Am vorletzten Wochenende folgte ich einer Einladung zu einer
Nachtwächterführung in
Am Rathausportal erwartete uns der stilgerecht gewandete Nachtwächter mit Gassenspiess (Hellebarde), Dreispitz, den Stadtschlüsseln und dem Horn.
Der Gassenspiess wird gerade von einem Assistenten gehalten. Ganz rechts kann man ihn noch teilweise sehen.
Die Laterne hatte er daheim gelassen. Es war ja erst fünf Uhr am Nachmittag und Mitte August!
Er erzählte uns erst mal was über die Geschichte der Stadt bevor wir zu einem Rundgang durch Groß-Umstadt aufbrachen.
ZitatDie urkundlich nachgewiesene Geschichte der Stadt beginnt mit der Schenkung der St. Peters-Basilika an das Bistum Würzburg im Jahr 743.
König Pippin vermachte dem Kloster Fulda im Jahre 766 das Königsgut, genannt autmundisstat.
Zitat
Wer darüber mehr wissen möchte kann hier nachlesen.
ZitatSeit 1263 gab es das Schultheißenamt, die Gerichtsbarkeit in der Stadt ist seit 775 belegt und auch ein Land- und Stadtgericht sind urkundlich nachweisbar.
Um als Stadt anerkannt zu werden mussten einige Bedingungen erfüllt werden:
Der Umriss des Ortes musste ein Viereck darstellen und über eine Stadtmauer verfügen.
Es musste ein Rathaus, eine Kirche und ein Marktplatz nachgewiesen werden.
Dass Groß-Umstadt die Stadtrechte erwerben konnte haben wir an einem Modell im Rathaus sehen können.
Deutlich erkennbar ist der große Marktplatz...
... mit dem "Biet", dem Stadtbrunnen.
Die Bezeichnung "Biet" geht auf das althochdeutsche "biudaz" zurück, in der Bedeutung für Kelter- oder Brunnentrog.
Die umstehenden Sandsteinblöcke sind mit Ketten verbunden.
Dies sollte das Vieh vom Brunnen fernhalten.
Dafür stand früher daneben das "kleine Biet" aus Holz.
Die "Bietjungfer" die den Brunnen bekrönt stellt keine bestimmte Person dar, sondern ist allegorisch.
Sie stützt sich auf die Wappenschilde von Hessen-Darmstadt und Kurpfalz.
Von hier hat man einen guten Blick auf das prächtige Renaissannce-Rathaus.
Auffällig sind die beiden Dachfiguren.
Auf der linken Seite sehen wir eine Justicia in ungewöhnlicher Darstellung.
Sie trägt in der rechten Hand normalerweise die Waage und stützt sich mit der linken Hand auf das Schwert.
Außerdem trägt sie eine Augenbinde.
Hier hat sie das Urteil schon gefunden, die Augenbinde abgenommen und das Schwert in die rechte Hand genommen um das Urteil vollstrecken zu können.
Rechts steht die Prudentia, die Verkörperung der Klugheit.
Man erkennt sie eindeutig an ihren Attributen Schlange und Spiegel.
Über dem Rathausportal ist das Wappen von Groß-Umstadt angebracht.
Es ist das älteste Stadtwappen im Landkreis Darmstadt-Dieburg und ist um 1180 entstanden.
Das Tor mit den Türmen ist ein staufisches Element.
Auch das Kreuz auf der goldenen Kugel auf der Mittelturmspitze (Reichsapfel) und die vierblättrigen Kleebätter weisen auf die Staufer hin.
Links vom Mittelturm (aus Sicht des Betrachters) hängt das hanauische (Hanau) Wappen und rechts das fuldische (Fulda).
Die Jahreszahl der Erbauung des Rathauses ist unter dem Wappen in den Sandsteinbogen eingraviert: 1596.
Über dem Stadtwappen sehen wir links die Zeichen der Wittelsbacher die die Kurpfalz regierten:
der rotgekrönte goldene Löwe, der goldene Reichsapfel auf rotem Grund und die silber/blauen Rauten.
Rechts das Wappen des Hauses Hessen wie es um die Zeit des Rathausbaues ausgesehen hat.
Darüber steht das Motto des Stadtrates - ausgeliehen bei Marcus Tullius Cicero.
Laut Stadtführer steht da:
ZitatLex populi suprema lex esto
Des Volkes Wohl sei oberstes Gebot
Da hat wohl jemand weder lesen noch übersetzen können. kopfschüttel...
Ich lese:
Zitat"Salus" populi suprema lex esto
Des Volkes Sicherheit (Wohl?) sei oberstes Gebot
Egal! Ob sich die Ratsherren wohl an den Wahlspruch halten?
Neben einem Rathausfenster ist die "Umstätter Elle" angebracht.
Sie misst 54,5 cm!
Das muss ein Riese gewesen sein!
Ich messe bei mir vom Ellenbogen bis zur Mittelfingerspitze nicht mal ganze 48 cm.
Der Marktplatz war früher von Gasthäusern umsäumt.
Auf dem Bild vom Marktplatz mit dem Brunnen sahen wir schon zwei davon: "Goldene Krone" und "Zum Löwen",
dazwischen das "Alte Haus" war eine Brauerei.
Es geht weiter mit dem ehemaligen Gasthaus "Zum Engel" mit der Schlosspassage...
... und dahinter, etwas zurückgesetzt, das ehemalige Gasthaus "Zum Hirschen".
Die berühmten Gäste die am 23. September 1518 darin verköstigt wurden kennt jeder.
Es waren der Ritter Götz von Berlichingen und Franz von Sickingen, der "letzte Ritter".
Ihnen wurde damals die Stadt nach Belagerung kampflos übergeben.
Unterhalb des Hirschen konnte man sich im "Darmstädter Hof", später "Deutscher Hof", niederlassen.
Wegen dieser herrlichen Fachwerkhäuser ist Groß-Umstadt auch Mitglied bei der "deutschen Fachwerkstraße".
Fortsetzung folgt!
Liebe Grüße von waldi