Zu diesem Bildbericht gehört eine Geschichte, die einerseits typisch und andererseits wieder ungewöhnlich ist.
Es begann damit, daß ich bei meinem Rundgang durch Kitzbühel im Zentrum ein altes, etwas heruntergekommenes Haus sah und fotografieren wollte. Da der Garten und Hofraum öffentlich zugänglich war, ging ich hinein und betrachtete einige Details an der Fassade.
Die Türe öffnete sich und heraus kam Toni Pichler, den ich nie zuvor gesehen habe. Toni und ich verstanden uns sofort und er begann zu erzählen. Schmied in wer weiß wievielter Generation, nie geheiratet, zwei unverheiratete Schwestern und seit Generationen auch in Kitzbühel wohnhaft.
Eigentlich ist er auch heute noch Schmied weil er gelegentlich Metallarbeiten durchführt. Tatsächlich hat er sein Handwerk jedoch vor einigen Jahren aufgegeben.
Toni erzählte mir seine Variante des Aufstiegs von Kitzbühel. Seit langer Zeit gab es hier wie auch in anderen Skiorten im Alpenraum einmal im Jahr ein internationales Skirennen welches vor vielen Jahrzehnten meist die einheimischen Athleten, allen voran Toni Sailer gewannen. Nach drei Tagen versank der Ort wieder in den Dornröschenschlaf bis zum nächsten Rennen weil alle Zuschauer und Reporter abreisten.
Die normalen Skifahrer blieben eine Woche und reisten dann wieder ab. Hotels und Gaststätten gab es in der selben Anzahl und Qualität wie auch in anderen vergleichbaren Skiorten.
Dann kam in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein berühmter Fußballer, nennen wir ihn mal Franzl und kaufte sich ums Eck ein nettes Anwesen, welches ausgebaut wurde. Dazu kamen dann noch ein paar Anwesen und Grundstücke. Das ganze war deshalb besonders, weil Franzl kein Österreicher war und der Erwerb von Haus und Grund an Ausländer damals, lange vor dem EU-Beitritt so gut wie nicht möglich war. Dazu war eine Sondergenehmigung des Landesregierung von Tirol erforderlich.
Egal, Franzl schaffte es und zog immer mehr gut situierte und wohlhabende Ausländer nach Kitz wie der Ort von den Einheimischen und neuerdings auch von den Zugezogenen liebevoll genannt wird. Franzl und seine Freunde mußten notgedrungen ihren Hauptwohnsitz hier nehmen. Das bedeutete auch die vollständige Steuerpflicht auf alle Einkünfte zu Gunsten Tirols und der Gemeinde. Damit flossen Steuern in nie geahnter Höhe in den Säckel von Kitz.
Als dann der Beitritt Österreichs zur EU nach einer Volksabstimmung zum 1.1.1995 kam, konnte nach einer gewissen Schonfrist jeder EU-Ausländer Grund und Boden auch in Kitz und Umgebung erwerben. Dies hatte eine noch nie dagewesene Preissteigerung bei Immobilien zur Folge.
Noch Anfang der 70er Jahre kostete ein Baugrundstück etwa 200 Schilling, daß entspricht etwa 10 € pro Quadratmeter. Heute beginnen die Preise bei 3000 € pro Quadratmeter. Da ist es nachvollziehbar, daß hin und her gekauft und verkauft wird. Ein Bauboom ohnegleichen war die Folge.
Nebeneffekt war für Toni, daß rund um seine Schmiede der Platz immer weniger wurde. Da ein Stück Weg für eine Zufahrt eines benachbarten Hauses, da ein Stück Weg für einen Gehweg, da ein Stück Weg für eine Straße. Schließlich blieb die laute, schmutzige alte Schmiede mitten im Ort, die alle drumherum störte. Umzug auf die grüne Wiese vor die Tore des neuen Nobelortes kam für Toni nicht in Frage. Für wen auch, endet die Tradition doch mit ihm, weil er keine Nachkommen hat und die Schmiede nicht in fremde Hände geben möchte.
Es kam wie es kommen mußte. Irgendwann gab Toni auf. Heute wohnt er noch alleine in dem Gebäude und schmiedet gelegentlich etwas Metall für Bekannte.
Toni hat das Vorhängeschloß aufgesperrt und ich durfte mit ihm rein in seine Schmiede, nein nicht in ein Museum. Mein Einwand, daß mit all den Gerätschaften doch Kitz ein tolles Museum einrichten könne, wies er weit von sich. "Die bekommen nichts!"
Diese Tafel zeigt den Heiligen Eligius, den Schutzheiligen der Schmiede. Folgende Legende rankt sich um den Kirchenmann:
"Eligius soll, bevor er das Goldschmiedehandwerk erlernte, ein ausgezeichneter Hufschmied gewesen sein. Eines Tages, nachdem er ein Pferd beschlagen hatte, kam ein Fremder zu ihm. Dieser lobte seine Arbeit, schlug ihm aber eine andere Methode vor. Man brachte also dem Fremden ein Pferd, dessen Bein er abschlug, das Hufeisen anbrachte und nun das abgeschlagene Bein danach wieder ansetzte. Eligius wollte es ihm gleichtun, aber natürlich gelang es ihm nicht, den Fuß wieder anzuschmieden. Als der Fremde wieder erschien, erkannte Eligius Gott den Schöpfer in ihm und begriff, dass ihm eine Lehre der Demut erteilt worden war.
Nach einer Variante nahm Christus die Gestalt eines Gesellen in Eligus’ Werkstatt an und zähmte widerspenstige Pferde, indem er ihnen einen Fuß ausriss und fertig beschlagen wieder anheilte. Damit lehrte er den Heiligen, so die Deutung, dass man den teuflischen Pferdefuß erkennen und ausreißen müsse." (aus Wikipedia)
An diesem Handlauf arbeitet Toni gerade.
Diesen Schriftverkehr hat Toni an der Fassade ausgehängt.
Toni hat natürlich sein Einverständnis zu allen Bildern gegeben. Auch hat er nichts dagegen, daß er hier abgebildet ist. Die meisten Kitzbüheler mögen ihn eh nicht. "Wie kann man nur so blöd sein und das alte Glump nicht für mindestens 3 Millionen Euro verkaufen?"
jürgen