liegen über dem Landesdurchschnitt. Die nebenan befindlichen Werkswohnungen wurden in der Vergangenheit alle überwiegend an die Mieter veräußert. Teilweise wurden dann Renovierungen durchgeführt.



    Das Zementwerk in Koromacno ist eine Gründung aus dem Jahr 1912, also zu einer Zeit, als die Donaumonarchie hier herrschte. Damals nannte man den Ort Valmazzinghi.


    Unsere Besichtigung begann mit einem Essen. Es gab Girice mit Salat, Brot und Getränken.



    Anschließend wurden wir mit dem Bus ins Gelände des Abbaugebiet des Kalkgesteins gefahren.




    Direkt hinter der Industrieanlage wird der Berg angeknabbert.



    Ziel der Verantwortlichen war, uns die Renaturierung der geschundenen Landschaft vorzuführen. Stolz präsentierte man uns 100 neu gepflanzte Olivenbäume.





    Diese Kapelle befindet sich ausserhalb des umzäunten Geländes.



    So ganz nebenbei haben wir erfahren, dass die Tage des Werks in Koromacno eh gezählt sind. Anscheinend ist die Zementproduktion hier nicht mehr rentabel, weil bis etwa 2020 das Werk geschlossen werden soll. Was danach aus dem Gelände werden soll, kann ich mir denken. Zusperren und der Natur überlassen, so wie es mit den vielen Bergwerken im benachbarten Labin vor Jahrzehnten geschehen ist.



    Diese Tafel am Eingang gibt über die Zahl der Tage seit dem letzten Betriebsunfall im Werk und in den anderen Werken in Kroatien Auskunft.



    Ein Kompressor aus dem Jahr 1926 dient als Ausstellungsstück.



    Der produzierte Zement wird sowohl in Säcke abgefüllt als auch lose in Silo-Lkw abtransportiert. Die Siloware geht im allgemeinen direkt an Betonwerke, wogegen die Sackware an den Baustoffhandel verkauft wird.



    Statt einem Sack Zement erhielt jeder Besucher eine kleine Flasche istrianisches Olivenöl als Abschiedsgeschenk. Eine nette Geste, wie ich meine.


    Im Anschluß an die Besichtigung des Werkes haben wir zu dritt noch eine kleine Wanderung von der Arbeitersiedlung zum Campingplatz Tunarica unternommen. Einen Bericht darüber findet ihr hier:


    https://www.schoener-reisen.at/forum/showthread.php?3746-HR-Wanderung-von-Koromacno-nach-Tunarica-an-Istriens-Ostküste&highlight=tunarica


    Ich hoffe, dieser Ausflug abseits der ausgetretenen Touristenpfade hat Euch etwas Spaß gemacht.


    Jürgen

  • Jürgen, das ist wieder ein Bericht, der über ein Land mehr sagt als bunte Prospekte.
    Danke, dass Du die Gelegenheit genutzt hast und das Werk besucht hast.


    Wie oft habe ich schon Abfälliges über Koromacno gelesen- dass es wichtige Arbeitplätze für etliche Kroaten sind, steht oft im Hintergrund.
    Wenn ich jedoch lese, dass für die Befeuerung vermutlich auch Altreifen hergenommen werdne, so macht mich das nachdenklich. Aber das liegt u.a. an den Maßstäben durch die wir bei uns geprägt sind.
    Kroatien ist halt ( noch) anders. Dass allerdings ein Schweizer Konzern hinter dem Werk steht, hat mich erstaunt.


    Deine Vermutungen für die Zukunft ( Still-legung und anschließende Verwahrlosung) sind nicht positiv.
    Aber wer weiß, was 2020 sein wird...


    Danke für diesen Bericht!


    Gruß,
    Elke

  • ...Wenn ich jedoch lese, dass für die Befeuerung vermutlich auch Altreifen hergenommen werdne, so macht mich das nachdenklich. Aber das liegt u.a. an den Maßstäben durch die wir bei uns geprägt sind...Deine Vermutungen für die Zukunft ( Still-legung und anschließende Verwahrlosung) sind nicht positiv.
    Aber wer weiß, was 2020 sein wird...


    hallo elke,


    danke erst einmal für dein lob. klar, der besuch eines zementwerks steht nicht unbedingt auf der liste der sehenswürdigkeiten eines kroatien-urlaubers. bei mir ist das ja anders, weil ich gottlob mehrere male im jahr in diesem land weilen darf.


    ich kannte das werk bisher nur vom vorbeifahren und von der ferne. selbst aus liznjan oder einem großteil der westküste von cres kann man den verletzten bergrücken und die bauten sehen. koromacno ist jedoch tatsächlich ein bedeutender arbeitgeber der region. ob dies einfluß auf eventuell lasche umweltauflagen hat, kann ich als aussenstehender nicht sagen.


    zum thema altreifen habe ich nur eine vermutung geäußert. berge von reifen habe ich jedenfalls nicht auf dem gelände gesehen, wobei mein einblick in die anlage ja im rahmen einer werbeveranstaltung war. in deutschland wird mit altreifen ein riesengeschäft gemacht. beim neukauf von reifen mußt du die "entsorgung" bezahlen. die zementindustrie bekommt die dinger dann als kostenlosen brennstoff und eine subvention dazu. nach dem verbrennen bleibt hochwertiger stahl aus der karkasse übrig, der dann wiederum von der zementindustrie verkauft wird. so spart das zementwerk teuren brennstoff ein und entsorgt einen sondermüll. der verbraucher zahlt. vermutlich ist dies die wirtschaftlichste und vielleicht auch ökologisch sinnvollste entsorgung. wer einen autohändler näher kennt, wird wissen, daß diese ständig von ausländischen händlern aufgesucht werden, die gratis abgefahrene reifen abholen und ins ausland verkaufen. diese mengen sind jedoch zu vernachlässigen.


    zum absehbaren ende der industrieanlage habe ich ehrlich gesagt bis auf den ungefähren zeitraum keine erkenntnisse. jedenfalls wird es nicht einfach sein, vergleichbare ganzjährige arbeitsplätze in dieser einseitig auf den sommertourismus ausgelegten region neu zu schaffen. ich glaube auch nicht, daß der konzern holcim eine einmal getroffene eintscheidung über den haufen wirft und die anlage modernisiert und weiterbetreibt. "that s business"!


    grüsse


    jürgen

  • Hallo Jürgen


    Zu deinem klasse Bericht über eine zu unrecht verschmähte Ecke von Istrien habe ich auch noch ein Foto, es zeigt den kleinen Strand neben dem Verladehafen:



    Viele Grüsse
    Viktor

  • Wieder mal ein echter Jürgen.


    Immer auch interessiert hinter die "Kulissen" sehen und uns aber auch berichten.


    Du hast natürlich recht, ich käme z.B. nie auf den Gedanken dort hin zu fahren in der "Urlaubszeit".


    Klasse Bericht mit vielen Hintergrund Informationen.


    Hättest eigentlich Journalist werden können, lach.


    Vielen Dank für den aufwändigen Bericht.


    Lieben Gruß
    Helmut

  • ...Hättest eigentlich Journalist werden können...


    hallo helmut,


    im weitesten sinne bin ich das ja. ich recherchiere fakten, fakten, fakten wie helmut markwort zu sagen pflegt. nur steht das dann nicht in der zeitung. :24:


    im übrigen habe ich noch ein paar bilder der region, die für einen weiteren bericht reichen, der sich abermals mit einem wirtschaftsthema befasst. mal sehen, ob es demnächst einen regnerischen abend mit doofem fernsehprogramm gibt und ich die zeit dazu finde.


    grüsse nach istrien - sehen wir uns dort ende nächster woche noch? deinen vermieter werde ich eh aufsuchen.


    jürgen

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