Religionsunterricht früher

  • Ein Kirchenmann hat mich nicht geschlagen, aber wir hatten Schulschwestern und eine davon hat kräftig ausgeteilt.


    1965 hat mir ein evangelischer Pfarrer die Brille zertrümmert, weil er so in Rage war, dass er vorher vergessen hat, mich zum Abnehmen derselben aufzufordern, was das ungeschriebene Regelment vorgesehen hätte. Hat dann freiwillig die Reparaturkosten übernommen - mit dem Nachteil, dass mein Vater auch davon erfuhr. Ob mir dies weitere Nachteile gebracht hat, weiss ich nicht mehr, d.h. das war dann wohl nicht mehr so aufregend. Hätte aber sein können.


    Heute muss ich gelegentlich bei einer hausärztlichen Untersuchung den Patienten bitten, die Brille abzunehmen. Und jedes Mal fällt mir die damalige Bedeutung dieser Aufforderung ein: "Nimm die Brille ab ..."

    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • Hallo miteinander


    Jeder wird irgendwie geprägt von Erlebnissen der Jugend, seien sie gut oder schlecht.


    Pfarrer Rauwolf(Nomen est Omen) kommt auf mich zu, im Vorbeigehen bekomme ich eine herbe Kopfnuss, er schaut über meine Schulter und sieht Abscheuliches!
    Einfach unvorstellbar, dass ich während seinem Vortrag über christliche Nächstenliebe Dreiecke zeichne, meist ohnehin die rechtwinkligen, die sich per einfachem Pythagoras berechnen lassen, weiter bin ich noch nicht gekommen...
    Das macht ihn wild, das will er nicht hinnehmen, er packt mein Ohrläppchen und reisst es bis zur Muschel hoch, ich schreie vor Schmerzen!
    "Das sei Teufelsblut, das da fliesse!", so behauptet er und gibt mir noch eine heftige Kopfnuss...


    Noch Fragen, warum ich Agnostiker geworden bin?


    Soweit auch meine Meinung zu religiösem Fanatismus, den gibt es leider auch bei uns, wird aber meist als normal und gegeben hingenommen.


    Traurige Grüsse
    Viktor


  • Noch Fragen, warum ich Agnostiker geworden bin?


    Wenn der Herr Rauwolf das gewusst hätte! :shock:
    Nein - da war sicher noch mehr.


    Zum Thema "religiöser Fanatismus" ( egal welcher Couleur) möchte ich nichts sagen- ein sehr ernstes Thema, aber es würde eine endlose Diskussion.


    Aber zu den Ohrfeigen:
    Die einzige, die ich während meiner gesamten Schulzeit eingefangen habe, war von einem Pfarrer ( Religionslehrer)
    Grund: Ich konnte einfach nicht aufhören zu lachen ( worüber , weiß ich nicht mehr) - Da bekam ich eine gescheuert und - was noch schlimmer war, ich musste die ganze Unterrichtsstunde vorn dicht neben ihm stehen - Gesicht ihm zugewandt - und er war mir soooo zuwider.


    Meine Mutter hat mich dann in diesem Schuljahr vom Religionsunterricht abgemeldet. ( Ich verbrachte dann diese Stunde in einer anderen Klasse beim "Rechnen" - damals sagte man noch nicht Mathematik , das hat mir vermutlich mehr genützt)


    Gruß,
    Elke

  • Muss doch auch mal etwas Positives über unsere Religionslehrer loslassen.


    In der 10. Klasse war ich grottenschlecht, keine Lust zu nix, entsprechend sah das Zwischenzeugnis aus.


    Unser Religionslehrer in diesem Jahr, Pfarrer Ost, war ein durch und durch gutmütiger Mensch. Schlechtere Noten als 3 gab es bei ihm nicht, und die bekamen nur Leute, die durch keinerlei Unterrichtsaktivitäten aufgefallen waren. Normalerweise wäre ich in diesem Jahr ein Dreierkandidat gewesen, siehe oben.


    Eines Tages kurz vor Schuljahresende saß ich in meiner Bank (ziemlich weit hinten), der Lehrer erzählte vorne etwas, keine Ahnung was - ich war mit dem Abschreiben von Hausaufgaben eines anderen Fachs beschäftigt. Hörte mit einem Ohr, wie er fragte, wann Zinzendorf gelebt hatte.
    Ich hatte diese Daten irgendwo aufgeschnappt, und ich habe ein gutes Zahlengedächtnis.
    1700 bis 1760, brummte ich.
    Der Lehrer wurde hellhörig. Eine konstruktive Äusserung aus dieser Ecke war er nicht gewohnt, noch dazu, wenn derjenige eigentlich mit etwas Fachfremdem beschäftigt war (was ich freimütig zugab, denn bei dem guten Mann war das erlaubt).
    Und so bekam ich allein aufgrund dieses Lichtblicks einen Zweier in Religion.




    (Wittenberg 2009)

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  • Evangelische und katholische Volksschule waren duch eine Mauer getrennt, es sind oft Steine oder Kastanien über die Mauer geflogen. Mit dem evangelischen Nachbarsjungen war mir das Spielen zwar nicht verboten, aber unerwünscht. Und die Wohnung seiner Eltern sollte ich nicht betreten. Da gäbe es noch einiges mehr...


    Der Pfarrer als Religionslehrer hatte mit der Tafelkreide einen sehr guten Wurf, in besonderen Härtefällen tat es auch der Schlüsselbund. Ein (nur) "gut" auf dem Zeugnis in Religion zeugte im Elternhaus für unangenehme Auseinandersetzungen.


    "Kinderkur" wurde es genannt, als das damals untergewichtige Kläuschen bei einer selbigen selbst nach dem Erbrechen des widerwärtigen Milchreises zum erneuten Genuss desselbigen gezwungen werden sollte. Aber ich hatte damals schon einen gehörigen Dickkopf. Der brachte mir aber ein, dass ich an allen Vergnügen innerhalb der sechswöchigen "Kur" nicht teilnehmen durfte. "In der Ecke stehen" konnte ich gut.


    Auf der Penne hat uns während des Sechstagekrieges der Reli-Lehrer allmorgendlich die Zahl der von den Israelis abgeschossenen Panzer und getöteten feindlichen Soldaten genannt. Ich kann mich an unsere Jubelstürme erinnern. Heute erinnert mich manches eher an den "Rattenfänger vom Inn".


    Nicht vergessen sind mir jedoch manche Werte, die mir trotz allem im Religonsunterricht vermittelt wurden.


    Der Ethikunterricht wird heute als Ersatz für den Religionsunterricht in den Schulen angeboten. In NRW ist es die "Praktische Philosophie" als Wahlpflichtfach. Hier sollen Ethik, Rechtsphilosophie, Staatsphilosophie, Politische Philosophie und auch Grundlagen der Ökonomie behandelt werden.


    Ob des ganzen Themas kommt in Gedanken vieles hoch...


    Nachdenkliche Grüße,
    Klaus

  • Zu den "handfesten" Lehrerargumenten (sorry ich schweife ein bissl ab, weil's m.E. kein Religionslehrer war, aber ich weiss nicht, wo's sonst hinpasst) fällt mir noch ein:


    Am Nordende von Heidelberg, im Stadtteil Handschuhsheim, haben sie Ende der 70er eine Neubausiedlung hingestellt, in der es eine Fritz-Frey-Straße gibt. In der residierte meine letzte Heidelberger WG Anfang der 80er. Neben unserem Block steht ein kleines Denkmal für Fritz Frey, wonach er Handschuhsheimer Lehrer und Heimatforscher war. Über seine sonstigen Qualitäten berichtete ein alter Handschuhsheimer, der meine Mitbewohnerin beim abendlichen Trampen nach Hause mitgenommen hatte (das sind aus der Altstadt ca. 4 km, also eine ganze Ecke, wenn die letzte Straßenbahn weg ist):
    "Hajo, der Fritz Frey. Der hot bees zuschlage gekennt ..."

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