In meiner Kindheit wohnten wir eine Zeitlang neben einem Bauernhof.
Heute würde man sagen, ein Kleinbauer - damals ernährte er eine ganze Familie.
Für mich war es ein aufregender Spielplatz.
Es gab 3 Kühe, 2 Ochsen, 2 Pferde, keinen Traktor ( der war in den letzten Kriegsjahren eingezogen worden)
Im Hof ein Misthaufen und eine Güllegrube, die mit Brettern abgedeckt war. Es war mir verboten, dort hinzugehen.
Der Bauer mochte mich ( er hatte "nur" 2 Söhne und hätte gern eine Tochter gehabt) und ich durfte oft mit ihm auf's Feld oder auf den Dreschplatz fahren: mal hoch oben auf den aufgeladenen Garben , mal hinten auf dem Wagen oder vorne auf dem Kutschbock, wo ich dann auch laut die Kommandos brüllte: hü, hott oder brrrrrr ( mit kräftig gerolltem r)
Eingespannt wurden meist die beiden Pferde , der Max und die Liesel.
Auf der Liesel durfte ich manchmal sitzen, was gar nicht so einfach war, weil der Ackergaul einen breiten Rücken hatte. Da half es nur , sich an der Mähne oder an dem Spitzkummet festzuhalten.
Für manche Feldarbeiten wurden auch die Ochsen eingespannt. Die mochte ich nicht so sehr - die erschienen mir immer etwas langweilig, sowie unberechenbar und gefährlich.
Eines Tages spannte der Jungbauer ( er war vermutlich noch keine 20 Jahre alt, für mich aber schon ein großer, erwachsener Mann) die Ochsen ein, um Gülle auf das Feld hinauszufahren.
Das Güllefass war aus Holz , an manchen Stellen undicht , und hinten mit einem Holzstopfen verschlossen . Dieser war Hilfe eines Lumpens fest in die Öffnung gedrückt worden .
Die Gülle wurde mit einem Schöpfer, der aussah wie ein Eimer an einem sehr langen Holzstiel, aus der Güllegrube geschöpft und in das Holzfass gekippt.
Damals störte sich niemand dran, dass das Fass leckte und auf Straße eine Güllespur hinterließ.
Ich durfte mitfahren .
Auf dem Acker angekommen , fragte der Jungbauer ( sicher nicht ohne Hinterlist), ob ich ihm helfen und den Stopfen hinten aus dem Güllefass herausziehen könne.
Ich war stolz, dass er meine Hilfe brauchte und dass er mir das zutraute .
Ich ging hinter den Wagen und mit beiden Händen und mit aller Kraft einer Vier- oder Fünfjährigen zog ich den Holzstopfen mit dem Lumpen aus dem Loch...
Leider war ich nicht reaktionsschnell genug, um rechtzeitig zur Seite zu springen, als der Güllestrahl mit Hochdruck aus dem Loch schoss.
Wie es weiterging, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass meine Mutter nicht mit mir schimpfte, als ich stinkend nach Hause kam.
Aber dem Jungbauern ging ich von da an aus dem Weg ( und erfand alle möglichen Phantasiespitznamen für ihn, die ich ihm dann immer zurief, wenn ich ihn sah)
Noch Jahre später , als wir schon längst weggezogen waren und wenn wir uns zufällig trafen, neckten wir uns.
Der Bauernhof wurde irgendwann abgerissen und heute stehen dort Mehrfamilienhäuser.
Ob der "Jungbauer" noch lebt, weiß ich nicht. Wahrscheinlich nicht.
Elke