...wie war das dann erst bei Amalie?
Nicht wesentlich anders, Jürgen.
Schon 1861 in Deisenhofen fing an, was die einen Kurpfuscherei und die anderen Wunder nannten. Mit einfachen Kräutern in vielversprechenden Verpackungen kurierte die Hohenester Heilungsuchende. Die Methode ihrer Diagnose war recht einfach. Ich hatte im obigen Bericht schon darüber geschrieben. Sie brauchte nur den Urin eines Patienten zu sehen um mit einem Blick festzustellen woran er litt. Dann bekam er eines jener Geheimmedikamente das vor allem, wie die Doktorin betonte, wohlschmeckend war wie Champagner. Zur Therapie verordnete sie oft strenge Diät und selbst aus Kräutern hergestellte Tinkturen, Tees und Salben. Ihre Gegner behaupteten immer, sie habe Spione im Wartezimmer sitzen, die die Patienten belauschten und ausfragten, um diese Informationen sofort an die Doktorin weiterzugeben. Ein Veterinärstudent wollte sie einmal mit Pferdeurin hereinlegen, aber dem sagte sie unter dem Gelächter der Kundschaft: "Du bist a ganz guata Hengst, dir fehlt bloß Hafer und Heu!" Ob auch hier der Aushorchdienst funktioniert hat? Und doch waren ihre Diagnosen oft verblüffend.
1869 wurde Amalie Hohenester, geborene Nonnenmacher, in einer öffentlichen Sitzung des königlich bayerischen Landgerichts Dachau "wegen medizinischer Pfuscherei zu 50 Gulden Geldbuße, acht Tagen Arrest und Kosten" verurteilt.
Vermutlich hatte sie daraufhin den Badebetrieb an ihren Mann Benedikt übertragen, denn einer Zeitungsmeldung zufolge wurde "der Wirthschafts- und Badebesitzer Benedikt Hohenester wegen unberechtigtem Betrieb einer Badeanstalt" am 6. Juli 1869 ebenfalls zu einer Geldbuße von 50 Gulden und Kosten verurteilt. Dazu wurde die Schließung des Bades verfügt.
Anhaben konnten Amalie Hohenester derartige Urteile wenig. Das Bad wurde zwar für etwa ein Jahr geschlossen, aber dann wurde der Tatbestand "medizinische Pfuscherei" aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Die Hohenester hatte wieder freie Hand. Welche hochgestellten Persönlichkeiten, die an die Wundertaten der Doktorbäuerin glaubten, ihren Einfluss geltend gemacht haben, weiß ich nicht.
Maria Hohenester war ja eine Zeitgenossin von Sebastian Kneipp.
Richtig! Auch mit ihm hatte die Kaiserin Kontakt und nutzte seine Mittelchen und Methoden.
Welche Gebrechen veranlaßten Kaiserin Elisabeth dazu, diesen abgelegenen Ort aufzusuchen?
Was genau der Auslöser war ist nicht eindeutig geklärt. Die Kaiserin hatte im Laufe der Jahre viele Wehwehchen. Belegt sind rheumatische Beschwerden und Gicht im Alter. Aber sie suchte immer nach dem Andersartigen, dem Ungewöhnlichen, dem Alternativen. So auch wenn es um ihre Gesundheit ging. Dabei spielte es keine Rolle ob es standesgemäß war. Auch dem Okkulten war sie nicht abgeneigt.
Hat der Aufenthalt gesundheitlich etwas gebracht?
Offensichtlich! Hätte sie sonst die Kirchenfenster finanziert? Aber Belege gibt es nicht.
Wobei! Es gibt keinen Nachweis darüber, dass Kaiserin Elisabeth in Mariabrunn bei der Hohenester war!
Es ist aber belegt, dass die Erzherzogin Elisabeth Franziska Maria von Österreich mehrere Male in Mariabrunn gekurt hat.
Neues Fremdenblatt vom 10.06.1873
Ich vermute, dass mal irgendwer die Legende des Besuchs der Kaiserin in die Welt gesetzt hat und die Hohenester wäre schön blöd gewesen wenn sie es dementiert hätte. Sie hat es ja nie bestätigt.
Vielleicht ist jener Michel Lang daran schuld, der diesen Zeitungsartikel über Amalie Hohenester am 23.08.1871 in "Die Presse" veröffentlicht hat.
Im sechsten Absatz erwähnt er die Bemerkung einer Mitreisenden "Der Kaiserin von Österreich hat sie das Leben gerettet...". Haben das andere gelesen und es blieb hängen? Entstand so eine Legende? Wurden die Kirchenfenster nicht von der Kaiserin Elisabeth gestiftet, sondern von einer Erzherzogin Elisabeth? Ich denke, dass ich einem Phantom nachgejagt bin. Da bin ich aber nicht allein! Die Biographen der Kaiserin haben es teilweise auch übernommen.
So! Jetzt muss ich aber ins Bett!
Gute Nacht!
Liebe Grüße von waldi