Tag 07 – Im Ourika-Tal
Mittwoch, der 18.09.2019:
Mit Rachid hatte ich besprochen, dass ich am Abend – denn dies sollte mein letzter Abend hier im Riad sein – ein Abendessen bekäme. Eine Angestellte sollte mir eine Rindfleisch-Tajine zubereiten, und ich stellte mir vor, dass es etwas Besonderes wäre, eine solche Hausmannskost-Tajine zu bekommen. Außerdem hatte ich ihm noch 150 Dirham übereignet – 50 für ihn, 50 für Fatima und 50 für Ajif. Rachid verstand zuerst nicht, wofür das sein sollte. „For the dinner?“ „No, it‘s a present!“ Leider viel mir kein Wort für „Trinkgeld“ ein. Doch dann verstand er. Fatima bedankte sich gleich herzlich, als sie mir das Frühstück brachte.
Um 09.00 Uhr startete ich meine heutige Tour in das 1.500 m hoch gelegene Ourika-Tal. Das Tal liegt 60 Kilometer südöstlich von Marrakesch und ist für einen Tagesausflug sehr beliebt. Kommt man zum Eingang in das Tal, und der Oued Ourika nähert sich der Straße, gelangt man in das kleine Dorf Douar Tafza. Hier befindet sich das Ecomusée Berbère de l'Ourika, welchem ich einen Besuch abstatten wollte. Das Dorf fand ich, aber das Museum nicht. Und so fragte ich einen Souvenirverkäufer am Straßenrand. Bereitwillig kam er sofort mit und wollte es mir zeigen. Er wolle auch kein Geld, doch nach dem Besuch des Museums könne ich ja in seinem Laden vorbeischauen. Ich versuchte, ihm klarzumachen, dass er nicht mitkommen brauchte, das das war fruchtlos. Das Dorf war in einem recht ärmlichen Zustand. Es gab alte, recht schöne Häuser, aber eben auch viele, die ihre besten Zeiten weit hinter sich hatten und halb verfallen ihr Dasein fristeten. In ihnen schienen aber noch immer Menschen zu wohnen.
Ecomusée Berbère de l'Ourika
Am Museum gesellte ich mich für 40 Dirham zu einer kleinen Gruppe, bestehend aus einem amerikanischen Pärchen, einem finnischen und einem jungen Führer, die soeben mit einer kleinen Führung durch das Museum begonnen hatten. Das passte ja wie die Faust auf’s Auge. Das finnische Pärchen machte ich auf mein T-Shirt der Band Nightwish aufmerksam und wollte wissen, ob ihnen das was sagte. Natürlich tat es. Unser Führer war witzig und wusste auch für viele Dinge das englische- und auch das deutsche Wort. Er kannte das Wort „Teppich“, und wenn man es tat, dann war es „flechten“. Ich staunte nicht schlecht. Er pflegte dann meist zu sagen: “On finnish – I don’t know.“ Man kann ja nicht alles wissen. Er zeigte uns alte Gerätschaften und berichtete über die Lebensweise der Berber. Manchmal ließ er uns raten, wofür ein Gegenstand verwendet wird. Er erklärte, was die verwendeten Farben und Muster von Teppichen über die Familie aussagten, für die sie geflochten wurden. So scheinen z. B. Rauten für Frauen zu stehen und gelbe Farben für Kinder. Er zeigte uns eine Ribab, eine einsaitige, mit dem Bogen gestrichene Kastenspießlaute, und führte vor, wie man die verschiedenen Töne erzeugt. Das Instrument ist sehr einfach gehalten, doch je nach der Höhe, auf der man mit dem Bogen über die Saite streicht, erklingen hohe oder tiefe Töne. Wenn man das Instrument sieht, glaubt man gar nicht, dass man daraus verschiedene Töne hervorbringt. Ein Raum war wie das Innere einer alten Berberhütte hergerichtet. Trachten, Gefäße, Fotos, Waffen, Schneidewerkzeuge und vieles mehr werden hier ausgestellt. Von der gemütlichen Dachterrasse hatte man einen guten Überblick über das ärmliche Dorf.
Im Museum
Als ich es verließ, liefen einige Kinder um mich herum und bettelten. Als ein Erwachsener das sah und ihnen etwas zurief, ließen sie von mir ab, doch als er weg war, kamen sie wieder. Einer der Jungen war besonders hartnäckig, und mein „Non, pardon“ erzielte nicht die gewünschte Wirkung. Am Dorfausgang waren es dann nur noch zwei und der besagte Bub bettelte und bettelte. Als ich wieder ablehnte, fing er fast an zu weinen. Ich schaute mich um. Niemand sonst konnte uns sehen. Da drückte ich ihm 20 Dirham in die Hand. Da war aber einer glücklich. Der andere Junge wollte auch noch was haben, doch ich versuchte, ihnen verständlich zu machen, dass sie es sich teilen sollten, und sie verschwanden. Am Geschäft des Souvenirverkäufers, der mit mir hier hinauf gekommen war, ging ich schnell vorbei.
Auf dem Weg in das Tal
Ich fuhr tiefer in das Tal, und hin und wieder lagen Dromedare am Straßenrand. Je höher man kommt, umso mehr kleine Holzbrücken überqueren den Ourika. Überall winken die Einheimischen und wollen dich auf ihren Parkplatz lotsen. Am Fluss sind überall kleine Restaurants, die zum gemütlichen Verweilen einladen. Die Brückchen sehen idyllisch aus, und so musste ich einfach mal über eines drüber laufen. Die Straße endet im Bergdorf Setti Fatma. Hier wollte ich hin, um eine kleine Wanderung hinauf zu den Asgaour-Wasserfällen zu machen. Im Dorf fuhr ich mit ca. 10 km/h hinter einem anderen Wagen. Ein kurzer Blick in eine andere Richtung – und der Wagen vor mir stand. Auch ich trat ruckartig auf die Bremse. War ich drauf gefahren? Nee, ne? Nicht das auch noch! Der Fahrer des anderen Wagens stieg aus, und auch ein anderer Einheimischer kam herbei. Man hatte keinen Knall gehört, und ich war eigentlich der Meinung, das andere Fahrzeug nicht berührt zu haben, auch wenn ich verdammt nah dran stand. Die beiden Herren wollten den Schaden begutachten, doch dann winkten sie ab, weil anscheinend nichts zu sehen war. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Puh. Glück gehabt.
Am Fluss Ourika
Ich parkte, und sogleich kamen einige Guides auf mich zu, die mir ihre Dienste anboten. Ich musste hartnäckig bleiben, um sie loszuwerden. „Please let me find it myself!“ „Without guide you will find nothing!“ So ging es hin und her. Ich hatte schon gehört, dass die Guides, die man wirklich nicht braucht, bis zu 300 Dirham für ihre Dienste verlangen. Viele lassen sich darauf ein, was man aber wirklich nicht tun sollte. Man braucht lediglich über eine Brücke den Fluss zu überqueren und dem Bachlauf zu folgen. Außerdem laufen viele Wanderer den Pfad hinauf und einige Verkaufsstände zieren den unteren Bereich. Man kann es gar nicht verfehlen.
Das Gebiet erwies sich als sehr schön. Es war sehr felsig, und ich kam in den Wald. Ab und zu musste man den Bach überqueren. Es waren viele Guides mit ihren Gruppen unterwegs, und ich war froh, hart geblieben zu sein. Nach einer Weile kommt man zu ersten kleinen Wasserfällen. Das Geröll nimmt stetig zu. Normalerweise hätte ich dafür meine Wanderschuhe gebraucht, doch da dies nur eine kleine Wanderung war, dachte ich, ich bräuchte sie nicht. Das war falsch. Auch heute war es wieder sehr warm, doch im Schatten der Bäume ließ sich gut laufen. Die Natur hier ist wirklich angenehm; ich hätte es nicht so schön erwartet. Je höher man kommt, umso steiler wird der Pfad. Man war hier nun schon weit im Gebirge, und die Zivilisation hatte sich schon längst verabschiedet. Immer wieder zeigten sich bereits kleinere Wasserfälle. Zum ersten Mal bekam ich die marokkanische Bergwelt zu spüren. Nach ca. einer Stunde erreichte ich den großen Wasserfall. Ich wunderte mich, als ich eine kleine Getränke-Bar und Sitzmöglichkeiten hier oben sah. Ein anderer Tourist bat mich, von ihm und seiner Familie ein Foto unter den Fällen zu machen. Das nutzte ich dazu, um auch von ihm fotografiert zu werden. Die meisten Besucher kommen nur bis hierhin und kehren dann wieder um. Doch ich wollte das nicht. Wenn ich nun schon einmal hier war, dann wollte ich auch alle Wasserfälle sehen, denn weiter oben sollten noch welche folgen.
Die kleine Wanderung beginnt
Der weitere Weg wird aber immer schwieriger, und teilweise muss man schon fast klettern. Von weit oben hatte man eine schöne Aussicht auf Setti Fatma. Meine Anstrengungen wurden belohnt, auch wenn meine Beine durch die Kletterei schon fast zitterten, aber ich kam noch zu drei weiteren Wasserfällen und hatte den höchstgelegenen erreicht. Ein Wanderer kam von noch weiter oben den Berg hinab und berichtete mir, dass man oben den Bach ruhig dahinfließen sehen würde und es sehr schön dort sei. Da musste ich nun aber passen. Ich konnte nicht mehr und der weitere Aufstieg war sehr schwierig. Auf der Höhe der Getränke-Bar – an der ich zwecks Ausruhen und der Aufnahme eines Orangensafts erst einmal pausierte – zweigt ein anderer Pfad ab, auf dem man ebenfalls wieder nach Setti Fatma kommt. Den nahm ich, denn schließlich will man ja nicht denselben Weg wieder zurücklaufen, und außerdem hatte man von dort einen schönen Überblick über das Tal. Dieser Pfad führte mich in nur 30 Minuten zurück in das Dorf. Nun hatte ich mit 2 ½ Stunden doch länger gebraucht als gedacht, doch ich war glücklich. Die Parkgebühren waren mit 10 Dirham ein Schnäppchen.
Weiterer Aufstieg und Rückkehr
Zurück in Setti Fatma
Im Anschluss wollte ich eigentlich das schöne Mizane-Tal bei Imlil besuchen, doch entschied ich mich aufgrund der fortgeschrittenen Stunde dagegen und fuhr durch das Gebirge in Richtung der 2 ½ Stunden entfernten, festungsartigen Moschee Tin Mal, der einzigen Moschee, die man auch als Ungläubiger betreten darf. In einem Bergrestaurant stärkte ich mich mittels einer Suppe und eines Cheeseburgers. Die Straße wurde dann immer schlechter und schlechter und wurde zu einem holprigen Waldweg. Wo war ich denn hier gelandet? Ein einsamer Schafhirte führte seine Herde durch den Bergwald. Irgendwann war der Weg unbefahrbar. Durch Unwetter hatten sich so große Rillen und Furchen im Weg gebildet, dass man das mit einem herkömmlichen PKW nicht mehr schaffen konnte. Ich habe meinem Peugeot wirklich Einiges zugemutet. Das arme Auto! Dann versuchte ich, von der anderen Seite auf einer anderen Straße an die Moschee zu kommen. Leider hatte ich übersehen, dass man die letzten Kilometer hinauf zur Moschee laufen musste. Das wollte ich mir jetzt aber nicht mehr zumuten und versuchte auch hier, so weit wie möglich zu fahren. Da auch hier das irgendwann nicht mehr möglich war, gab ich auf. Schade. So gab ich mich mit meiner schönen Wanderung im Ourika-Tal und dem Besuch des Berber-Museums als Tageserlebnisse zufrieden und trat den Rückweg nach Marrakesch an.
Als ich wieder zurück war, streifte ich noch etwas durch die Souks und schaute mir die Fontaine Mouassine an. Doch ich hatte einen schönen, aufwändigen Brunnen erwartet, wie man es gewohnt ist und war etwas enttäuscht, als er sich einfach als eine Art Tränke an einer Hauswand entpuppte. Die Souks kannte ich jedoch mittlerweile sehr gut. Zurück im Riad bekam ich mein Dinner. Zuerst reichte mir Rachid einen Salat. Na ja – es waren Kartoffel-, Tomaten- und Gurkenstückchen und Bohnen. Den Teller hatte ich bereits morgens im Kühlschrank stehen sehen. Besonders ansprechend war das nicht. Dann lüftete Rachid den Deckel der Tajine. Es war eine Rindfleisch-Tajine mit Pflaumen, wie ich sie bereits am Abend des zweiten Tages im Restaurant Le Salama gegessen hatte, doch das Fleisch erwies sich als relativ zäh, und auch die Pflaumen waren sehr trocken. Im Le Salama hatte mir das großartig geschmeckt. War wohl doch keine so tolle Idee gewesen, mir im Riad ein Dinner kochen zu lassen. Dazu trank ich noch Rotwein, den ich noch im Kühlschrank stehen hatte. Die Hälfte des „Salats“ und die Pflaumen konnte ich nicht mehr essen.
Zurück in den Souks
Rindfleisch-Tajine mit Pflaumen