Von unseren Töchtern bekamen wir im letzten Jahr eine Zeltdachtour geschenkt.
Den Termin dafür konnten wir selber auswählen, mussten uns allerdings vorher telefonisch anmelden.
Treffpunkt war am 20.08.2010 um 14.30 h an der Stadionkasse Nord des Olympiastadions.
Hier werden wir von einem männlichen und einer weiblichen Führerin in Empfang genommen.
In einer Gruppe mit 12 weiteren Teilnehmern geht es zunächst in die Katakomben des Stadions.
In einem etwas provisorischen Vorführraum bekommen wir ein ca. 10-minütiges Video über die Entstehung des Olympiageländes zu sehen.
Der kurze Dokumentarfilm stammt aus dem Jahr 1972. Leider ist das Fernsehgerät nur unwesentlich jünger.
Trotzdem finden wir die fast 40 Jahre zurückliegende Aufzeichnung sehr aufschlussreich, da sie gespickt mit technischen Details, die Baumaßnahmen rund um das Stadion mit anderen Augen betrachten läßt.
Zudem werden Erinnerungen an die Olympischen Spiele geweckt, die man damals live im Stadion miterlebt hat.
Danach werden wir in die Sicherheitsbestimmungen eingewiesen, haben einen Haftungsausschluss zu unterzeichnen und werden mit Klettergurten, Seil und Karabiner ausgerüstet. Für Wert- und andere Gegenstände stehen Schließfächer zur Verfügung.
Nach einer guten halben Stunde führen uns die zwei netten Tour-Guides dann endlich aufs Dach. Zunächst geht es über Treppen steil nach oben auf eine Höhe von 35 Metern. Danach auf schmalen Stegen immer leicht auf und ab entlang der Dachkante dahin.
Auf der gesamten Strecke ist man durch ein Sicherungsseil an der Ausrüstung gesichert. Dieses wird unten entlang des Geländers eingeklinkt und läuft auf einer Schiene mit, bzw. man zieht es hinter sich her. Etwas unangenehm ist, dass es bei der kleinsten Biegung blockierte und man daran rütteln musste, um es wieder in Gang zu setzen.
Der Blick durch die gläserne Überdachung auf die Haupttribüne und das Oval des Stadions mit seinen 69.000 Sitzplätzen und den heiligen grünen Rasen ist beeindruckend.
Wir haben einen fantastischen Überblick über das Olympiagelände und auf die Kulisse der Stadt München mit ihren Wahrzeichen, den Türmen der Frauenkirche.
Bei Föhn-Wetter kann man die bayrische Alpenkette mit ihrem höchstem Berg, der Zugspitze bestaunen.
Zwei mal bietet sich die Möglichkeit einen Queraufstieg zum höchsten Punkt des Daches zu machen. Nun befindet man sich in 50 Meter schwindelnder Höhe.
Wir schlendern über das Dach. Immer wieder bleiben wir stehen und bekommen durch ausführliche und unterhaltsame Erzählungen interessante Einblicke in die Geschichte des Olympiaparks:
Nachdem München 1966 den Zuschlag zur Austragung der XX. Olympischen Sommerspiele für das Jahr 1972 erhalten hatte, wurde nach einem passenden Standort zur Errichtung eines Stadions gesucht. Die Wahl fiel auf das im Münchner Norden gelegene etwa 140 Hektar große Oberwiesenfeld. Dieser ehemalige Exerzier- und Sportflugplatz bestand aus einem von Bautrümmern des Krieges angehäuften riesigen Schuttberg mit Mulden, Kuppen und Hängen.
Die Architekten Behnisch & Partner hatten mit der Projektierung eine architektonische Meisterleistung zu vollbringen.1968 wurde dann mit dem Bau des Stadions begonnen. Otto Frei wurde mit der Konstruktion des Daches beauftragt.
Für das Zeltdach war ursprünglich eine Holzkonstruktion mit Metallschindeln geplant. Vom Fernsehen wurde aber eine lichtdurchlässige Überdachung aus transparenten Materialien gefordert, da die Fernsehkameras die starken Lichtkontraste nicht ausgleichen konnten. So wurde nach einem durchsichtigen Material gesucht, welches schneehaftend ist, großen Belastungen standhält und obendrein hitzebeständig ist.
Nach unzähligen Materialtests wurde die Dachhaut aus einem speziell gegossenen Plexiglas im Alurahmen gefertigt. Zwischen den einzelnen Platten befinden sich Gummistöße, um Spannungen auszugleichen. Das ganze Dach ist flexibel gestaltet um sich bei Temperaturschwankungen und Schneelasten ausdehnen zu können. Die ca. 3 x 3 Meter großen Platten überzeugten durch Begehbarkeit, Zähigkeit, geringes Gewicht und waren nicht brennbar. Gehalten werden diese durch punktförmig befestigte Netze von Stahlkabeln und Seilverspannungen. Von denen über 400 Kilometer verbaut wurden. Die damals mit dem Bau beschäftigten Arbeiter machten sich einen Spaß daraus hin und her über die Dachplatten zu rennen. Durch die unkonventionelle Stabilitätserprobung hätte man sich daraufhin fast den TÜV ersparen können.
Man entschied sich für eine Teilüberdachung des Stadions in Form eines asymmetrischen Schirms mit einer Tragekonstruktion, welche aus 8 Stück bis zu 80 Meter hohen Pylonen besteht. Diese Stützen, die außerhalb des Stadions aufgestellt und verankert sind, haben einen Durchmesser von bis zu 3,50 Metern. Insgesamt mussten 58 Stahlmasten eine 74.800 qm große Zeltdachfläche mit einem Gewicht von 3.400 Tonnen tragen können, denn außer dem Stadion ist auch noch die Olympiahalle und die -Schwimmhalle im selben Stil überdacht.
Doch schon nach einigen Jahren kam es zu Eintrübungen der Plexiglasscheiben durch Umwelteinflüsse sowie Regen und Schnee. Da das Olympiadach unter Denkmalschutz steht, sollte eine originalgetreue Instandsetzung erfolgen. So wurden 1997 die Plexiglasscheiben samt ihrer Aluminiumrahmen durch neue ersetzt.
Aber nun weiter mit unserer Tour.
Ganz Tollkühne machen einen Flug am Seil vom Dach 200 Meter quer über die Arena des Olympiastadions. Dieser sogenannte Flying Fox war nicht Bestandteil unseres Geschenks. Man kann ihn jedoch zusammen mit der Tour buchen. Albert hätte es gerne ausprobiert, ich wiederum nicht.
Eines möchten wir hier noch erwähnen. Wir hatten zu keinem Zeitpunkt ein Gefühl der Unsicherheit oder sogar Angst. Man sollte allerdings schwindelfrei sein und einen resistenten Magen haben. Das ständige leichte Wippen machte mir besonders im letzten Drittel ziemlich zu schaffen. Ich fühlte mich seekrank und war heilfroh, als ich nach den zwei Stunden wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
Trotzdem können wir den interessanten Gang über die Dachkante mit den herrlichen Ausblicken sehr empfehlen. – Ein tolles Erlebnis!
Hier noch einige Informationen:
- Die Touren finden täglich von April bis November statt.
- Dauer 120 Minuten
- keine Durchführung bei Sturm, Gewitter und Schnee
- Über Internet kann man vorbuchen, oder auch ein Ticket direkt an der Stadionkasse kaufen.
- Zusätzlich hat man die Möglichkeit den Flying Fox (einen Flug am Seil vom Dach) oder
- das Abseilen vom Dach (nur Fr. – So.) zu machen.
- Mindestalter 10 Jahre in Begleitung eines Erwachsenen
- Passendes, flaches Schuhwerk versteht sich von selbst, am besten sind Sportschuhe – keine Röcke
- Man sollte schwindelfrei sein.
Wir bitten um Entschuldigung, dass die Fotos nicht immer zum jeweiligen Text passen. Leider erkennt man erst im Nachhinein, was man noch alles hätte aufnehmen müssen.
Liebe Grüsse
Albert + Gabi