Diese enorm aufwendigen Reiseberichte zeigen nun wahrlich einen ebenso übersichtlichen Gesamteindruck, wie die nicht unwichtigen Details.
Dankschön für die Blümli.
Mit enorm aufwendig hast Du Recht - die Reise ist 10 Wochen vorbei, und ich bin mit dem Bericht immer noch nicht fertig (trotzdem ich in unserem eigenen Forum schon weiter bin). Aber es macht Spass und erinnert mich immer wieder an diese ungemein eindrucksvolle Fahrt.
Und ich freue mich sehr über Eure differenzierten Rückmeldungen.
(Immer noch 20.7.2010)
Die Weiterfahrt von den Stecci geht durch die wilden Berge des Sutjeska-Nationalparks.
Bereits von dort kann man sie ahnen,
Bald sind wir mittendrin ...
und Armmuskeln wie Koordinationsvermögen von Milan, unserem Fahrer, sind wieder mal gefordert.
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[youtube]KhBK0EZkuco[/youtube]
Am Ende des Tals ist für alle eine Rast fällig.
Mit roter Schrift in kyrillischen Buchstaben steht Bife, das würde bei uns Büffet heissen -
wir sind offensichtlich nicht nur in der Srpska, sondern auch in einem serbischen Restaurant.
Wobei das Bife eher ein Imbiss ist, aber für unsere Bedürfnisse reicht's.
Das monströse Kriegsdenkmal schenken wir uns diesmal, zumal wir weiter müssen -
in Foca werden wir erwartet.
In Foca (spr. fotscha) lebten vor dem Krieg (das heisst in diesem Thread: Vor dem Bosnien-Krieg 1992 - 1995) etwa gleichviel Serben wie Muslime. 1992 wurde die Stadt von serbischen Nationalisten erobert, die Nicht-Serben wurden ermordet oder vertrieben. Einige der damals dort verübten Verbrechen sind Gegenstand von Gerichtsverhandlungen am Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.
Nach der Eroberung wurde die Stadt in Srbinje umbenannt, das heisst etwa "Ort der Serben" - seit 2004 heisst sie wieder Foca. Auch sind inzwischen so viele nationalistische Betomköpfe abgewandert, so dass 2005 ein erklärter Nicht-Nationalist, Zdravko Krsmanovic, zum Bürgermeister gewählt wurde. Dessen politischer Traum ist, den Hass aus Bosnien zu vertreiben, wie er einer britischen Zeitung erklärt hat (einen deutschsprachigen Link über diesen interessanten Politiker habe ich leider nicht gefunden).
Mit ihm waren wir eigentlich in Foca verabredet.
Vor dem Rathausbesuch gehen wir über das Ruinenfeld, auf dem bis 1992 die "Bunte Moschee" stand, eine der schönsten Moscheen in Bosnien und Herzegowina. Sie wurde von den serbischen Eroberern nicht nur dem Erdboden gleichgemacht, sondern die Steine wurden auch weggeschafft und zum Teil in die Drina geworfen, um einen Wiederaufbau zu verunmöglichen.
Geplant ist es mittlerweile trotzdem.
Dann wartet im Rathaus die stellvertretende Bürgermeisterin Olivera Neles auf uns, ihr Chef ist leider kurzfristig verhindert.
Bemerkenswert ist, dass im Gemeindesaal neben dem Wappen der Repubika Srpska (Mitte) und der Stadt Foca (rechts) auch das von Bosnien und Herzegowina (links) hängt, das sei in der Rep. Srpska sonst nicht üblich, wurde uns gesagt;
auch ist, der Absicht der Nationalisten zum Trotz, die die Bunte Mosche aus dem Gedächtnis der Menschen hier streichen wollten, im Gemeindesaal neben anderen alten Bildern auch eines von dieser Moschee zu sehen.
(P.S. wegen der Spiegelung hab ich das Bild nicht besser hingekriegt)
Frau Neles, die Vizebürgermeisterin, begrüßt uns und hält uns einen Vortrag über die Schwierigkeiten des Wiederaufbaus und spart nicht mit Kritik an der Zentralregierung der Republika Srpska in Banja Luka (womit man sich bei diesen korrupten Herrschaften ganz schön in die Nesseln setzen kann). Mich interessiert natürlich besonders das Gesundheitswesen, und da berichtet sie, dass die Versorgungslage mit medizinischem Gerät vollkommen desolat ist, z.B. müssten Patienten für ein MRT (Magnetresonanztomogramm, im Volksmund "Röhre" genannt) 400 km bis Banja Luka fahren ...
Wir diskutieren eine ganze Weile mit ihr, sie ist sehr offen, und es ist nur bedauerlich, dass ihr Chef, Zdravko Krsmanovic, von dem uns Erich so viel erzählt hat, nicht dabei sein konnte. Aber er ist halt ein viel beschäftigter Mann, besonders jetzt, wo am 3. Oktober Wahlen im ganzen Land anstehen und die Chance besteht, die korrupten und inkompetenten Nationalisten abzuwählen (was leider nicht geklappt hat - nachtr. Anmerkung).
Man hätte noch ewig weiter debattieren können, aber Frau Neles hat zu tun, und unser Bus wartet - Milan will schliesslich seinen wohlverdienten Feierabend antreten. Bis Gorazde ist es nicht mehr weit, und die Straße ist auch komfortabler als die bisherige. Immer an der Drina entlang,
und schon sind wir da und schleppen unsere Koffer in die Hotelzimmer, über die man sich nicht beklagen kann,
wenn man davon absieht, dass ein Aufzug für im 2. Stock gelegene Zimmer
ganz nett gewesen wäre ...
Aber das sind Luxusprobleme, insbesondere wenn man weiss, was die Menschen in dieser Stadt 1992 - 1995 durchgemacht haben, drei Jahre Belagerung und Beschuss durch serbische Nationalisten, Hunger und desolate medizinische Versorgung, ungefähr 7000 Menschen überlebten das nicht, und die Stadt lag in Trümmern.
Das Überqueren der Drina unter Dauerbeschuss war einigermaßen gefahrlos
nur auf dieser "Brücke unter der Brücke" möglich ...
Auf uns dagegen macht Gorazde den Eindruck einer quirligen Kleinstadt, in deren Straßen man zwar noch
Narben des Krieges
sehen kann, aber von aussen überraschend vieles wieder aufgebaut ist und das Schlimmste überstanden zu sein scheint.
Wie gesagt, es scheint ...