Etoile de France im Hafen von Saint Malo

  • Der Hafen von Saint Malo im Norden der Bretagne ist momentan der Heimathafen eines Segelschiffs aus dem 18. Jahrhundert. Es handelt sich um den Nachbau einer englischen Fregatte mit derzeit zwei Namen.


    Am Heck steht „Etoile du Roy“ und der Heimathafen Saint Malo, Backbord und Steuerbord ist der Name „Etoile de France“ angebracht. Mit diesem Namen wurde es uns auch vom Fremdenführer vorgestellt. Eigentlich sollte man ein Schiff ja nie umtaufen. Angeblich bringt das Unglück. Zwei Namen gleichzeitig dürfte somit noch mehr Unglück bringen.


    Doch nun zum ganz aus Holz in der Türkei für ca. 2 Millionen Euro erst vor wenigen Jahren nachgebauten Schiff. Es verfügt natürlich auch über einen Dieselmotor, diente es doch jahrelang als Kulisse für eine englische Fernsehserie.



    So was kennen wir doch aus Filmen wie „die Schatzinsel“ oder „Sir Francis Drake“.





    Hier die wichtigsten Daten zum Schiff:


    Segelfläche, Länge des Schiffs, Gesamtlänge, maximale Breite, Höhe, Gewicht und man höre und staune Besatzung 120 Personen, Passagiere 350 Personen!!! Wie das funktionieren soll mit so vielen Menschen an Bord, erfahrt ihr weiter unten im Bericht.



    Schauen wir uns erst einmal auf dem Oberdeck um. Das Steuerrad gibt es in doppelter Ausführung, weil ein Steuermann alleine bei heftigem Seegang überfordert war, den Kurs zu halten. Die Seile verbinden das Steuer mit dem Ruder am Heck.



    Kanonen auf dem Deck und auch darunter. Mit Seilen waren diese festgebunden, so daß sie nicht bei Schräglage herumrollen konnten. Die Räder waren praktisch, weil man so die Kanonen schnell von einer Seite auf die andere verlegen konnte um den Feind anzugreifen.



    Die Treffsicherheit war nicht allzu hoch. Der jeweilige Kanonier mußte in Abstimmung mit dem Offizier oder dem Vorgesetzten so lange mit dem Schuß warten, bis der Gegner in Schußposition war.





    Die Sitzbänke gab es früher nicht, jedoch eine Unmenge an Seilen.



    Schauen wir uns unter Deck um. Im Heck in der Offiziersmesse war es noch relativ geräumig.



    Auch hatte der Kapitän als einziger ein richtiges Bett.



    So lange wie hier war der Gang jedoch in Wirklichkeit nicht. Es wurde jeder Quadratmeter Platz benötigt. Es gab zwei Mini-Kabinen für den Kapitän und den Schiffsarzt. Lediglich für die Filmarbeiten wurden weitere Kabinen eingebaut. In der Mitte sehen wir einen der Masten, die durch mehrere Decks bis zum Kiel hinunterreichten. Die Zwischendecks gaben den Masten Stabilität.



    So ein geräumiges Zwischendeck für die Mannschaft gab es nur im Film. Tatsächlich waren die Zwischendecks ganze 120 cm hoch! Die Besatzung schlief im Drei-Schicht-Betrieb in Hängematten. Dazwischen war alles Mögliche gestapelt. So bringt man tatsächlich mehrere hundert Menschen auf und in so einer Nußschale unter. Da eine Belüftung dieser Decks praktisch nur über die Zugänge erfolgte, die noch dazu bei schlechtem Wetter verschlossen werden konnten, ist es für uns heute kaum vorstellbar wie es dort gestunken hat. Nicht jeder hatte auch die Zeit und Lust, sich einen Eimer Meerwasser zum Waschen an Bord zu holen.




    Schaut romantisch aus, war jedoch nicht so.



    Es gab keine Waschräume oder Toiletten. Wasser war rationiert und ausschließlich zum Trinken und Kochen da. Der Koch mit seiner Mannschaft hatte eine Kombüse wo rund um die Uhr auf einem eisernen Herd gekocht wurde. Wichtig war die tägliche Ration Rum für alle. Meist war es ein viertel bis ein halber Liter pro Kopf und Tag. Bei so vielen Menschen auf engstem Raum blieben Konflikte nicht aus und so war der Kapitän meist ein strenger Alleinherrscher auf dem Schiff.


    Die ständigen Auseinandersetzungen mit dem Feind oder Gegner forderten natürlich ihre Opfer. Amputationen wurden ohne Betäubung und bei vollem Bewußtsein der Patienten durchgeführt. Meist überlebten letztere diese Prozedur eh nicht. Um den Patienten still zu halten, wurde er in so ein Gestell geschnallt. Dann ging das Schneiden und Sägen los.



    Wer nach einer Beinamputation nicht an einer Infektion starb, bekam so eine Prothese.



    Musketen



    Degen für den Nahkampf. Es war im Allgemeinen so, daß zuerst aus vollen Rohren auf das feindliche Schiff geschossen wurde, das Schiff dann seitlich anlegte und dann geentert wurde. Danach ging der Kampf Mann gegen Mann los.



    Der hier gezeigte Nachbau einer Fregatte war ein sogenanntes Kaperschiff. Das war nichts anderes als legale Seeräuberei zum Nachteil anderer Seefahrernationen. Gegen 20 % Provision der Beute gewährte der jeweilige Landesherr den Besatzungen Schutz auf seinem Territorium.


    https://de.wikipedia.org/wiki/Kaperei


    Für mich war es jedenfalls sehr informativ, anhand so eines alten Segelschiffs etwas über das wahre Leben der Seeleute vor zwei- bis dreihundert Jahren zu erfahren. Mit Romantik und Abenteuer hatte das überhaupt nichts zu tun. Es war ein Knochenjob den die meisten nicht bis ins Alter überlebten.


    Jürgen

  • Am Heck steht „Etoile du Roy“ und der Heimathafen Saint Malo, Backbord und Steuerbord ist der Name „Etoile de France“ angebracht

    Jetzt ist das Rätsel um den Namen des Schiffes endgültig gelöst
    F - 1669 Bretagne > SAINT MALO > Etoile de France


    Ist schon seltsam mit den beiden Namen. Ist Dir das beim Besuch des Schiffes nicht aufgefallen?


    Das waren Zeiten, als solche Kaperschiffe mit Billigung der Regierenden auf den Meere herumfuhren.


    Wer Lust und Zeit hat und mal etwas über einige ( ausgedachte, aber sicher nicht realitätsferne ) Details solcher Kaperfahren lesen möchte, sollte sich den 950Seiten "Schinken" "Palast der Meere" von Rebecca Gablé vornehmen. (Gibt's als Taschenbuch, aber auch als EBook)



    Leichte Lektüre für den Strand - und wenn man jetzt noch die Bilder von Dir, Jürgen, sieht, dann kann man sich noch besser vorstellen, was es hieß, auf solch einem Schiff monatelang unterwegs zu sein.



    Danke, Jürgen!


    Gruß,
    Elke

  • Schaut romantisch aus, war jedoch nicht so.

    Danke , lieber Jürgen,


    für die ehrliche Schilderung wieder mal. Es muss einfach furchtbar gewesen sein, zu dieser Zeit diese Qualen erlitten zu haben.


    Das hatte tatsächlich mit Seeromantik überhaupt nichts mehr zu tun.


    Auch die einschlägigen Abenteuer Filme konnten nie und nimmer die Realität nachstellen.


    Dreck, Scorbut und andere Krankheiten und die Schinderei mancher Kapitäne ließen es zur Hölle werden.


    Im Film sieht alles größer aus. Wenn man damals den Film U-Boot gesehen hat, wer nicht, und in den Bavaria Hallen wie ich durch den Nachbau gegangen ist, kann sich vorstellen, wie eng und klaustrophobisch das Ganze gewesen sein muss.


    Lieben Gruß
    Helmut

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