Tag 04 – Sahara
Sonntag, der 15.09.2019:
Frühstück im Hotel
Der Pool
Um 08:00 Uhr am Morgen brach unsere Gruppe auf. Ich war sehr ausgeruht. Wir mussten nicht weit fahren, um zu unserem ersten Ziel heute Morgen zu kommen. Am Rand von Tinghir liegt ein alter Ortsteil, ein Berberdorf. Hier erstreckt sich das bekannte Todra-Tal, welches durch einen Gebirgsgrat vom angrenzenden Dades-Tal getrennt ist. Heute gesellte sich Ali zu uns, unser Guide für den nun anstehenden Spaziergang durch das fruchtbare und grüne Tal. Der Oued Todra war eher von einer braunen Farbe, und doch sahen wir Frauen, die ihre Wäsche darin wuschen. Auf kleinen Pfaden führte uns Ali durch die Anbaufelder. Ich unterhielt mich mit der Kanadierin, und zumeist waren wir die beiden ersten, die an diesem Morgen direkt hinter dem Guide liefen. Die Gärten werden bewässert, und unter die zahlreichen Palmen mischen sich unzählige Arten von Obstbäumen, wie Apfel-, Birnen-, Pflaumen-, Aprikosen-, Quitten-, Granatapfel-, Feigen-, Mandel- und Pfirsichbäume, und sogar Trauben gedeihen hier. Ebenfalls gibt es alle möglichen Gemüsesorten, wie Tomaten, Zucchini, Karotten, weiße Rüben, Saubohnen und natürlich die Minze. Manchmal hatten wir über kleine Holzstege zu steigen. An einem Zaun sah ich einige Arbeiter und wollte von weitem ein Bild machen. Als wir vorbeikamen hielt ich die Kamera noch immer in Position, um eventuell auch den Garten dahinter zu fotografieren. Dort stand eine Frau, die sofort schrie, als sie meine Kamera sah. Ich hatte doch noch gar nichts getan, und wollte sie auch nicht gegen ihren Willen ablichten, dennoch fühlte ich mich ein wenig schuldig. Ali erklärte mir, dass Einige in der Umgebung Angst hätten, fotografiert zu werden.
Ali, unser Guide
Spaziergang durch das Todra-Tal
Ali führte uns durch das Dorf. Quadratische Blöcke aus Morast und Gras waren zum Trocken bereitgelegt. Aus diesen Quadern bauten die Einheimischen ihre Häuser, wie unser dunkelhäutiger Führer erläuterte. Nicht selten liefen kleine Jungs um uns herum, die aus Gras oder Palmenblättern Tierfiguren geflochten hatten. Diese versuchten sie ohne Unterlass jemandem von uns zu geben, um im Gegenzug natürliche einige Dirham erhaschen zu können.
Die Blöcke
So werden sie verbaut
Im Anschluss kamen wir im Dorf in eine mit Teppichen ausgelegte Hütte, in der wir die Schuhe ausziehen mussten und uns im Kreis an den Wänden setzten. Der Hausherr kam und hieß uns willkommen. Nun bekamen wir zur Begrüßung einen Minztee, was in Marokko gang und gäbe ist. Traditionell zubereiteter Minztee gehört in Marokko zum täglichen Leben. Von der Bevölkerung wird den ganzen Tag über, vorzugsweise jedoch nach den Mahlzeiten, Tee getrunken. Zunächst wird in ein Kännchen ein Esslöffel Grüner Tee gegeben und mit wenig Wasser übergossen. Diesen Sud kochen die Marokkaner dann auf einer Gasflamme auf. Damit der Minztee nicht zu bitter schmeckt, wird der gekochte Sud weggeschüttet. Nun wird ein passendes Bündel möglichst frisch geernteter, marokkanischer Minze, zu den im Kännchen verbliebenen Teeblättern gegeben und alles bis zum Rand mit Wasser aufgefüllt. Sobald die Mischung gut durchgekocht ist, wird die Teekanne vom Feuer genommen und zusätzlich mit viel Zucker, zumeist in Stangenform, befüllt. Sobald sich der Zucker im Kännchen aufgelöst hat, beginnt die Zeremonie des Einschenkens. Dazu stellt der Gastgeber hübsche Teegläser kreisförmig auf ein traditionelles, silbernes Teetablett. Er hebt nun die Teekanne etwa 30 bis 40 Zentimeter über die Gläser und befüllt sie zielsicher mit einem sehr dünnen Teestrahl. Danach schüttet er den Tee aus den Teegläsern wieder in die Kanne zurück. Diesen Vorgang wiederholt er bis zu fünf Mal, wodurch letztendlich eine Mischung aus aromatischem Tee und Zuckerschaum entsteht.
Teeverköstigung
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Die Kunst des Tee-Eingießens
Nach der Teeverköstigung begannen der Hausherr und offensichtlich seine Tochter, uns traditionelle Teppiche vorzuführen. Er erklärte uns die Vorteile verschiedener Stoffe und die Fertigungsweisen, so sollte z. B. Wolle eines Babykamels besonders weich sein. Manche seiner Teppiche waren riesig, und jeweils befühlten wir das am Boden liegende Material. Seine Teppiche – die selbstverständlich auch fliegen könnten – sollten alle in aufwändiger Handarbeit gefertigt worden sein und nur einen Bruchteil der angebotenen Ware in Marrakesch kosten. Eine unserer Kroatinnen ließ sich überzeugen und kaufte doch wirklich für 2.000 Dirham einen großen Teppich, der sich jedoch erstaunlich platzsparend zusammenrollen ließ.
Dann ging es mit dem Bus weiter, und an einem Aussichtspunkt über Tinghir machten wir Fotos. Zu diesem Zwecke band mir ein Einheimischer seinen Schal um und gab mir seine Berbertasche. Ich hatte noch immer Probleme mit dem Binden des Schals, obwohl wir es am Vortag gezeigt bekommen hatten. Doch selbst machen oder nur sehen ist immer ein großer Unterschied. Jana konnte das schon recht gut.
Präsentation der Teppiche
Im Dorf
Zur Mittagszeit gelangten wir in die Todra-Schlucht ca. 12 km oberhalb von Tinghir. Der Fluss hat sich hier durch den Fels gegraben und einen riesigen Canyon geschaffen. Die bis zu 300 Meter hohen Steilwände der Schlucht, deren Boden etwa auf 1400 Meter Meereshöhe liegt, sind wohl sehr attraktiv für den Klettersport, und so sahen wir auch einige Wagemutige, die an den Steilwänden ihr Glück versuchten. Der spektakulärste Teil der Todra Schlucht sind die letzten 600 Meter. Dort ist die Schlucht nur mehr ca. 10 Meter breit – gerade genug Platz für eine Straße. Der Bus blieb vor der Schlucht stehen, und wir marschierten zu Fuß. Mit dem Smartphone des salvadorianischen Pärchens machte Ali von uns ein Gruppenfoto.
Oberer Teil Tinghirs
Todra-Schlucht
Im Maison d'Hôte Anissa fanden wir uns zum Mittagessen ein und saßen gemütlich im Schatten unter Palmen in einem Hof. Mit meinen geringen Französischkenntnissen versuchte ich, mein Essen zu bestellen, was mir von unseren beiden Franzosen, Dimitri und Elodie, zustimmendes Nicken einbrachte. Die beiden lebten auf Korsika – ich glaube, Dimitri erwähnte Bonifacio als Wohnort – und langsam wurden mir die beiden sympathischer. Dimitri sprach leider nur etwas Englisch, doch wir konnten uns unterhalten, Elodie leider ausschließlich Französisch. Sie waren ein nettes Paar. In der Schlucht hatte ich Dimitri erklärt, dass ich in der Schule vier Jahre lang Französisch hatte, das Meiste jedoch in Vergessenheit geraten war. Aus Ermangelung anderer Speisen außer Couscous und Tajines bestellte ich Brochettes, ähnliche Hähnchenspieße, wie die, die es am Vorabend zum Dinner gab, jetzt nur etwas größer. Ich hatte nach einem Bier gefragt, doch da die Berber Alkohol ablehnten, bestellte ich einen Orangensaft.
Chicken-Brochettes
Die Weiterfahrt ging über Erfoud nach Merzouga; man sah meilenweit nur Geröll und Steine. Die letzte Pause wurde in einem Café Restaurant eingelegt. Oftmals gab es in diesen Restaurants die türkischen Hocktoiletten, von denen ich vorher schon gehört hatte. Als Mann kann man damit ja noch relativ gut zurechtkommen, doch für eine Frau stelle ich mir das eher nicht so toll vor, doch Marina und Jana waren damit zufrieden, wie sie mir versicherten.
Tja, manche Toiletten sind hier so
Gegen 17:30 Uhr kamen wir in Merzouga an unserem Ausgangspunkt für den Dromedar-Ritt an, eine Herberge, wo wir es uns auf einer niedrigen Couch bequem machten. Hinter Merzouga erstreckt sich die Erg Chebbi, ein Sandwüstengebiet. Wir erhielten Tee, Kuchen und Erdnüsse und bereiteten uns langsam auf den bevorstehenden Ritt vor. Zur Vorbereitung banden sich alle ihre mitgebrachten Schals um. Jana war mir behilflich. Dann warteten wir. Es dauerte und dauerte. Doch schließlich war geplant, im Sonnenuntergang in ein Wüstencamp zu reiten, und dazu war es wohl noch ein bissel verfrüht. Einige von uns erkletterten schon einmal die nächste Sanddüne, und wir sahen, dass die Dromedare dort schon alle geduldig warteten. Dann kam ein Herr und hieß uns willkommen. Wir bekamen zu hören, dass es im Camp kein Wasser und auch keine Getränke gibt. Waschen könnten wir uns nur am nächsten Tag nach der Rückkehr hier zur Herberge. Der Herr begann, die Namen aufzurufen, und schon bald hörte ich meinen – na jedenfalls fast, denn mit dem Namen Heiko hat man überall im Ausland Probleme. Niemand kennt ihn oder kann ihn aussprechen. Ich sagte: „Let me take a look“, und schaute auf seinen Zettel. Ja, das war mein Name.
Da kommen auch Dimitri und Elodie
Empfang in der Herberge
Alle binden sich ihre Schals
Hinter der ersten Düne lagen sie schon
Plötzlich sagte er zu mir:“ You chose the luxury version!“ Ja, das hatte ich durchaus. Ich hatte 85 € mehr bezahlt. Denn ich hatte im Vorfeld gelesen, dass nur das Camp mit den Luxus-Zelten wirklich draußen in der Wüste liegen sollte, während das normale Camp direkt hinter Merzouga läge. Nun wurde ich also von meiner Gruppe getrennt, die sich abmarschbereit machte und sollte warten. Nach und nach kamen noch Urlauber anderer Reisegruppen hinzu, die wohl ebenfalls eine Übernachtung im Luxuszelt gebucht hatten. Wir bildeten eine neue Gruppe von 13 Leuten. Sarah stellte sich mir vor, eine Amerikanerin. Sie schien schon viel in der Welt rumgekommen zu sein und hatte Deutsch studiert. Deswegen gab ich mir bei ihr keine große Mühe mehr, da sie alles verstand. Wir konnten uns auf Deutsch unterhalten. Ihr Freund Louis behauptete ebenfalls, die deutsche Sprache zu lieben. Wir Deutschen hätten für alles ein Wort und man könne sie auch wunderbar miteinander kombinieren wie z. B. „gegenüberliegende Ecke“. Silvie kam aus der Schweiz, aber sprach nahezu ausschließlich Französisch, weswegen sie sich prima mit den Marokkanern unterhalten konnte. Wir bekamen nun einige Dinge erklärt. Wir würden eine Stunde in unser Camp reiten. Dort hätten wir im Zelt ein großes Bett, eine Toilette, ein Waschbecken und eine Dusche. Auch Getränke könne man kaufen. Ich fragte laut: „Internet?“ Die Gruppe brach in Gelächter aus. „He needs Wifi“, sagte einer unserer Leute. Ich beteuerte dem Führer, dass das nur ein Spaß sein sollte. Doch er sagte, dass auch das möglich sei. Unglaublich.
Nun fuhren wir in einem kleinen Bus weiter, denn unser Camp läge so weit außerhalb, dass wir das nicht alles reiten könnten. Nach 15 Minuten waren wir in einem Dorf gelandet, welches offensichtlich etwas weiter in der Sandwüste lag. Unser Gepäck warfen wir auf einen Pickup, und vor uns lagen unsere Reittiere. Nun wurden mir, Louis, Sarah und zwei Mexikanern eine Gruppe fünf liegender Dromedare zugewiesen. Ich bekam das Tier an der Spitze, schwang das Bein über den dicken Kamelsattel, und es richtete sich auf.
Unsere Reittiere
Auf ging’s auf den Rücken unserer Wüstenschiffe durch den Sand. Man hatte uns noch erklärt, dass wir den Tieren den Marsch erleichtern würden, wenn wir uns nach vorn lehnen würden, wenn es bergauf geht und zurück lehnen würden, wenn es bergab ging. Doch gerade das Bergabreiten war gar nicht so einfach. Das Tier machte dann große, ausfallende Schritte, und man musste sich ganz schön auf den Griff des Sattels stemmen, um sich auf dem Tier zu halten. Dabei drückten sich die Oberschenkel auf das Metallgestänge, welches vorn unter dem Sattel hervorschaute. Mit der Zeit schmerzten die Oberschenkel. Nach einer Weile hatte ich blaue Hände. Der Griff schien wohl vor nicht allzu langer Zeit gestrichen worden zu sein. Sarah erging es ebenso. Der Kamelsattel sah zwar groß und weich aus, doch war irgendwie nicht weich genug. Ist man eine Weile auf dem Tier geritten, tut einem sowieso der Hintern weh. Nach und nach arbeiteten wir uns durch die Wüste. Es war ein Erlebnis, aber kein leichtes. Ein Führer ging unserer Fünfergruppe voran und führte die Dromedare mittels eines Seils. Hin und wieder unterhielt ich mich mit Louis, meinem Hintermann. Wenn wir ein Foto wollten, konnten wir unserem Führer Bescheid sagen. Dann hielt er an, und wir bzw. er machte dann Bilder. Wir sollten auf unsere Handys jedoch gut aufpassen, denn „Sand isn‘t good for this machines“.
Und los geht's
Dann ging die Sonne langsam unter, und wir pausierten auf einer großen Düne. Wenn die Tiere sich zum Absteigen hinknien sollten, dann taten sie erst einmal gar nichts. Irgendwann knickten sie unverhofft die Vorderbeine ein, und man geriet in eine solch dramatische Schräglage, dass man fast vom Tier fiel. Es war herrlich hier und fantastisch, diese tolle Stimmung auf Foto einzufangen. Die untergehende Sonne, Sand und nichts als Sand, absolute Ruhe, nur manchmal ein leise murrendes Dromedar. Hin und wieder sahen wir andere Gruppen oder Fahrzeuge, die durch den Sand brausten.
Der Sonnenuntergang
Nach etwas über einer Stunde kamen wir in unser Camp für die Nacht. Ist man so lang auf einem Dromedar geritten, ist man froh, wieder laufen zu können, weswegen ich nicht ganz sicher bin, was leichter ist: auf einem Dromedar durch die Wüste zu reiten oder selbst zu laufen. Auch unser Gepäck war angekommen. Das Camp sah hervorragend aus. Rote Teppiche waren in der Mitte für uns ausgelegt. Sie führten zum großen Gemeinschaftszelt, in dem wir auch später unser Abendessen einnehmen würden. Zu beiden Seiten der roten Teppiche standen unsere großen, geräumigen, rechteckigen Zelte, vor denen kleine Lampen uns den Weg wiesen. Das Innere der Zelte war wirklich nicht von schlechten Eltern und erinnerte eher an eine Ferienwohnung. Es gab Handtücher, Kissen, Nachttischlampen, Spiegel und Tische. Alles, was man brauchte. Zur Begrüßung gab es Nüsse und Tee. Beim Abendessen lernte ich ein deutsches Pärchen kennen, die aus Rosenheim kamen, was man auch an der Aussprache deutlich hörte. Sie hatten zuvor einige Tage in Fès verbracht und berichteten, dass die Verkäufer in den Souks dort noch schlimmer wären als in Marrakesch. Zur besseren Verständigung, und damit alle am Tisch etwas davon hatten, redeten wir in der Folge aber ausschließlich auf Englisch. Witzige Anekdoten des bisherigen Urlaubs wurden ausgetauscht und viel gelacht. Das Essen war nichts Besonderes. Es gab (wieder) Brochettes, recht wabbelige Pommes, Reis und Gemüse. Dazu konnten wir uns jedoch kühle Cola bestellen. Sogar eine Puerto-Ricaner hatten wir am Tisch, der sich über die Pommes sehr freute. Nach dem Essen war es dunkel, und einheimische Jungs trommelten und sangen vor dem Zelt. Wir bekamen die Möglichkeit zu tanzen und auch selbst die Trommeln zu bedienen. Alsbald zog ich mich jedoch zurück, da ich mich auf eine Dusche freute und den Freunden zuhause noch schreiben wollte. Ja – ganz recht. Wir hatten hier wirklich Internet. Das Passwort hatten wir beim Abendessen erhalten.
Das Camp
Luxus-Wüstenbett
Links Toilette, Mitte Waschbecken, rechts Dusche
Meine Wüstendusche
Einheimische Jungs spielen vor dem Hauptzelt