Von 1945 bis 1972, danach (bis 1989) weniger, war es ein größerer Angang, von Westdeutschland nach Berlin zu gelangen, da man durch die DDR musste.
Bis 1972 wurde man regelmäßig gefilzt, musste - als Autofahrer - Straßenbenutzungsgebühr bezahlen, bekam für 1 Berlinfahrt eine ganze Pass-Seite vollgestempelt und musste bei Ein- wie bei Ausreise stundenlange Wartezeiten in Kauf nehmen.
1972 wurde ein Transitabkommen geschlossen, man wurde im Regelfall nicht mehr kontrolliert (nur noch der Pass), einmal Berlin und zurück brachte nur noch 4, später 2 kleine Stempelchen (Bildquelle: Wikipedia), und die Wartezeit reduzierte sich auf 30 - 60 Minuten im Regelfall.
Ein gewisser Nervenkitzel blieb.
Pannenhilfe
Als Student und Klapperkistenfahrer hatte man auf der Transitstrecke eine Sicherheit:
Auch wenn das Auto liegen bleibt - raus aus der DDR kommt man immer.
Die Volkspolizei fackelte dann nicht lang und nötigte ahnungslose "Westbürger" zum Schleppen, zur Pannenhilfe oder zur Herausgabe benötigter Ersatzteile.
Dies war sogar mal Thema eines "Tatort"-Krimis, in dem die Vopo den eh schon unter Zeitdruck stehenden Marius Müller-Westernhagen dazu verdonnerte, einem Senioren den Reifen zu wechseln ...
Ich kam 1974 in den Genuss dieser Regelung, als mir kurz vor Potsdam der Gaszug riss.
Ein VW-Busfahrer hatte noch vor Eintreffen der Volkspolizei von sich aus gehalten
("Das erlebt man aber selten, dass ein Westbürger dem anderen hilft")
und montierte mein morsches Schleppseil, das schon nach einigen Metern riss.
Während die erste Streifenwagenbesatzung den VW-Bus wieder einfing, stoppte die zweite einen mir bis heute unbekannt gebliebenen "Westbürger" und knöpfte ihm sein nagelneues Drahtschleppseil ab, das ich danach noch Jahre in Besitz hielt, als mein Auto, zu dessen Bergung es gedient hatte, schon längst Schrott war ...
Sammeltransport
Durch die DDR im Transit nach West-Berlin fuhren die meisten ungern allein, weshalb die Bereitschaft, Tramper mitzunehmen, größer war als sonst (inzwischen sind Tramper so selten geworden, dass man diese Spezies unter Artenschutz stellen müsste).
Andererseits musste man Verkehrsregeln beachten, die zwar im Westen auch galten, aber nicht so genau genommen wurden, wzB. KFZ-Schein dabei haben
ZitatEi wo isser denn schon wieder ??!
oder nicht mehr Leute ins Auto stopfen als zugelassen.
So passen auf den Rücksitz eines Renault R 4 3 Normalgewichtige, und nicht nur 2, wie erlaubt.
Ich fuhr also mit meinem Bruder Anfang der 80er von Frankfurt/Main gen Berlin, in besagtem R4. Unterwegs wurden wir von einer anderen R4-Besatzung - 5 Frauen - angesprochen, ob wir nach Berlin führen und eine von ihnen aus den o.g. Gründen mitnehmen könnten. Wir bejahten beides, eine der Frankfurterinnen stieg um, so waren wir drei.
An der Raststätte Seesen wurden wir von zwei 15-jährigen Punkerinnen angefleht, ob wir sie nicht nach Berlin mitnehmen könnten - es sei kalt, und sie warteten schon so lang. Wir sagten dies bis zur letzten Raststätte vor der Grenze zu, weiter nicht, wg. der o.g. Vorschrift (platztechnisch wär es angesichts der Unterernährung der Beiden sowie des geringen Gepäcks - 1 Plastiktüte - kein Problem gewesen).
Momentan waren wir also fünf - eine/r zuviel.
Kurz vor Braunschweig (letzte Raststätte !) stoppten wir einen VW-Bus - so einer - der uns vom Outfit her so aussah, als würde er Tramperinnen mitnehmen. Grundsätzlich war der von uns unkonventionell gestoppte Fahrer auch bereit dazu, hatte allerdings nur noch einen "legalen" Platz. Also wechselte die Frankfurterin wieder das Fahrzeug ...
Jetzt waren wir ordnungsgemäß vier, und somit DDR-Transit-fähig.
An der Grenze ein kleines Missverständnis auf die obligatorische Frage, ob wir Kinder dabei hätten, was wir verneinten (ich spürte schon den heissen Atem der Punkerinnen im Nacken). Die DDR-Grenzer waren im Transit inzwischen toleranter geworden und sahen mir das nicht weiter nach, akzeptierten auch die Personalpapiere unserer Mitreisenden, obwohl die Passbilder mit dem aktuellen Äusseren nicht mehr das Geringste zu tun hatten.
Der Rest der Fahrt verlief störungsfrei.
Lediglich in Drewitz (DDR-Ausreise-Kontrollpunkt) trafen die Frankfurterinnen wieder auf uns, wollten wissen, wo ihre Mitstreiterin geblieben sei, und waren "not amused" ...
"Kraftfahrer"
Ca. 1985 fuhr ich wieder mal von Berlin nach Hessen
und nahm, wie so oft, jemand von der Mitfahrzentrale mit.
Da es eine lange Strecke war,
liess ich die Mitfahrer, wenn sie denn dazu in der Lage waren,
auch mal ein Stück fahren und machte ein kleines Nickerchen auf dem Beifahrersitz.
Dieser Mitfahrerin passierte jetzt an einer Kontrollstelle das Malheur,
dass sie einen Moment nicht genau wusste, auf welcher Spur sie weiterfahren sollte,
und deshalb die durchgezogene Linie zwischen den beiden Spuren überfuhr.
Gefährdet wurde dabei niemand, aber den Volkspolizisten hättet Ihr mal hören sollen !
Er verlangte den Führerschein der Verkehrssünderin
und hielt ihr einen langen Vortrag
"Nu, Groftfohrer,
Se dirfn doch nich über die ünündrbrochne Linie fohrn,
des dirfn Se doch in dr BRD (sprich: "Bä-Är-Däääh") ooch nich ...", undsoweiter
Dabei sprach er sie mit "Kraftfahrer" an, obwohl er ihren Namen vor sich hatte ...
Die ganze Vorführung endete mit der Maßnahme:
"Nu, Groftfohrer,
hiermidd erdeile ich Ihnen ääne gebiehrenpflicht'che Vrwornung
in Höhe von DM 20 (Dä-Äm Zwonsisch)."
Wir bezahlten und verliessen dieses gastliche Land
unter weitgehendster Beachtung der Verkehrsvorschriften.
Ihren Spitznamen hatte die Arme für den Rest der Fahrt allerdings weg.
In Gießen trug ich ihr den Koffer über die Treppe ihres Elternhauses
und verabschiedete mich:
"Tschüss, Kraftfahrer !"
Gelegentlich hab auch ich mich in Westberlin-Dreilinden zu den übrigen Trampern gesellt und mein Glück versucht - abends war ich auch fast immer da, wo ich hinwollte.
Eine "Chauffeuse" aus dieser Zeit (sie hat mich bis heidelberg mitgenommen), hat die DDR-Volkspolizei mit angeblichen 115 erwischt (max. 100 war erlaubt).
Sie fragte die Herrschaften dann nach der rechtlichen Grundlage ihres Tuns, darauf gaben sie ihr einen dicken Wälzer, nämlich die DDR-Straßenverkehrsordnung, auf den Fahrersitz zum Lesen, damit sie sich ihre Strafe sozusagen selber aussuchen konnte ...
War doch nett, oder ?
Der Strafrahmen belief sich auf 15 bis 150 DM, von daher blieben sie mit letztendlich 50 DM im unteren Rahmen. Die Genossen Volkspolizisten hatten nämlich sozial gestaffelte Tarife - man sagte mir mal, bei BMW- oder Mercedesfahrerrn wär's teurer geworden.
Zeitreise ins Jahr 1988 ...
(Bilder von mir, mit Ritschratsch-Billigstkamera, ausser dem letzten, das ist geklaut)
Die Berliner Mauer steht noch, aber manchmal wackelt sie schon.
Am Brandenburger Tor allerdings ist sie unüberwindbar ...
Irgendein Witzbold hat ganz unten auf dem Schild die Frage gestellt: Wie denn ?
Ganz in der Nähe des Brandenburger Tors war dies ein paar Wochen lang möglich -
auf dem Lenné-Dreieck, das im Juni 1988 eine Zwitter-Stellung im Ost-West-Verhältnis einnahm,
mehr dazu hier :klick:
In diesen Tagen kam ich nach Berlin und freute mich an der wildwuchernden Natur mitten in der Stadt,
die wachsen durfte, wie sie wollte, weil sie -noch- zum Osten gehörte ...
Der Jasmin durftete, aus der Nähe hörte man die Trommler aus dem Hüttendorf,
das als Symbol des Widerstands gegen die Kahlschlagpolitik des (West)Berliner Senats gebaut worden war :link:
Am 1. Juli 1988 war es damit vorbei.
Ab diesem Tag durfte die West-Berliner Polizei das Gelände betreten.
Dann, wenn immer solche Räumungen stattfinden, nämlich in den frühen Morgenstunden,
wurde der Platz gestürmt, das Hüttendorf zerstört und alle Besetzer, die man erwischen konnte, verhaftet.
Ein Teil derselben jedoch hatte sich -einmalig in der Berliner Mauergeschichte- nach Osten abgesetzt;
auf der Ostseite hatte die NVA Lastwagen als Mauerübersteighilfe bereit gestellt.
Von den West-Ost-Flüchtlingen wurden die Personalien aufgenommen - und wenn sie keinen Ausweis dabei hatten,
spielte das auch keine Rolle (ein völlig neues DDR-Gefühl !!), und danach gab's Frühstück.
Anschliessend wurden die Besetzer zu verschiedenen Grenzübergängen gebracht und noch mit Tipps versehen,
wie man der West-Berliner Polizei am besten entgehen könnte ...
Als ich im November 1989 das Lenné-Dreieck wiedersah, gab's dort nichts als streichholzkurzen Rasen.
Und so sieht's dort heute aus ...