1. Forum
    1. Unerledigte Themen
    2. Privatforum
    3. Themen der letzten 10 Tage
  2. Medienverwaltung
    1. Bildergalerie-Alt
    2. Alben
    3. Nutzungsbedingungen
    4. Videokanäle
  3. Nepomuks
  4. Gamezone
    1. Highscore
  • Anmelden oder registrieren
  • Suche
Dieses Thema
  • Alles
  • Dieses Thema
  • Dieses Forum
  • Forum
  • Bilder
  • Videos
  • Seiten
  • Spiele
  • Erweiterte Suche
  1. Schoener Reisen » Forum » Sehen, erleben und berichten
  2. Forum
  3. Bildberichte aus anderen Ländern
  4. Europa: Der Süden
  5. Portugal
  6. Portugal Festland

Portugal 1977 - 1997

  • Grizzly
  • 19. November 2010 um 23:30
  • Grizzly
    Profi
    Beiträge
    1.219
    Interessen
    Reisen, Blödeln, Politik, Geschichten schreiben
    Lieblingsreiseland
    Europa
    • 19. November 2010 um 23:30
    • #1

    Leider ohne eigene Bilder, da nur Papierbilder vorhanden und das Einscannen äusserst mühsam - ausserdem kann ich das nicht, sondern es könnte nur meine Frau. Und das will ich ihr nicht zumuten.


    2008 habe ich ein äusserst spannendes Buch gelesen:

    Pascal Mercier - Nachtzug nach Lissabon
    btb - ISBN: 3442734363

    Die Handlung:

    Ein Berner Gymnasiallehrer gerät durch rätselhafte Unstände an das Buch eines unbekannten portugiesischen Autors, und sein Leben gerät dadurch vollkommen aus den Fugen. Am gleichen Tag verlässt er den Unterricht und am gleichen Abend das Land mit dem Nachtzug, Richtung Lissabon.

    In Lissabon wird er allmählich mit dem Leben des -vor über 30 Jahren verstorbenen- Autors konfrontiert und lernt die Menschen kennen, die dieses Leben mit ihm geteilt haben, seine Menschlichkeit, seine Widersprüche, sein Leben in der Salazar-Diktatur und der aufkeimende Widerstand dagegen, an dem er sich beteiligt - das Ende der Diktatur erlebt er nicht mehr, er stirbt in etwa in dem Alter, in dem der Berner Lehrer jetzt ist (und ich -Grizzly- ebenfalls), und die "Nelkenrevolution" von 1974 wird nur als das, was sie inzwischen auch ist, nämlich als historisches Ereignis, gestreift.


    Das Buch erinnert mich an meine vier Reisen nach Portugal (1977, 1979, 1986, 1997) und an meinen Freund Wolfgang, der nicht mehr lebt, der dieses Land geliebt und dort die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat.
    Und an die Hoffnungen -und Illusionen- die wir uns in den 70ern hinsichtlich der Möglichkeiten diesen revolutionären Bewegung auch für uns gemacht haben, und was davon übrig geblieben ist - Erinnerungen, die mir keiner mehr wegnimmt.


    Ohne diese Historie hätte ich die strapaziöse Reise dorthin nicht angetreten -
    1977 zu viert in einem VW-Käfer, am ersten Tag von Heidelberg bis Limoges (westlich von Lyon), am zweiten bis Valladolid in Nordspanien, beide Male unter freiem Himmel im Schlafsack nächtigend, am dritten Tag ging 200 km vor Lissabon der Dachgepäckträger kaputt, auf dem wir unsere Rucksäcke und das Zelt gestapelt hatten, dann wurde es richtig eng im Auto; zum Glück waren unsere beiden portugiesischen Mitfahrerinnen wie viele ihrer Landsleute klein und schlank, was man von mir und meinem Beifahrer R. nicht behaupten konnte.

    Zurück zur Geschichte.
    1928 bis 1974 war Portugal eine Diktatur.
    Bis 1968 hiess der Diktator António de Oliveira Salazar, dann kippte er mit einem Schlaganfall aus seinem Liegestuhl und wurde durch seinen Vertrauten Marcelo Caetano ersetzt; bis auf ein paar Scheinreformen ging alles so weiter wie bisher.

    1974 hatte Caetano dann nicht nur die Linke und die Gewerkschaften gegen sich, sondern auch große Teile des Militärs, die es müde waren, vor allem in Afrika (Angola, Mosambik, Guinea-Bissau und Kap Verde) einen verlustreichen Kolonialkrieg zu führen. So erfolgte der Sturz der Diktatur zwar formal durch einen Militärputsch, aber der fand im Sinne und mit großer Unterstützung des Volkes statt. Um zu demonstrieren, dass sie nicht auf das Volk schiessen würden, steckten die Soldaten Nelken in ihre Gewehrläufe - daher der Name Nelkenrevolution.

    Das Signal zum Aufstand erfolgte in den frühen Morgenstunden des 25. April 1974 mit dem dreifachen Abspielen - und zusätzlichen Verlesen des Textes - des bis dahin verbotenen Liedes Grandola vila morena

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

    Als wir 1977 mit unserem vollgestopften VW-Käfer die spanisch-portugiesische Grenze passierten, war die Nelkenrevolution schon drei Jahre her. Damals war das noch eine richtige Grenze mit Passkontrollen auf beiden Seiten (ja, richtig mit Reisepass und Stempel rein !), wobei die Portugiesen das lockerer sahen als die Spanier: Die Guarda Civil hatte ein Häuschen, wo man seinen Pass hinbringen musste und gestempelt bekam bzw. gelegentlich kontrolliert wurde - die Portugiesen hatten einen Tisch auf die Straße gestellt, liessen sich die Pässe aus dem Auto heraus anreichen, hauten die Stempel rein, und weiter ging's.

    1986 -inzwischen waren beide Länder in der EU- reichte der Personalausweis, und man bekam seinen Pass nur noch auf Wunsch gestempelt.

    Irgendwann in den 90ern wurden die Grenzen innerhalb der iberischen Halbinsel abgeschafft, man konnte einfach durchfahren, und 1997 waren viele Postenhäuser der früher so gefürchteten Guarda Civil schon im Zerfall begriffen, andere mutierten zu Kneipen oder zu inoffiziellen Jugendtreffs.

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • wallbergler
    Gast
    • 20. November 2010 um 17:53
    • #2

    Hallo Grizzly,
    eigentlich wollte ich das Buch jetzt fotografieren, aber wie das so ist im Leben, habe es verliehen, weiß auch nicht mehr genau an wen, und vom Ausleiher wird es dann auch vergessen. Toll.
    Ich finde auch , dass dies ein bewegendes, und für mich zumindest tief bedrückendes Buch war. Insbesondere weil es so oft wechselte mit den Aussagen von Prado. Also der Geschichte im Buch.

    Aber schau doch mal da rein Menüleiste Videos- Videos restliches Europa- Lissabon.
    https://video.schoener-reisen.at/video/displayi…p?album=9&pos=6

    Ein Filmchen meiner Reise vom März 2008.

    Da siehst du dann auch die Brücke vom 25.4.74 , die zu Ehren der Nelkenrevolution so benannt wurde. Ursprünglich ja die Salacarbrücke.

    Die dann nach Almada vorbei am Cristo Rei Denkmal führt, welches ja gebaut wurde, weil Portugal vom 2. Weltkrieg verschont wurde, weißt du ja.

    Viele Grüße
    wallbergler

  • Josef
    Ruhe in Frieden
    Beiträge
    4.960
    Bilder
    1.508
    Interessen
    Camping, Reisen und vieles mehr
    Lieblingsreiseland
    Europäische Länder
    • 20. November 2010 um 21:02
    • #3

    Grizzly, wallbergler danke für diese herrlichen Berichte und die Bilder.

    Liebe Grüße

    Josef

  • Grizzly
    Profi
    Beiträge
    1.219
    Interessen
    Reisen, Blödeln, Politik, Geschichten schreiben
    Lieblingsreiseland
    Europa
    • 20. November 2010 um 23:01
    • #4

    @ Josef:
    Dankschön für den Hinweis auf dein musikalisch so schön untermaltes Lissabon-Video.
    Wo ist denn die Gondelbahn ? Die muss womöglich neu sein, ich war zuletzt 1997 dort.


    Ohne meinen eingangs erwähnten Freund Wolfgang, der 2002 gestorben ist,
    wär ich vermutlich nie nach Portugal gekommen. Diesen kann man als Portugal-Fan der ersten Stunde bezeichnen. Er lernte als Schüler in Hof einen portugiesischen Migranten kennen -wir andern wussten mühsam, dass es das Land überhaupt gab, ausserdem war es ja finsterste Diktatur, wie Spanien und Griechenland damals auch- fing an, portugiesisch zu lernen und reiste mit 16 das erste Mal dorthin.

    Seither war Portugal in jeden Sommerferien sein Reiseziel (per Autostopp) und das der um ihn gruppierten Clique ebenfalls - zu dieser Clique stiess ich 1968 zwar dazu, aber meine Eltern erlaubten mir derartigen Eskapaden nicht.

    Nach der Revolution 1974 gab's für ihn kein Halten mehr - sooft es ihm angesichts seines Jura-Studiums möglich war, hielt er sich dort auf, wozu ihn auch -nacheinander- mehrere Bürgerinnen des Landes motivierten. Letztendlich baute er sich dort eine Existenz auf als Anwalt für deutsch-portugiesische Rechtskomplikationen.

    D.h. eine Reise nach Portugal war auch immer eine Reise zu Wolfgang - was jetzt leider anders wäre.

    Auf unserer ersten Reise 1977 hatte mein Mitfahrer R. ein kleines Zelt dabei; wie wir zwei Dicken da zusammen reingepasst haben, ist mir heute ein Rätsel. Bei Wolfgang konnten wir nicht übernachten, weil er in Untermiete wohnte - d.h. für mich allein ging's, nachdem die Wirtin mich "beschnuppert" hatte, später doch. Aber erstmal war der Lissabonner Campingplatz angesagt - mein VW-Käfer blieb dort stehen (Benzin war extrem teuer, im Gegensatz zu Diesel), und ich machte die Stadt per Bus und Metro unsicher.

    Ihr kennt vielleicht die Londoner Stadtbusse - die Lissabonner sehen so ähnlich aus, nur grün, und natürlich mit Linkslenker. Die Metro wurde gerade umgebaut, weil in einige Stationen nur zwei Wagen passten, die Züge aber inzwischen viergliedrig waren - auf den Metroplänen waren die Bahnhöfe gekennzeichnet, an denen man nur aus bestimmten Wagen den Zug verlassen konnte ... Bis 1979 wurde dieses Hindernis beseitigt.

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • Grizzly
    Profi
    Beiträge
    1.219
    Interessen
    Reisen, Blödeln, Politik, Geschichten schreiben
    Lieblingsreiseland
    Europa
    • 21. November 2010 um 11:39
    • #5

    Nach Lissabon bin ich im Lauf der Jahre immer wieder gekommen, deshalb verlassen wir diese schöne Stadt erstmal, d.h. über sie werd ich später noch schreiben.

    Der Tejo, an dem Lissabon liegt, weitet sich vor der Stadt zu einem See, so dass es zum Überqueren schon eine riesige Brücke braucht. Diese wurde 1968 fertiggestellt und nach dem eben verschlaganfallten Diktator "Ponte de Salazar" benannt, und 1974 natürlich umgetauft, in "Ponte 25 de Abril", dem Tag der Nelkenrevolution, und so heisst sie noch heute.

    Mit einem mulmigen Gefühl fuhr ich da rüber, rechts stauten sich die Lastwagen, und die mittlere Spur besteht aus Metallgitter und ist nach unten durchsichtig; manche mögen jetzt die ungewöhnliche Aussicht geniessen, aber wenn man Höhenangst hat und gleichzeitig auch noch lenken muss, bleibt einem das verwehrt, und man ist froh, wenn man auf der anderen Seite angekommen ist.

    Wir fuhren durch bis zum Alentejo, das ist schon fast die südlichste Region, danach kommt nur noch die Algarve (das ist das, was die meisten Portugalpauschalurlauber kennen - leider nur das, meistens). Die durch das gleichnamige Lied so berühmte Stadt Grandola wollten wir zumindestens mal anschauen, allein es war Mittagszeit und alles schlief, so habe ich an Grandola kaum Erinnerung.

    Der Alentejo ist die Region mit den Oliven - und Korkeichenplantagen, die nach der Revolution oft von den Landarbeitern besetzt worden waren - leider war man schon 1977 fleissig dabei, den alten Grundbesitzern ihr Land, auf dem sie sich selbst die meiste Zeit des Jahres gar nicht aufhielten, zurückzugeben. Immerhin war damals die Parole a terra a quem quem trabalha = das Land denen die darauf arbeiten noch allgegenwärtig.

    Auf den kurvigen und schmalen Straßen kam man nur langsam voran; zeitweise war wohl die Autobahn schon fertig, aber die kostete Maut, und wir hatten ja Zeit. Abends kampierten wir in einem Ort mit dem schönen Namen Vila nova de mil Fontes, das heisst Neues Dorf der tausend Quellen - auf den Karten steht meistens Milfontes.

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • wallbergler
    Gast
    • 21. November 2010 um 18:48
    • #6
    Zitat von Grizzly

    @ Josef:
    Dankschön für den Hinweis auf dein musikalisch so schön untermaltes Lissabon-Video.
    Wo ist denn die Gondelbahn ? Die muss womöglich neu sein, ich war zuletzt 1997 dort.



    Danke Grizzly,

    zu viel der Ehre, aber die Gondelbahn ist noch von der Weltausstellung 98 in Lissabon erhalten. Also auf dem Messegelände. Richtig nett, denn das Gelände ist sehr weitläufig.
    Liebe Grüße
    wallbergler

  • Grizzly
    Profi
    Beiträge
    1.219
    Interessen
    Reisen, Blödeln, Politik, Geschichten schreiben
    Lieblingsreiseland
    Europa
    • 21. November 2010 um 22:37
    • #7
    Zitat

    die Gondelbahn ist noch von der Weltausstellung 98 in Lissabon erhalten


    Dann lag's also nicht am mangelnden Sehvermögen meiserseits, dass die mir 1997 entgangen ist.


    In Milfontes :link: kauften wir einen portugiesischen Ton-Grill und ein kg Sardinen sowie Brot und noch ein bissl Gemüse. Dann zogen wir los, drei Mann im VW-Käfer, quer über die kurvigen Straßen des Alentejo. Vor der Tal-Überführung konnte man die Straße verlassen und unter die Brücke fahren, das taten wir, um zu grillen und im Bach zu baden. Danach tuckerten wir einfach weiter auf dem Waldweg entlang des Baches. Irgendwann kam ein Mann, Wolfgang fragte ihn, ob man auf diese Weise nach Odemira (nächste Kreisstadt) käme - er sah uns entgeistert an und fragte: "Warum nehmen Sie nicht die Straße ?"

    Schliesslich versperrte ein querliegender Baum die Weiterfahrt. Ein paar Meter zurück gab es einen Weg auf dem anderen Bachufer, auch schien die Möglichkeit, den Bach zu durchfahren, gegeben.
    Einmal Anlauf -platsch- und der Käfer war am anderen Ufer - Glück gehabt !

    Irgendwie kamen wir an diesem Tag tatsächlich noch nach Odemira - keine Ahnung mehr, was wir da wollten - und irgendwann, schon bei Dunkelheit, überquerten wir eine kleine Brücke (auf einer Teerstraße, bittschön), an der uns Wolfgang erklärte, dass hier die Grenze zwischen Restportugal und der Algarve sei.
    Wir fuhren durch bis Lagos und parkten an einem Golfplatz, auf dem man laut Wolfgang gut schlafen könne, weil das Gras so schön weich sei. Das stimmte, zudem war es völlig ruhig, ausser dass zwischendurch mal ein Hund kläffte, bis am nächsten Morgen -es war schon hell- ein Zug laut pfeifend an uns vorbei fuhr - quer durch den Golfplatz ging nämlich die Bahnlinie von Lagos nach Faro.

    Den Wecker hatten wir also schon mal gespart, und die Dusche kam auch bald, in Form des Platzwarts, der uns freundlich bat, unsere Sachen auf die Seite zu räumen, weil er jetzt die Rasensprenganlage in Betrieb nehmen müsse. Dagegen, dass wir diese als Dusche zweckentfremdeten, hatte er nichts.

    P.S.
    Der Inhaber meines benachbarten portugiesischen Cafes war kürzlich in Lagos. Nach seinen Angaben ist der Golfplatz heutzutage eingezäunt, und man kann nicht mehr darauf schlafen. Portugal ist jetzt halt EU, und Euro-Zone ...

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • Grizzly
    Profi
    Beiträge
    1.219
    Interessen
    Reisen, Blödeln, Politik, Geschichten schreiben
    Lieblingsreiseland
    Europa
    • 25. November 2010 um 23:25
    • #8

    Wir blieben fast eine Woche in Lagos und schliefen immer auf dem Golfplatz.
    Ansonsten lagen wir die meiste Zeit am Strand unterhalb der Lehmfelsen, badeten und grillten, schauten uns auch mal Lagos an und saßen am Denkmal des Königs Sebastião, der so traurig dreinschaut - wozu er auch allen Grund hatte (hier -5. Bild von oben- könnt Ihr ihn Euch anschauen).

    Kam er doch -grad 24 Jahre alt- auf die Wahnsinnsidee, mit einem hoffnungslos unterlegenen Heer Marokko erobern zu wollen - er überlebte wie die meisten seiner Mitstreiter die Schlacht von Alcazarquivir nicht, sein Leichnam wurde nie gefunden.

    Zurück in Lissabon stellte ich fest (1977), dass ich gar nicht mehr genug Benzingeld für die Rückfahrt hatte - meine Mitfahrer von der Anreise wollten alle länger hierbleiben, das war auch von vorherein so abgesprochen gewesen.

    Ich setzte mich also in eine der Uni-Cafeterias und verfasste einen großen Zettel in Englisch, Deutsch und -abenteuerlichem- Portugiesisch mit dem Text, dass ich gegen Kostenbeteiligung eine Fahrt nach Heidelberg anbieten würde. Korrigierte das Ganze mindestens dreimal, liess es kopieren und hängte es in allen Lissaboner Mensen aus.

    Nach zwei Tagen hatte ich Glück - es meldete sich ein brasilianisches Pärchen, die nach Deutschland wollten, um dort einen gebrauchten Mercedes zu kaufen; ich konnte sogar für meine letzten Tage in Lissabon bei ihnen wohnen. Die Kommunikation war wohl etwas mühsam - sie sprachen nur Portugiesisch, und zwar das für mich schwerer verständliche brasilianische.

    Jedenfalls kamen wir nach dreitägiger Fahrt wohlbehalten in Heidelberg an, ich machte mit ihnen eine Tour über die Schrottplätze, und sie fuhren mit einem 12 Jahre alten Diesel-Daimler wieder los.

    P.S. I
    Ende August waren die Brasilianer abgereist, Weihnachten waren sie schon wieder da - sie hatten den Benz kaputtgefahren. Diesmal half ihnen ein Landsmann; aus dem Umstand, dass ich sie danach nie wieder gesehen habe, könnte geschlossen werden, dass sie diesmal mehr Glück hatten ...

    P.S. II
    Wolfgang schrieb mir Monate nach meiner Rückreise, dass mein dreisprachiger Zettel noch immer in der Mensa hinge und sich lebhafter Aufmerksamkeit erfreute.

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • Grizzly
    Profi
    Beiträge
    1.219
    Interessen
    Reisen, Blödeln, Politik, Geschichten schreiben
    Lieblingsreiseland
    Europa
    • 2. Dezember 2010 um 22:59
    • #9

    Im Januar 1986 war ich zweimal kurz in Portugal, im Rahmen eines Spanisch-Kurses in Sevilla. Natürlich traf ich mich mit Wolfgang, jeweils in einem Ort, in dem ich vorher noch nie war, und ohne Vereinbahrung eines festen Treffpunkts. Und natürlich ohne Hilfe des Handys, so was gab's für uns noch nicht !

    Das ging so.
    1. Akt: Kurztelefonat mit Wolfgang "Wir treffen uns Samstag Mittag in Ayamonte".
    A. liegt an der Mündung des Guadiana ins Mittelmeer, am anderen Flussufer ist Portugal; tagsüber ging alle halbe Stunde eine Fähre. Die Stadt hat ca. 20.000 Einwohner, ist also nicht ganz klein.
    2. Akt: Ich fahre mit dem Bus von Sevilla nach Ayamonte (140 km) und beginne dort die Kneipen abzuklappern, indem ich ein Bier o.ä. trinke und in meinem Bröselspanisch nach Wolfi frage.
    3. Akt: Wolfi tut das gleiche, indem er in etwas besserem Spanisch eine Personalbeschriebung von mir abgibt. Spätestens in der 4. Kneipe bekommt einer von uns den Bescheid: "Der war eben da", und dann haben wir uns auch schon.

    Nach einem dieser Treffen hab ich 4 Tage Spanischkurs geschwänzt und bin mit Wolfi nach Evora gefahren, das ist die Hauptstadt der Region Alentejo - leider hatte ich damals noch keine Kamera. In eindrucksvoller erinnerung habe ich noch die Cabela dos Ossos, die Knochenkapelle, in der eine Unzahl menschlicher Knochen eingebaut sind.

    Zitat

    Errichtet wurde die Knochenkapelle im 16. Jahrhundert von einem Franziskaner-Mönch, der seine Mitbrüder durch die Knochen zur Meditation inspirieren wollte. Eine makabere Idee, dessen Erfolg heute natürlich nicht zu belegen ist. Um wessen Knochen es sich in der Capela dos Ossos handelt, ist ebenfalls nicht geklärt. Manche behaupten, es seien die sterblichen Überreste von Mönchen, andere behaupten, sie gehörten einst Soldaten. Eingestimmt werden Besucher der Knochenkapelle schon durch den Schriftzug am Eingang des Gotteshauses: „Wir hier versammelten Gebeine warten auf die Eurigen“.
    (https://portugal.germanblogs.de/archive/2009/0…chenkapelle.htm)

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • Grizzly
    Profi
    Beiträge
    1.219
    Interessen
    Reisen, Blödeln, Politik, Geschichten schreiben
    Lieblingsreiseland
    Europa
    • 3. Dezember 2010 um 23:59
    • #10

    Letztendlich sind wir in Wolfis damaliger Wohnung in Sintra bei Lissabon gelandet. In diesem Ort könnte man allein eine Woche mindestens verbringen, um sich das Stadtschloss, das Schloss Pena, die Maurenfestung oder den großen Naturpark Monserrate anzuschauen. Aber ich musste am nächsten Tag nach Sevilla zurück, um weiter Spanisch zu lernen, schliesslich hatte ich den Kurs ja bezahlt.

    Das hiess: 6h50 den Vorortzug nach Lissabon erwischen, in Lissabon mit dem Bus vom Vorortbahnhof zum Fähranleger, mit der Fähre über den an dieser Stelle sehr breiten Tejo, um auf der anderen Seite in Barreiro den Zug nach Süden zu erwischen, damit man an der Südspitze der spanisch-portugiesischen Grenze spätestens um 17h30 die Fähre über den Guadiana bekommt, mit der man (Achtung: Zeitverschiebung zwischen Portugal und Spanien !) 10 Minuten später, d.h. um 18h40 spanischer Zeit in Ayamonte ist - dort fährt um 19h der letzte Bus nach Sevilla ab, wenigstens war das 1986 so.

    Ich also um 6h aufgestanden, kurz gefrühstückt, den Rucksack gepackt und losgezuckelt. Das letzte Stück vor dem Bahnhof war damals ein Weg zwischen den Gleisen und einer Böschung, von beiden Seiten mit Maschendraht eingefasst. Ich hatte noch ca. 500 Meter zum Bahnhof, da kommt auf einmal ein Zug, zehn Minuten zu früh. Mein ganzer Tagesplan drohte zu scheitern.

    Der Zug rumpelt an mir vorbei, ich renne so schnell ich mit dem schweren Rucksack kann ihm nach, jede Menge Leute kommen mir auf dem schmalen Weg entgegen, ich rufe Cuidado ! Cuidado !, Vorsicht, und stampfe wie ein Elefant im Galopp an ihnen vorbei, links und rechts hängen sie im Maschendraht, und ich erreiche, pfeifend wie eine Dampflok, gerade noch den Zug, bevor er losfährt.

    Als ich wieder Luft zum Sprechen habe, frage ich, warum der Zug früher als geplant gekommen ist, und erfahre, dass das ein Vorauszug ist wegen der großen Nachfrage, und der eigentliche Zug wie von mir vermutet erst in zehn Minuten gekommen wäre.

    Der Rest der Reise verläuft unspetakulär wie geplant bis zum portugiesischen Grenzort und Fährhafen Vila Real de Santo Antonio. Dort habe ich dann mehrere Stunden Zeit, es ist erst früher Nachmittag, und ich hab noch nichts gegessen. Gehe also in ein kleines Restaurant, suche mein ganzes portugiesisches Geld zusammen, das waren nach meiner Erinnerung knapp 1500 Escudos (ausgesproche. "Schkudsch"), d.h. um die 15 DM, und erkläre dem Wirt, dass er mir dafür bitte etwas zu essen und zu trinken geben möchte, mehr hätte ich nicht mehr. Er stellt mir eine volle Rotweinflasche auf den Tresen, ich möchte mich bedienen, und aufs Essen muss ich auch nicht lang warten, es wurde noch sehr gemütlich.

    Ich kam rechtzeitig auf die Fähre und zum Bus, die Fahrt nach Sevilla habe ich weitestgehend verschlafen.

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

Wer ist/war online

  • Benutzer online 0
  • Wer war online 0

Benutzer online 0

zur Zeit sind 37 Gäste online - Rekord: 17.944 Benutzer (16. Januar 2022 um 14:27)

Wer war online 0

Heute war bisher kein Mitglied online

Letzte Beiträge

  • Wanderung auf den Hochschergen bei Altenau

    claus-juergen 18. Juni 2025 um 18:39
  • 5. Motorradtour nach Kroatien

    claus-juergen 15. Juni 2025 um 17:47
  • (14) SANKT NEPOMUK, der Brückenheilige, Teil 14

    claus-juergen 15. Juni 2025 um 11:57
  • Der heutige Erdbeermond

    Dieter 13. Juni 2025 um 00:19
  • aus der Heimat berichtet...

    claus-juergen 12. Juni 2025 um 22:36

Forum online seit...2005

19 Jahren, 10 Monaten, 2 Wochen, 10 Stunden und 47 Minuten
  1. Impressum
  2. Datenschutzerklärung
  3. Kontakt
  4. Nutzungsbedingungen
  1. Bildergalerie Alt
Community-Software: WoltLab Suite™