Eigentlich wollte ich an diesem schönen, nicht allzu warmen Mittag an der Strandpromenade von Cannero unter den Magnolienbäumen mit den riesigen weißen Blüten entlang spazieren und mir dann bei der Schiffsanlegestelle in einem der Cafes einen Cappuccino genehmigen.
Doch ich schlenderte weiter durch ein paar Gassen,
vorbei am alten Fischerhafen
und ging einen steil ansteigenden Weg hinauf , um von dort oben die Aussicht zu genießen.
Die Luft war voll Jasminduft
Die Hauptstraße führt oberhalb des Ortes entlang - und nach dem Überqueren entdeckte ich einen Fußweg, der noch weiter hinauf führte.
Der Wegweiser zeigte nach Carmine Superiore.
Spontan beschloss ich, dem Weg zu folgen.
Durch Carmine Inferiore bin ich auf meiner Anreise schon gefahren - der Ort liegt unten am See.
Das kleine Dorf Carmine Superiore liegt ca 200m höher, oben am Berg und hat keine Straßenzufahrt.
Es war einfach schön, hier dem Weg zu folgen- weg vom Betrieb unten an der Seepromenade.
Zum Glück hatte ich einigermaßen stabile Turnschuhe angezogen. Außer meiner Kamera hatte ich nichts dabei und wanderte daher mit ganz leichtem Gepäck.
Nach steilem Anstieg auf unregelmäßigen Steinstufen führte der Weg am Berghang entlang.
Blick hinunter auf die Inselchen vor Cannero mit ihren Festungsruinen - die Castelli Cannero, die heute immer noch im Privatbesitz der Familie Borromäus sind ( vgl Borromäische Inseln)
Der Weg ist eine Mulattiera, ein Saumpfad, ein uralter Verbindungsweg zwischen den Orten am Lago Maggiore.
Wichtig in einer Zeit , in der es die Straße unten am See noch nicht gab.
An vielen Stellen ( vor allem an den Anstiegen) ist es ein sehr sorgfältig gebauter Weg: Natursteinplatten sind sorgfältig aneinandergefügt. Was für eine Arbeit, diesen Weg anzulegen!
Heute erscheint er uns ein wenig holprig- aber vor Jahrhunderten war er als einziger Handelsweg ein wichtiger Pfad.
Beim Dahingehen kamen mir Gedanken, wer diesen Weg wohl gebaut hat, wer ihn wohl schon gegangen ist- Bauern, Händler, Reisende mit Maultieren, vielleicht auch solche mit weniger guten Absichten, Menschen, die zum Kirchlein San Gottardo in Carmine Superiore wollten, vielleicht zum dortigen Friedhof... usw.
Der Weg führt bergauf und bergab und oft durch lichte Kastanienwälder
Nach ca 1 Stunde sah ich durch die Zweige die Häuser von Carmine Superiore
Ein Bach musste überquert werden- vorbei an einer Wasserstelle- früher sicher einer der wichtigsten Plätze im Ort.
Auf einer Informationstafel erfuhr ich etwas über das Dörfchen - ich möchte etwas daraus hier wiedergeben.
Carmine war früher die Hausburg einer Adelsfamilie aus Cannobio .
Die Burg wurde etwa 975 auf einem steilen Felsvorsprung gebaut und galt als uneinnehmbar.
Die Bewohner der in der Umgebung verstreuten Höfe zogen sich bei drohender Gefahr auf die Burg zurück, die ihnen Sicherheit bot.
Aus der kleinen Festung wuchs im Laufe der Jahrhunderte ein Dorf hervor, das heutige Carmine Superiore.
Ein paar Eindrücke vom Ort heute .
Die Zeit scheint stehengeblieben zu sein.
Heute ist der Ort umgeben von Wald- früher war es eine terrassierte Kulturlandschaft, auf der Landwirtschaft betrieben wurde.
Nach dem ersten Weltkrieg verließen die Bewohner den Ort, das Bergbauernleben rentierte sich nicht mehr.
Heute wohnen wieder einige Menschen in Carmine, viele Häuser wurden wieder hergerichtet oder werden gerade liebevoll restauriert.
Eine befahrbare , befestigte Zufahrtsstraße gibt es noch nicht. Auch keine Konoba oder ein Cafe.
Die Kirche San Gottardo
Der Weg im Ort zur Kirche
Mit dem Bau der im Romanischen Stil gebauten Kirche San Gottardo wurde 1310 begonnen.
Vom Vorplatz der Kirche hat man einen hervorragenden Blick über den Lago Maggiore- auf der gegenüberliegenden Seite liegt der Ort Maccagno.
Die Fresken an den Außenwänden und im Inneren der Kirche stammen von lombardischen Künstlern aus dem 14.und 15. Jahrhundert.
Die Fresken an der Außenwand wurden im 17.Jahrhundert mit einer Schicht Mörtel überdeckt , vermutlich weil die Pest wütete, viele Kranke in die Kirche flüchteten und die Kirche danach desinfiziert werden musste.
Die Fresken wurden 1933 wieder freigelegt und vor ca 10 Jahren sorgfältig restauriert.
Die Kirche in diesem abgelegenen Ort war verschlossen.
Aber ein großes Glasfenster erlaubte den Blick ins Innere.
Ich hielt mich lange auf dem Vorplatz der Kirche auf und genoss die Ruhe, die Atmosphäre und den Blick über den See
Auf dem Rückweg
Wegzehrung - direkt am Wegrand - ich hatte inzwischen Durst bekommen und da konnte ich dann nicht vorbeigehen.
Ausblick auf den See
Nach reichlich einer Stunde kam ich wieder zum Ausgangspunkt an der Straße nach Cannero - und mit etwas Verspätung auch zu meinem Cappuccino.
Wenn ich heute diese Wanderung nochmals machen würde, würde ich es geplant machen:
Diesen Weg bis Carmine Superiore gehen , aber dann nochmals eine Stunde weiter bis Cannobio . Ich würde mir einen Schiffsfahrplan besorgen, dann eine genussvolle Ruhepause in einem der schönen Restaurants oder Cafes an der Uferpromenade von Cannobio einlegen und schließlich mit dem Schiff nach Cannero zurückfahren.
Einen paar Tage später bin ich mit dem Schiff nach Cannobio gefahren und konnte vom See aus
Carmine sehen.
Elke