Der Mann, der die Wüste zum Leben erweckte
Mich verschlug es zum Jahrtausendwechsel das erste mal in diese Gegend Ägyptens. Damals kannte und wusste ich noch gar nichts über dieses Fleckchen Erde. Denn zu der Zeit war ich noch ein waschechter Touri.
Wegen fehlender Flugkontingente zum Ras Um Sid auf dem Sinai sagten wir halt – OK, Hauptsache Egypt. Diese Notlösung entpuppte sich im Nachhinein als faszinierender Volltreffer.
Nun zur Geschichte der „Reißbrettstadt" und seinem Erbauer S.S. (Samih Sawiris):
Bis Ende der Achtziger war 22 Km nördlich von Hurghada nichts weiter als Wüste und Wasser und wieder Wüste. Aber das früher dort einmal Menschen gelebt und gearbeitet haben müssen, zeigen die Überbleibsel eines römischen Hafens, die noch heute die südliche Grenze El Gouna´s markieren.
An einem herrlichen Sonnentag fuhr ein Mann namens Samih Sawiris, die gottverlassene Küstenstraße entlang. Er hatte einen Plan und war auf der Suche nach einem ausbaufähigen Stützpunkt für nette private Angel-Trips. Er wollte eigentlich nur ein paar Villen für die Familie und für Freunde, die zu Besuch kommen, bauen.
Schon als kleiner Junge spielte der kleine Samih Sawiris stundenlang am Strand und baute Sandhäuser, denn wenn es in Ägypten etwas im Überfluss gibt, dann Sand.
An einem lagunenähnlichen Küstenstreifen, dachte er: Ja, hier soll es sein.
Doch das Land gehört dem Staat und der verkaufte nur unter einer Bedingung, dass der, der Grund und Boden erwarb, zur Förderung des Tourismus vor Ort, gleichzeitig ein Hotel bauen müsse.
Kein Problem für einen Sawiris Spross. Ist doch sein Familienclan einer der reichsten und mächtigsten Ägyptens.
Ihnen gehört u. a. der größte Baukonzern „ORASCOM“, der von seinem jüngsten Bruder Nassef Sawiris geleitet wird und Ägyptens Telekom, um die sich der älteste Bruder Naguib kümmert. Samih Sawiris, ist zuständig für den Bereich Tourismus, er wird auch gern als „Der Mann, der die Wüste zum Leben erweckte“ genannt.
Seine erste Million machte er mit 24 Jahren. Mitglieder seiner Familie haben es als einzige im Land in die „Forbes-Liste der Milliardäre“ geschafft (Platz 60 - 68 + 98 / Stand 2008)(Platz 127 - 374 + 655 / Stand 2010).
Er studierte Wirtschafts-Ingenieurwesen an der TU-Berlin, flog alle zwei Monate nach Hause und baute nebenbei in Ägypten eine Schiffsfabrik auf. Ein sehr fleißiger Studi also!
Den Grundstein für den Familienerfolg der „Sawiris“ legte Vater Onsi, Sohn eines Rechtanwaltes aus Oberägypten, schon in den 50er Jahren. Zuerst studierte er Landwirtschaft, wechselte aber sehr bald das Fach und gründete eine Baufirma, mit der er sein erstes Vermögen machte. Durch politische Wirren, in der Regierungszeit von Gamal abdel Nasser, wurde der Bauunternehmer 1961 enteignet und seine Firma verstaatlicht.
„Als Angestellter in der eigenen Firma arbeiten - niemals.“
Er ließ sich nicht unterkriegen und ging nach Libyen, gründet wieder eine Baufirma, war wiederum Erfolgreich und verlor durch die Machübernahme von Muammar el Gaddafi 1969 abermals alles.
Inzwischen dreifache Papa kehrte er 1972 nach Ägypten zurück und fing nach Anwar el-Sadats politischer Hinwendung zur westlichen Welt noch einmal von vorne an. Er gründete mit einem halben duzend Leuten die Firma „ORASKOM“, die es heute immer noch gibt.
El Gouna – "Die Stadt aus dem „Nichts“, „ hat S. S. logischer Weise nicht in sechs und auch nicht in zehn Tagen erschaffen“, sondern mehrere Jahre gebraucht.
Jedesmal wenn ich zurück komme, sieht sie anders aus. Begonnen hat alles mit 30 Häusern, der s.g. Phase 1. Mittlerweile sind gut 20 Quadratkilometer verbaut, was mit der Größe des Londoner Stadtzentrums zu vergleichen ist. 25 Quadratkilometer sollen aber als Reserve noch zur Verfügung stehen.
Der heute 53 (*1957) jährige Familienvater, konnte nach Herzenslust „Schöpfer“ spielen und seine "Sandkastenfantasien" von damals ausleben. Mit El Gouna hat er und einige ausgewählte Architekten, eine Stadt kreiert, die nach allem aussieht – nur nicht nach Ägypten. Aber IRRE faszinierend ist und sie wächst und wächst.
Der Ort hat sich sehr schnell zum exklusivsten Ferienorte am Roten Meer gemausert.
Er hat sie erfunden, er hat ihr den Namen gegeben, er hat sie bauen lassen. Man findet an diesem Ort die verschiedensten Baustile und doch passt alles irgendwie zusammen. El Gouna ist eine Inszenierung: ein bisschen nubisch, ein bisschen sardisch-mediteraner Baustiel, entlang des neuen Hafens jemenitisch, dahinter venezianisch usw..
Ein Sonnenuntergang am Hafen von des Städtchens gräbt sich ins Gedächnis. Noch heute komme ich mir ab und an vor, als wandelte ich durch ein Bild.
Am Anfang wollte niemand ein Hotel an diesem Ort betreiben. Es dauerte nicht lang und man riss sich darum.
„Ihr macht Witze?, sagten die Manager der großen Hotelketten zuerst. Ein Hotel wo sonst nichts ist?“ Doch was zuerst schien - wie eine „Fata Morgana“ eines größenwahnsinnigen Magnaten, sollte sich am Ende als Genial erweisen.
Es gibt rund 14 Hochwertige Hotels in der Stadt, zwei 5***** Hauser sind im Bau (stand Ende 2009). Dem Gast wird alles geboten was das Herz begehrt.
Weit vom Schuss zu sein hieß aber auch, alles von Grund auf, nach eigener Phantasie planen zu können: Welche Baustile wollte man, welche Proportionen sollte das ganze haben, wie legt man Infrastruktur wie z.B. –Kläranlagen, Wäschereien, Recyclingstellen- usw. an?
Und so etwas in Ägypten, wer die Mentalität ein bisschen kennt, weiß was ich meine! Wo alles gemeinhin erst morgen und zweitens oft nie so richtig funktioniert. Frei nach dem Motto: „Insha Allah“ oder auch IBM! Wo das Geflecht aus Chaos und Korruption einem schon mal ab und an das Gefühl gibt, "der Pyramidenbau habe bis heute sämtliche Ressourcen an Planungsvermögen, Disziplin und Berechenbarkeit aufgebraucht".
El Gouna wurde schon mehrfach als umweltfreundlichste Region Ägyptens ausgezeichnet und das obwohl der 18-Loch-Golfplatz, Nacht für Nacht mit ca. 3 Mil. L. Wasser versorgt werden muss. Die irren Bewässerungskosten machen diesen Luxusplatz zu einer der teuersten Grünfläche am Roten Meer. Die Lagunenstadt gilt bisher als umweltfreundlichstes Reiseziel am Roten Meer. Dort geht man verantwortungsvoller mit Ressourcen um: Das Trinkwasser z.B. stammt aus Quellen der nahe gelegenen Berge, bewässert wird mit aufbereitetem Brauchwasser. Es gibt Mülltrennung und Recycling, es gibt Farmen für Geflügel und Fisch ......
El Gouna hat auch ein hervorragendes Krankenhaus. Mit allem was man so braucht, Telefone die funktionieren, Fernseher und Betten wie bei uns zu Hause.
In der Hafengegend, richtig ausgedrückt „Marina Abu Tig“ schaukelten die schicken Millionenyachten sanft im Hafenbecken. Der 1992 erbaute Hafen wird nun aber allmählich zu klein, deshalb wurde zur ein neuer größerer gebaut, damit noch mehr Glitzerpötte Platz haben.
Die Architekturvielfalt ist auch hier grandios, um den Hafen entlang hat sie jemenitische und italienischen Einflüsse. Die Lagunen sind durch viele kleine Brücken miteinander verbunden. Daher wird die Stadt auch gern mal „Venedig am Roten Meer“ genannt.
Heute leben dort mittlerweile permanent weit über 10.000 Menschen. Solche die dort arbeiten und solche die es nicht mehr tun, Winterflüchtlinge und Rentner.
Ich habe zwei liebe Freude und einige Bekannte, die den Absprung von Deutschland nach El Gouna gewagt haben, sie leben und arbeiten vor Ort. Kenne aber auch welche, die es nicht gepackt haben. So ist das Leben.
Dazu gesellen sich die ganz normalen Touristen, so wie wir damals auch, inzwischen über 120.000 jährlich.
Um die aus dem ganzen Land angeworbenen Kellner, Gärtner und Bauarbeiter zu halten, hat ihnen der Erbauer von El Gouna, „Werkswohnungen“ zur Verfügung gestellt. Ich hab sie mir angesehen.
Es wurde eine koptische Kirche für den "Sawiris Clan" und eine wunderschöne Moschee gebaut.
Die ersten „Gounis“ sind längst geboren und neben der 1998 eröffneten (EGIS) Internationalen Schule für die Kindern der u.a. überwiegend ausländischen Geschäftsleuten und Aussteigern, gibt es auch eine staatliche und damit kostenlose Schule für die Ägypter. Es gibt eine Hotelfachschule und Ende 2009 hat u.a. ein Ausbildungzentrum für weibliches medizinisches Fachpersonal sein Pforten geöffent.
Man sollte (oder muss) diese „künstliche“ und doch irgendwie „natürlich wirkende“ Stadt gesehen haben um meine Euphorie (ein wenig) zu verstehen!
In El Gouna gibt es einen Aussichtspunkt der sich "The Hill“ nennt. Wer dort oben steht und alles was er sieht in sich aufnimmt, wird es nicht vergessen. Man hat einen irren Rundblick über die Lagunen, die einzelnen Bauphasen, einfach genial.
Die Stadt kann zu Fuß, per PKW-Stadtführung und mittels einer herrlichen Lagunenfahrt erkundet werden und jedes Mal sieht sie anders aus.
Wer sich in Hurghada aufhält, sollte sich einen El Gouna Trip leisten. Man kommt sehr gut per Taxe hin, oder nimmt den 5 LE kostenden, weiß blauen El Gouna Bus. Endstation: Mitten in der Stadt Down Town oder man sagt dem Taxifahrer einfach "Tamr Henna".
Sehr gut ist der Freitag (Abend - (Winterpause von Nov. bis ende Feb.) für einen Besuch geeignet, dann findet rund um den Hafen ein Fest statt. Viele Hotels und Restaurants bauen Stände mit diversen, auch orientalischen Köstlichkeiten auf. Es gibt Live-Musik und Tanz unterm Sternenzelt.
Aber nicht vergessen nachzuschauen, wann der letzte Bus zurück geht, wenn man aus Hurghada angereist ist. Er fährt um 1h in der Nacht los, verpasst man ihn, muss man bis zum Morgen warten, der erste fährt dann wieder um 7h. ....