Die Barockkrippe von Edelstetten (Kreis Günzburg, Bayerisch Schwaben) entstand in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Genauer weiß
man es nicht; 1738 jedenfalls bekam der Zimmermann Johannes Weggerle 1 Gulden und 15 Kreuzer "für das Aufbauen und Niederlegen
der Krippe". Auch der Baumeister der Edelstetter Kirche, Simpert Kraemer, wurde für Arbeiten an der Krippe entlohnt.
Die Krippe gehörte den Damen des Stifts Edelstetten, einer "Versorgungseinrichtung" für unverheiratete Töchter des schwäbischen Adels.
Im 12. Jahrhundert als Frauenkloster gegründet, wurde daraus 1460 ein weltliches Stift, dessen Angehörige – zwischen 7 und 12 Frauen –
weitgehende Freiheiten hatten: Eigentum, Dienerschaft, die Möglichkeit, das Haus zu verlassen, um zu heiraten. Wohlhabende Damen
also, die sich einiges leisten konnten. Und das sieht man ihrer Krippe auch an.
Das Stift wurde 1802 säkularisiert, und ein Fürst Esterhazy kaufte die Klostergebäude samt Inventar, wozu auch die Krippe gehörte. Sie
wurde zeitweise noch zu Weihnachten in der Kirche ausgestellt, kam aber 1870 endgültig in Kisten auf den Dachboden, wo sie 1901 ein
Zimmermann bei Reparaturarbeiten entdeckte. Der Kaplan erwirkte die Erlaubnis, die Kisten herauszuholen, und viele Dorfbewohner
halfen - begreiflicherweise nicht allzu sachgemäß -, die Krippe wieder präsentabel zu machen. In achtjähriger Arbeit (ab 2004) wurde
sie fachmännisch restauriert, und heute steht sie in einem Nebenraum der Kirche hinter Glas, braucht also nicht mehr auf- und
abgebaut zu werden, was ihr auf die Dauer schlecht bekommen würde.
Die Glaskästen und die Spotbeleuchtung machen das Fotografieren schwierig. Ich bitte deshalb um Entschuldigung, wenn ich nicht alles
abbilden kann, was man eigentlich von einer Krippe erwartet. Die heilige Familie auf der Flucht nach Ägypten beispielsweise findet im
Hintergrund auf dem Krippenberg statt; damit war die Kamera schlicht überfordert, und deswegen gibt es davon kein Bild.
Nach der langen Vorrede jetzt aber die Fotos. Die Geburt hat im Stall stattgefunden, das Kind liegt nackt in der Krippe, aber Maria und
Josef sind keineswegs wie einfache Leute gekleidet; Marias Kleid ist einer Königin würdig.
Kostbar gekleidet ist auch der Verkündigungsengel. Flügel, wie wir es heute erwarten, hat er allerdings nicht.
Die rd. 200 Figuren der Krippe sind etwa 25 cm groß und haben bewegliche Knie-, Schulter- und Ellenbogengelenke; ihre Köpfe sind
teils aus Holz, teils aus Wachs.
Schon auf mittelalterlichen Bildern war der Zug der Könige ein Anlaß, Reichtum und Prunk darzustellen. So ist es auch hier. Die Drei
kommen auf edlen Rössern, begleitet von einem ganzen Tross, zu dem auch Kamele und Elefanten gehören, und auch sie stellen
Kleiderluxus zur Schau.
Daß die Stiftsdamen die Kleider selbst genäht haben, wie gern angenommen wird, hat die erfahrene Restauratorin verneint: "Die Machart
ist für Laienhände viel zu kompliziert. Es waren verschiedene Schneider am Werk, und die Verschiedenartigkeit der Materialien an jeder
Figur (Damast, Seide, Brokat, Spitze, Litzen, Knöpfe) setzt eine große Schneiderei voraus, der vielfältiges Material zur Verfügung stand.
Die Pferdesättel sind bis ins letzte Detail aus echtem Leder gearbeitet."
Hier sieht man König Herodes, dem der Teufel den Gedanken eingibt, alle kleinen Kinder zu töten. Das geschieht dann auch,
und der Teufel sieht von einem Balkon aus dem mörderischen Treiben zu.
Die Darstellung Jesu im Tempel (nach Lukas 2,22-38): Links Josef mit zwei Opfertauben in einem Deckelkorb, rechts Maria; in der Mitte
der greise Simeon mit dem Kind, halb hinter ihm die Prophetin Hanna. Der Hohepriester hält sich dezent im Hintergrund.
Auf den nächsten Bildern sehen wir das Leben der heiligen Familie in Nazareth: Maria sitzt mit ihrem Spinnrad vor dem Haus, Josef mit
dem Buben in der Zimmermannswerkstatt (der Junge ist für die Arbeit entschieden zu elegant gekleidet). Ganz erstaunlich ist aber der
Garten beim Haus: ein typischer Barockgarten mit abgezirkelten Beeten, einem Brunnen im Zentrum – und was hat die feine Dame im
Hausgärtchen der heiligen Familie zu suchen?
Auf dem Heimweg nach dem Osterfest in Jerusalem geht den Eltern Maria und Josef ihr zwölfjähriger Sohn verloren, und nach längerer
Suche finden sie ihn im Tempel wieder, wo der altkluge Bub mit den Schriftgelehrten debattiert (Lukas 2,41-50).
Jetzt ist er schon erwachsen und zur Hochzeit in Kana eingeladen (Joh 2,1-10): Als der Wein ausgeht, läßt er Wasser in die Krüge füllen
und verwandelt es in Wein.
Der große Saal mit der Hochzeitsgesellschaft hat die Kamera mal wieder überfordert. Halbwegs fotografierbar aber waren die Musiker,
die von der Empore herab die Tischmusik liefern.
Ein vornehmes Haus hatte früher auch einen Rauchsalon, in den sich die Herren nach dem Essen zurückzogen, um sich ungestört der
Tabak- und Alkoholsucht hingeben zu können. Den gibt es auch hier.
Und schließlich noch ein Blick dahin, wo nicht getafelt, sondern gearbeitet wurde ...
Für die Erklärungen habe ich benutzt:
Heribert Schretzenmayr, Die Edelstetter Barockkrippe, Lindenberg 2010