Schliersee und der Jennerwein
Wenn man sich dem Schliersee in Oberbayern von Südosten her nähert, so kann man die kleine Kirche Sankt Leonhard nach dem Ortsausgang von Neuhaus in Fischhausen nicht übersehen.
Von hier erblickt man auch zum ersten Mal den Schliersee.
Rund um den See führt ein schöner Wanderweg.
Der Ort Schliersee am gleichnamigen See ist ein beliebter Ferienort und zu den meisten Jahreszeiten gerne besucht.
In der Nähe des Sees steht die Pfarrkirche St. Sixtus. Um sie herum gruppieren sich Hotels, Gaststätten, Läden .
Auch ein kleiner Friedhof befindet sich direkt neben der Hauptstraße.
Sucht man jedoch das berühmte Grab des legendären Georg Jennerwein, so muss man weiterfahren zur Kirche Sankt Martin im Vorort Westenhofen.
Die Grabstelle ist nicht leicht zu finden – sie befindet mitten zwischen anderen und am besten fragt man einen Einheimischen nach dem Platz.
Dies war nicht immer so. Wahrscheinlich ist Josef Jennerwein nicht an dieser Stelle beigesetzt worden. Vermutlich wurde vor rund 100 Jahren das Grabkreuz an diese Stelle versetzt, weil einflussreiche Einheimische die Grabstätte der eigenen Familien nicht neben der des Wilderers haben wollten.
Heute wird die Grabstätte von Mitgliedern des Schlierachtaler Trachtenvereins gepflegt.
Die Inschrift auf der Grabtafel verrät bereits einiges über den „Girgl“ Jennerwein, der im Laufe der Jahrzehnte zu einer Art Volksheld wurde.
Hier ruht in Frieden
inmitten seiner geliebten Bergwelt
der Wilderer
Georg Jennerwein
er wurde erschossen
am 6. Nov. 1877
auf hohen Peißenberg bei Tegernsee
im Alter von 29 Jahren
Die erste Strophe eines Liedes befindet sich ebenfalls auf des Tafel.
Volkstümliches Lied aus Oberbayern, 19. Jahrhundert
1. Ein stolzer Schütz in seinen schönsten Jahren,
Er wurde weggeputzt von dieser Erd,
Man fand ihn erst am neunten Tage
bei Tegernsee am Peißenberg.
2. Auf den Bergen ist die Freiheit,
Auf den Bergen ist es schön,
Doch auf so eine schlechte Weise
Mußte Jennerwein zugrunde gehn!
3. Auf hartem Stein hat er sein Blut vergossen,
Am Bauche liegend fand man ihn,
Von hinten war er angeschossen,
Zersplittert war sein Unterkinn.
4. Und es war schrecklich anzusehen;
Als man ihm das Hemd zog aus,
Da dachte jeder bei sich selber:
Jäger, bleib mit'm Selbstmord z'Haus!
5. Du feiger Jäger, s' ist eine Schande,
Du erwirbst dir wohl kein Ehrenkreuz;
Er fiel mit dir nicht im offnen Kampfe,
Wie es der Schuß von hint' beweist.
6. Man bracht ihn dann noch auf den Wagen,
Bei finstrer Nacht ging es noch fort,
Begleitet von seinen Kameraden,
Nach Schliersee, seinem Lieblingsort.
7. Von der Höh ging's langsam runter,
Denn der Weg war schlecht und weit;
Ein Jäger hat es gleich erfunden,
daß er sich hat selbst entleibt.
8. Und als man ihn dort in den Sarg wollt legen,
Und als man gsagt hat: Ist jetzt alles gut?
O nein! sprach einer von den Herren, o nein !
Auf seiner Brust, da klebt ja frisches Blut !
9. In Schliersee ruht er, wie ein jeder,
Bis an den großen jüngsten Tag,
Dann zeigt uns Jennerwein den Jäger,
Der ihn von hint' erschossen hat.
10. Zum Schlusse Dank noch den Vet'ranen,
Da ihr den Trauermarsch so schön gespielt,
Ihr Jäger, tut Euch nun ermahnen,
Daß keiner mehr von hinten zielt.
11. Am jüngsten Tag da putzt ein jeder
Ja sein Gewissen und sein Gewehr.
Und dann marschiern viel Förster und auch Jäger
Aufs hohe Gamsgebirg, zum Luzifer !
Georg Jennerwein stammte aus einer sehr armen Familie. Auch sein Vater schoss hin und wieder illegal ein Stück Wild in den königlichen Wäldern und kam dabei ums Leben.
Georg verbesserte seinen Lebensunterhalt ebenfalls durch Wildern. Da er offensichtlich auch manches Stück Wild verschenkte, kam er vor allem nach seinem Tod in den Ruf eines bayrischen „Robin Hood“, der auf der Seite der Armen stand und gegen die Obrigkeit agierte.
Die Legende erzählt, dass er von einem königlichen Forstbeamten von hinten erschossen wurde. Geklärt wurde es nie. Manche Quellen lassen auch auf eine Eifersuchtstat durch einen Freund schließen, da der junge Jennerwein attraktiv aussah und offensichtlich auch Gefallen an Mädchen hatte, die bereits vergeben waren.
Die Faszination für das Leben des Wilderers Georg Jennerwein hält bis heute an. Sein Leben wurde 2003 vom Bayrischen und Österreichischen Fernsehen verfilmt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jennerwein_(Film)
Und wenn man mit Einheimischen über ihn spricht, so erfährt man augenzwinkernd, dass es offensichtlich auch heute noch Sympathisanten des Jennerwein gibt und es durchaus vorkommt, dass an besonderen Gedenktagen auch einmal heimlich ein gewilderter Gamsbock am Grabkreuz aufgehängt wird.
ELMA