Die Glagolitische Allee von Roč nach Hum

  • Glagolitische Allee, Istrien


    Die Glagolitische Allee beginnt an der Autostrasse 44 unterhalb von Roč bei der 6km langen Strasse hinauf nach Hum. Elf Stationen erinnern an die historische Entwicklung der ältesten slawischen Schrift Glagoliza.


    Die Allee wurde 1976 auf Initiative der Čakavski sabor, einer istrischen Kulturveranstaltung, erbaut. Das Konzept erstellte der Schriftsteller Zvane Črnja und Prof. Dr. Josip Bratulić. Der kroatische Bildhauer Želimir Janeš schuf zwischen 1977 und 1983 die Steinskulpturen.


    Folgend zeige ich die 10 Skulpturen mit ihren Titeln und kurzer Beschreibung, dem Weg von Roč nach Hum folgend. Die 11. Station ist das Stadttor von Hum. Hum wird als die kleinste Stadt der Welt bezeichnet. Sie hat nur 30 Einwohner und ist mit ihrem mittelalterlichen Ambiente ein Anziehungspunkt für Touristen. Jetzt, Mitte April, war es angenehm ruhig und beschaulich.Am Ende des Berichts zeige ich einige Eindrücke aus Hum. Leider habe ich vom gesamten Stadttor kein Foto, ich habe nur den Türklopfer fotografiert. Es ist aber ein guter Grund, Hum nochmals zu besuchen.


    Station 1: Säule der Čakavischen Volksversammlung

    Die Skulptur stellt den glagolitischen Buchstaben „S“ dar, dem ersten Buchstaben im glagolitischen Alphabet, welcher im Altslawischen für „Slovo“, Verstand steht.





    Station 2: Der Tisch von Kyrill und Method


    An einem runden dreibeinigen Tisch sind in lateinischer, kyrillischer, und glagolitischer Schrift die Worte STOL KONSTANTINA KIRILA I METODIJA eingemeißelt. Von den ursprünglich zwei gepflanzten Zypressen, welche die Brüder Kyrill und Method von Saloniki symbolisierten, steht leider nur noch eine und diese ist bis zur Hälfte abgestorben.





    Station 3: Der Sitz des Kliment von Ohrid

    Diese Installation symbolisiert die erste slawische Universität, die von Erzbischof Kliment in der Stadt Ohrid gegründet wurde.




    Station 4: Das glagolitische Lapidarium

    Auf dem Weg nach Hum kommt man in das Dorf Brnobići. Bei der Kirche findet man eine Mauer, die als Lapidarium, einer Sammlung mit Kopien bedeutender glagolitischer Denkmäler errichtet wurde.






    Station 5: Die Schlucht der kroatischen Luzidar

    Diese Mauer symbolisiert das Učka Gebirge mit einer Wolke über seinem Gipfel. Die Inschrift besagt: „Hier gibt es ein Land mit dem Namen Istrien...mit dem Gebirge Olinfos, hier heißt es Učka...seine Spitze berührt die Wolken“




    Station 6: Der Aussichtspunkt des Gregor von Nin

    In den Steinblock in Form eines Buches ist das Alphabet in lateinischer, kyrillischer und glagolitischer Schrift eingemeißelt. Der Stein erinnert an den kroatischen Bischof Gregor von Nin, der sich gegen die Einmischung aus Wien und Rom zur Wehr gesetzt hat.




    Station 7: Der Aufstieg des Istrischen Gesetzbuches

    Am Beginn dieser Figurengruppe steht der glagolitische Buchstabe „L“. Am Weg entlang bilden die Steinskulpturen das Wort „ISTARSKI RAZVOD“, damit ist das Istrische Gesetzbuch aus 1275 gemeint. Der Weg endet mit einem steinernen Tisch, auf dem ein Mühle-Spielfeld eingemeißelt ist.









    Station 8: Die Mauer der kroatischen Protestanten und Häretiker

    Diese Skulptur stellt eine landestypische Trockensteinmauer dar, an der der glagolitische Buchstabe „S“ in Form einer Sanduhr eingelassen ist.



    Station 9: Der Rastplatz von Žakan Juri

    In der Mitte dieser Gruppe steht ein großer Steinblock, der das erste gedruckte kroatische Buch, ein Messbuch aus 1483 symbolisiert. Die Buchstaben daneben bilden den Namen Žakan Juri. Er war Einwohner von Roč und kündigte das Erscheinen dieses Buches an.



    Station 10: Das Denkmal für Widerstand und Freiheit

    Vor der Stadt Hum steht die letzte Skulptur aus drei aufeinander geschlichteten Steinblöcken. In diese sind die Schriften Lateinisch, symbolisierend das Altertum und Glagolitisch, symbolisierend das Mittelalter eingemeißelt. Der dritte Block symbolisiert die Neuzeit mit einem istrischen Lied. Zusammen stehen die Blöcke für den Wunsch nach Frieden und Freiheit.



    Station 11: Das Stadttor von Hum

    Das Stadttor von Hum ist mit Kupfer beschlagen. Zwölf Medaillons symbolisieren jeweils einen Monat des Lebens in Hum. An den beiden Türflügeln sind zwei Türklopfer angebracht. Die glagolitischen Inschriften heißen Besucher willkommen, drohen aber denen, die mit schlechten Absichten eintreten.



    Hum hat seinen mittelalterlichen Charakter bewahrt.











    In der Kirche fällt auf der Kanzel ein Predigerarm mit Kreuz auf. Diese Arme mit Kreuz waren in der Barockzeit üblich. Der Prediger konnte bei besonderen Stellen seiner Predigt das Kruzifix der Handhalterung entnehmen, um seinen Worten besonderen Nachdruck zu verleihen.




    Eine Spezialität in Istrien, die in Hum einen besonderen Stellenwert hat, ist der Biska, ein aus Mistelblättern und anderen geheim gehaltenen Kräuterbestandteilen gebrannter Schnaps, welcher gegen alle möglichen Leiden hilft. Das Rezept ist über 2.000 Jahre alt. Auch dieser ist ein guter Grund, nochmals nach Hum zu kommen!


    Johannes


    Quellen:


    http://www.istria-culture.com/de/glagolitische-allee-i131
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Glagolitische_Allee
    http://www.istra.hr/de/attrakt…nst/glagolitische-schrift
    http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/526052
    https://www.inistrien.de/aktue…hnaps-und-heilmittel/amp/
    http://www.istria-gourmet.com/…citta%20della%20biska.pdf

  • Glagolitische Schriftzeichen und glagolitische Allee- wie oft habe ich schon davon gelesen und einzelne Bilder gesehen!


    So schön und gut habe ich diese Allee noch nirgendwo beschrieben gesehen .
    Ich dachte immer, es seien einzelne Skulpturen, wusste nicht, dass sie in einem Gesamtzusammenhang stehen und man sie einem 6km langen Weg zusammenhängend erwandern kann.


    Vielen Dank für die Bilder und für die fundierten Erklärungen!
    Da muss ich hin! ( Dann werde ich auch den Biska probieren)


    Kann es sein , dass dieses Relief die illyrisch römische Gottheit Silvan zeigt, Gott der Wälder, der Natur, der Erde?
    Die Slawen übernahmen den vorchristlichen Silvan als Heiligen Georg.
    Ich bin ihm in Plomin begegnet.
    Verlassen und vergessen? PLOMIN!




    Liebe Grüße,
    Elke

  • Danke, Josef für die Blumen und danke Elke für diese Verbindung zum Silvan. Ja, das ist eindeutig seine Nachbildung, in der Mauer werden ja glagolitische Kunstwerke gezeigt.Plomin, da muss ich auch hin! Toll, dass du diese Skulptur gleich zuordnen konntest!


    Johannes

  • Ich bin fasziniert, Johannes!
    Trotz vorbildlicher Beschreibung und Erklärung tu ich mir schwer mit der Materie. Trotzdem danke dafür!
    Wahrscheinlich müsste ich mich intensiver mit dem Thema beschäftigen um den tieferen Sinn dieser künstlerischen Darstellungen erfassen zu können.
    Außerdem war ich bisher nicht in der Gegend.


    Mich wundert, dass die Skulpturen der einzelnen Stationen noch nicht "verschönert" wurden.
    Kein Schmierer oder Sprayer hat sich ihrer angenommen. Ich hoffe, dass das lange so bleibt.


    Liebe Grüße von waldi :174:

  • Danke, Elke!
    Das mit der Schrift ist für mich das kleinere Problem.
    Mir fehlt halt oft das Verständnis für die künstlerische Umsetzung eines Themas.
    Anscheinend habe ich zu wenig Fantasie um z.B. das Istrische Gesetzbuch aus 1275 mit einem steinernen Tisch, auf dem ein Mühle-Spielfeld eingemeißelt ist, in Verbindung zu bringen.
    Ob es an fehlendem Hintergrundwissen hängt?
    Ich bin halt ein unverbesserlicher Kunstbanause. :wink:



    Liebe Grüße von waldi :174:

  • Ich bin halt ein unverbesserlicher Kunstbanause.

    Nein, nein, Waldi , das glaube ich nicht.
    Fragen dürfen (sollten ) immer gestellt werden.


    Solche in Stein eingeritzte alte Spielpläne habe ich in Kroatien auch an anderen Orten gesehen.
    Hier z.B. in Osor auf der Insel Cres ( auch ein Ort mit sehr langer Geschichte)



    Vielleicht war das früher das Freizeitvergnügen der Männer , wenn sie sich getroffen haben?
    In der Zeit, als auch noch die glagolitische Schrift benützt wurde?
    Vom Künstler als Hinweis / Verbindung zum täglichen Leben in jener Zeit gedacht?


    Ich weiß es nicht.


    Liebe Grüße,
    Elke

  • Hallo,


    Ja, Mühletische auf Stein geritzt waren zu dieser Zeit sehr beliebt. Man findet sie auch in Klöstern und in Hum auch in Verbindung mit der glagolitischen Schrift. Claus-Jürgen hat so einen Mühletisch aus gleich drei Spielfeldern nebeneinander im Kloster von Sveti Petar u Šumi am Adriaforum beschrieben und in ein Rätsel verpackt!


    http://www.adriaforum.com/kroatien/threads/1762_istrien-sveti-petar-u-Šumi-mühle-spieltisch-aus-stein.74904/


    Rätselhafte Verbindungen in historische Zeiten faszinieren mich immer wieder, auch wenn sie sich nicht immer gleich und manchmal auch nie gänzlich erschließen.


    LG


    Johannes

  • Ja die Glagolitische Allee von Roč nach Hum ist voller Geheimnisse.
    Roč und Hum sind uralte Orte voller Geheimnisse.


    Hier ein Foto vom Stadttor von Hum.



    Wir haben schon vor Jahren mit Urlaubsbekannten und auch alleine Hum besucht.


    Auch wollte ich einmal vom Sitz des Kliment von Ohrid eine Ansprache halten. (lache)



    Im Ort Hum befindet sich auch eine kleine gemütliche Taverne.


    An der Straße nach Hum befindet sich nahe beim Dorf Kotli ein Wasserfall
    mit einer alten Mühle. Leider führt er im Sommer kaum Wasser.


  • Lieber Josef!


    Danke für den Nachtrag des Stadttores. Ich hatte nicht mitbekommen, dass es sich um die 11. Station handelt und es so verabsäumt, das gesamte Stadttor zu fotografieren. Aber wenn wir zusammenlegen, bekommen wir es ja vollständig hin!


    Der Vorsitz auf der alten Uni steht dir übrigens gut. Und Kotli steht beim nächsten Besuch am Programm, diesmal war nicht ausreichend Zeit, bin nur daran vorbeigefahren.



    Liebe Grüße


    Johannes

  • Auch wollte ich einmal vom Sitz des Kliment von Ohrid eine Ansprache halten.

    :wohow:
    Und??
    Hattest Du ehrfürchtige und aufmerksame Zuhörer??


    Liebe Grüße,
    Elke


    Danke für den ergänzenden Beitrag !

  • hallo Johannes,


    danke für deinen informativen Bericht über die Allee nach Hum. Die habe ich zwar schon oft gesehen, jedoch noch nie so ausführlich erklärt bekommen. Respekt!!!


    grüsse


    jürgen

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