Anhalter Bahnhof

  • Hier fährt kein Zug mehr :hurt:



    Wo die Reisenden auf ihre Züge warteten, wird Sport getrieben -


    aber ist der futuristische Bau dahinter


    das neue Olympiastadion ?



    Also der Neubau ist nicht das Olympiastadion. sondern das Tempodrom, d.h. eine Art Veranstaltungshalle. Entstand mal aus einem Zirkuszelt für Altenrnativveranstaltungen auf dem damals (Anfang Achtziger) noch brach liegenden Potsdamer Platz, wobei sich die damalige Besitzerin mit dem Tempodrom-Hallen-Neubau finanziell vollkommen überhoben hat und jetzt m.W. von Hartz IV leben muss.


    Neben dem Tempodrom würden jetzt die Bahngleise weitergehen,
    man sieht noch die Bahnsteige


    Auch da, wo jetzt Radweg und Bäumchenreihe verlaufen, waren damals Gleise, die dann unter der gelben U-Bahn durchgehen würden.



    Hinter der U-Bahn hat man dann rechts das Museum für Verkehr und Technik.



    Durch den Zaun sieht man den Museumsbahnhof, der weniger für Touristen gedacht ist, als vielmehr dazu, neue Schätze wie Waggons, Lokomotiven oder auf Güterwägen transportiertes Material anzuliefern. Die meistens der großen Schätze können im ehemaligen Lokschuppen bewundert werden.



    Nur zum Teil von einem Zaun abgeschirmt beginnt dann die - das Wort kannte ich auch noch nicht - Gleiswildnis.









    Die ganze Anlage hat auch etwas mit meiner Biographie zu tun - ich hab hier schon herumgestöbert, als es noch kein Museum gab und niemand das Wort Gleiswildnis kannte. Das kam daher, dass die Wohngemeinschaft meiner Schwester, in der ich regelmäßig zu Gast war, sich während der Siebziger in der nahegelegenen Yorckstraße befand.


    Wir sind damals regelmäßig auf diesem von der DDR-Reichsbahn (die auch für den Westberliner Bahnverkehr zuständig war) Anfang der 50er aufgegebenen Gelände herumgestromert, und nicht nur wir. Manche Autobastler sind auf die Gleisgruben gefahren, um von unten an ihren Vehikeln herumschrauben zu können.


    Viele Bäume sind dort erst seit den Achtzigern gewachsen,
    als das Gelände für den Bau des o.g. Museums abgesperrt wurde.


    Rückblick I


    Das letzte Mal war ich (falls mich mein Langzeitgedächtnis nicht im Stich lässt) 1982 dort. Hatte nach langer Sucherei eine Lücke im Bauzaun gefunden, und natürlich rein. Tigerte durch den Lokschuppen, an dessen Wänden noch irgendwelche sozialistischen Parolen standen (war ja ein DDR-Betrieb, in denen der Westen nix zu sagen hatte, auch wenn auf Westberliner Territorium), am Heizwerk vorbei und dem gesprengten Schornstein, und durch die Birkenwälder, die zwischen den Schienen gewachsen waren.


    Irgendwann kam ein Wachmann und fragte mich, wie ich da reingekommen sei, das sei verbotenes Gelände. Er war ganz freundlich, ich dann auch, sagte, dass da irgendwo eine Lücke im Zaun sei, und ich gedacht habe, wo eine Lücke im Zaun, da darf man auch rein. Die wollte er sehen, ich musste da eh hin, denn ich wollte ja wieder raus, insofern hatten wir den gleichen Weg. Unterhielten uns über das geplante Museum, das da geplant war, und was überhaupt aus dem Gelände werden sollte. Er meinte, ich hätte Glück gehabt, dass er mich jetzt, noch bei Tageslicht, entdeckt hätte, bei Dunkelheit würden die Hunde frei laufen gelassen. Naja.


    Nach längerer Suche fanden wir die Lücke, ich raus und ihm noch einen ruhigen Abend gewünscht, und er machte den Zaun zu.


    Rückblick II


    Zwei Jahre vorher war ein Film mit Eva Mattes (Deutschland bleiche Mutter) in die Kinos gekommen, in dem sie mit ihrer kleinen Tochter auf der Suche nach einer Bleibe über Bahngleise irrt, aus denen dann Birken wachsen, durch ein Heizwerk stolpert, an einem gesprengten Schornstein vorbei bis hin zu einem verfallenen Lokschuppen ...


    Zitat

    Das Schicksal einer jungen Frau, die in der Nazi-Zeit heiratet, sich im Krieg mit ihrem kleinen Kind allein durchschlagen muss und nach der Rückkehr ihres Mannes an den Rand des Selbstmords gerät: Kurz nach ihrer Heirat bleibt Lene allein zurück, während ihr Mann am "Polenfeldzug", dem deutschen Überfall auf Polen, teilnimmt. Mit ihrem Kind bewältigt sie alle Aufgaben allein und übersteht den Krieg; doch als ihr Mann zurückkehrt, soll sie in ihre alte Frauenrolle zurück. Die neue alte Familienordnung und das "Wirtschaftswunder" werden für sie zu einer Qual, die sie an der Rand der Verzweiflung treibt.
    https://www.filmportal.de/film…40f76443b8bb166d838528049


    Noch'n Bild aus dem Film [I]https://www.filmportal.de/node/47727/gallery
    (Runterscrollen und das zweite Bild von links anklicken - größer ging's leider nicht)


    Die den Film mit mir zusammen ansahen, fanden diese Szene unheimlich, weil das Heizwerk und der Schornstein sie an einen KZ-Verbrennungsofen erinnerte - mir dagegen war die Umgebung vertraut ...



    Offiziell, so habe ich eben bei Wikipedia gelernt, heisst die ganze Anlage Park am Gleisdreieck. Und damit sich der Gleiswildniswanderer auf seinem Weg durch die Ruderalvegetation, so nennt der Botaniker den auf Schuttplätzen, stillgelegten Eisenbahn- und Straßentrassen etc. entstandenen Pflanzenbewuchs, nichts bricht, hat man einen Betonpfad angelegt.



    Optisch naja, aber man käme auch mit dem Rollstuhl durch, bzw. mit dem Fahrrad ohne Steissbeinprellungen.


    Zwischendrin hat man auch etwas Wildnis teilweise abgeholzt und durch Rasen ersetzt, das sieht dann so aus:




    Dann steht noch ein ehemaliges Stellwerk am Wegrand herum.



    Man könnte von dort durchaus ein paar Weichen stellen, denn es gibt auch eine Bahnlinie ohne Bäume dazwischen.




    Aber keine Angst - solang das Tor zu ist, kommt kein Zug.



    Im alten Westberlin endeten viele Gleise so - aber keine Angst, wir schreiben 2012
    und die DDR samt Mauer ist Geschichte. Aber trotzdem war es meine erste Assoziation, als ich das sah.


    Die o.g. Bahnbrücke gehört zwar zur Museumsbahn, ist aber kein DDR-Andenken. Gelegentlich wird das Tor aufgemacht, nämlich immer dann, wenn es einen neuen Schatz für's Museum per Schiene anzuliefern gilt.


    Die Brücke als solche gehört zu den Yorckbrücken, das ist eine Ansammlung von ursprünglich 45 Eisenbahnbrücken,
    die die Yorckstraße überqueren - zwei Drittel davon sind noch da und stehen unter Denkmalschutz.


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    Die Grafitti sind zum Teil 30 Jahre alt, dieses zum Beispiel.



    wir wollen nicht ein Stück vom Kuchen, wir wollen die ganze Bäckerei


    Insgesamt fahren über 10 Brücken noch Züge, weitere 23 rosten mit oder ohne Gleise vor sich hin.





    Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt - sieh sie Dir an (Kurt Tucholsky)

  • Hier ist ein Insider wieder einmal auf Spuren der Vergangenheit unterwegs gewesen und zeichnet uns ein Bild von Berlin, das man als "normaler " Tourist wohl kaum so sehen wird.
    Danke, Grizzly, für Bilder und Kommentare.


    Ob die "Gleiswildnis" wohl irgendwann mal "vermarktet" werden wird?


    Gruß,
    Elke

  • Hallo Grizzly,


    wieder mal eine unnachahmliche Vergangenheitsbewältigung , die wir hier sehen dürfen.
    Danke auch für die viele Arbeit.


    Da die Bundesbahn nicht gerade bekannt ist, für zeitgerechte Vermarktung seiner brachliegenden Flächen , gibt es in ganz Deutschland zu hauf noch solche "Abenteuerflecken".


    Aber für den, der das Ganze real noch erlebt hat, ist das schon ein Erinnerungsjuwel.


    Vielen Dank
    Helmut


  • Da die Bundesbahn nicht gerade bekannt ist, für zeitgerechte Vermarktung seiner brachliegenden Flächen , gibt es in ganz Deutschland zu hauf noch solche "Abenteuerflecken".


    Hier wird gezeigt, was man mit den schmalen und langen ;) Grundstücken der Bahn anfangen kann: Bahntrassenradeln


    Gruß,
    Klaus

  • Hier wird gezeigt, was man mit den schmalen und langen ;) Grundstücken der Bahn anfangen kann: Bahntrassenradeln


    Tolle Information, Respekt Klaus.
    Kannte ich nicht annähernd. Kein Wunder, wenn man die zerstückelten Wege im südbay. Raum so sieht. Mit 2 km. 5 km usw.
    Aber immerhin, es gibt auch schöne Strecken.
    Gewünscht hätte ich mir da mehr von der Güte in Italien, dort besteht ein durchgehender Radweg von fast vom Brenner bis runter nach Verona. Das macht Sinn und Spaß.


    Aber vielen Dank für den Tipp.


    Lieben Gruß
    Helmut

  • Das ist in der Tat eine tolle Fotoserie! Ich mag diese Seite Berlins sehr. Es ist so rau und doch charmant, nur auf seine eigene Art und Weise.

  • Hallo Nico!


    Willkommen hier in Forum!!
    Ich freue mich , dass Du hierher gefunden hast und hoffe, dass Du Gefallen an den Themen unseres Forums findest.


    Zitat

    Ich mag diese Seite Berlins sehr


    Es sieht so aus, als würdest Du Dich in Berlin gut auskennen !
    Erzähl doch etwas von Dir, so dass wir wissen, mit wem wir es zu tun haben.


    Hier wäre Platz dafür
    https://www.schoener-reisen.at…display.php?14-Mitglieder


    Viele Grüße,
    ELMA, Admin

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