3. Teil Südvietnam
Um die Mittagszeit landen wir in Saigon und werden mit schönem Wetter begrüßt.
Es ist sonnig und verdammt schwülheiß.
Jubelstimmung! - Alle sind überglücklich, nach dem Regen-Intermezzo in Vietnams Mitte.
Seit 1976 heißt Saigon offiziell Ho Chi Minh Stadt. Auf unserer Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt erklärt uns Thang, dass die Einwohner ihre Stadt nach wie vor lieber Saigon nennen. Es ist kürzer und hat ein schöneres Klangbild. Nur bei behördlichen Dingen müssen sie die neue Bezeichnung Ho Chi Minh City, oder kurz HCMC verwenden.
Offiziell hat Saigon über 7 Millionen gemeldete Einwohner. Wie viele es tatsächlich sind weiß keiner aber man vermutet, dass es 10 Millionen und mehr sein könnten.
Unsere erste Station ist der Binh Tay Markt. Ein zentraler Großhandelsmarkt der alle bisher gesehenen Märkte an Größe in den Schatten stellt und ein Frontal-Angriff auf die Sinne ist. Wir wagen uns in die „Höhle des Löwen“. Hier gibt es alles zu kaufen, was man sich vorstellen kann (Fisch, Obst, Gemüse, Blumen, Gewürze, Chinesische Medikamente, Haushaltwaren, Bekleidung u.u.u.)
Die Gänge sind so schmal, dass kaum zwei Leute nebeneinander laufen können. Ein Stand gequetscht am anderen mit überquellenden Regalen. Ein Wirrwarr an Waren vom Boden bis unter die Decke.
Bei dem Menschengewühl, welches sich durch das verschachtelte Gebäude bewegt, findet man keine ideale Perspektive, um das geschäftige Treiben richtig einzufangen.
Saigon bietet das Kontrastprogramm einer Großstadt. Sie besitzt finstere Viertel mit tristen, ärmlichen Häusern, mit von Unrat verschmutzten Ecken und offenen Abwasserkanälen.
Sie verfügt aber auch über Hochhaus-Wohnkomplexe mit Shopping-Centern und als besonderes Highlight eine gepflegte Innenstadt mit luxuriösen Hotels, breiten Boulevards und eleganten Designer-Läden.
Sie ist voller Energie und scheint aus allen Nähten zu platzen. Und dieser Verkehr!!!
Wir erinnern uns an Thangs Worte, als wir fassungslos das Treiben auf Hanois Straßen bestaunten: „Das ist nichts im Vergleich zum Saigoner Verkehr!“
Foto von Postkarte gescannt
Die Stadt der Superlative zeigt uns ihre Steigerungsfähigkeit in Form einer Motorrad-Invasion unvorstellbaren Ausmaßes die sich ihren Weg bahnt und die Straßen der Megacity flutet. Wir haben den Eindruck, dass gerade mindestens die Hälfte der 10 Millionen Einwohner Saigons hasardeurmäßig auf zwei dröhnenden Rädern unterwegs ist. - Man möchte sich nicht vorstellen, wenn irgendwann mal daraus vier Räder werden.
Vielleicht sind ja jemandem die bis auf die Augen verhüllten Gesichter gerade junger Frauen aufgefallen!? Das ist nicht etwa Überbleibsel der Vogelgrippe, sondern dient zum einen als Schutz vor Straßenstaub und noch wesentlicher als Abschirmung vor der Sonne. „Miss Saigon“ möchte unter keinen Umständen braun werden. Es gilt, je heller der Teint, umso vornehmer, desto eher findet Frau ihren Mann.
Inmitten des modernen Livestyle kann man sich nur schwer vorstellen, dass noch die Urgroßmutter der heutigen Saigonerin zum Gebären in den Wald geschickt wurde, weil es ungebührlich war, ein Kind im Haus auf die Welt zu bringen. - Rätselhaftes Vietnam!
Wir besichtigen die ansprechende Innenstadt mit ihren meist im französischen Kolonialstil erbauten Gebäuden. Kultiviert, herausgeputzt und wie selbstverständlich präsentieren sich diese atypischen Stücke und Relikte der westlichen Vorherrschaft, einst gestrandet und heute untrennbar verbunden mit dem Stadtbild Saigons.
Kathedrale Notre Dame ein christlicher Sakralbau, der in jüngerer Zeit, zwischen 1977 und 1983 erbaut wurde.
Hauptpostamt Kolonialbau aus dem 19. Jahrhundert
Das frühere Rathaus von Saigon, das "Hotel de Ville" ist ein 1906 im französischen Kolonialstil errichteter üppiger Bau davor die Statue von Ho Chi Minh. Das Gebäude ist vor allem nachts ein beliebtes Fotomotiv.
Palast der Wiedervereinigung
1975 wurde die ehemalige strategische Militäranlage der US-Armee von den Vietkong mit zwei Panzern gestürmt, während die letzten Amerikaner die Botschaft mit einem Hubschrauber verließen.
Das berühmte Rex-Hotel, die ehemalige Nachrichtenzentrale
Das Opernhaus, von Frankreich inspiriert wurde um die Jahrhundertwende erbaut.
Wir besuchen das Kriegsmuseum, das sich mit dem blutigsten Kapitel des Landes, dem Vietnamkrieg befasst. Die wenigsten sind davon begeistert, aber auch dieses schmerzliche Ereignis ist Bestandteil der Geschichte und gehört zum Programm.
Im Außenbereich sind militärische Fahrzeuge wie Panzer und Hubschrauber sowie Bomben und Waffen ausgestellt.
Ein Plakat vergleicht die drei Kriege, 2. Weltkrieg, Koreakrieg und Vietnamkrieg miteinander in Dauer, Truppenstärke, Bomben-Tonnagen, Kosten und Gefallenen.
Eine Kampf-Ansage von Curtis Le May, General der US-Luftwaffe
Weltweite Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg hier Hamburg und Wien
Im Inneren befindet sich eine Fotoausstellung. Sie zeigt Folterungen und Massaker, Zerstörung von Dörfern und Vernichtung von Landschaften, verwundete, verstümmelte, sterbende Soldaten auf beiden Seiten sowie Gewalttaten und Abscheulichkeiten gegenüber der Zivilbevölkerung. - Schrecken, Leid und Gräuel festgehalten auf gestochen scharfen schwarzweiß Fotos. Die Grausamkeiten, mit denen wir hier konfrontiert werden machen fassungslos und wir fragen uns, wie abgestumpft muss man sein, um solch ein Elend aus der Nähe überhaupt fotografieren zu können.
In einem eigens eingerichteten Ausstellungsraum wird dann noch eins draufgesetzt mit den erschütternden und verstörenden Darstellungen missgebildeter Kinder aus den Kriegsfolgejahren.
Das katastrophale Vermächtnis von Agent Orange, Agent White und Agent Blue (nach der Farbe der Kanister), einem schädlichen Herbizid, welches 5 Jahre lang tonnenweise über Mangrovenwald und Ackerflächen versprüht wurde, um die Bäume zu entlauben und die Deckung der Vietcong zu zerstören, sowie dem Feind die Nahrungsgrundlagen zu entziehen. Der darin enthaltene Wirkstoff Dioxin ist so todbringend, dass 80 Gramm davon im Trinkwasser von New York die Stadtbevölkerung hinraffen würde.
Das hochgiftige Unkrautvernichtungsmittel richtete aber nicht nur nachhaltig die Natur des Landes zu Grunde (20.000 Quadratkilometer Wald und Agrarland gingen verloren), es traf bis zu 4,8 Millionen Vietnamesen mehr oder weniger direkt und schädigte deren Erbgut und auch das aller anderen die damit in Berührung kamen.
Wir können und wollen nichts mehr ansehen, geschweige denn Fotos davon machen und verlassen beklommen die Museumsräume.
Draußen erzählt uns Thang, dass diese Tragödie mit einer Halbwertzeit von 100 Jahren auch Generationen danach noch Spätfolgen hat. Es kommt weiterhin über Muttermilch und Nahrungsmittel zu schweren körperlichen Missbildungen bei Mensch und Tier, denn die Böden sind nach wie vor mit Dioxinen belastet. Daher wurden in den betroffenen Gebieten viele Eukalyptusbäume gepflanzt, die Pestizide besser als andere Pflanzen aus dem Erdreich absorbieren können, allerdings auch andere Baumarten und Nutzpflanzen aggressiv verdrängen.
Das ca. 40.000 Quadratkilometer große Mekong-Delta ist das drittgrößte Mündungsdelta weltweit. Nach 4.500 km teilt sich der Strom Mekong in 9 Mündungsarme und fließt ins Südchinesische Meer. Deshalb heißt der Mekong auch „Song Cuu Long“ Neun-Drachen-Fluss. Die neun gefächerten Wasserwege und die dazwischen angelegten Verbindungskanäle bringen es nochmal auf eine Länge von 6000 km. Sie sind außerdem sehr fischreich. Der umstrittene Süßwasserfisch Pangasius wird von hier in die Welt exportiert.
Foto von Postkarte gescannt
Das Leben spielt sich auf dem Wasser oder in der Nähe der fruchtbaren Ufer ab. Der vom Fluss transportierte Schlamm ist nicht nur ein natürliches und unerschöpfliches Düngemittel für Obst und Gemüse und vor allem Reis, er lässt das Delta jedes Jahr um 80 Meter weiter ins Südchinesische Meer wachsen. Die gigantisch große sumpfige Ebene ist heute die am dichtesten besiedelte Region und die Reiskammer Vietnams.
Reis ist die Lebensgrundlage Vietnams. Alle ernähren sich nicht nur davon, auch fast die Hälfte der vietnamesischen Bevölkerung verdient ihren Lebensunterhalt mit dieser Nutzpflanze. Sie ist eine der Haupteinnahmequellen des Landes. Bei 3 bis 4 Ernten pro Jahr können 7,5 Mio. Tonnen Reis exportiert werden. Nur Thailand exportiert noch mehr.
Die Reiskörner befinden sich in den hängenden Rispen. Wo Wasserbüffel sind, findet man auch die Kuhreiher. Leider werden immer weniger dieser Arbeitstiere beim Reisanbau eingesetzt und mehr und mehr von Maschinen abgelöst.
Wir machen einen Ausflug auf dem Ben Tre-Fluss, einem der 9 Arme des Deltas. Die Abermillionen Kokosnüsse, die hier wachsen werden Vorort verarbeitet oder über den Mekong abtransportiert.
Die Wasser-Kokosnusspalmen (genaue Bezeichnung ist nicht bekannt) an der Uferböschung bilden ein undurchdringliches Dickicht. An ihren verholzten Mehrfachstämmen hängen melonengroße Samenkapseln.
Wir machen Stopp bei einer Ziegelei. Die schwere Arbeit der Ziegelherstellung wird fast ausschließlich von Frauen verrichtet.
Viele Frauen der Region arbeiten in Kokosnuss-Fabriken. Wir besuchen eine kleine Fertigungsstelle von Kokosnuss-Bonbon und sehen bei der Herstellung zu. Sie rühren die klebrige Masse in Kesseln an, rollen sie aus, schneiden mundgerechte Stücke und verpacken sie.
Danach geht es mit Fahrrädern, welche auch diesmal kein High-Tech-Spielzeug sind durch Reisfelder und schöne Landschaften zum Mittagessen zu einer einheimischen Familie.
Es gibt gegrillten Elefantenohrfisch. Eine gewisse Ähnlichkeit kann man ihm nicht absprechen.
Endlich bekommen wir auch unseren schon lange eingeforderten Reisschnaps. Thang wollte ganz sicher gehen, damit wir uns nicht mit Methylalkohol vergiften. Hier ist absolute Vorsicht geboten, man sollte keinen selbst etikettierten Alkohol auf Märkten kaufen.
Die Rückfahrt mit dem Boot geht durch schmale Seitenarme des Flusses.
Am nächsten Tag soll es zu der berühmten Tunnel-Anlage von Cu Chi gehen. Auf dem Weg dahin säumen Kautschukbaum-Plantagen über Kilometer rechts und links die Straße.
65 Kilometer nordwestlich von Saigon liegt die berühmte Tunnelanlage von Cu Chi. Von hier aus operierte und kontrollierte der Vietcong in den 1960ern während des Vietnam-Krieges die ländlichen Gebiete um HCMS. In dem 250 Kilometer langen und bis zu 25 Meter tiefen, ausgeklügelten Tunnelsystem gab es Kommandozentralen, Waffenfabriken, Lager, Feldlazarette und Wohnbereiche.
Die Einstiegslöcher sind zum Teil so klein, dass wirklich nur ein schmaler Asiate hindurchpasst.
Links unten sieht man eine gut getarnte Falle mit tödlichem Innenleben.
Wie das heutige Verhältnis zu den Amerikanern ist, will jemand von Thang wissen.
„Die heutige vietnamesische Bevölkerung hegt keinen Groll mehr gegen die Amerikaner. Der Krieg hätte nur unter allen Umständen unterbunden werden müssen, dann wäre Vietnam heute fortschrittlicher und stünde wirtschaftlich besser da.“
Irgendjemand erwähnt, dass er gerne mal eine Maniok-Wurzel probieren möchte. Thang macht es möglich. Jeder der möchte darf kosten. Geschmacklich erinnert sie ein wenig an Kartoffeln.
Ungekocht ist sie giftig, daher wird sie 30 Minuten in ihrer Schale gegart. Dann lässt sich die Haut wie bei einer gekochten Roten Rübe ganz leicht mit den Händen runterziehen. Zu Kriegszeiten war sie ein überlebenswichtiges Lebensmittel. Heutzutage hat Maniok kein gutes Image und wird nur noch in den ärmeren Regionen des Landes gegessen.
Es folgt unser Transfer nach Mui Ne. Nach anstrengenden und mit Eindrücken überreichlich gespickten Besichtigungen freuen wir uns auf vier erholsame Tage in unserem Pandanus Strandhotel am Meer.
Bei meditativen Übungen des Tai Chi oder einer entspannenden Massage mit einer Lotion, welche die göttlichen Bezeichnung „Fruit-Body-Smoother“ hat und aus einem exotischen Mix aus Papaya, Ananas und Aloe Vera besteht, können wir uns vom absolvierten straffen Programm erholen und das Erlebte erst mal setzen lassen, bevor es in das vielleicht verschneite, weihnachtliche Deutschland zurück geht.
Hier endet unsere erlebnisreiche Vietnamtour..........
könnte man denken.....
Doch, Überraschung!!!
Kaum 24 Stunden nach Ankunft im Badeort Mui Ne packt uns schon wieder die Entdeckerlust. Denn das Faulenzen am Pool und Strand ist so gar nicht unser Ding.
Zumal das Meer sehr aufgewühlt ist und heftige Wellen den Strand überrollen. Schuld daran ist der Tropensturm Washi, der Mitte Dezember auf den Philippinen verheerend gewütet hatte.
Glücklicherweise hat die Umgebung noch Sehenswerte zu bieten:
Die weißen Dünen liegen ca. 25 Kilometer von Mui Ne entfernt.
Man kann sich ein Quad leihen um die Dünen zu erkunden und auf Straussen reiten. Wir bevorzugen es zu Fuß zu gehen und die Quälerei nicht noch zu unterstützen.
Mitten in den Sanddünen befindet sich ein kleiner See, wie eine Oase.
Ein Hochzeitspaar nutzt die Dünen für romantische Fotos. Die Frauen tragen statt weiß, rote Hochzeitskleider, denn rot bedeutet Glück und Reichtum.
Frühmorgens machen wir einen Besuch im kleinen Hafen von Mui Ne. Die Fischer kommen mit ihren Fängen der Nacht auf ihren geflochtenen Wasserkorb-Booten zurück. Kaum zu glauben, aber die runden Wassergefährte lassen sich tatsächlich steuern.
Im Hafen werden sie von ihren Frauen empfangen, die sogleich die Fische, Krebse und Muschel sortieren und dann entweder hier oder auf dem Markt zum Verkauf anbieten.
Die roten Dünen von Mui Ne haben eine besondere Anziehungskraft. Wenn abends die Sonne langsam versinkt, taucht sie die Sanddünen in ein rotschimmerndes Licht.
Wie ein Schattenbild heben sich die Personen vor der untergehenden Sonne ab.
Wir schließen unseren Reisebericht mit einer alten vietnamesischen Weisheit,
„Das Leben ist zu kurz, um schlechte Suppe zu essen.“
und interpretieren sie so: Die kostbare Lebenszeit sollte nicht mit unnötigen Dingen vergeudet werden.
Wir haben uns daran gehalten und jeden wenn auch noch so anstrengenden Tag in seiner einzigartigen Vielfalt ausgekostet, und sind dabei um viele großartige Erfahrungen reicher geworden.
Wie man unschwer erkennen konnte, duftet in Vietnam bestimmt nicht alles nach Jasmin und Sandelholz und es gibt einiges was hier im argen liegt, aber wir haben ein anziehendes Land mit sehr liebenswerten Menschen kennengelernt.
– Und wir haben tatsächlich nirgendwo in Vietnam eine schlechte Suppe gegessen.
Liebe Grüsse
Albert + Gabi
Hier noch ein paar Eindrücke in bewegten Bildern:
https://www.youtube.com/watch?v=q-9bQMhGVfQ